Verwaltungsrecht

Aufenthaltsbeschränkung

Aktenzeichen  19 CS 21.1634

Datum:
2.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23039
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 61 Abs. 1 c

 

Leitsatz

Verfahrensgang

B 6 S 21.393 2021-05-20 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller, ein am 15. Dezember 1981 geborener nigerianischer Staatsangehöriger, der mit seiner Lebensgefährtin am 1. November 2016 in das Bundesgebiet einreiste, der nach erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens seit 12. April 2019 vollziehbar ausreisepflichtig ist und trotz vielfacher Belehrungen über seine Mitwirkungspflichten bislang keine Identitätspapiere beschafft hat (einem zur Botschaftsvorsprache verpflichtenden Bescheid vom 21.10.2019 ist er nicht nachgekommen; zwangsweise Vorführung vor der Botschaft aufgrund Bescheides vom 20.7.2020, zur Ausstellung von Heimreisedokumenten kam es wegen einer vom Antragsteller geltend gemachten, nicht näher bezeichneten schweren Erkrankung der Lebensgefährtin nicht), seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiterverfolgt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 3. März 2021 anzuordnen bzw. wiederherzustellen, ist nicht begründet. Mit diesem Bescheid wurde der Aufenthalt des Antragstellers unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf das Stadtgebiet B. beschränkt.
Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Der Antragsteller rügt, bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung verletze den Antragsteller in seinen Rechten, da keine ausreichende Begründung für die Anordnung des Sofortvollzuges vorliege. Die Ausführungen im Bescheid erfüllten nicht die besondere Begründungspflicht. Auch so sei es für den Antragsteller nicht möglich, seinen Aufenthaltsort im Bundesgebiet frei zu wählen. Aus der Duldung des Antragstellers ergebe sich, dass bereits die Wohnsitznahme auf das Stadtgebiet B. beschränkt sei. Auch ansonsten könnten Duldungsinhaber, die vollziehbar ausreisepflichtig seien, nicht ohne weiteres ihren Aufenthaltsort wechseln, sondern dürften dies ab einem Verlassen von 3 Tagen nur mit Genehmigung (§ 50 Abs. 4 AufenthG). Weiterhin sei nichts bekannt und auch nicht aus der Akte ersichtlich, dass der Antragsteller den Aufenthaltsort in B. bisher unerlaubterweise für längere Zeit verlassen hätte. Auch sei ein Untertauchen des Antragstellers schlechthin nicht zu erwarten, da seine Lebensgefährtin hochschwanger sei und er diese niemals alleine lassen würde. Der Antragsteller und seine Lebensgefährtin hätten sich sogar einer Kinderwunschbehandlung unterzogen, damit die Frau schwanger werden konnte. Aus diesen Gründen könne nicht davon ausgegangen werden, dass beim Antragsteller in irgendeiner Art und Weise eine Gefahr des Untertauchens bestehe. Die Anordnung einer räumlichen Beschränkung mit Sofortvollzug stehe in keinem kausalen Zusammenhang mit der Gefahr eines Untertauchens. Die Aktenführung des Antragsgegners könne nicht als ordnungsgemäß angesehen werden. Die Akten seien nicht durchnummeriert und es sei nicht ersichtlich, ob es sich um die gesamte Akte handle oder ob Aktenteile entfernt worden seien. Aus der dem Antragstellerbevollmächtigten übermittelten Teilakte ergebe sich, dass dem Antragsteller nicht vorgeworfen werden könne, seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen zu sein. Zwar sei er mit Bescheid vom 21. Oktober 2019 zur Botschaftsvorsprache aufgefordert worden, dieser Bescheid sei dem Prozessbevollmächtigten jedoch erst am Freitag, den 8. November 2019 zugestellt worden, sodass dieser Bescheid für den Vorsprachetermin am 12. November 2019 nicht erfüllbar gewesen sei. Der weitere Bescheid vom 20. Juli 2020 sei dem Prozessbevollmächtigten in rechtswidriger Art und Weise gar nicht mehr zugestellt worden, sondern dem Antragsteller im Rahmen der zwangsweisen Durchführung persönlich direkt am 24. Juli 2020 ausgehändigt worden. Rechtsmittel und eine Dienstaufsichtsbeschwerde des Verfahrensbevollmächtigten seien bis heute nicht bearbeitet worden. Es sei ein Unding, am 20. Juli 2020 einen Bescheid zu erlassen, der eine Pflicht am 24. Juli 2020 nach sich ziehe; dies sei zeitlich viel zu kurz bemessen. Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung müsse zulasten des Antragsgegners ausfallen. Die im streitgegenständlichen Bescheid angegebene Rechtsgrundlage des § 61 Absatz 1c Satz 2 Alt. 3 AufenthG liege nämlich nicht vor. Es könne keine Rede davon sein, dass der Antragsteller zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt hätte. Dies belege bereits die Tatsache, dass der Antragsteller durch den Antragsgegner im Jahre 2020 zu einem Außentermin der nigerianischen Auslandsvertretung in M. zwangsweise vorgeführt worden sei. Auch wäre es erforderlich gewesen, dass der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller konkrete Anforderungen stelle. So hätte der Antragsgegner den Antragsteller auffordern können, unter Aushändigung seiner Originaldokumente wie zum Beispiel des Zertifikats über seine Identität, seiner Geburtsurkunde sowie den weiteren Unterlagen bei der zuständigen Auslandsvertretung vorzusprechen. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen dies nicht geschehen sei. Es werde darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner weder in seinen Anhörungsschreiben noch im streitgegenständlichen Bescheid in irgendeiner Weise konkrete zumutbare Anforderungen an den Antragsteller aufgegeben habe. Der Antragsteller sei nicht verpflichtet, irgendwelche Tätigkeiten auszuüben, die von vornherein erfolglos seien. Auch im streitgegenständlichen Bescheid sei nichts dahingehend ersichtlich, welche konkreten Maßnahmen der Antragsteller hätte unternehmen sollen. Der Hinweis auf die Erfüllung der Wehrpflicht bzw. der Abgabe einer “Freiwilligkeitserklärung” sei in diesem Verfahren unbehelflich und nicht zielführend, da Nigeria keine Freiwilligkeitserklärung fordere. Auch sei bei dem Antragsteller zu berücksichtigen, dass er lediglich 6 Jahre die Schule besucht habe. Es könne nicht erwartet werden, dass Personen mit niedrigem Bildungsniveau irgendwelche gesetzlichen Fristen oder Verpflichtungen leicht erkennen könnten. Ihnen müsse dies in einfacher und verständlicher Sprache dargelegt werden. Dies sei bisher nicht erfolgt. Der Antragsgegner habe dahingehend eine Initiativpflicht zu erfüllen.
Diese Ausführungen, die in Anbetracht des Verfahrensgangs, insbesondere der vielfachen Hinweise des Antragsgegners auf die Verpflichtung zur Beschaffung von Identitätspapieren (am 20.8.2019, 26.11.2019, 16.1.2020, 28.7.2020 und 16.11.2020), der Weigerung des Antragstellers vom 1. April 2019, einen Passersatzpapierantrag zu unterzeichnen, des Belehrungsschreibens vom 23. Juli 2020, der bereits mit Bescheiden vom 21. Oktober 2019 und 20. Juli 2020 ausgesprochenen expliziten Verpflichtung zur Vorsprache bei der Botschaft zur Beantragung eines Reisedokumentes und der Tatsache, dass der Antragsteller seit dem 14. August 2020 nur noch im Besitz einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität ist, schwerlich nachvollziehbar sind, können den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht in Frage stellen. Es ist weder ersichtlich, dass der Antragsteller intellektuell nicht in der Lage sein sollte, seine von der Behörde hinreichend und mehrfach konkretisierten Mitwirkungspflichten zu erfassen, noch dass er jemals ernsthafte oder zielführende Bemühungen zur Passbeschaffung entfaltet hätte und seinen Mitwirkungspflichten auch nur ansatzweise nachgekommen wäre. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das besondere Vollzugsinteresse für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet ist (1.). Die Abwägung des Verwaltungsgerichts, wonach das Interesse des Antragstellers, die verfügte Aufenthaltsbeschränkung auf das Stadtgebiet B. vorläufig zu dispensieren, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beschränkung nicht überwiegt, ist nicht zu beanstanden (2.).
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der verfügten Aufenthaltsbeschränkung wurde gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ordnungsgemäß begründet.
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, in dem die sofortige Vollziehung u.a. im öffentlichen Interesse von einer Behörde angeordnet wird, das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen.
