Verwaltungsrecht

Billigkeitsentscheidung bei der Rückforderung von Anwärterbezügen im Fall fehlender Angaben

Aktenzeichen  3 ZB 18.65

Datum:
13.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4551
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 15 Abs. 2, Art. 75 Abs. 2
BayVwVfG Art. 28
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist einem Beteiligten vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies umfasst – über die eigentliche Stellungnahmemöglichkeit hinaus – die vorherige Unterrichtung des Beteiligten über den beabsichtigten Verwaltungsakt sowie im Nachgang die Pflicht, das Vorgebrachte zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft zu berücksichtigen (Rn. 5). (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG lässt sich kein weitergehender Anspruch des Klägers etwa dahingehend ableiten, dass die Behörde ihn darauf hätte hinweisen müssen, ob, welche und bis zu welchem Zeitpunkt er Unterlagen oder Nachweise, insbesondere zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorlegen müsse (Rn. 7). (redaktioneller Leitsatz)
3. Ohne Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die im Wesentlichen nur durch den betroffenen Beamten erfolgen kann, ist es ausreichend, dass durch die Behörde bei einer entsprechenden Antragstellung und Einreichung der erforderlichen Unterlagen eine Ratenzahlung in Aussicht gestellt wird (Rn. 9). (redaktioneller Leitsatz)
4. Der gerichtlichen Überprüfung einer Billigkeitsentscheidung dürfen nur die Umstände zugrunde gelegt werden, die der Behörde aufgrund des Vorbringens des Schuldners oder nach Lage der Akten ohnehin bekannt waren; eine darüberhinausgehende gerichtliche Aufklärungspflicht besteht nicht (Rn. 11). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 17.1778 2017-11-14 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 20.658,50 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf sämtliche fünf Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. November 2017 bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
1.1 Der Kläger wurde rechtskräftig mit Ablauf des 30. Juni 2014 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf aufgrund fehlender persönlicher und charakterlicher Eignung entlassen (VG Würzburg, U.v. 30.6.2015 – W 1 K 15.60 – juris). Er wendet sich gegen die mit Bescheid vom 11. April 2017 angeordnete Rückforderung seiner Anwärterbezüge (Art. 75 Abs. 2 Satz 1, Art. 15 Abs. 2 BayBesG), die ihm u.a. mit der Auflage gewährt wurden, dass die Ausbildung nicht vor Ablauf der in den Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften festgelegten oder im Einzelfall festgesetzten Ausbildungszeit aus einem von dem Anwärter zu vertretenden Grunde endet (vgl. das vom Kläger am 14.2.2011 unterzeichnete Formblatt „Auflagen zur Gewährung der Anwärterbezüge für Anwärter/innen (Beamte auf Widerruf), die im Rahmen eines Vorbereitungsdienstes ein Studium an einer verwaltungsinternen Fachhochschule ableisten“, Behördenakte S. 3). Seine gegen den Rückforderungsbescheid am 24. April 2017 erhobene Klage blieb in erster Instanz erfolglos.
1.2 Der Kläger, der drei Werktage vor der mündlichen Verhandlung des Erstgerichts am 9. November 2017 erstmalig mitteilte, dass er seit Februar 2016 Leistungen nach SGB II bezieht, rügt die Gestaltung des vor Erlass des streitgegenständlichen Rückforderungsbescheides ergangenen Anhörungsschreibens vom 8. Februar 2017. Er sei weder zu Billigkeitserwägungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwingend vor der Rückforderung zu treffen seien, noch zu einer Härtefallregelung angehört oder aufgefordert worden, Umstände in wirtschaftlicher und persönlicher Hinsicht, vor allem zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen darzulegen. Es hätte eines weitergehenden Hinweises durch den Beklagten bedurft, ob, welche und bis zu welchem Zeitpunkt Unterlagen oder Nachweise für eine unzumutbare Härte vorzulegen seien. Der Ausgangsbescheid vom 11. April 2017 enthalte lediglich den Hinweis auf eine mögliche Ratenzahlung. Die Auflagenbestimmung vom 14. Februar 2011 sei insoweit ebenfalls unzureichend.
