Verwaltungsrecht

Aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine mit einer 30-tägigen Ausreisefrist nach § 38 Abs. 1 AsylG verbundene Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG und daraus resultierende Unstatthaftigkeit des Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO Feststellung der aufschiebenden Wirkung entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO nur in Fällen der sog. faktischen Vollziehung (hier verneint), Nur ausnahmsweise vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO gegen den etwaigen künftigen Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG (hier verneint)

Aktenzeichen  AN 18 S 21.50206

Datum:
10.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35966
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123 Abs. 1
AsylG § 34a Abs. 1 Satz 4
AsylG § 38 Abs. 1
AsylG § 75 Abs. 1 Satz 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit einer Ausreiseaufforderung und einer Abschiebungsandrohung verbundene Ablehnung ihrer Asylanträge als unzulässig wegen der Zuständigkeit eines anderen Staates.
Die Antragsteller, weißrussische Staatsangehörige christlichen Glaubens, sind eine Familie, bestehend aus den Eltern, dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2), sowie zwei minderjährigen Kindern, der Antragstellerin zu 3) und dem Antragsteller zu 4).
Sie waren zunächst am 22. Mai 2019 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hatten Asylgesuche geäußert, die mit – inzwischen bestandskräftigen – Bescheiden des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 26. August 2019 (Geschäftszeichen: … und …) unter Bezugnahme auf eine Zuständigkeit Polens als unzulässig abgelehnt worden waren. Im Frühjahr 2020 waren die Antragsteller freiwillig in ihre weißrussische Heimat zurückgekehrt.
Am 22. April 2021 reisten die Antragsteller auf dem Luftweg von Weißrussland erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am selben Tag die Durchführung eines erneuten Asylverfahrens. Im Zuge der Asylantragstellung brachten der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) ihre weißrussischen Reisepässe in Vorlage, die jeweils ein polnisches Visum der Kategorie D enthielten (Visum-Nr. …, gültig vom … bis zum … 2021, bzw. Visum-Nr. …, gültig vom … bis zum … 2021).
Im Rahmen persönlicher Anhörungen durch das Bundesamt am 17. Mai 2021 gaben der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) übereinstimmend an, dass sich sowohl sie selbst als auch ihre Kinder im Besitz gültiger polnischer Visa befänden. Des Weiteren leide ihre Tochter, die Antragstellerin zu 3), an einer schweren und sehr seltenen Erkrankung, deren ausreichende Behandlung nur in Deutschland sichergestellt sei. Die Antragstellerin zu 2) gab außerdem an, sich in der 33. Schwangerschaftswoche zu befinden.
Daraufhin richtete die Antragsgegnerin am 18. Mai 2021 auf die Vorschrift des Art. 12 Abs. 2 oder 3 Dublin III-VO gestützte Aufnahmegesuche an die polnische Dublin-Einheit. Die polnischen Behörden nahmen diese Gesuche jeweils mit Schreiben vom 21. Mai 2021 an und erklärten darin – unter Berufung auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO – ihre Zuständigkeit für die Prüfung der Asylanträge der Antragsteller.
Am … 2021 wurde eine weitere Tochter der Familie geboren.
Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. August 2021, Geschäftszeichen: …, lehnte die Antragsgegnerin die Asylanträge als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG fest (Ziffer 2), forderte die Antragsteller innerhalb von 30 Tagen nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. – im Fall der Klageerhebung – nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland auf und drohte andernfalls die Abschiebung nach Polen an (Ziffer 3). In Ziffer 4 des Bescheids wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf zwölf Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde unter anderem auf eine Unzulässigkeit der Asylanträge nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG abgestellt, da Polen aufgrund der den Antragstellern erteilten gültigen Visa gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Die Androhung der Abschiebung nach Polen beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 4, § 34 AsylG, weil im Hinblick auf die andauernde Mutterschutzfrist – diese ende am 3. September 2021 – von einer vor-übergehenden Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2) auszugehen sei und daher noch nicht feststehe, zu welchem Zeitpunkt diese und in der Folge auch die übrigen Antragsteller nach Polen überstellt werden könnten.
Gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller am 26. August 2021 fristgerecht Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben (AN 18 K 21.50207) und das Gericht außerdem um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht.
Es bestehe jedenfalls ein Abschiebungsverbot bzw. sei die Antragsgegnerin zu einer Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet. Im Dublin-Zielland Polen sei eine fachgerechte Behandlung schwerwiegenden und seltenen Erkrankung der Antragstellerin zu 3) – eines Carboanhydrase II-Defekts mit renal tabulärer Azidose und Osteoporose, auch bekannt als Guibaud-Vainsel-Syndrom – nicht gewährleistet, so dass dieser dort eine konkrete Lebensgefahr bzw. eine unmenschliche Behandlung drohe. Vor diesem Hintergrund sei auch der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung begründet. Auch wenn eine terminierte Abschiebungsandrohung bislang noch nicht ergangen sei, sei eine solche nach Ablauf der Mutterschutzfrist der Antragstellerin zu 2) mit Sicherheit zu erwarten; schon jetzt bestehe daher ein Rechtsschutzbedürfnis für eine entsprechende gerichtliche Feststellung.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen sowie der Antragsgegnerin aufzugeben, von Abschiebemaßnahmen bis zur Entscheidung in der Hauptsache abzusehen und eine entsprechende Erklärung abzugeben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und dem Hauptsacheverfahren AN 18 K 21.50207 sowie auf die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte im dem Asylverfahren … sowie in den vorangegangenen Asylverfahren … und … verwiesen.
II.
Der Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, zu dessen Entscheidung nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Einzelrichter berufen ist, erweist sich nach allen in Betracht zu ziehenden Auslegungsvarianten (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO) als unzulässig.
Der von den Antragstellern wörtlich gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Ziel der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid vom 4. August 2021 fristgemäß erhobenen Anfechtungsklage erweist sich als unstatthaft, weil letzterer bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt (dazu unter 1.). Dasselbe gilt für einen Antrag entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Ziel der gerichtlichen Feststellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage, dessen Statthaftigkeit auf den – hier nicht einschlägigen – Fall der sog. faktischen Vollziehung beschränkt ist (dazu unter 2.). Ebenfalls unzulässig wäre schließlich ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, gerichtet auf vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz gegen einen etwaigen künftigen Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG (dazu unter 3.).
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist in der vorliegenden Fallkonstellation nicht statthaft, denn der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4. August 2021 kommt gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung im Sinne des § 80 Abs. 1 VwGO zu.
Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG hat die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz – neben den hier nicht einschlägigen Fällen der §§ 73, 73b und 73c AsylG – nur im Fall des § 38 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung. § 38 Abs. 1 AsylG bestimmt wiederum, dass in allen sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt einen Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, die diesem zu setzende Ausreisefrist 30 Tage beträgt (Satz 1) und im Fall der Klageerhebung 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet (Satz 2).
Ein „sonstiger Fall“ im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG liegt nach ganz überwiegender Meinung in der Rechtsprechung auch dann vor, wenn bei Ablehnung eines nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG unzulässigen Asylantrags eine Abschiebungsanordnung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (noch) nicht ergehen kann und das Bundesamt deshalb gemäß § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat androht (so etwa VG Düsseldorf, B.v. 14.11.2016 – 22 L 2936/16.A – juris Rn. 22; VG München, B.v. 20.12.2016 – M 21 S 16.35313 – juris Rn. 19 ff; VG Bayreuth, B.v. 4.4.2017 – B 3 S 17.50316 – juris Rn. 25; VG Augsburg, Gb.v. 21.3.2018 – Au 4 K 17.35681 – juris Rn 14; VG Magdeburg, U.v. 14.10.2019 – 8 A 274/19 – juris Rn. 61; VG Würzburg, U.v. 3.4.2020 – W 10 K 19.30677 – juris Rn. 34 f.; VG Ansbach, U.v. 24.9.2021 – AN 14 K 20.50126 – juris Rn. 28). Dieser Ansicht schließt sich auch der erkennende Einzelrichter an.
