Verwaltungsrecht

Beschwerde, Bescheid, Behinderung, Versorgung, Beteiligung, Dienstherr, Beschwerdeverfahren, Ablehnung, Heilbehandlung, Anspruch, Beweisantrag, Antragsteller, Beschwerdebescheid, Form, weitere Beschwerde, gesetzliche Grundlage, kein Anspruch

Aktenzeichen  TDG S 5 SL 1/19, TDG S 5 RL 2/20

Datum:
1.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50997
Gerichtsart:
Truppendienstgericht Süd
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Vertrauensperson der Unteroffiziere in der AAA./Panzerpionierbataillon (PzPiBtl) BBB in DDD. Er macht die Verletzung seiner Rechte in dieser Funktion geltend.
Hauptfeldwebel (HptFw) EEE, Angehöriger der AAA./PzPiBtl BBB, beantragte in seiner an den Kompaniechef (KpChef) dieser Einheit gerichteten Beschwerde vom 19. Juni 2018, welche die Ablehnung der Kostenübernahme einer stationären Behandlung zum Gegenstand hatte, die Beteiligung seiner Vertrauensperson. Im zurückweisenden Beschwerdebescheid des Leiters Sanitätsunterstützungszentrum Erfurt vom 3. August 2018, Oberstarzt Dr. FFF, wurde auf dieses Begehren nicht eingegangen. Die Vertrauensperson des Antragstellers wurde in jenem Beschwerdeverfahren nicht angehört.
Mit an den KpChef seiner Einheit gerichtetem Schreiben vom 21. August 2018, das dort am 23. August 2018 einging, erhob der Antragsteller „Beschwerde nach § 1 WBO“ gegen „den zu Unrecht ergangenen Bescheid“ – wegen seiner Nichtanhörung im Rahmen des oben genannten anderweitigen Beschwerdeverfahrens – sowie über Oberstarzt Dr. FFF, da er gegen geltende Gesetze („Soldatenbeteiligungsgesetz“) verstoße.
Am 20. August 2018 habe er Kenntnis davon erlangt, dass die Beschwerde des HptFw EEE vom 19. Juni 2018 durch Bescheid des Oberstarztes Dr. FFF vom 3. August 2018 zurückgewiesen worden sei. Jener Beschwerdebescheid sei rechtswidrig.
Mit an den KpChef seiner Einheit gerichtetem Schreiben vom 18. September 2018, das dort am selben Tag einging, erhob der Antragsteller „Beschwerde nach § 1 WBO“ darüber, dass er bis dahin keinen Beschwerdebescheid erhalten habe. Er habe auch keine Eingangsbestätigung bekommen.
Mit an denselben Adressaten gerichtetem Schreiben vom 24. September 2018, das dort am selben Tag und beim Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr (Kdo SanDstBw) am Folgetag einging, erhob der Antragsteller „Weitere Beschwerde nach § 16 WBO“, weil über seine Beschwerde vom 21. August 2018 noch nicht entschieden worden sei. Auch habe er keinen Zwischenbescheid erhalten.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2018, dem Antragsteller zugestellt am 8. Oktober 2018, wies der Kommandeur Kommando Regionale Sanitätsdienstliche Unterstützung (Kdr KdoRegSanUstg), (in Vertretung) Oberstarzt Dr. GGG, die Beschwerde vom 21. August 2018 zurück. Jene sei zulässig, aber in der Sache unbegründet.
Zur Begründetheit führte er aus:
„Das SBG regelt in § 17 das Beschwerderecht der VP. Demnach kann sich die VP entsprechend § 1 (1) WBO u.a. beschweren, wenn sie glaubt, in der Ausübung ihrer Befugnisse behindert zu werden.
Es käme im Fall des o.a. Beschwerdeverfahrens des HptFw EEE lediglich der unter § 31 SBG (1) Nr. 2 in Form einer Generalklausel genannte Aspekt der ‚Fürsorge‘ als mögliche rechtliche Grundlage für eine Beteiligung Ihrer Person als VP im Beschwerdeverfahren (bei Heilfürsorgeangelegenheiten) in Betracht. Die vorrangige abschließende Regelung für die unentgeltliche Truppenärztliche Versorgung (utV) findet sich jedoch in § 30 des Soldatengesetzes (SG) in Verbindung mit den Regelungen der Bundeswehrheilfürsorgeverordnung und den entsprechenden Bestimmungen in der § 69a Bundesbesoldungsgesetz (BBesG). Da hierin eine Beteiligung der VP nicht normiert ist, kann hieraus kein Anspruch auf Beteiligung der VP nach § 31 SBG hergeleitet werden. Weder Sie noch HptFw EEE haben in der Folge in Bezug auf den an HptFw EEE ergangenen Bescheid des Ltr SanUstgZ HHH vom 03.08.2018 einen Anspruch darauf, dass eine Anhörung Ihrer Person als VP erfolgt, da es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt.