Damit kann der Kläger nicht durchdringen. Mit Schreiben vom 8. Februar 2017 wurde er ordnungsgemäß angehört. Nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist einem Beteiligten vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts – wie der streitgegenständliche Rückforderungsbescheid vom 11. April 2017 – Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies umfasst – über die eigentliche Stellungnahmemöglichkeit hinaus – die vorherige Unterrichtung des Beteiligten über den beabsichtigten Verwaltungsakt sowie im Nachgang die Pflicht, das Vorgebrachte zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft zu berücksichtigen (BayVGH, B.v. 31.5.2019 – 10 ZB 19.613 – juris Rn. 8; Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 34).
Gemessen daran ist die erfolgte Anhörung rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Anhörungsschreiben konnte die Ankündigung entnommen werden, dass in einem konkreten Einzelfall der Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts beabsichtigt ist. Es fehlte weder die erforderliche Individualisierung des Adressaten noch die Konkretisierung der beabsichtigten behördlichen Maßnahme, ohne die der mit der Anhörung verfolgte Zweck ins Leere geht, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Denn in dem Schreiben des Landesamtes für Steuern vom 8. Februar 2017 wurde unter Bezugnahme auf Art. 75 BayBesG darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, von dem Kläger Anwärterbezüge in Höhe von 20.658,50 Euro zurückzufordern, weil seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf aufgrund seines Verhaltens am Ausbildungsfinanzamt und an der Fachhochschule seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen sei. Zugleich wurde auf das am 14. November 2011 vom Kläger unterzeichnete Formblatt verwiesen, in dem dieser darauf aufmerksam gemacht wurde, dass auf die Rückforderung ganz oder teilweise verzichtet werden kann, wenn sie eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Dies entspricht Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG, wonach aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden kann. Insofern dringt der Kläger mit seinem Vorbringen nicht durch, aus der fehlenden Erwähnung einer möglichen Billigkeits- und Härtefallentscheidung im Anhörungsschreiben vom 8. Februar 2017 sei zu schließen, dass auch im streitgegenständlichen Bescheid weder eine Billigkeits- noch eine Härtefallentscheidung getroffen worden sei. Da dem Kläger die beabsichtigte Rückforderungssumme genannt wurde, geht auch sein Einwand fehl, das Anhörungsschreiben habe allenfalls die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Rückforderungsverlangen dem Grunde, aber nicht der Höhe nach eingeräumt.
Aus Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG lässt sich kein weitergehender Anspruch des Klägers etwa dahingehend ableiten, dass die Behörde ihn darauf hätte hinweisen müssen, ob, welche und bis zu welchem Zeitpunkt er Unterlagen oder Nachweise, insbesondere zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorlegen müsse. Denn auch ohne entsprechenden Hinweis war für den Kläger aus dem Anhörungsschreiben unter Bezugnahme auf eine mögliche Härtefallregelung hinreichend deutlich erkennbar, dass hierfür seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse eine entscheidende Rolle spielen könnten. Im Rahmen einer angekündigten Rückzahlungsverpflichtung musste ihm und insbesondere seinem während des Anhörungsverfahrens mandatiertem Bevollmächtigten offenkundig bekannt sein, dass es im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung mitunter auf die finanzielle Situation des Klägers ankommen könnte. Im Hinblick darauf ist der Einwand nicht nachvollziehbar, von Klägerseite könne die richtige Einordnung der Bedeutung und Tragweite des Anhörungsschreibens nicht erwartet werden. Vielmehr war nach alledem für die Klagepartei hinreichend erkennbar, weshalb und wozu sie sich äußern kann und mit welcher Entscheidung sie zu rechnen hat (BVerfG, B.v. 19.11.2002 – 2 BvR 329/97; Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. § 28 Rn. 35). Eine nähere Erläuterung des Begriffs einer „unzumutbaren Härte“ oder von „Billigkeitsgründen“ war für die Behörde aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten, individuell unterschiedlicher persönlicher und wirtschaftlicher Umstände nicht angezeigt. Bei Unklarheiten hätte es vielmehr dem Kläger oblegen, bei der Behörde Erkundigungen einzuholen.
