Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  RN 11 K 20.31566

Datum:
25.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20933
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
A. Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist zulässig, aber unbegründet. Dabei geht das Gericht bei verständiger Auslegung des Klagebegehrens davon aus, dass sich die Klage gegen Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids und damit gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens richtet.
I. Statthafte Klageart bei der Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ist nicht die Verpflichtungssondern die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Anders als nach der früheren Rechtsprechung kommt ein “Durchentscheiden” des Gerichts bei Folgeanträgen gemäß § 71 des Asylgesetzes (AsylG) und bei Zweitanträgen gemäß § 71a AsylG hinsichtlich der in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids getroffenen Unzulässigkeitsentscheidung nicht in Betracht (vgl. BVerwG vom 14.12.2016 Az. 1 C 4/16).
II. Die Klage ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist nämlich in Nr. 1 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Er hat im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, da die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) nicht vorliegen, vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG oder eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein weiteres Asylverfahren nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn sich die der Asylablehnung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG), oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Antrag ist gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Der Antrag muss gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat, § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG.
1. Eine nachträgliche Änderung der Sachlage zu seinen Gunsten hat der Kläger nicht persönlich vorgebracht. Dem am 1. September 2019 übersetzten Schreiben des Klägers (Seite 30 des Behördenakts), mit dem er seinen Folgeantrag begründete, lässt sich kein neues Vorbringen entnehmen, das zu einer günstigeren Entscheidung führen kann und das er nicht bereits im Erstverfahren hätte vorbringen können.
Die – angebliche – Unsicherheit in Griechenland und der Aufenthalt von Familienmitgliedern in Deutschland sind nichts neues. Diese Umstände wurden auch in dem Urteil vom 11. November 2019 in dem Verfahren Az. RN 11 K 19.31501 gewürdigt. Dass der Kläger in Deutschland Geld verdienen kann, um seine Familie zu unterstützen, kann zu keiner günstigeren Entscheidung führen. Ein Zusammenhang mit einem relevanten Asylgrund wurde damit nicht ansatzweise dargelegt. Zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung kann auch nicht sein psychischer Zustand führen, zumal er auch keine aussagekräftigen Unterlagen vorlegte, die geeignet sind, eine maßgebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands zur Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar darzulegen.
2. Der Kläger stellte auch in der mündlichen Verhandlung am 24. März 2021 keine neue Sachlage dar. Die von ihm geschilderten Verhältnisse in Griechenland waren bereits Gegenstand des Erstverfahrens und wurden ebenfalls in dem Urteil vom 11. November 2019 behandelt. Dies gilt auch hinsichtlich der Thrombose im linken Bein, die bereits im Zeitpunkt der ersten mündlichen Verhandlung bestand und bereits damals mit Aspirin und einem Kompressionsstrumpf behandelt wurde. Eine relevante Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands legte der Kläger nicht substantiiert und nachvollziehbar dar.
3. Die in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Fotografien wurden bereits im Erstverfahren vorgelegt und zum Gerichtsakt genommen. Um neue Beweismittel handelt es sich damit nicht.
4. Eine nachträgliche Änderung der Sachlage zu Gunsten des Klägers ergibt sich auch nicht aus im Vergleich zu dem Urteil vom 11. November 2019 geänderten tatsächlichen Verhältnissen in Griechenland. Die Aufnahmebedingungen für Schutzberechtigte in Griechenland habe sich nicht derart geändert, dass eine Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ausgeschlossen ist.
a. Zwar hat die Beklagte, anders als dies das Gericht in dem Urteil vom 11. November 2019 unter A. noch vertreten hat, über den Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hinaus zu beachten, dass bei einer – drohenden – Verletzung des Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) bzw. des inhaltsgleichen Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GrCharta) Asylanträge nicht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt werden dürfen. Hierzu nimmt das Gericht auf folgende Ausführungen in dem Beschluss des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 13. November 2019 (Az. C-540/17) Bezug:
“Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, von der durch diese Vorschrift eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, weil dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, wenn die Lebensverhältnisse, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta zu erfahren.”
