Verwaltungsrecht

Beschwerde gegen den Beschluss vom Verwaltungsgericht – Entziehung der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  11 CS 18.300

Datum:
9.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2018, 4352
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 u. 5, § 146 Abs. 4 S. 4, § 158 Abs. 1

 

Leitsatz

Hat das Verwaltungsgericht die Anordnung des Sofortvollzugs wegen formeller Mängel aufgehoben, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung „im Übrigen“ abgelehnt und dem Antragsteller einen Teil der Kosten auferlegt, ist die Beschwerde dagegen insgesamt als unzulässig zu verwerfen. Für die Beschwerde gegen die – nicht korrekte – (Teil-)Ablehnung besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller dadurch materiell nicht beschwert ist. Die Beschwerde gegen die den Antragsteller belastende Kostenentscheidung ist nach § 158 Abs. 1 VwGO nicht zulässig. (Rn. 7 – 11)

Verfahrensgang

AN 10 S 17.2213 2018-01-05 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. Januar 2018, mit dem das Verwaltungsgericht zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2017 aus formellen Gründen (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) aufgehoben (Nr. 1 des Beschlusstenors), den Antrag aber im Übrigen abgelehnt (Nr. 2 des Beschlusstenors) und den Antragsteller zur Tragung von einem Drittel der Kosten verpflichtet hat (Nr. 3 des Beschlusstenors).
Der Antragsteller macht geltend, der Bescheid vom 13. Oktober 2017, mit dem ihm die Antragsgegnerin unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis entzogen und ihn zur Abgabe des Führerscheins verpflichtet hat, sei rechtswidrig, da zum damaligen Zeitpunkt keine gesicherte Diagnose einer psychischen Störung vorgelegen habe. Er sei auch nicht psychisch krank. Dies bestätige die beigefügte sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme. Die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid daher wiederherzustellen und die Kosten des Verfahrens müssten der Antragsgegnerin auferlegt werden.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und macht geltend, sie habe den Sofortvollzug mit Bescheid vom 17. Januar 2018 erneut angeordnet. Ein weiterer Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen, da für den Antragsteller kein Rechtsschutzbedürfnis daran besteht, Nummer 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts anzugreifen und einer Beschwerde gegen Nummer 3 des Beschlusses § 158 Abs. 1 VwGO entgegensteht.
1. Der Senat legt die Beschwerde dahin aus, dass sie sich nicht gegen Nummer 1 des Beschlusses des Verwaltungsgericht richtet, da die Anordnung des Sofortvollzugs damit aufgehoben worden und der Antragsteller durch diese Regelung nicht beschwert ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.1996 – 14 CS 95.3873 – BayVBl 1996, 633). Nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung kann die Sofortvollzugsanordnung auch nur aufgehoben werden, wenn sie formell rechtswidrig ist, obgleich dies in der Verwaltungsgerichtsordnung so nicht vorgesehen ist (BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 9; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 93; Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 80 Rn. 117; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 148; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 80 Rn. 442).
2. Die Beschwerde gegen Nummer 2 des Beschlusses ist unzulässig, da der Antragsteller auch durch die teilweise Antragsablehnung nicht beschwert ist. Der Senat geht davon aus, dass bei einer Aufhebung der Sofortvollzugsanordnung wegen formeller Mängel ein auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichteter Antrag nicht weiter reicht und deshalb eine Antragsablehnung „im Übrigen“ nicht in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2013 – 10 CS 13.1782 – juris Rn. 15; B.v. 6.11.2014 – 10 CS 14.1796 – juris Rn. 8; OVG Münster, B.v. 16.9.2016 – 1 B 379/16 – BeckRS 2016, 52138; VG Augsburg, B.v. 10.6.2016 – Au 3 S 15.1291 – juris Rn. 10; VG Greifswald, B.v. 11.8.2017 – 2 B 1456/17 HGW – juris; a.A. BayVGH, B.v. 15.5.1985 – 12 CS 84 A.2718 – NVwZ 1985, 663; Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a. a.a.O. § 80 Rn. 117).
Gleichwohl ist der Antragsteller durch eine solche (Teil-)Ablehnung materiell nicht beschwert, da auch eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung keine weitergehende Bindung der Behörde zur Folge hätte und für einen weitergehenden Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde (Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a. a.a.O. § 80 Rn. 117 m. Hinweis auf OVG NW, B.v. 22.6.2006 – 18 B 979/06 – juris; BayVGH, B.v. 12.3.1996 – 14 CS 95.3873 – NVwZ-RR 1997, 445). Wird eine (Teil-)Ablehnung für zulässig angesehen, ist jedenfalls eine Kostenregelung nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO zu treffen (vgl. Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a. a.a.O.§ 80 Rn. 117).
Es bedarf auch zur Klarstellung keiner Aufhebung der Antragsablehnung „im Übrigen“ (so aber OVG NW, B.v. 22.6.2006 – 18 B 979/06 – juris). Die Klage des Antragstellers hatte aufgrund § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung, bis diese durch die erneute Anordnung des Sofortvollzugs durch die Antragsgegnerin wieder entfallen ist. Dem Antragsteller steht gegen die neue Sofortvollzugsanordnung die Möglichkeit eines weiteren Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO offen, den er nach Angaben der Antragsgegnerin schon gestellt hat und über den das Verwaltungsgericht erneut zu entscheiden hat, denn die materiellen Ausführungen zur Frage der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im hier angefochtenen Beschluss machen eine solche Entscheidung nicht entbehrlich, stehen ihr aber auch nicht entgegen.
3. Eine Beschwerde gegen Nummer 3 des Beschlusses ist wegen § 158 Abs. 1 VwGO unzulässig. Nach § 158 Abs. 1 VwGO ist die isolierte Anfechtung einer gerichtlichen Kostenentscheidung unzulässig, da das Rechtsmittelgericht nicht allein wegen der getroffenen Kostenentscheidung zu einer Sachprüfung veranlasst werden soll (vgl. Bader in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a. a.a.O. § 158 Rn. 2). Dies gilt auch dann, wenn die Anfechtung der Hauptsacheentscheidung unzulässig ist, weil der Betroffene davon nicht beschwert ist (vgl. OVG Berlin-Bbg 16.10.2015, B.v. 16.10.2015 – OVG 11 S 69.15 – juris Rn. 3; BVerwG, B.v. 14.6.1999 – 4 B 18.99 – NVwZ-RR 1999, 692; B.v. 19.11.2002 – 7 B 104.02 – juris Rn. 3; Rennert in Eyermann, VwGO, § 158 Rn. 4; zu der entsprechenden Vorschrift des § 99 Abs. 1 ZPO: BGH, B.v. 15.5.2012 – VI ZB 27/11 – NJW-RR 2013, 179; B.v. 3.9.2013 – VIII ZB 17/12 – juris Rn. 7).
Ein solcher Fall liegt hier vor, da das Verwaltungsgericht zwar – insoweit nicht korrekt – den Antrag im Übrigen abgelehnt hat, der Antragsteller davon aber nicht beschwert ist (s.o. Nr. 2).
4. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zu verwerfen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, Anhang zu § 164 Rn. 14).
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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