Wenngleich der Gesetzgeber dadurch, dass er in § 84 AufenthG für Anordnungen nach § 61 Abs. 1c AufenthG nicht das gesetzliche Entfallen der aufschiebenden Wirkung einer Klage angeordnet und damit nicht per se ein Bedürfnis für eine sofortige Durchsetzbarkeit der Anordnung gesehen hat (vgl. OVG LSA, B.v. 25.4.2018 – 2 M 24/18 – juris Rn. 5), kann bei aufenthaltsbeschränkenden Anordnungen nach § 61 Abs. 1c AufenthG, die letztlich dazu dienen, den vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer enger an den Bezirk der Ausländerbehörde zu binden, eine bessere Erreichbarkeit für etwaige Mitwirkungshandlungen zu gewährleisten und ein mögliches Untertauchen zu erschweren (vgl. BT-Drs. 18/11546, S. 22), das besondere Vollzugsinteresse identisch sein mit dem Erlassinteresse, was sich aus dem Vergleich mit dem gesetzlichen Wegfall der aufschiebenden Wirkung bei Anordnungen gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1a und 2 AufenthG ergibt (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2021 – 19 CS 20.261 – juris Rn. 11). Insoweit ist zudem in den Blick zu nehmen, dass es sich bei § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG um eine Soll-Vorschrift handelt.
Dem Sinn und Zweck des Begründungszwangs genügend hat der Antragsgegner das besondere Vollzugsinteresse zutreffend damit begründet, dass im Interesse einer zeitnahen Beendigung des Aufenthalts von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern eine freie Wahl des Aufenthaltsortes nicht hingenommen werden könne, vielmehr der Antragsteller im räumlichen Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde verfügbar sein müsse. Hierin ist eine ordnungsgemäße Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu erkennen.
2. Das Interesse an einer sofortigen Vollziehbarkeit der Aufenthaltsbeschränkung zum Zwecke der gesetzlich intendierten zeitnahen Aufenthaltsbeendigung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers; die angefochtene Aufenthaltsbeschränkung wird sich angesichts der fehlenden Mitwirkungsbemühungen des Antragstellers und der seit langem bestehenden vollziehbaren Ausreisepflicht als voraussichtlich rechtmäßig erweisen.
In § 61 AufenthG ist die räumliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger insbesondere im Wege einer Wohnsitzauflage sowie die Schaffung von Ausreiseeinrichtungen geregelt. Während § 61 Abs. 1 bis Abs. 1b AufenthG die räumliche Beschränkung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auf das Gebiet eines Landes bzw. einer Ausländerbehörde und das Erlöschen dieser Beschränkungen nach drei Monaten regelt, kann nach § 61 Abs. 1c AufenthG weitergehend eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers angeordnet werden, wenn u.a. konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung bevorstehen. Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeigeführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt (§ 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller “offensichtlich” nicht alle ihm zumutbaren Bemühungen zur Beschaffung eines gültigen Reisepasses unternommen hat und aus der Gesamtschau des Verhaltens des Antragstellers “ohne weiteres ersichtlich” ist, dass er “jegliche” Bemühungen unterlassen hat, um zu einem Pass zu kommen. Das Beschwerdevorbringen, wonach der Antragsteller aufgrund seiner geringen Schulbildung intellektuell nicht in der Lage sein sollte, die Verpflichtung zur Beschaffung eines Identitätspapieres zu erfassen, und wonach der Antragsgegner die dem Antragsteller obliegende Mitwirkungsverpflichtung nicht hinreichend konkretisiert habe, ist in Anbetracht der dem Antragsteller vielfach erteilten Hinweise der Behörde, der ihm gegenüber verfügten Bescheide zur Vorsprache bei der Botschaft und in Anbetracht der Tatsache, dass er seit August 2020 nur noch über einen Duldungsstatus für Personen mit ungeklärter Identität verfügt, schlichtweg nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon war der Antragsteller stets anwaltlich vertreten, sodass der Prozessbevollmächtigte dem Antragsteller die von der Behörde mehrfach und hinreichend konkretisierten Handlungspflichten hätte begreiflich machen können. Dass zudem jegliche Mitwirkungsbemühung von vornherein erfolglos sein könnte, wird lediglich unsubstantiiert behauptet und ist nicht ersichtlich. Entgegen dem Beschwerdevorbringen waren die in den Bescheiden vom 21. Oktober 2019 und vom 20. Juli 2020 gesetzten Fristen zur Vorsprache bei der Botschaft nicht zu kurz bemessen. So wurde nach unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners bis zum 4. November 2019 versucht, den Bescheid vom 21. Oktober 2019 an den Antragsteller persönlich zuzustellen; dieser habe sich jedoch geweigert, Schreiben der zentralen Ausländerbehörde anzunehmen. Keines der genannten Schriftstücke habe an den Antragsteller gegen