Verwaltungsrecht

Bedeutung der beruflichen Ausbildung für eine positive Integrationsprognose Jugendlicher und Heranwachsender

Aktenzeichen  10 ZB 19.290

Datum:
26.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13684
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1, § 108, § 124 Abs. 2 Nr. 1
AufenthG § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Nr. 4, § 82

 

Leitsatz

1. Für eine positive Integrationsprognose im Sinne des § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG  kommt der beruflichen Ausbildung eine besondere Bedeutung zu (Rn. 6). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 17.1163 2018-12-19 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. Dezember 2018.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 -1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 -1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Mit seinem Zulassungsvorbringen wendet sich der Kläger ausschließlich gegen die vom Verwaltungsgericht angestellte negative Integrationsprognose gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Diesbezüglich führt das Verwaltungsgericht aus, es reiche für eine positive Integrationsprognose aus, wenn aufgrund der Gesamtumstände deutlich mehr für eine gelungene Integration als dagegen spräche. Dies sei beim Kläger jedoch derzeit nicht der Fall, weil eine berufliche Ausbildung und die damit verbundene Beschäftigung ein wesentlicher Aspekt für die Prognose einer gelungenen Integration seien. Diesbezüglich bestünden beim Kläger gegenwärtig noch erhebliche Zweifel, ob er seine Berufsausbildung erfolgreich werde abschließen können. Seine schulischen Leistungen seien ausweislich des vorgelegten Jahreszeugnisses überwiegend mangelhaft oder ungenügend. Seine bisherigen Leistungen in der Berufsschule ließen somit aktuell nicht den Schluss zu, dass er den theoretischen Teil seiner Abschlussprüfung bestehen und seine Ausbildung erfolgreich werde abschließen können. Er habe bisher nicht substantiiert dargelegt, dass und welche Maßnahmen er ergriffen habe, um seine schlechten theoretischen Leistungen anzuheben. Es hätte in seiner Verantwortung gelegen, entsprechende Nachweise beizubringen. Auch habe sich der Kläger durch sein Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung die Chance genommen, das Gericht von einer dennoch bestehenden positiven Integrationsprognose zu überzeugen, insbesondere angesichts der Note „mangelhaft“ im Fach Deutsch im aktuellen Berufsschulzeugnis.
Demgegenüber macht der Kläger im Zulassungsverfahren geltend, dass eine Gesamtbetrachtung anzustellen sei. Das Verwaltungsgericht habe nahezu alle Beurteilungskriterien bejaht. Bezüglich der Berufsausbildung gehe es von unzutreffenden Tatsachen aus. Zwar seien einige Fächer im Zeugnis des Klägers mit „mangelhaft“ und „ungenügend“ bewertet worden. Zum Zeitpunkt der Entscheidung seien die aus dem Juli 2018 stammenden Zeugnisse bereits überholt gewesen. Der Kläger habe die Prüfungen noch im August 2018 wiederholt und sei in nächste Klasse versetzt worden. Diese Tatsache sei dem Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden, es hätten aber leider keine aktuelleren Zeugnisse vorgelegt werden können. Auch aus der Tatsache, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend gewesen sei, könnten keine nachteiligen Rückschlüsse gezogen werden. Zurzeit seien seine schulischen Leistungen befriedigend. Er sei vor wenigen Tagen von der IHK zur Zwischenprüfung im Frühjahr 2019 geladen worden. Sobald dem Kläger das Ergebnis der Prüfung vorliege, werde dieses umgehend mitgeteilt. Zudem dürfe für die positive Integrationsprognose keine hinreichende Sicherheit verlangt werden. Vielmehr müssten lediglich hinreichend aussagekräftige Anhaltspunkte geliefert werden, dass sich der Betreffende künftig integrieren werde können. Dies sei beim Kläger angesichts seiner bisherigen Integrationsleistungen eindeutig der Fall. Ergänzend hat der Kläger das Ergebnis der Zwischenprüfung vorgelegt. Er hat 65 von 100 möglichen Punkten erreicht. Dies bedeutet nach den Beurteilungskriterien der IHK, dass seine Kenntnisse Mängel aufweisen und die Leistungen verbesserungsbedürftig sind.