b. Im Fall des Klägers verletzen die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden Bedingungen in Griechenland jedoch nicht Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GrCharta, da die nach der Rechtsprechung des EuGHs erforderliche besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit bei ihm nicht erreicht ist. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG liegen daher nicht vor. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
aa. Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt eine Verletzung des Art. 3 EMRK nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht. Es muss eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht werden. Zu den Anforderungen hieran hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 19. März 2019 (Az. C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17) wie folgt geäußert:
“Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits subsidiären Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (vgl. entsprechend Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit ist festzustellen, dass die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Schwachstellen nur dann unter Art. 4 der Charta, der Art. 3 EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der EMRK verliehen wird, fallen, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 93).
Im Hinblick auf die insoweit vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen ist festzustellen, dass unter Berücksichtigung der Bedeutung, die der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens für das Gemeinsame Europäische Asylsystem hat, Verstöße gegen Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie, die nicht zu einer Verletzung von Art. 4 der Charta führen, die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, ihre durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie eingeräumte Befugnis auszuüben.
Der vom vorlegenden Gericht ebenfalls genannte Umstand, dass subsidiär Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller diesen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass dieser Antragsteller dort tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende Behandlung zu erfahren, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sich dieser Antragsteller aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die den in den Rn. 89 bis 91 des vorliegenden Urteils genannten Kriterien entspricht.
Jedenfalls kann der bloße Umstand, dass in dem Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist, die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als in dem bereits subsidiären Schutz gewährenden Mitgliedstaat, nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende Behandlung zu erfahren (vgl. entsprechend Urteil vom heutigen Tag, Jawo, C-163/17, Rn. 97).”
bb. Hinsichtlich der Verhältnisse in Griechenland nimmt das Gericht auf die folgenden überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Ansbach in seinem Urteil vom 10. Februar 2021 (Az. AN 17 K 18.50427) Bezug und schließt sich ihnen an:
“Die Lage für nach Griechenland zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte stellt sich im Allgemeinen (aa)) und speziell im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie (bb) wie folgt dar:
aa) Asylbewerber, die bereits von Griechenland als international Schutzberechtigte anerkannt worden sind, werden im Falle einer Abschiebung dorthin von den zuständigen Polizeidienststellen in Empfang genommen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend über ihre Rechte aufgeklärt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3). Die betroffenen Personen erhalten insbesondere Informationen zur nächsten Ausländerbehörde, um dort ihren Aufenthaltstitel verlängern zu können. Anerkannte Schutzberechtigte haben sich sodann beim zuständigen Bürgerservice-Center zu melden. Spezielle staatliche Hilfsangebote für Rückkehrer werden vom griechischen Staat nicht zur Verfügung gestellt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 8).
Staatliche Integrationsmaßnahmen gibt es kaum. Es existiert kein funktionierendes Konzept für die Integration von Flüchtlingen bzw. es fehlt an nennenswerten staatlichen Ressourcen zu einer Implementierung (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 11; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierte Gesamtausgabe vom 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, Ziffer 6. Schutzberechtigte, S. 27 f.). Diesbezügliche Ansätze der Regierung wie die “Nationale Strategie zur Integration von Drittstaatsangehörigen” sind nur teilweise umgesetzt (Pro Asyl, a.a.O.; BFA a.a.O.) oder haben wie im Falle der nationalen Integrationsstrategie aus Juli 2018 keine rechtlich bindende Wirkung (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7). Zwar berichten einige Erkenntnismittel etwa von 53 Integrationsräten auf lokaler Ebene, welche das Ziel verfolgten, Integrationsprobleme zu identifizieren und dem jeweiligen Gemeinderat Vorschläge für eine möglichst reibungsfreie Integration von Einwanderern zu unterbreiten (BAMF, Länderinformation: Griechenland, Stand Mai 2017, S. 5). Diese Beschreibung deutet jedoch auf ein eher politisches Gremium hin, welches sich um Änderungen bemüht, selbst aber keine Integrationsleistungen anbietet. Hinsichtlich staatlicher Kurse zu Sprache sowie Kultur und Geschichte des Landes ist das Bild uneinheitlich (für die Existenz kostenloser Kurse: Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 11), wobei aktuellere und insofern vorzugswürdige Erkenntnismittel ein solches Angebot verneinen (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 12). Zudem wird die hohe Abhängigkeit etwaiger Integrationsprogramme von einer Finanzierung durch die EU betont, da auf nationaler und kommunaler Ebene keine nennenswerten Ressourcen zur Verfügung stehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7; BFA a.a.O.).