Unterschrift ausgehändigt werden können. Ausweislich einer in der Behördenakte befindlichen Bestätigung seitens der Unterkunft wurde der Bescheid vom 21. Oktober 2019 dem Antragsteller am 4. November 2019 übergeben; an den Prozessbevollmächtigten wurde der Bescheid am 5. November 2019 per Telefax übermittelt. Eine Erfüllung der für den 12. November 2019 verfügten Verpflichtung wäre mithin in jedem Fall möglich gewesen. Der Antragsgegner hat im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass es gemäß Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG im Ermessen der zuständigen Behörde steht, ob sie einen Verwaltungsakt an den beteiligten Betroffenen selbst oder an dessen Bevollmächtigten bekannt gibt.
Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach es demnach keiner zusätzlichen Erläuterung bedarf, dass der Antragsteller zumutbare Handlungen bisher konsequent unterlassen hat, schließt sich der Senat an. Der Antragsteller hat keinerlei zumutbare Anforderungen zur Erlangung von Identitätspapieren erfüllt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist eine – zumal erfolglose – zwangsweise Vorführung des Antragstellers bei der Auslandsvertretung nicht geeignet, die Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht zu belegen. Im Gegenteil wurde die zwangsweise Vorführung überhaupt erst erforderlich, nachdem der Antragsteller einem vorangegangenen Bescheid zur Botschaftsvorsprache und auch sonstigen Hinweisen auf seine Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen ist. Die unzureichende Erfüllung der Mitwirkungsverpflichtung des Antragstellers ergibt sich eindeutig aus der Behördenakte; die vom Antragsteller angeführte Rüge hinsichtlich der Aktenführung der Behörde ist insoweit unbehelflich.
Gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler lassen sich bei der Anordnung der räumlichen Beschränkung nicht erkennen (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 BayVwVfG). Nach dem Wortlaut der Vorschrift soll eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde angeordnet werden. Dies bedeutet, dass lediglich bei Vorliegen atypischer Umstände die Anordnung unterbleiben muss. Ein atypischer Fall, der dann vorliegt, wenn die Besonderheiten des Einzelfalls bzw. höherrangiges Recht ein Abweichen nahelegen könnten, ist auch unter Berücksichtigung der Schwangerschaft der Lebensgefährtin bzw. einer zwischenzeitlichen Niederkunft nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, warum die Ausgestaltung der Norm als Soll-Vorschrift für eine Anwendung des § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG nur bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen des § 61 Abs. 1c Satz 1 AufenthG sprechen sollten, liegen schon dem Wortlaut nach nicht vor. Es entspricht zudem dem Zweck des § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG, Personen, die ihre Mitwirkungspflichten nicht erfüllen, räumlich näher an die zuständige Ausländerbehörde zu binden und ihren Aufenthalt noch weiter einzuschränken. Aufenthaltsbeschränkende Anordnungen nach § 61 Abs. 1c AufenthG dienen einer besseren Überwachung der Erfüllung der Ausreisepflicht (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 92) und setzen nicht die konkrete Gefahr des Untertauchens voraus (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2021 – 19 CS 20.261 – juris Rn. 15). Auch sind im Rahmen des § 61 Abs. 1c Satz 2 letzte Alternative AufenthG bereits konkret bevorstehende Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung nicht erforderlich. Dass im vorliegenden Fall die gesetzlich bestehende Aufenthaltsbeschränkung bzw. die Wohnsitznahmeverpflichtung nicht ausreichend, sondern eine weitergehende Aufenthaltsbeschränkung erforderlich ist, wird bereits daran deutlich, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Verpflichtung zur Botschaftsvorsprache am 12. November 2019 nicht möglich war, da sich der Antragsteller und seine Lebensgefährtin an diesem Tag in der Kinderwunschklinik in E. befanden und somit (trotz der durch Bescheid ausgesprochenen Verpflichtung) nicht verfügbar waren. Hätte der Antragsteller für ein Verlassen des Stadtbezirkes zuvor eine Genehmigung beantragen müssen, wäre eine Wahrnehmung des Termins bei der Botschaft wahrscheinlicher und erfolgsversprechender gewesen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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