Mit diesem Vorbringen hat der Kläger die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung jedoch nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass für eine positive Integrationsprognose im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG der beruflichen Ausbildung eine besondere Bedeutung zu kommt, weil die Integrationsprognose aufgrund der bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse angestellt wird. Insoweit kann der Kläger nicht auf den erfolgreichen Schulbesuch verweisen, weil dieser kumulativ zur positiven Integrationsprognose vorliegen muss (siehe § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Auch die geltend gemachte Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse (fester Wohnsitz, Straffreiheit, Freundschaften) reicht nicht aus, weil der Gesetzeswortlaut daneben zusätzlich auf die Ausbildung abstellt. Die vorliegenden Unterlagen über den bisherigen Ausbildungsverlauf lassen nicht gewährleistet erscheinen, dass der Kläger seine Ausbildung erfolgreich abschließen wird können. Das Jahreszeugnis der Berufsschule vom 25. Juli 2018 weist für das Fach Deutsch und die Fachtheorie mangelhafte Leistungen aus. Der Kläger hat vorgebracht, dass seine schulischen Leistungen derzeit zufriedenstellend seien und er die Nachholprüfungen im August 2018 bestanden habe. Nachweise hierfür hat er aber in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 19. Dezember 2018 nicht vorgelegt. Es hätte hierzu nicht der Vorlage eines Zeugnisses bedurft, der Kläger hätte auch eine Bestätigung der Schule, dass er die Nachholprüfung bestanden hat, vorlegen können. Auch im Zulassungsverfahren hat er das aktuelle Zwischenzeugnis zum Nachweis der behaupteten Leistungssteigerung nicht vorgelegt. Aus der Teilnahmebescheinigung über die Zwischenprüfung lässt sich nicht ersehen, ob der Kläger in der Zwischenzeit seine mangelhaften Deutsch- und Fachtheoriekenntnisse verbessert hat. Der in der Zwischenprüfung erreichte Punktestand besagt lediglich, dass die Kenntnisse Mängel aufweisen und die Leistungen verbesserungsbedürftig sind.
Es obliegt dem Kläger, die Tatsachen, die die Verwaltungsbehörde oder das Gericht benötigen, um seine Integrationsfähigkeit zu beurteilen, vorzutragen und nachzuweisen. Dies war sowohl dem Kläger als auch seinem Prozessbevollmächtigten durch die Schreiben des Landratsamtes vom 20. August 2018 und 9. November 2018 sowie den Beschluss des Senats vom 30. Oktober 2018 im Verfahren 10 C 18.1782 und die Aufforderung in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bekannt. Kommt der Kläger diesen Mitwirkungspflichten nicht nach, sei es durch persönliche Vorsprache/persönliches Erscheinen und/oder Vorlage entsprechender Nachweise und Bestätigungen (z. B. Bescheinigung des Arbeitgebers über den Ausbildungsfortschritt und das Verhalten im Betrieb, Bestätigung des Sportvereins etc.), kann eine (positive) Aussage über seine Integrationsfähigkeit nicht getroffen werden. Es handelt sich bei den in § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG genannten Integrationsfaktoren um Umstände, die den persönlichen Lebensbereich des Klägers betreffen, und die ohne Mitwirkung des Klägers von Amts wegen nicht ermittelbar bzw. aufklärbar sind (zum Verhältnis des § 82 AufenthG zu § 86 Abs. 1 VwGO vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2014 – 10 CS 14.1581 – juris Rn. 27 ff.). § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO sieht daher auch vor, dass die Beteiligten zur Ermittlung des Sachverhalts heranzuziehen sind. Kommt der Kläger dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, so wirkt sich dies im Rahmen des § 108 VwGO zu seinen Lasten aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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