In diese Lücke stoßen jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten und mit denen die griechischen Behörden, insbesondere die lokalen, auch kooperieren (OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 91 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2; United States Departement of State [USDOS], Country Report of Human Rights Practices for 2019, Greece, Section 2. f. Protection for Refugees, S. 14; UNHCR, Fact Sheets Greece von Mai und August 2020; BFA a.a.O. S. 32). Die Arbeit der NGOs ist jedoch räumlich vorwiegend auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2).
Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt, entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Auch findet keine staatliche Beratung zur Wohnraumsuche statt. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; BFA a.a.O., S. 30; Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2019, Flüchtlinge und Asylsuchende, Zugang zu Gesundheitsversorgung und Wohnraum, Stand: 16.4.2020). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (BFA a.a.O., S. 30).
Zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigten werden nicht in den Flüchtlingslagern oder staatlichen Unterkünften untergebracht. Zwar leben dort auch anerkannte Schutzberechtigte, jedoch nur solche, die bereits als Asylsuchende dort untergebracht waren und über die Anerkennung hinaus dort verblieben sind und zudem nur für einen mehrmonatigen Übergangszeitraum (BFA a.a.O., S. 26; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.). Von einer Unterbringung kann nur ausgegangen werden, soweit eine explizite Zusage im Einzelfall zur Betreuung des Rückkehrers seitens der griechischen Behörden vorliegt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, a.a.O.).
Auch haben die zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten keinen Zugang zu einer Unterbringung im Rahmen des EUfinanzierten und durch das UNHCR betriebenen ESTIA-Programms (Emergency Support to Accomodation and Integration System). Über das ESTIA-Programm stehen derzeit ca. 4.600 Appartements und insgesamt ca. 25.500 Unterbringungsplätze zur Verfügung (UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Mai 2020). Dieses steht jedoch nur Asylsuchenden und begrenzt zwischenzeitlich auch für international Anerkannte zur Verfügung, die bereits dort gelebt haben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2; Pro Asyl, Returned recognized refugees face a dead-end in Greece – a case study, Stand 4.1.2019, S. 3). Durch das neue Asylgesetz Nr. 4636/2019, das am 1. November 2019 in Kraft trat, wurden die Bedingungen für die anerkannt Schutzberechtigten überdies verschärft; sie müssen nunmehr unmittelbar ab dem Zeitpunkt der Anerkennung die ESTIA-Unterkünfte verlassen, wobei es eine einmalige Übergangsfrist von zwei Monaten Anfang 2020 geben soll (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2).
Das Helios-2-Programm, ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Abstimmung mit dem griechischen Migrationsministerium entwickeltes und durch die EU finanziertes Integrationsprogramm, sieht zwar 5.000 Wohnungsplätze für anerkannte Schutzberechtigte vor. Die Wohnungsangebote werden dabei von Nichtregierungsorganisationen und Entwicklungsgesellschaften griechischer Kommunen als Kooperationspartner der IOM zur Verfügung gestellt und von den Schutzberechtigten, unter Zahlung einer Wohnungsbeihilfe an sie, angemietet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2 f.). Das Programm kommt nach derzeitigem Erkenntnisstand aber nicht den anerkannten Flüchtlingen zugute, die nach Griechenland zurückkehren, sondern gilt für ab dem 1. Januar 2018, vorzugsweise ab dem 1. Januar 2019 Anerkannte nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten im ESTIA-Programm (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 3: derzeit keine Kenntnisse des AA hierüber).
Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Kapazitäten in den kommunalen und durch NGOs betriebenen Unterkünften, etwa in Athen, knapp bemessen und oft chronisch überfüllt (BFA a.a.O., S. 30; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit. Im Ergebnis bleiben viele anerkannte Schutzberechtigte, die selbst nicht über hinreichende finanzielle Mittel für das – Anmieten privaten Wohnraums verfügen, obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen (für alles Vorstehende: Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 6 ff.). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen in Athen dennoch kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3).
Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt. Das soziale Wohngeld setzt allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 1 f.).
Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte, die nach Griechenland zurückkehren, auch sonst unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht aus der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen – unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, die Arbeitslosenkarte und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr – wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt. (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.; BFA a.a.O., S. 28: Mindestaufenthalt ein Jahr).
Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht nur Asylbewerbern, nicht aber anerkannten Schutzberechtigten, die zurückkehren, offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; BFA a.a.O., S. 29).
Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Chancen auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes gering, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (BFA a.a.O., S. 31). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind, wenn sie überhaupt Arbeit finden, meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Dazu treten regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7) sowie bürokratische Hürden im Allgemeinen und im Speziellen bei der Beantragung der “Social Security Number (AMKA)”. Bezüglich letzterer wird vereinzelt berichtet, dass deren Beantragung seit Juli 2019 für nicht-griechische Staatsangehörige nicht mehr möglich sei (Respond, Working Papers, Integration – Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 26; zwar von Schwierigkeiten berichtend, aber keine Unmöglichkeit annehmend Asylum Information Database [AIDA], Country Report Greece, Update 2019, S. 166, 219 f.). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannter Schutzberechtigter findet derzeit nicht statt (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 10), vereinzelt haben NGOs bzw. kirchliche Institutionen Initiativen zur Arbeitsvermittlung gestartet, etwa der Arbeiter-Samariter-Bund und die Diakonie. Für gut ausgebildete Schutzberechtigte besteht im Einzelfall auch die Chance auf Anstellung bei einer solchen Organisation, etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (für alles Vorstehende: Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7; BFA a.a.O., S. 31).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und dem Gesundheitssystem ist für anerkannte Schutzberechtigte prinzipiell einschränkungslos gegeben, unterliegt allerdings im Übrigen denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 141 f.).
bb) Speziell im Zusammenhang mit der Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 in Europa stellt sich die Lage in Griechenland wie folgt dar:
Griechenland verzeichnet bei etwa 10,7 Millionen Einwohnern laut den Zahlen der Johns-Hop-kins-Universität von Mitte Januar bislang 145.179 Infektionen und 5302 Tote. Das Land hat zum Schutz der Bevölkerung vor dem Corona-Virus seit mehreren Monaten einen Lockdown verhängt, der u.a. auch die Schließung von Geschäften mit sich brachte. Seit dem 18. Januar 2021 sind allerdings die Geschäfte wieder geöffnet (Redaktionsnetzwerk Deutschland, Artikel vom 18. Januar 2021, “Lockdown-Lockerung: Griechenland öffnet Geschäfte”, abrufbar unter https://www.rnd.de/themen/griechenland/). Nach Angaben des Vize-Regierungschefs Georgiadis sind derzeit die Hälfte der griechischen Intensivbetten belegt (Redaktionsnetzwerk Deutschland, Artikel vom 18. Januar 2021 a.a.O.).
In wirtschaftlicher Hinsicht führte das Corona-Virus und der staatliche angeordnete Lockdown zu einem Einbruch der griechischen Wirtschaft im dritten Quartal 2020 von 11,7%. Im wirtschaftlich bedeutsamen Tourismus-Sektor, der im Jahr 2019 noch ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes beigetragen hatte, gingen die Urlauberzahlen 2020 um 80% zurück. Im Jahr 2021 erwartet die Regierung statt eines Zuwachses beim Bruttoinlandsprodukt von 7,5% nur noch ein Plus von 4,8%. Um den Folgen des Coronabedingten Wirtschaftseinbruchs zu begegnen, stellte der griechische Staat im Jahr 2020 23,9 Milliarden Euro an Hilfen für die Wirtschaft zur Verfügung und plant diese im Jahr 2021 um weitere 7,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Trotz der hohen Schuldenquote von 209% des Bruttoinlandsproduktes ist die Finanzierung des griechischen Staates wegen eines Liquiditätspuffers von 30 Milliarden Euro derzeit nicht in Gefahr (Redaktionsnetzwerk Deutschland, Artikel vom 25. Dezember 2020, “Corona wirft Griechenland weit zurück”, abrufbar unter https://www.rnd.de/politik/corona-wirft-griechenland-weit-zuruck-HJYQGCXHSBGL5GKDIHFW4AOQIQ.html).”