Somit war der Ltr SanUstgZ HHH bei der Bescheidung der Beschwerde trotz des Antrags des HptFw EEE nicht gezwungen, Sie in Ihrer Funktion als VP anzuhören.“
Mit an den KpChef seiner Einheit gerichtetem Schreiben vom 1. November 2018, das bei jenem am selben Tag einging, erhob der Antragsteller (abermals) „Weitere Beschwerde nach § 16 WBO“. Dazu führte er aus (Wortlaut nach Zitat):
„Am 08.10.2018 habe ich einen Beschwerdebescheid vom KdoRegSanUstg in JJJ bekommen. Dieser Bescheid beruht auf meine Beschwerde vom 21.08.2018 und daher mit mehr als vier Wochen nicht fristgemäß beschieden. Auch der Zwischenbescheid (gem. Bezug 5.) ist einen Tag später Eingegangen als meine bereits schon eingelegte weitere Beschwerde am 24.09.2018! (gem. Bezug 4.)
Vorsorglich lege ich hiermit gemäß Bezug 2. (§ 16) Weitere Beschwerde ein und verweise gleichzeitig auf die bereits eingelegte weitere Beschwerde! (gem. Bezug 4.)“
Der Inspekteur des SanDstBw (InspSan), (in Vertretung) Generalstabsarzt Dr. KKK, wies die weiteren Beschwerden des Antragstellers vom 24. September 2018 und 1. November 2018 im Bescheid vom 16. August 2019 zurück.
Dazu ließ er sich wie folgt ein:
„…Ihre weiteren Beschwerden sind zulässig, da form- und fristgerecht eingelegt, aber unbegründet.
Da es in Ihren beiden weiteren Beschwerden um Ihre unterlassene Beteiligung als VP in des Beschwerdeverfahren des HptFw EEE geht, und somit um die Überprüfung eines identischen Sachverhaltes, fasse ich beide weiteren Beschwerden in einem Bescheid zusammen.
Nach nochmaliger Überprüfung Ihres Beschwerdevorbringens in Ihrem Schreiben vom 21. August 2018 stelle ich fest, dass der Kdr Kdo RegSanUstg in seinem Beschwerdebescheid vom 4. Oktober 2018 die bestehende Rechtslage beachtet hat und Sie somit in Ihren Rechten als VP nicht beeinträchtigt wurden.
Die VP kann sich gemäß § 17 Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) entsprechend nach § 1 Abs. 1 WBO beschweren, wenn sie glaubt, in der Ausübung ihrer Befugnisse behindert oder wegen ihrer Tätigkeit benachteiligt zu werden.
Eine Behinderung bei der Ausübung der Befugnisse setzt voraus, dass die VP detailliert darlegen kann, dass sie in einem ihr durch das SBG gewährten Recht, z.B. auf Anhörung oder Mitbestimmung, verletzt wurde. Dies setzt zunächst voraus, dass ein solches Anhörungs- und Mitbestimmungsrecht im Sinne des §§ 24 ff. SBG überhaupt besteht.
In Ihrem vorliegenden Fall geht es um eine Entscheidung über eine Heilbehandlung nach der Vorschrift des § 69a Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) in Verbindung mit der Bundeswehr-Heilfürsorgeverordnung (BwHFV). Maßnahmen über die Durchführung der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung fallen jedoch nicht unter die in den §§ 24 ff aufgelisteten Beteiligungstatbestände. Eine Behinderung bei der Ausübung der Befugnisse einer VP kann ich daher nicht erkennen.
