Verwaltungsrecht

Beschwerde, Feststellung der Erledigung, Rechtsschutzbedürfnis nach einseitiger Erledigungserklärung (hier nicht einschlägig), Rechtsschutzbedürfnis bei Erledigung zwischen den Instanzen (verneint)

Aktenzeichen  10 CS 22.802

Datum:
16.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12050
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 6 S 21.2604; Au 6 S 21.2602 2022-03-15 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit ihrer Beschwerde begehren die Antragsteller die Feststellung, dass hinsichtlich ihres Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO Erledigung eingetreten ist, nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag nach der Ankündigung der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids (ausländerrechtliche Passverfügung) durch den Antragsgegner als unstatthaft abgelehnt und der Antragsgegner den Bescheid in der Folge zurückgenommen hatte.
Die Antragsteller haben am 30. Dezember 2021 beantragt, hinsichtlich des Bescheids des Antragsgegners vom 23. Dezember 2021 die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Auf einen richterlichen Hinweis vom 27. Januar 2022 hin teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 27. Januar 2022 (bei Gericht eingegangen am 28.1.2022) an das Verwaltungsgericht mit, dass der streitgegenständliche Bescheid zurückgenommen werde („wird der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 23.12.2021 zurückgenommen“). Aufgrund einer unterbesetzten Geschäftsstelle und eines gegen die Kammer gestellten Befangenheitsantrags unterblieb die Zuleitung dieses Schreibens an die Antragsteller zunächst. Mit Verfügung vom 7. Februar 2022, der Bevollmächtigten der Antragsteller am 8. Februar 2022 per beA zugeleitet, erhielten die Antragsteller das Schreiben mit einem Hinweis auf „die zwischenzeitlich erfolgte Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids“ zur Stellungnahme. In der Folge verlangten die Antragsteller eine baldige Entscheidung über ihre Prozesskostenhilfeanträge im Hauptsache- und Eilverfahren und beantragten im Klageverfahren die Durchführung einer Videoverhandlung, äußerten sich aber nicht zum Hinweis des Gerichts oder zur Ankündigung des Antragsgegners, den angegriffenen Bescheid zurückzunehmen.
Mit Beschluss vom 15. März 2022 gab das Verwaltungsgericht den Prozesskostenhilfeanträgen teilweise statt, lehnte den Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Hinweis auf das Schreiben des Antragsgegners vom „27. Januar 2021“ (gemeint offensichtlich „2022“) als unstatthaft ab.
Mit Bescheid vom 22. März 2022 nahm der Antragsgegner den streitgegenständlichen Bescheid vom 23. Dezember 2021 zurück.
Am 24. März 2022 erhoben die Antragsteller Beschwerde gegen Beschluss vom 15. März 2022 mit dem wörtlichen Antrag,
in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15.03.2022, Az. Au 6 S 21.2604, festzustellen, dass Erledigung des Verfahrens eingetreten ist.
Das Verfahren habe sich durch die Rücknahme des Bescheids vollumfänglich erledigt. Die Kosten des Verfahrens seien dem Antragsgegner aufzuerlegen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Beschwerde richte sich allein gegen die (teilweise) Ablehnung der Prozesskostenhilfeanträge. Dem sind die Antragsteller mit weiterem Schriftsatz vom 5. Mai 2022 entgegengetreten, mit dem sie auch ihren Vortrag weiter vertieften.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig. Ungeachtet der Frage, ob in der hier vorliegenden Konstellation eine Antragsänderung (gleichzeitig mit der Beschwerdeeinlegung) im Beschwerdeverfahren zulässig ist, fehlt der Beschwerde das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Ein Rechtsschutzbedürfnis folgt nicht aus dem Umstand, dass die Antragsteller die Erledigung der Hauptsache des Eilverfahrens erklärt hätten und der Antragsgegner dem nicht zugestimmt hätte (vgl. zur Zulässigkeit einer Beschwerde im Fall der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung etwa OVG NRW, B.v. 6.8.2021 – 1 B 803/21 – juris Rn. 2 unter Verweis auf BayVGH, B.v. 28.3.2019 – 3 CE 18.2248 – juris Rn. 5; zu ihrer Natur als Antragsänderung eigener Art, die nicht den Einschränkungen nach §§ 91, 142 VwGO unterworfen ist vgl. etwa BVerwG, U.v. 12.4.2001 – 2 C 16.00 – BVerwGE 114, 149 – juris Rn. 12 m.w.N.). Denn dass sich der streitgegenständliche Bescheid materiell erledigt hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Dabei kann dahinstehen, ob in der Beschwerdeschrift vom 24. März 2022 bei objektiver Auslegung eine prozessuale Erledigungserklärung der Antragsteller zu sehen ist, was die Bevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 5. Mai 2022 verneint. Denn jedenfalls hat der Antragsgegner vorab einer Erledigungserklärung der Antragsteller zugestimmt, und damit zum Ausdruck gebracht, dass auch er von einer Erledigung ausgeht. Dies war den Antragstellern aufgrund der am selben Tage übersandten gerichtlichen Verfügung vom 23. März 2022 und damit vor der Einlegung der Beschwerde am 24. März 2022 auch bekannt.
Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt auch dann nicht vor, wenn man annähme, im Schreiben der Antragsteller vom 24. März 2022 läge (bei objektiver Auslegung) zugleich auch eine Erledigungserklärung der Antragsteller. Erklären die Beteiligten die Hauptsache nach einem erstinstanzlichen Beschluss, aber vor dessen prozessualer Unanfechtbarkeit übereinstimmend für erledigt und wird danach (oder wie hier: gleichzeitig) Beschwerde eingelegt (sog. Erledigung zwischen den Instanzen), fehlt es der Beschwerde regelmäßig am Rechtsschutzbedürfnis (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 161 Rn. 12 m.w.N.). Denn anders als ein Urteil im Klageverfahren, wo aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eine gerichtliche Klarstellung der Unwirksamkeit der Entscheidung geboten sein mag, nimmt ein Beschluss im Eilverfahren für sich nicht in Anspruch, die Rechtslage abschließend zu klären (so im Ergebnis auch OVG NW, B.v. 31.5.2002 – 21 B 931/02 – juris Rn. 6 und 10). Das Ziel einer günstigeren Kostenentscheidung begründet für sich genommen auch aufgrund des in § 158 VwGO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens kein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde (BayVGH, B.v. 25.2.2009 – 9 CS 08.2162 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 7.12.2009 – 1 S 1342/09 – juris Rn. 3 f. m.w.N.; OVG NW, B.v. 20.3.2007 – 14 B 168/07 – juris Rn. 1). Gemessen daran wäre ist Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde erkennbar. Dies gilt umso mehr, als das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragssteller nach § 80 Abs. 5 VwGO nach der Aufhebung des im Klageverfahren angegriffenen Bescheids vom 23. Dezember 2021 als unstatthaft abgelehnt und damit keine Aussage über die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids getroffen hat, die im Beschwerdeverfahren beseitigt werden könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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