Für ein derartiges Verständnis sprechen neben der Entstehungsgeschichte des § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG auch gesetzessystematische und teleologische Überlegungen. Die betreffende Vorschrift wurde durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I 1939) mit Wirkung vom 6. August 2016 in das Asylgesetz eingefügt, welches zum damaligen Zeitpunkt lediglich in den von §§ 36 und 37 AsylG a.F. erfassten Fällen der Ablehnung des Asylantrags als unbeachtlich bzw. als offensichtlich unbegründet eine spezielle Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung enthielt und die Abschiebungsandrohung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG für den Regelfall der Ablehnung des Asylantrags als (einfach) unbegründet vorsah. Schon nach dieser vom Änderungsgesetzgeber vorgefundenen Gesetzessystematik wurde die Formulierung „in den sonstigen Fällen“ des § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 17.8.2010 – 10 C 18.09 – juris Rn. 14) als Abgrenzung von den vorangestellten §§ 36 und 37 AsylG a.F. verstanden.
Des Weiteren käme, soweit § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG keine Anwendung auf die Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG fände, nur eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 1 AsylG in Betracht. Denn das Asylgesetz enthält keine dem § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vergleichbare Regelung, welche lediglich einen Rahmen für die von der Behörde im Einzelfall zu bemessende Ausreisefrist festlegt. Für eine derartige Analogie besteht aber weder ein Bedürfnis noch eine gesetzessystematische Rechtfertigung, wenn das Bundesamt – wie vorliegend – im Fall der Unzulässigkeit eines Asylantrags wegen Zuständigkeit eines anderen Staates nach der Dublin III-VO von der nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG regelmäßig zu erlassenden Abschiebungsanordnung absieht, weil diese aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht ergehen kann, und stattdessen nach Maßgabe von § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG eine Abschiebungsandrohung erlässt. Insbesondere lässt sich der hinter der einwöchigen Ausreisefrist des § 36 Abs. 1 AsylG und den korrespondierenden Fristen für einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 36 Abs. 2 Satz 1 AsylG) sowie zur Erhebung der Klage (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG) stehende Beschleunigungsgedanke nicht auf die Konstellation des § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG übertragen. Denn diese Regelung wurde gerade für diejenigen Fälle geschaffen, in denen noch nicht feststeht, dass bzw. mit welchen Maßgaben die Abschiebung durchgeführt werden kann, und damit ein kurzfristiger Vollzug der Abschiebung nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus würde sich eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 1 AsylG ohne ein dies rechtfertigendes Bedürfnis in einer Vielzahl der Fälle zulasten des betroffenen Ausländers auswirken, weil sie die Festsetzung einer wesentlich kürzeren Ausreisefrist von einer Woche (anstatt 30 Tagen) sowie im Umkehrschluss zu § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer hiergegen erhobenen Klage zur Folge hätte (vgl. zum Ganzen: VG München, B.v. 21.12.2016 – M 21 S 16.35313 – juris Rn. 25 ff.; VG Würzburg, U.v. 3.4.2020 – W 10 K 19.30677 – juris Rn. 35).
2. Es liegt daneben auch kein Fall der sogenannten faktischen Vollziehung vor, in welchem einstweiliger Rechtsschutz in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4. August 2021 festzustellen wäre.