Soweit Sie vorbringen, dass Maßnahmen der truppenärztlichen Versorgung dem Bereich der Fürsorge zuzuordnen seien und daraus abzuleiten, dass ein Beteiligungstatbestand nach § 26 Abs. 5 SBG vorliege, bin ich überzeugt, dass der Begriff der Fürsorge im Sinne dieses Gesetzes die truppenärztliche Versorgung nicht mit einschließt. Diese Überzeugung leite ich letztlich auch daraus ab, dass die truppenärztliche Versorgung im Konzept K-9000/019 ‚Betreuung und Fürsorge in der Bundeswehr‘ ausdrücklich nicht enthalten ist. Maßnahmen der truppenärztlichen Versorgung stellen insoweit keinen Beteiligungstatbestand dar.
Um eine Behinderung der VP in der Ausübung ihres Amtes feststellen zu können, ist es jedoch zwingende Voraussetzung, dass es sich bei der beanstandeten Maßnahme um einen Beteiligungstatbestand handelt. Ein solcher liegt in Ihrem Fall nicht vor.“
In der Rechtsbehelfsbelehrung:wurde als Einlegestelle für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung das Truppendienstgericht Nord in LLL genannt.
Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller am 22. August 2019 ausgehändigt.
Mit an das Truppendienstgericht Nord – 1. Kammer – gerichtetem Schreiben vom 19. September 2019, dort eingegangen am Folgetag, erhob der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er bat um Aufhebung der bisher ergangenen Bescheide sowie um Feststellung, dass die Beteiligungsrechte des Antragstellers im Zuge der truppenärztlichen Versorgung des HptFw EEE verletzt worden seien.
Zur Begründung wurde zunächst auf den Sachvortrag zu den eingelegten Beschwerden Bezug genommen. In Rede stehe die Beteiligung des Antragstellers nach §§ 26, 31 des Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetzes (SBG).
Mit Beschluss des Vorsitzenden der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 12. November 2019 wurde das Verfahren zuständigkeitshalber an das Truppendienstgericht Süd verwiesen und an dessen 5. Kammer abgegeben.
Der Vorsitzende der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd bat das Fachreferat P III 4 im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) um eine Stellungnahme (insbesondere zur Frage, ob in § 30 Abs. 1 des Soldatengesetzes (SG) eine abschließende, sperrende Sonderregelung ohne Beteiligungsfolge gesehen werden müsse), die am 3. Februar 2020 mittels E-Mail abgegeben wurde.
Darin wurde erklärt, dass § 30 Abs. 1 SG keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (für eine Anhörung der Vertrauensperson) darstelle. Satz 1 und 3 dieser Norm hätten Verweisungscharakter und in Satz 2 werde lediglich klarstellend bestimmt, dass auch die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung (utV) zu den Sachbezügen des Satzes 1 gehöre. Ermächtigungsgrundlage für die Gewährung von utV an Soldaten sei § 69a des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG). Gemäß dieser Norm gehöre die utV zu den Besoldungsleistungen, auf die der Soldat einen gesetzlichen Anspruch habe. Somit unterliege sie nicht der Beteiligung von Vertrauenspersonen nach dem SBG. Diese Auffassung stütze sich auch auf den Tatbestand, dass Beteiligungsrechte nach dem SBG in der Regel eine durch den Disziplinarvorgesetzten beabsichtigte Maßnahme voraussetzten, was in Fragen des gesetzlich geregelten Anspruchs auf Geld- und Sachbezüge nicht der Fall sei.
Mit Schreiben vom 11. März 2020 äußerten sich die Bevollmächtigten des Antragstellers ausführlich zu der vorgenannten Stellungnahme.
Es wurde insbesondere kritisiert, dass die Entstehungsgeschichte des § 26 SBG durch die Amtsseite falsch dargestellt worden sei. Außerdem wurde die Behauptung, dass sich das SBG grundsätzlich auf Maßnahmen des Disziplinarvorgesetzten beziehe, als unwahr angesehen. Dies wurde jeweils näher ausgeführt.
Jedenfalls wären im vorliegenden Fall die Rechte des Antragstellers verletzt, da durch das Vorgehen des Sanitätsdienstes die Wahrnehmung seiner Aufgabe vereitelt worden sei, die zugunsten der Soldaten geltenden Schutzvorschriften zu überwachen (mit Hinweis auf § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG 2016). Insoweit wurde auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 1 WRB 7.18) am Beispiel der formal beteiligungsfreien dienstlichen Beurteilung Bezug genommen.
Die Bevollmächtigten des Antragstellers verwiesen des Weiteren auf – als Anlage beigefügte – einschlägige Merkblätter, die dem Soldaten [gemeint ist mutmaßlich HptFw EEE] pflichtwidrig nicht eröffnet worden seien, was wiederum eine Verletzung der Fürsorgepflicht darstelle.
