Verwaltungsrecht

Darlegungserfordernis bei einem Antrag auf Zulassung der Berufung wegen Verletzung rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  9 ZB 20.30521

Datum:
10.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9676
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine Gehörsverletzung kann sich daraus ableiten lassen, dass die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachte (BayVGH BeckRS 2019, 27404). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 18.31871 2020-01-21 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO).
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 19.31503 – juris Rn. 8). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist. Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 15.2.2017 – 2 BvR 395/16 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Der vom Kläger geltend gemachte Gehörsverstoß, der darin liege, dass das Verwaltungsgericht dem Kläger aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht geglaubt habe, dass dieser in Sierra Leone zu 21 Jahren Haft verurteilt und nach drei Monaten aus dem Gefängnis geflohen sei, wäre schon nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung nicht allein mit dem unglaubhaften Sachvortrag des Klägers begründet. Vielmehr ist es unabhängig von der Frage der Glaubhaftigkeit davon ausgegangen, dass es sich bei der vom Kläger angegebenen Gefängnisstrafe und der Befürchtung unzumutbarer Haftbedingungen nicht um Gründe im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG handelt, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auslösen könnten. Ein subsidiärer Schutzanspruch scheitere auch im Fall einer tatsächlichen Verurteilung des Klägers jedenfalls daran, dass dem Kläger deshalb keine unmenschliche Behandlung drohe, nachdem die Verfassung von Sierra Leone Folter und andere grausame, inhumane oder entwürdigende Praktiken oder Bestrafungen verbiete. Die Todesstrafe sei für Landesverrat, schweren Raub sowie Mord vorgesehen und unterliege zudem seit 1998 einem Moratorium, werde also nicht praktiziert. Außerdem sei vom Kläger auch keine landesweite Verfolgung zu befürchten, sondern das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative anzunehmen. Es existiere kein funktionierendes zentrales Fahndungsbuch und es sei möglich, dass sich Straftäter durch Aufenthaltswechsel oder Fernhalten von der ermittelnden Polizeibehörde innerhalb Sierra Leones einer Strafverfolgung entziehen.
Aber auch abgesehen von der Frage der Entscheidungserheblichkeit liegt ein Gehörsverstoß nicht vor bzw. wurde nicht substantiiert dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat auf die Angaben Klägers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie dessen Würdigung verwiesen und ausgeführt, dass es die Verfolgungsgeschichte des Klägers ebenso als vage, oberflächlich, unsubstantiiert und in wesentlichen Punkten geprägt von Widersprüchen ansieht, etwa weil zeitliche Abläufe nicht plausibel und widerspruchsfrei wiedergegeben werden konnten. Darüber hinaus hat es darauf hingewiesen, dass sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Widersprüche in Bezug auf angegebene Daten und Zeitabläufe ergeben haben sowie die Schilderungen des Klägers wiederum oberflächlich und detailarm erfolgten. Eine Gehörsverletzung könnte sich zwar unter Umständen daraus ableiten lassen, dass die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 18.30670 – juris Rn. 6 m.w.N.). Solches wird mit dem Zulassungsvorbringen, die Aussagen des Klägers ließen nicht den Schluss auf ihre Unglaubhaftigkeit zu und das Verwaltungsgericht hätte bei der Würdigung des Aussageverhaltens des Klägers dessen Scham, dessen „Drucksituation“ und dessen Traumatisierung berücksichtigen müssen, aber nicht aufgezeigt. Mit dieser Kritik des Klägers an der Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, wird kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 9 ZB 19.32442 – juris Rn. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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