Verwaltungsrecht

Außerbetriebsetzung eines Kfz, Nichtbestehen der Haftpflichtversicherung

Aktenzeichen  M 23 S 22.963

Datum:
7.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18669
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FZV § 25 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens
III. Der Streitwert wird auf EUR 1250,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Halter des Krads mit dem amtlichen Kennzeichen …, das am 18. Juni 2021 auf ihn angemeldet worden war.
Am 2. Dezember 2021 zeigte die … Versicherung … dem Antragsgegner an, dass der Versicherungsschutz für das Fahrzeug zum 18. Juni 2021 erloschen sei.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 2. Dezember 2021, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 15. Dezember 2021 an die Adresse des Bevollmächtigten des Antragstellers in die O.str. … in U., wurde der Antragsteller durch den Antragsgegner aufgefordert, unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Tagen nach Zustellung des Bescheides entweder nachzuweisen, dass eine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kfz-Haftpflichtversicherung (wieder) besteht oder das Fahrzeug außer Betrieb setzen zu lassen (Ziff. 1 des Bescheides), widrigenfalls ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 200,- angedroht wurde (3.). Sofortvollzug der Ziffer 1 wurde angeordnet (2.). Der Antragsteller wurde zur Kostentragung verpflichtet. Für den Bescheid wurden Kosten (Gebühren und Auslagen) in Höhe von 41,11 EUR festgesetzt (4.).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Anordnung in Ziff. 1 des Bescheides aufgrund § 25 Abs. 4 FZV erfolge, nachdem der Versicherungsschutz laut Meldung der Versicherung des Antragstellers bereits seit 18. Juni 2021 nicht mehr bestehe. Die Androhung des Zwangsgeldes beruhe auf die Art. 29, 30, 31 und 36 36 BayVwZVG, die Kostenentscheidung auf die §§ 1 mit 4 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr, Gebührennummer 254. Die Anordnung des Sofortvollzugs der Ziff. 1 des Bescheides stütze sich auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Am 18. Februar 2022 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht München (M 23 K 22.892) und beantragte für das vorliegende Verfahren,
die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides vom 2.12.2021 aufzuheben.
Dies wurde unter Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen damit begründet, dass der Versicherungsbetrag entgegen der Meldung der Versicherung am 2. Dezember 2021 korrekt bezahlt worden sei.
Mit Schriftsatz vom 5. März 2022 führte der Klägerbevollmächtigte auf Frage des Gerichts u.a. aus, dass er nicht zum Empfang des Bescheides bevollmächtigt gewesen sei und den Bescheid am 19. Januar 2022 an den Kläger weitergeleitet habe. Die Klagefrist sei gewahrt. Im Übrigen wurde die Korrespondenz des Antragstellers mit der Versicherung am 28. Februar 2022 wiedergegeben.
Durch Schriftsatz vom 2. März 2022 trat der Antragsgegner dem Antrag entgegen, beantragte im vorliegenden Verfahren, den Antrag abzulehnen und begründete dies im Wesentlichen unter Darlegung des Verfahrenslaufes damit, dass Klage und Antrag bereits unzulässig seien, da der angefochtene Bescheid bereits bestandskräftig sei. Im Übrigen sei der Bescheid auch rechtmäßig. Maßgeblich sei allein die zweifelsfreie Meldung der Versicherung, ob sie inhaltlich richtig sei, sei unerheblich.
Durch Beschluss vom 2. Juni 2022 ist die Streitsache gemäß § 6 Abs. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die übermittelte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Ob der Antrag bereits unzulässig ist, da der zugrundeliegende Bescheid bereits Bestandskraft erlangt hat und die zugrundeliegende Klage verfristet ist, kann hier offenbleiben.
2. Der ansonsten statthafte Antrag (auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage) ist nämlich in der Sache erfolglos. Bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO richten sich die Erfolgsaussichten nach einer von dem Gericht vorzunehmenden eigenen Abwägungsentscheidung. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens maßgeblich zu berücksichtigen. Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen gegen den angefochtenen Bescheid keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Klage wird daher aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben. Das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung überwiegt demnach das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 FZV hat die Behörde ein zugelassenes Fahrzeug unverzüglich außer Betrieb zu setzen, wenn sie durch eine Anzeige des Versicherers oder auf andere Weise erfährt, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht.
Vorliegend hat der Versicherer des Antragstellers der Zulassungsbehörde des Antragsgegners am 2. Dezember 2021 mitgeteilt, dass der Versicherungsschutz seit Juni nicht mehr besteht.
Soweit der Antragsteller darauf hinweist, dass dies nicht korrekt war, sondern der Versicherungsbeitrag korrekt bezahlt war, so verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg. Denn es ist höchstrichterlich anerkannt, dass es keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der aufgrund einer Erlöschensanzeige des Haftpflichtversicherers eingeleiteten Maßnahmen der Zulassungsstelle hat, wenn die Anzeige des Versicherers über das Nichtbestehen einer Kraftfahrzeugversicherung irrtümlich abgegeben wurde und die Haftpflichtversicherung entgegen der Anzeige in Wahrheit ununterbrochen fortbestand (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 3 C 3/15 – juris Rn. 20). In der Rechtsprechung ist auch anerkannt, dass der Versicherer auf der Seite des Versicherungsnehmers steht und für die Folgen eines evtl. fehlerhaften Verhaltens seiner Versicherung einzustehen hat. Letztlich kann der Versicherungsnehmer sich aber im Innenverhältnis an die Versicherung halten (vgl BVerwG U.v. 22.10.1992 – 3 C 2/90 – BVerwGE 31,109, juris Rn. 17). Eine nach der Rechtsprechung gegebene Ausnahme, dass nämlich die Erlöschensanzeige selbst offensichtliche Unrichtigkeiten enthält oder vermuten lässt, liegt hier nicht vor.
Demzufolge sind die offenbar zivilrechtlichen Streitigkeiten des Antragstellers mit seiner Versicherung, die vom Antragsteller geschildert werden, nicht entscheidungserheblich. Sie „gehen die Zulassungsbehörde grundsätzlich nichts an“.
Die Versicherungsanzeige vom 2. Dezember 2021 genügte jedenfalls den gemäß § 23 FZV an sie zu stellenden formalen Anforderungen; sie enthielt auch keine offensichtlichen Ungereimtheiten oder Mängel, die für die Zulassungsbehörde die Annahme nahegelegt hätte, dass sie inhaltlich unrichtig sei.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 FZV liegen demzufolge vor und es entspricht der gesetzlichen Vorgabe und der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer, dass es erforderlich ist, dass die Zulassungsbehörde nach Erhalt einer nicht offensichtlich unrichtigen Mitteilung durch die Versicherung unverzüglich handelt, um entweder die Stilllegung des Fahrzeugs oder die unverzügliche Bereinigung des Missstands zu erreichen. Demzufolge war es auch angezeigt, Sofortvollzug bzgl. Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheids anzuordnen; die – formularmäßige – Anordnung enthält auch eine im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO ausreichende Begründung des Sofortvollzugs.
Demzufolge sind die formellen Voraussetzungen an die Vollzugsanordnung erfüllt. Gegen die anderen Ziffern der Anordnungen wurden kein Bedenken geltend gemacht und sind auch sonst bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht ersichtlich.
Demnach dürfte die gegen den streitgegenständlichen Bescheid gerichtete Anfechtungsklage erfolglos bleiben, was zur Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der bezeichneten Klage führt.
Der Antrag war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 46.16 und 1.5 des Streitwertkatalogs.


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