Es wurde gerügt, dass die Kostenübernahme für ambulante Operationen und Behandlungen genehmigt gewesen sei. Das Vorgehen gegen den Soldaten, ihm nachträglich die Kostenübernahme der Höhe nach zu verweigern – und das ohne inhaltliche Begründung -, sei verwerflich und eine weitere Fürsorgepflichtverletzung.
Fehl gehe die Behauptung, dass es sich „bei dem Bescheid“ um einen Verwaltungsakt handele. Das wurde näher ausgeführt.
Zu beanstanden sei auch der Rückzug des Sanitätsdienstes auf die vermeintliche Schweigepflicht, was näher erläutert wurde. Diesbezüglich wurde ausdrücklich eine entsprechende Beweiserhebung durch Vernehmung des Soldaten und Beiziehung der G-Akte beantragt.
Eine Beteiligung ergebe sich auch daraus, dass die Sachlage, wenn die Bundeswehr Heilbehandlungskosten auf den Soldaten abwälze, strukturell einer Schadensbearbeitung entspreche, die nach § 25 SBG mitbestimmungspflichtig sei. Auch das wurde weiter ausgeführt.
BMVg P III 4, das aufgrund der vorstehenden Einlassung die Gelegenheit zur Erwiderung erhielt, führte mit E-Mail vom 21. April 2020 aus, dass es keine ergänzenden Anmerkungen habe und verwies auf die bisherigen Ausführungen.
Es hob hervor, dass nach dem SBG Maßnahmen beteiligungspflichtig seien, die in der Regel vom Disziplinarvorgesetzten bzw. vom Dienststellenleiter getroffen würden. In Ausnahmefällen sehe das SGB die Beteiligung bei Maßnahmen vor, die von dritter Seite stammten. Das sei der Fall bei Personalangelegenheiten, bei denen die Maßnahmen von den personalbearbeitenden Dienststellen getroffen würden, oder bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen in Höhe von mehr als 250 € nach § 25 Abs. 3 Nr. 6 SBG. Für die Geltendmachung der Ansprüche seien die schadensbearbeitenden Stellen zuständig. Beteiligungspartner der Vertrauensperson bzw. des Personalrats sei aber auch dann der Disziplinarvorgesetzte oder Dienststellenleiter. Für den Bereich der Personalmaßnahmen sei dies durch das Bundesverwaltungsgericht geklärt (mit Hinweis auf den Beschluss vom 17. Februar 2009 – 1 WB 37.08).
Der Antragsteller äußerte sich dazu nicht mehr.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerde- und Verfahrensakte Bezug genommen.
II.
Antragsgegenstand ist hier (nur) die Frage, ob der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Vertrauensperson der Unteroffiziere der AAA./PzPiBtl BBB durch seine Nichtbeteiligung im Beschwerdeverfahren betreffend HptFw EEE in der Ausübung seiner Befugnisse behindert wurde i.S.d. § 17 Alternative 2 SBG.
Dass sich der Antragsteller in seiner Erstbeschwerde vom 21. August 2018, die den Antragsgegenstand grundsätzlich bestimmt, auch des Weiteren gegen Oberstarzt Dr. FFF wegen Verstoßes „gegen geltende Gesetze“ (mit alleinigem Bezug auf das SBG) „beschwerte“, begründet keinen weiteren Antragsgegenstand. Denn der vorgenannte Antragsgegenstand umfasst bereits die Frage, ob gesetzeswidrig gehandelt wurde. Aus den Umständen kann nicht geschlossen werden, dass es dem Antragsteller darauf ankam, gerade ein persönliches Fehlverhalten des genannten Oberstarztes zum Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens zu machen, das über den bereits behandelten sachlichen Gesichtspunkt der unterlassenen Beteiligung hinausging. Ein solches Verfahren führte als sog. Kameradenbeschwerde auch nicht zu einer gerichtlichen Überprüfung.
Gegenstand des Antrags ist aufgrund der inhaltlichen Eingrenzung in der Erstbeschwerde auch nicht ein möglicher Verstoß im Hinblick auf die allgemeine Aufgabe der Überwachung i.S.d. § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG, der im Schriftsatz der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 11. März 2020 behauptet wurde.
Der so ausgelegte Antrag ist zulässig.