Die Statthaftigkeit eines derartigen Antrags entsprechend § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt voraus, dass objektiv ein Verwaltungsakt vorliegt, der wegen einer Anfechtung nach § 80 Abs. 1 VwGO der aufschiebenden Wirkung unterliegt und der von der Behörde dennoch vollzogen wird (Schoch/Schneider/Schoch, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 80 Rn. 353). Daran fehlt es hier. Wie vorstehend aufgezeigt, kommt der gegen den Bescheid vom 4. August 2021 erhobenen Anfechtungsklage gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG aufschiebende Wirkung zu. Es ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragsgegnerin unter Missachtung dieser aufschiebenden Wirkung den Bescheid vom 4. August 2021 – und insbesondere die in dessen Ziffer 3 enthaltene Abschiebungsandrohung – gleichwohl vollzogen hätte oder dies beabsichtigen würde.
Im Gegenteil scheint sich auch die Antragsgegnerin der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4. August 2021 durchaus bewusst zu sein. So hat sie die Antragsteller in Ziffer 3 dieses Bescheids unter Setzung einer Ausreisefrist von 30 Tagen nach dessen Bekanntgabe bzw. – im Fall einer Klageerhebung – nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert und ihnen andernfalls die Abschiebung nach Polen angedroht. Dies entspricht der durch § 34a Abs. 1 Satz 4 und § 38 Abs. 1 AsylG geregelten Vorgehensweise. Ebenso hat die Antragsgegnerin die Antragsteller in der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:zutreffend über die – auch in den Fällen des § 38 Abs. 1 AsylG gültige – zweiwöchige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG belehrt.
3. Soweit schließlich das weitere Begehren der Antragsteller, der Antragsgegnerin aufzugeben, von Abschiebemaßnahmen bis zur Entscheidung in der Hauptsache abzusehen und eine entsprechende Erklärung abzugeben, auf vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz gegen einen etwaigen künftigen Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gerichtet sein sollte, erweist sich auch ein derartiger Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO als unzulässig, weil es bereits an dessen Statthaftigkeit, jedenfalls aber an dem insoweit erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Zwar kann ausnahmsweise ein Bedürfnis für die Gewährung vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine künftige Abschiebungsanordnung bestehen. Hiervon wird namentlich dann auszugehen sein, wenn dem Ausländer die Abschiebungsanordnung erst unmittelbar vor dem Vollzug der Aufenthaltsbeendigung bekannt gegeben wird und dieser daher keine Möglichkeit mehr hat, die Abschiebung durch die Stellung eines – erst nach Erlass der Abschiebungsanordnung statthaften – Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vorläufig zu verhindern. In dieser Fallkonstellation soll ausnahmsweise ein – als vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz bereits vor Erlass der Abschiebungsanordnung ansetzender – Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO nach allgemeinen verwaltungsprozessrechtlichen Grundsätzen statthaft sein (BeckOK-AuslR/Pietzsch, 30. Ed. 1.4.2021, § 34a AsylG Rn. 33).
An diesen Voraussetzungen – und damit an der Statthaftigkeit des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO bzw. an dem hierfür notwendigen Rechtsschutzbedürfnis – fehlt es hier. Es ist weder substantiiert geltend gemacht noch anderweitig zu ersehen, dass der – nach Wegfall des von der Antragsgegnerin während der Mutterschutzfrist der Antragstellerin zu 2) angenommenen Abschiebehindernisses – grundsätzlich in Betracht zu ziehende Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG den Antragstellern nicht rechtzeitig vor einer dann drohenden Abschiebung nach Polen bekanntgegeben würde und ihnen damit die Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht mehr möglich wäre. Vielmehr wäre eine derartige Abschiebungsanordnung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 5 AsylG förmlich an die Antragsteller selbst zuzustellen und daneben auch deren Bevollmächtigten in Abdruck zuzuleiten (§ 31 Abs. 1 Satz 7 AsylG). Dass den Antragstellern trotz dieser Verfahrenserfordernisse, von deren Beachtung durch das Bundesamt im Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte vorliegend auszugehen ist, die Erlangung nachträglichen vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine etwaige Abschiebungsanordnung durch einen innerhalb der einwöchigen Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG zu stellenden Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht mehr möglich oder zumutbar wäre, ist nach alledem nicht zu ersehen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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