Verwaltungsrecht

Berufung bei mehrfach selbständig tragender Begründung des erstinstanzlichen Urteils

Aktenzeichen  6 ZB 19.2514

Datum:
20.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1257
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 10, § 51 Abs. 4 S. 1, § 53
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, § 124a Abs. 5

 

Leitsatz

Ist die erstinstanzliche Entscheidung selbständig tragend mehrfach begründet, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21a K 18.6308 2019-09-25 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. September 2019 – M 21a K 18.6308 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 19.010,76,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, greifen nicht durch (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Der Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30. April 2019 wegen Erreichens der Altersgrenze als Technischer Posthauptsekretär (Besoldungsgruppe A8) im Dienst der Beklagten. Mit seiner Klage vom 22. Dezember 2018 beantragte er die Verpflichtung der Beklagten, den Eintritt seines Ruhestands vom 1. Mai 2019 bis zum 30. April 2020 hinauszuschieben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. September 2019 aus drei die Entscheidung jeweils für sich tragenden Gründen abgewiesen. Zum einen sei die Klage unzulässig, da sie nicht rechtzeitig erhoben worden sei. Der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid vom 9. November 2018 sei dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 19. November 2018 zugestellt worden. Die Klagefrist habe daher mit Ablauf des Mittwoch, 19. Dezember 2018 geendet. Die erst am 22. Dezember 2018 beim Verwaltungsgericht eingegangene Klage sei daher verfristet. Unabhängig davon fehle dem Kläger inzwischen die erforderliche Klagebefugnis, da er während des anhängigen Verfahrens die Regelaltersgrenze mittlerweile erreicht habe und mit Ablauf des 30. April 2019 in den Ruhestand eingetreten sei. Für das beantragte Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand sei deshalb eine (erneute) Ernennung nach § 10 BBG erforderlich, die jedoch an dem in § 51 Abs. 4 Satz 1 BBG enthaltenen Ernennungsverbot für Personen scheitere, die wie der Kläger die Regelaltersgrenze bereits erreicht hätten. Im Übrigen sei die Klage auch in der Sache unbegründet, da der Kläger mangels Vorliegens eines entsprechenden dienstlichen Interesses keinen Anspruch auf ein Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nach § 53 BBG habe.
Ist die erstinstanzliche Entscheidung demnach selbständig tragend mehrfach begründet, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 6 ZB 17.956 – juris Rn. 3 m.w.N.). Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2018 – 4 BN 44.17 – juris Rn. 3; B.v. 9.9.2009 – 4 BN 4.09 – juris Rn. 5). Es kann dahinstehen, ob der zweite oder dritte Begründungsstrang des Verwaltungsgerichts (Unbegründetheit der Klage) für sich betrachtet zutrifft. Denn jedenfalls im Hinblick auf den ersten Begründungsstrang zeigt der Kläger keinen Zulassungsgrund auf.
Die gegen die Abweisung der Klage als verspätet und damit unzulässig geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die der weiteren Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften, liegen nicht vor.
Hierzu trägt der Kläger lediglich vor, durch ein Versehen der Geschäftsstelle sei zunächst im Stammsatz fälschlicherweise der 27. Dezember 2018 als Eingangsdatum der Klage erfasst worden. Die Klage sei jedoch bereits am 22. Dezember 2018 beim Verwaltungsgericht eingegangen. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu wecken. Er deckt sich vielmehr mit den Ausführungen im Urteil. Der Kläger verkennt dabei allerdings, dass – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – die Klagefrist bereits mit Ablauf des 19. Dezember 2018 (Mittwoch) abgelaufen ist, nachdem der Widerspruch dem Kläger laut PZU am 19. November 2018 zugestellt worden war (§ 57 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB). Hierzu verhält sich der Zulassungsantrag nicht.
Da somit der gegen den ersten, das Urteil selbständig tragenden Begründungsstrang kein durchgreifender Zulassungsgrund dargelegt wird, muss die Zulassung der Berufung von vornherein ausscheiden, ohne dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den im Hinblick auf den dritten Begründungsstrang geltend gemachten Zulassungsgründen erforderlich ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2018 – 4 BN 44.17 – juris Rn. 3; B.v. 9.9.2009 – 4 BN 4.09 – juris Rn.5; BayVGH, B.v. 14.8.2017 – 6 ZB 17.31024 – Rn. 4; B.v. 3.1.2006 – 9 ZB 05.30959 – juris Rn. 5; Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 37 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 und 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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