Er ist insbesondere fristgemäß eingelegt. Der Umstand, dass der Antrag erst nach Ablauf der Einmonatsfrist am 18. November 2019 – nach Verweisung durch den Vorsitzenden der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord – beim zuständigen Truppendienstgericht Süd – 5. Kammer – einging, ist im Hinblick auf die nicht korrekte Rechtsbehelfsbelehrung:im Beschwerdebescheid des InspSan vom 16. August 2019 unschädlich (vgl. § 7 Abs. 2 der Wehrbeschwerdeordnung [WBO] analog).
Auch das Vorverfahren ist im Ergebnis ordnungsgemäß verlaufen.
Der nach Einlegung der weiteren Beschwerde ergangene Beschwerdebescheid seitens des Kdr KdoRegSanUstg vom 4. Oktober 2018 hätte mangels Zuständigkeit nicht mehr ergehen dürfen; er ist deshalb nur als zusätzlicher Sachvortrag anzusehen. Dieses Versäumnis auf Seite des Dienstherrn darf nicht zulasten des Antragstellers gehen. So ist dessen doppelte weitere Beschwerde – vom 18. September 2018 und vom 1. November 2018 – unschädlich. Aus dem Inhalt der zuletzt eingelegten Beschwerde geht hervor, dass diese „vorsorglich“ eingelegt worden sei; es wurde auch auf den zuvor eingelegten Rechtsbehelf vom „24.09.2018“ (wohl gemeint: 18. September 2018) hingewiesen.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Der Antragsteller wurde in der Ausübung seiner Befugnisse als Vertrauensperson i.S.d. § 17 Alternative 2 SBG nicht behindert. Dies deshalb, weil im vorliegenden Anknüpfungsfall des HptFw EEE keine Beteiligungspflicht in Form der Anhörung bestand.
Eine derartige Pflicht hätte sich hier nur aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 SBG ergeben können. Der dort angesprochene Themenkreis der Fürsorge umfasst jedoch nicht den Gegenstand der utV im angeknüpften Beschwerdeverfahren betreffend HptFw EEE (zurückweisender Beschwerdebescheid des Leiters Sanitätsunterstützungszentrum Erfurt auf Beschwerde des HptFw EEE nach Ablehnung der Kostenübernahme einer durch ihn in Anspruch genommenen stationären Behandlung in der Asklepios-Klinik Sächsische Schweiz in MMM durch den für ihn zuständigen Stabsarzt).
Der Begriff der Fürsorge, der auch in § 26 SBG neben dem der Betreuung verwendet wird, ist im SBG nicht legaldefiniert.
In Betrachtung des Sachzusammenhangs könnte dem § 26 Abs. 1 Satz 1 SBG, der die Formulierung „… die der Dienstherr zur Erfüllung seiner Fürsorgepflicht …“ enthält, entnommen werden, dass der Fürsorgebegriff des SBG mit der Fürsorgepflicht des Bundes (Dienstherrn) nach § 31 SG („Fürsorge“) zusammenhängt. Zwar findet sich auch dort keine Erläuterung des Begriffsinhalts; in dessen Absatz 4 ist jedoch die utV thematisiert. Das könnte dafürsprechen, Letztere unter die soldatenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn und damit nach dem oben Gesagten unter den Fürsorgebegriff i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 2 SBG fallen zu lassen. Dazu kommt, dass § 31 SG in der Kommentarliteratur als weite, generalklauselartige Norm verstanden wird, die durch spezielle Gesetze – wie das Bundesbesoldungsgesetz, das Soldatenversorgungsgesetz, das Bundesumzugskostengesetz – und gegebenenfalls untergesetzliches Recht konkretisiert und eingegrenzt wird (so Eichen in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, Kommentar, 3. Auflage 2016, § 31 Rn. 12). Die utV wird dabei als aus dieser Fürsorgepflicht abgeleitet angesehen (wie vorher, Rn. 17).
Trotz dieser Argumente geht die Kammer aus nachfolgenden Erwägungen davon aus, dass Angelegenheiten der utV im Ergebnis nicht dem § 31 Abs. 1 Nr. 2 SBG unterfallen.