cc. Diese tatsächlichen – auch durch die weiteren Erkenntnismittel bestätigten – Verhältnisse führen – trotz aller Defizite – für sich noch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK, da die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit nicht in jedem Fall eines anerkannten Schutzberechtigten erreicht wird. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedsstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. auch BVerwG vom 17.6.2020 Az. 1 C 35/19). Hier geht es insbesondere um die elementaren Grundbedürfnisse wie Ernährung, Hygiene und Unterbringung. Die Situation darf außerdem nicht dazu führen, dass die physische oder psychische Gesundheit der Person beeinträchtigt wird und sie in einen Zustand der Verelendung versetzt wird, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EuGH vom 19.3.2019 a.a.O.). Große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person führen jedoch noch zu keinem Verstoß gegen Art. 3 EMRK, sofern die Situation nicht mit der ernsthaften Gefahr extremer materieller Not verbunden ist. Die betreffende Person muss sich in einer derart schwerwiegenden Situation befinden, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird, die sie nicht aus eigener Kraft wieder abwenden kann (vgl. EuGH vom 19.3.2019 a.a.O.). Ein Anspruch auf vergleichbare Verhältnisse und Rechte wie in Deutschland besteht nicht. Der Umstand, dass in Deutschland die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als in Griechenland, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass die betreffende Person im Falle ihrer Überstellung eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung zu erfahren hätte (vgl. EuGH vom 19.3.2019 a.a.O.). Daher folgt das Gericht der Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalen nicht, dass derzeit keine Rücküberstellung in Griechenland anerkannter Schutzberechtigter zulässig ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.1.2021 Az. 11 A 2982/20.A).
Hinzu kommt, dass der UNHCR keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, anerkannte Schutzberechtigte nicht nach Griechenland zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen Empfehlung des UNHCR kommt besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die – bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende – Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH vom 30.5.2013 Az. C-528/11).
dd. Vor dem Hintergrund der rechtlichen Anforderungen an eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK geht die Kammer in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK hinsichtlich der Ausländer mit einem Schutzstatus in Griechenland in der Regel nicht vorliegen. Allerdings kann es möglicherweise in besonders gelagerten Einzelfällen – insbesondere bei Personen mit besonderem Schutzbedarf – geboten sein, dass die deutschen mit den griechischen Behörden Kontakt aufnehmen und notwendige Vorkehrungen zum Schutz dieser Personen getroffen werden. Eine Überstellung würde in solchen Fällen nur dann nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen, wenn diese eine individuelle Garantieerklärung abgeben, wonach die Betroffenen – zumindest übergangsweise -eine Unterkunft erhalten und ihre elementaren Bedürfnisse abgedeckt sind. Eine solche individuelle Zusicherung liegt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Hinblick auf den Kläger nicht vor. Zwar hat das griechische Ministerium für Migration in einem Schreiben vom 8. Januar 2018 mitgeteilt, dass Griechenland die Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU in das nationale Recht umgesetzt hat. Den international Schutzberechtigten würden alle aus dieser Richtlinie erwachsenden Rechte unter Berücksichtigung der Vorgaben der EMRK gewährt. Dieses Schreiben ist jedoch keine konkret-individuelle Zusicherung in Bezug auf den Kläger, sondern nur eine allgemeine Absichtserklärung der griechischen Behörden (vgl. BayVGH vom 25.6.2019 Az. 20 ZB 19.31553).