Im streitgegenständlichen Bescheid setzte sich der Beklagte mit den Stellungnahmen des Bevollmächtigten des Klägers (14.2./9.3.2017), die sich im Wesentlichen auf den Vortrag beschränkten, der Kläger habe sein Ausscheiden aus dem Dienst nicht zu vertreten, hinreichend auseinander. Sogar den apodiktischen Verweis des Klägerbevollmächtigten auf sein Vorbringen im Rahmen eines damals vor dem Verwaltungsgericht Regensburg laufenden Verfahrens des Klägers wegen seiner Nichteinstellung in die Sozialverwaltung, griff das Landesamt für Steuern auf, um sich bei der für dieses Gerichtsverfahren zuständigen Behörde über einen möglicherweise relevanten klägerischen Sachvortrag zu informieren (Gesprächsvermerk v. 6.4.2017).
1.3 Obwohl er Anlass dazu gehabt hätte, machte der Kläger im gesamten Verwaltungsverfahren keine Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse. Demnach konnte die Behörde eine Entscheidung ohne entsprechende Angaben des Klägers über die Höhe der Rate nicht treffen. Daher sieht der Senat die Billigkeitsentscheidung trotz Fehlens einer Festsetzung einer Rate als rechtmäßig an. Denn ohne Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die im Wesentlichen nur durch den betroffenen Beamten erfolgen kann, ist es ausreichend, dass bei einer entsprechenden Antragstellung und Einreichung der erforderlichen Unterlagen eine Ratenzahlung in Aussicht gestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris Rn. 26). Dabei wird nicht verkannt, dass für eine Billigkeitsentscheidung eine bloße Bereitschaft, später Ratenzahlungen zu vereinbaren, grundsätzlich nicht genügt (BVerwG U.v. 26.4.2012 – 2 C 15.10 juris Rn. 28 ff.; U.v. 19.12.1995 – 10 A 1.94 – juris Rn. 31 zur damaligen Fassung des § 87 Abs. 2 Satz 3 BBG; May in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht Kommentar, 21. UPD Februar 2020, 6.4 Rn. 456). Anders ist dies nur dann, wenn der Rückzahlungsverpflichtete trotz einer entsprechenden Aufforderung nicht die für die Billigkeitsentscheidung benötigten Auskünfte gibt (HessVGH, U.v. 27.6.1990 – 1 UE 1378/87 – juris Rn. 44). So verhält es sich hier, da der Rückzahlungsverpflichtete keine Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen machte, obwohl er hierzu durch das Anhörungsschreiben und des damit verbundenen Hinweises auf einen möglichen (teilweisen) Verzicht auf die Rückforderung bei einem unzumutbaren Härtefall hinreichend Anlass gehabt hätte. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass die Einräumung von angemessenen Ratenzahlungsmöglichkeiten regelmäßig den Erfordernissen einer im Rahmen des Rückforderungsbescheids zu treffenden Ermessensentscheidung genügt, wenn kein überwiegendes behördliches Mitverschulden für die Überzahlung von Besoldungs- oder Versorgungsbezügen vorliegt (BVerwG, U.v. 21.2.2019 – 2 C 24.17 – juris Rn. 21). Auch dies trifft in vorliegendem Fall zu, da die Rückforderung aus Gründen erfolgte, die vollständig der klägerischen Sphäre zuzurechnen sind. Das Verwaltungsgericht führte zu Recht aus, dass die Ausbildung vor Ablauf der in den Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften festgelegten oder im Einzelfall festgesetzten Ausbildungszeit aus einem von dem Anwärter zu vertretendem Grund endete. Die Entlassung war wegen Leistungsmängeln des Klägers gerechtfertigt, die wie hier, nicht in einem Mangel des Könnens, sondern des Wollens lagen (BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – juris Rn. 22). Der Kläger verhinderte durch sein Verhalten, seine