Verwaltungsrecht

Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Ablehnung eines Antrages auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  10 ZB 17.806

Datum:
25.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 121555
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 121 Nr. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 166 Abs. 1 S. 1
VwZVG Art. 32 S. 1, Art. 41
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 119 Abs. 1 S. 2, § 121 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Anspruch der Vollstreckungsbehörde aus Art. 32 S. 1 VwZVG auf Erstattung der für eine Ersatzvornahme aufgewendeten Kosten setzt neben der vollstreckbaren Grundverfügung oder Primärmaßnahme auch die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme voraus. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden im Rahmen der Ausführung von Ersatzvornahmen sperrt Art. 32 VwZVG einen Rückgriff auf die allgemeinen Kostenvorschriften des Kostengesetzes. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 22 K 16.323 2016-12-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Dem Kläger wird für das Zulassungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt …, beigeordnet.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 34.319,15 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Dem Kläger ist auf seinen Antrag hin für das Zulassungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und sein Prozessbevollmächtigter beizuordnen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Kläger hat durch seine am 10. Juli 2017 vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe mit den beigefügten Belegen nachgewiesen, dass er die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann. In einem höheren Rechtszug ist gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder – wie hier – Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat. Da sich die Beteiligten nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO vor dem Verwaltungsgerichtshof durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssen, wird dem Kläger nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 1 ZPO sein Prozessbevollmächtigter als zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet.
2. Der gegen das der Anfechtungsklage des Klägers stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts gerichtete Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Beklagte im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Aufhebung des Leistungsbescheids, mit dem die Beklagte Kostenersatz in Höhe von 34.319,15 Euro für die im Wege der Ersatzvornahme durchgeführte Fällung von Bäumen auf dem Grundstück des Klägers Fl.Nr. 151 der Gemarkung F. geltend macht, damit begründet, dass für diese Vollstreckungsmaßnahme gemäß Art. 32 Satz 1 in Verbindung mit Art. 41 VwZVG Kosten nur erhoben werden könnten, wenn die Maßnahme rechtmäßig sei. Im vorliegenden Fall habe das Gericht jedoch mit Urteil vom 18. Juli 2013 (M 22 K 11.3008) die Rechtswidrigkeit der Ersatzvornahme rechtskräftig und nach § 121 Nr. 1 VwGO für das streitgegenständliche Verfahren bindend festgestellt.
Demgegenüber macht die Beklagte geltend, sie sei durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. Juli 2013 nicht am Erlass des angefochtenen Kostenbescheids gehindert gewesen. Denn aufgrund dieses Urteils stehe rechtskräftig fest, dass die der Kostenforderung zugrunde liegende Anordnung der Fällung der Bäume rechtmäßig sei. Der Kläger habe diese Verpflichtung nicht erfüllt, sondern deutlich gemacht, dass er zur Durchführung der Maßnahme finanziell nicht in der Lage sei. Somit habe für die Beklagte die Möglichkeit einer Ersatzvornahme und Geltendmachung der hierbei entstehenden Kosten durch Leistungsbescheid entweder nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes oder den einschlägigen Vorschriften des Kostengesetzes bestanden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 32 Satz 1 VwZVG, auf den die Beklagte ihren Bescheid gestützt habe, lägen vor. So habe das Verwaltungsgericht im Parallelverfahren (M 22 K 14.5771) ausgeführt, Art. 32 Satz 1 in Verbindung mit Art. 41 VwZVG stelle eine abschließende Sonderregelung für die Erstattung der einer Sicherheitsbehörde im Rahmen einer Ersatzvornahme entstandenen Kosten dar. Das Verwaltungsgericht verhalte sich widersprüchlich, wenn es die auf die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) gestützte Leistungsklage der Beklagten unter Hinweis auf den Vorrang kostenrechtlicher Sonderregelungen im Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz und Kostengesetz abweise, gleichzeitig aber den Leistungsbescheid auf der Grundlage dieser Vorschriften mit der Begründung aufhebe, dieser Kostenforderung stehe die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 18. Juli 2013 (M 22 K 11.3008) entgegen.
Damit werden jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufgezeigt. Denn das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Voraussetzung für den sich aus Art. 32 Satz 1 VwZVG ergebenden öffentlich-rechtlichen Anspruch der Vollstreckungsbehörde auf Erstattung der für die Ersatzvornahme aufgewendeten Kosten (vgl. Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand März 2017, VwZVG Art. 32 Anm. IV. 1.a); Harrer/Kugele/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand April 2017, VwZVG Art. 32 Erl. 7) neben der vollstreckbaren (also zumindest wirksamen, vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5.08 – juris Rn. 12) Grundverfügung oder Primärmaßnahme die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2005 – 11 B 03.1818 – juris Rn. 12; BVerwG, U.v. 13.4.1984 – 4 C 31.81 – juris Rn. 12; Linhart, Schreiben, Bescheide und Vorschriften in der Verwaltung, Stand Januar 2017, § 18 Rn. 206d). An letzterem fehlt es jedoch nach zutreffender Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts. Denn wie sich aus dem mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Februar 2014 (10 ZB 13.1922) rechtskräftig gewordenen Urteil (s. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO) des Verwaltungsgerichts vom 18. Juli 2013 (M 22 K 11.3008) mit Bindungswirkung für die Parteien ergibt, ist die durch die Beklagte durchgeführte Ersatzvornahme bezüglich der Fällung der Bäume auf dem Grundstück des Klägers rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ein etwaiger Rückgriff auf die allgemeinen Kostenvorschriften des Kostengesetzes scheidet entgegen der Auffassung der Beklagten diesbezüglich schon deshalb aus, weil Art. 32 VwZVG bei Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde im Rahmen der Ausführung der Ersatzvornahme eine kostenrechtlich abschließende Spezialvorschrift darstellt (vgl. Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand März 2017, VwZVG Art. 32 Anm. IV. 1.a). Die von Beklagtenseite angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg (U.v. 15.7.2014 – W 4 K 13.1035 – juris) betrifft im Übrigen keine sicherheitsbehördliche Ersatzvornahme, sondern vielmehr den Fall einer Tatmaßnahme nach Art. 7 Abs. 3 LStVG, und kann daher zur Stützung der gegenteiligen Auffassung nicht herangezogen werden.
Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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