Allerdings gehört der Kläger als Erwachsener ohne schwerwiegende Erkrankungen nicht zu dem besonders schutzbedürftigen Personenkreis. Es gibt in seiner Person keine individuellen Gründe, die ohne eine individuelle Zusicherung der griechischen Behörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auf die ernsthafte Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK schließen lassen. Soweit sich der Kläger auf seine Erfahrungen in Griechenland bezieht, entspricht dies der allgemein schwierigen (wirtschaftlichen) Lage, die zumindest grundsätzlich auch die einheimische Bevölkerung trifft. Eine Rückführung nach Griechenland würde ihn zwar möglicherweise hart treffen. Dies käme aber ohne das Hinzutreten weiterer – hier nicht bestehender – Umstände keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK gleich.
Es ist weder erkennbar noch vorgebracht, dass den Kläger in Griechenland die Gefahr extremer materieller Not treffen würde. Zwar lässt sich nicht völlig ausschließen, dass sich eine Person im Fall ihrer Überstellung in den normalerweise für die Bearbeitung ihres Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befinden würde (vgl. EuGH vom 19.3.2019 Az. C-163/17). Eine solche besondere Verletzbarkeit ist hier jedoch nicht erkennbar.
Es verstößt nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterkunft sorgen. Art. 3 EMRK gewährt grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Verbleib in einem Mitgliedsstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung und Leistung zu profitieren. Dem Kläger ist es zuzumuten, sich auf dem – zugegebenermaßen engen – griechischem Arbeitsmarkt um eine Arbeit zu bemühen und ggf. Sozialleistungen wie ein Inländer zu beantragen. Auch wenn das in Griechenland anzutreffende soziale Niveau dem in Deutschland nicht entspricht, kann hieraus nicht abgeleitet werden, dass bei einer Rückführung eine Situation extremer materieller Not entstehen würde. Die schwierigen sozialen Verhältnisse treffen griechische Staatsangehörige in einem vergleichbaren Ausmaß. Einen Anspruch auf vergleichbare soziale Verhältnisse kann der Kläger sowieso nicht mit Erfolg geltend machen. Zwar ist der Zugang zu Soziallleistungen gerade in der Anfangszeit nicht gewährleistet und es ist im Allgemeinen auch schwierig, eine geregelte Arbeitsstelle und eine angemessene Unterkunft zu finden (s.o.). Allerdings können Kläger auch schwierige Verhältnisse zugemutet werden. Er ist in seiner Eigeninitiative nicht durch familiäre Verpflichtungen eingeschränkt. Er kann sich ohne Einschränkungen dem Alltag und der Erwirtschaftung seines Lebensunterhalts widmen. Die Eigeninitiative des Klägers ist auch in Bezug auf die Wohnungssuche gefragt. Ihm ist auch eine Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft oder vorübergehend in informellen Strukturen zumutbar. Er kann sich zur Unterstützung auch an NGOs wenden. In seinem grundsätzlichen Zugang zu medizinischer Versorgung ist er nicht beschränkt. Die Versorgung mit Aspirin und einem Kompressionsstrumpf ist auch in Griechenland gewährleistet.
Ferner weist das Gericht hinsichtlich der Coronalage auf die folgenden Ausführungen in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Februar 2021 (s.o.) hin:
“Dieser Befund wird auch durch die momentane Pandemie-Lage in Griechenland infolge der Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 nicht grundlegend erschüttert. Zwar ist nach den oben unter 2. b) bb) aufgeführten Erkenntnismitteln von einem wirtschaftlichen Einbruch insbesondere im Tourismussektor infolge der Corona-Pandemie in Griechenland auszugehen, was die Arbeitsmarktchancen für anerkannte zurückkehrende Schutzberechtigte mindert, da gerade die Tourismusbranche Einstiegsmöglichkeiten auch für gering Qualifizierte bietet. Allerdings wird für das Jahr 2021 immerhin noch mit einem, wenn auch nach unten korrigiertem Wachstum der griechischen Wirtschaft gerechnet, was darauf schließen lässt, dass nicht sämtliche Wirtschaftsbereiche derartige Einbußen aufweisen wie die Tourismusbranche. Der griechische Staat ist diesbezüglich auch nicht untätig geblieben, sondern hat für 2020 Wirtschaftshilfen von knapp 24 Milliarden Euro bereitgestellt – eine angesichts eines Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2020 von 183 Milliarden Euro (Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/Eu-ropa/DE/Staat/EU-Staaten/Griechenland.html) erhebliche Summe – und ist trotz der angespannten Haushaltslage weiter finanziell handlungsfähig.”