wiederholte Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit und offensichtliche Interessenlosigkeit bis hin zur Leistungsverweigerung eine ordnungsgemäße Durchführung des Vorbereitungsdienstes (VG Würzburg, U.v. 30.6.2015 – W 1 K 15.60 – juris Rn. 27). Ein behördliches Mitverschulden für die Entlassung und damit die ergangene Rückforderung ergibt sich nicht etwa daraus, dass der Beklagte den Kläger bereits im April 2013 auf die bevorstehende Beendigung seiner Ausbildung und Rückforderung hätte hinweisen müssen (Klagebegründung S. 8). Hierbei geht das Erstgericht zu Recht davon aus, dass es dem Beklagten nicht angelastet werden kann, wenn er den Kläger zum Zeitpunkt des Personalgesprächs im April 2013 nicht gleich entlassen hat, sondern vielmehr auf eine Verhaltensänderung des Klägers hoffte, um ihm die Gelegenheit zur Ableistung des Vorbereitungsdienstes zu geben (UA S. 11 f.). Nach alledem führt auch die Rüge, der Beklagte hätte in dem streitgegenständlichen Bescheid nicht nur Überlegungen zu einer Ratenzahlung, sondern auch zu Verzicht und Stundung anstellen müssen, nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags. Nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG ist zudem ein Ermessensspielraum für die Rückforderung der Anwärterbezüge nur eröffnet, wenn Billigkeitsgründe vorliegen (BayVGH, B.v. 18.12.2015 – 3 ZB 13.1199 – juris Rn. 14).
Soweit der Kläger beanstandet, dass seine erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren offengelegten Vermögens- und Finanzverhältnisse bei einer Billigkeitsentscheidung nicht berücksichtigt worden seien, lassen sich hieraus Billigkeitsgründe als Grundlage für eine Ermessensentscheidung über Rückzahlungserleichterungen nicht herleiten. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sich aus dem Klägervortrag bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 11. April 2017 (BVerwG, U.v. 25.1.2001 – 2 A 7.99 – juris Rn. 23; U.v. 22.3.2017 – 5 C 5.16 – juris Rn. 27; U.v. 8.10.1998 – 2 C 21.97 – juris Ls 1; BayVGH, B.v. 18.12.2015 – 3 ZB 13.1199 – juris Rn. 14; OVG Lüneburg, B.v. 1.9.2014 – 5 LA 240/13 – juris Rn. 15) keine besonderen Umstände entnehmen ließen, die Anlass zu einem Teilverzicht auf die Rückforderung der Anwärterbezüge aus Billigkeitsgründen gegeben hätten. Der gerichtlichen Überprüfung der Billigkeitsentscheidung dürfen nur die Umstände zugrunde gelegt werden, die der Behörde aufgrund des Vorbringens des Schuldners oder nach Lage der Akten ohnehin bekannt waren. Dies gilt unabhängig davon, ob die letzte Verwaltungsentscheidung in Gestalt eines Widerspruchsbescheides ergeht oder sich der Kläger – wie in diesem Fall – entschließt, unmittelbar gegen den Rückforderungsbescheid den Klageweg zu beschreiten. Der klägerische Hinweis auf die durch das Bundesverfassungsgericht (B.v. 23.7.2003 – 2 BvR 624/01) erfolgte Aufhebung des in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgericht (UA S. 10) zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2001 (2 A 7.99 – juris Rn. 23), führt nicht weiter, da sich der Vorwurf des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) durch das Bundesverfassungsgericht nicht auf die Ausführungen zur Billigkeitsentscheidung durch das Bundesverwaltungsgerichts bezog, sondern auf die Frage, ob es dem Kläger verwehrt ist, sich auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen, weil er den Mangel des rechtlichen Grundes kannte oder kennen musste (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG i.V.m. §§ 818 Abs. 3, Abs. 4, 819 BGB).