Der in § 31 Abs. 4 SG geregelte Ausschluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn – in Gestalt einer nicht bestehenden Beihilfefähigkeit – für Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, denen nach § 69a des Bundesbesoldungsgesetzes utV zusteht, kann auch so verstanden werden, dass die utV gerade nicht der Fürsorgepflicht des Bundes aus § 31 SG unterfällt. Dafür spricht, dass die utV in dem gegenüber § 31 SG eigenständig geregelten Bereich des § 30 SG („Geld- und Sachbezüge, Versorgung“) als Bestandteil der Sachbezüge (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 SG) ausdrücklich angeführt ist. Aus der Gleichbehandlung mit den Geldbezügen, die unstreitig nicht Gegenstand einer Beteiligung nach dem SBG sind, kann – bei Inhaltsgleichheit der Fürsorgebegriffe in § 30 SG und §§ 26, 31 Abs. 1 Nr. 2 SBG – geschlossen werden, dass das bei der utV als Teil der Sachbezüge auch nicht der Fall sein soll. Damit korrespondiert die gesetzliche Regelung der utV in § 69a des Bundesbesoldungsgesetzes („Heilfürsorge für Soldaten“). Wenn die utV auch in dessen Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 als Ausprägung der Heilfürsorge bezeichnet wird, so ist diese Begrifflichkeit eigenständig und nicht als Teil der allgemeinen Fürsorge zu verstehen.
Schließlich sprechen auch die ablehnende Einlassung des Fach- und Gesetzgebungsreferats BMVg P III 4 und die Nichterwähnung der utV bei den dort genannten Anwendungsfällen in der Kommentierung zu § 25 SBG a.F. (mit derselben gesetzlichen Überschrift „Betreuung und Fürsorge“) bei Gronimus (Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der Bundeswehr, Erläuterungen zum Soldatenbeteiligungsgesetz, 7. Auflage 2012, dort Rn. 20 ff.) dafür, die utV nicht der „Fürsorge“ in §§ 26, 31 Abs. 1 Nr. 2 SBG unterfallen zu lassen.
Etwas anderes wäre bei einer gesetzlich gebundenen Entscheidung im Bereich der utV auch nicht denkbar. Dort gibt es keinen Raum für eine Einbeziehung einer Stellungnahme einer Vertrauensperson. Das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zieht die jeweilige Rechtsfolge automatisch nach sich.
Dass eine gegenteilige Auffassung „vom SBG“ nicht gewollt sein kann, ergibt sich auch aus der im Bereich der utV sonst eintretenden nicht realitätsfernen Konstellation, dass der nach dem SBG vorgeschriebenen umfassenden Unterrichtung der Vertrauensperson (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SBG) die Schweigepflicht der behandelnden Ärzte des von der utV betroffenen Soldaten entgegenstünde. Dann, wenn Letzterer keine Einsichtnahme der Vertrauensperson in seine Gesundheitsakte und ähnliche ärztliche Unterlagen wünscht. Der Anhörungsanspruch der Vertrauensperson nach 31 Abs. 1 Nr. 2 SBG ist nicht an einen Antrag des Soldaten aus dem „Anknüpfungsbeschwerdeverfahren“ gebunden. Die dortige Soll-Regelung bedeutet eine grundsätzliche Anhörungspflicht.
Der von den Bevollmächtigten des Antragstellers im Schriftsatz vom 11. März 2020 gestellte Beweisantrag (Vernehmung des HptFw EEE und Beziehung „der G-Akten“), der die Entscheidungsfindung des „Anknüpfungsbeschwerdeverfahrens“ betrifft, ist – unabhängig von der Frage, ob er formal korrekt gestellt wurde (Frage der Bestimmtheit und fehlende Angabe der ladungsfähigen Anschrift) – für die Entscheidung in dieser Beschwerdeangelegenheit nicht sacherheblich. Er betrifft ein anderes Beschwerdeverfahren.
III.
Die Kammer hat dem Antragsteller keine Kosten des Verfahrens auferlegt, da nach ihrer Ansicht die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorlagen.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen, weil nach Ansicht der Kammer die Voraussetzung des § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO gegeben ist.
Die Frage, ob der Anhörungstatbestand des § 31 Abs. 1 Nr. 2 SBG („Fürsorge“) im Falle eines zugrundeliegenden Beschwerdeverfahrens mit dem Gegenstand utV (im Speziellen: Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung in einem zivilen Krankenhaus) eingreift, hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung und ist, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich geklärt. Ihre Klärung dient der Fortbildung des Rechts. Die formulierte Frage ist für die Entscheidung in der Sache auch erheblich, da der Antragsteller im Falle einer unterlassenen, aber gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der Vertrauensperson mit seinem Antrag obsiegt hätte.


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