B. Die hilfsweise erhobene Klage auf Verpflichtung der Beklagten, bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) festzustellen, ist ebenfalls zulässig und unbegründet.
I. Statthafte Klageart hinsichtlich der Zuerkennung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ist in der Hauptsache weiterhin eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage (vgl. BVerwG vom 14.12.2016 a.a.O.). Das Bundesamt hat gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge zusätzlich festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Damit muss sich das Bundesamt anlässlich einer Entscheidung über einen Folgeantrag auch mit diesem Schutzbegehren auseinandersetzen, ohne dass es auf ein “neues” Vorbringen und die sonstigen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ankommt (vgl. VG München vom 23.3.2017 Az. M 2 S 17.34212).
Hatte das Bundesamt – wie hier – im ersten Asylverfahren bereits unanfechtbar festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, so musste es nach altem Recht eine erneute Prüfung und Entscheidung zu den nationalen Abschiebungsverboten nur durchführen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG gegeben waren. In diesem Fall bestand ein Anspruch auf erneute Prüfung. Lagen die Voraussetzungen dagegen nicht vor, hatte das Bundesamt gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit bestand ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (vgl. BVerwG vom 21.3.2000 Az. 9 C 41.99).
Mit dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 am 6. August 2016 hat sich die Rechtslage jedoch geändert. § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG erfasst nun auch unzulässige Asylanträge und damit auch Folgeanträge gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Dies bedeutet, dass in Asylfolgeverfahren nach dem Wortlaut der Regelung die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots vorliegen, immer und unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG zu treffen ist (vgl. VG Oldenburg vom 16.3.2017 Az. 3 B 1322/17). Das Gericht hat insoweit “durchzuentscheiden”, so dass es nicht entscheidend darauf ankommt, dass das Bundesamt in dem streitgegenständlichen Bescheid zu Unrecht unter Bezugnahme auf nicht mehr aktuelle Rechtsprechung davon ausgeht, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen müssen.
II. Die Klage ist auch insoweit nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist nämlich auch in Nr. 2 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG.
1. Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685; EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Das Gericht weist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 11. November 2019, die überzeugenden Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid an und die obigen Ausführungen hin. Die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK liegen bei dem Kläger nicht vor.
2. Dem Kläger steht auch kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren im Sinne dieser Vorschrift, denen die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG nur bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine solche Anordnung liegt für Griechenland – im Hinblick auf die Corona-Pandemie – im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vor.
Eine Verdichtung allgemeiner Gefahren zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung besteht im Fall des Klägers bei einer Rückführung nach Griechenland ebenfalls nicht. Da es an einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG fehlt, wäre die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausnahmsweise nur dann unbeachtlich, wenn der Ausländer ansonsten sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. BVerwG vom 14.11.2007 Az. 10 B 47/07 m.w.N.). Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass der Kläger eine relevante Erkrankung aufweist, die bei einer Abschiebung nach Griechenland zu seinem sicheren Tod oder zumindest schwersten Gesundheitsschäden führen würde.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Gefahr einer Ansteckung mit dem Corona-Virus. Zwar ist Griechenland von COVID-19 stark betroffen (vgl. https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/griechenlandsicherheit/211534, Stand: 23. März 2021). Es handelt sich hierbei jedoch um ein allgemeines Risiko, dem die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist. Der Kläger kann dieses auch durch Schutzmaßnahmen, wie dem Tragen einer Gesichtsmaske und die Einhaltung der Hygieneregeln, minimieren. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass eine eventuelle Infektion mit Corona bei dem Kläger zwangsläufig zum sicheren Tod oder zumindest schwersten Gesundheitsschäden führen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.
Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.


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