Dem Beklagten hätten sich auch nicht etwa deshalb Kenntnisse über die finanziellen Verhältnisse des Klägers aufdrängen müssen, weil ihm dessen erfolglose Bewerbung für eine Ausbildung in der Sozialverwaltung bekannt war (Ablehnung der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf und eine Ernennung zum Regierungssekretäranwärter vom 18.5.2016). Diese Information allein lässt keinen zwingenden Rückschluss auf eine angespannte finanzielle Lage des Beamten zu. Der gerichtlichen Überprüfung einer Billigkeitsentscheidung dürfen nur die Umstände zugrunde gelegt werden, die der Behörde aufgrund des Vorbringens des Schuldners oder nach Lage der Akten ohnehin bekannt waren. Eine darüberhinausgehende gerichtliche Aufklärungspflicht besteht nicht (BVerwG, U.v. 25.1.2001 – 2 A 7.99 – juris Rn. 23; U.v. 8.10.1998 – 2 C 21.97 – juris Rn. 22).
2. Aus den unter 1. dargestellten Gründen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache nicht die behaupteten besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
3. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht dargelegt, weil hierfür der Vortrag nicht genügt, eine grundsätzliche Bedeutung liege stets bei divergierender Rechtsprechung vor, das Verwaltungsgericht habe sich „nicht erschöpfend mit der ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend befasst“ und sei von unzutreffenden sachlichen Gegebenheiten ausgegangen. Insoweit hätte eine konkrete Rechtsfrage formuliert werden müssen, ausgeführt werden müssen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, erläutert werden müssen, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und dargelegt werden müssen, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72). Das leistet die Begründung des Zulassungsantrags nicht.
4. Der Beklagte kann seinen Zulassungsantrag auch nicht auf § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) stützen. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Hierzu wäre auszuführen gewesen, welcher Rechts- oder Tatsachensatz in welchem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht.
Diesen Anforderungen wird der unter „4. Zulassungsgrund § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO“ (Zulassungsbegründung S. 12) formulierte Satz: „Auf der Abweichung von der Entscheidungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts beruht das angefochtene Urteil des VG auch kausal, so wie oben breit ausgeführt“ schon deshalb nicht gerecht, weil daraus noch nicht einmal ersichtlich wird, auf welche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts der Kläger Bezug nimmt. Eine Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2012 (2 C 15.10 – Rn. 30) liegt im Übrigen nicht vor (s.o. unter 1.). Zudem hätte der Kläger der aus diesem Urteil zitierten Passage (Zulassungsbegründung S. 7) einen entgegenstehenden Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil gegenüberstellen müssen, um den Darlegungsanforderungen einer Divergenz zu genügen. Dies ist nicht geschehen. Im Übrigen genügt es nicht, eine bloß unterbliebene Anwendung eines Rechtssatzes aufzuzeigen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73).
5. Das Urteil beruht auch nicht auf einem Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit sie entscheidungserheblich sind (BVerfG, B.v. 17.11.1992 – 1 BvR 168/89 u.a. – BVerfGE 87, 363/392 f. m.w.N.; BVerwG, U.v. 29.11.1985 – 9 C 49.85 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177 m.w.N.; U.v. 20.11.1995 – 4 C 10.95 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 367; U.v. 21.9.2000 – 2 C 5.99 – BayVBl 2001, 216).
Der Kläger beanstandet insoweit im Wesentlichen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, indem weder der Beklagte noch das Verwaltungsgericht sein Vorbingen zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen (vgl. Aktenkonvolut vom 9.11.2017) berücksichtigt habe. Das Verwaltungsgericht hat den klägerischen Vortrag zu dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen jedoch zur Kenntnis genommen und sachlich gewürdigt (UA S. 12). Es ist dabei davon ausgegangen, dass besondere Umstände, die Anlass zu einem Teilverzicht auf die Rückforderung der Anwärterbezüge aus Billigkeitsgründen gegeben hätten zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des das Verwaltungsverfahren abschließenden Rückforderungsbescheides am 11. April 2017 hätten vorliegen müssen. Ohne Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse (zu diesem Zeitpunkt) sei das Inaussichtstellen einer Ratenzahlung durch die Behörde ausreichend. Der Umstand, dass es dieses Vorbringen anders gewürdigt hat als der Kläger, begründet keinen Gehörsverstoß (vgl. BVerwG, B.v. 26.7.2012 – 10 B 21.12 – juris Rn. 2).
6. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG (wie Vorinstanz).
7. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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