Verwaltungsrecht

Dokumentationspflicht im Auswahlverfahren

Aktenzeichen  3 CE 20.1118

Datum:
16.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14668
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S. 6
GG ARt. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
LlbG Art. 16 Abs. 2 S. 2, S. 3, S. 4, Art. 58 Abs. 3, Abs.6

 

Leitsatz

Die Beauftragung mit der Stellvertretung der Schulleitung ist für sich gesehen kein leistungsbezogenes Kriterium, das die Kompensation eines Rückstands oder sogar ein Überholen des in dem höheren Statusamt befindlichen Konkurrenten ermöglicht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 E 19.6326 2020-04-17 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 17.262,83 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 17. April 2020, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung.
Die Antragstellerin rügt, der Dienstherr sei im Rahmen des Auswahlverfahrens für die streitgegenständliche Stelle der Konrektorin an der Grund- und Mittelschule H. (Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage) seiner Dokumentationspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Er habe in dem Auswahlvermerk die Inhalte der dienstlichen Beurteilung lediglich kommentarlos gegenübergestellt und ausschließlich mit dem Satz begründet „Gleiche Beurteilung wie die erfolgreiche Bewerberin, aber niedrigere Besoldungsgruppe (A12)“. Weitere Einzelkriterien der dienstlichen Beurteilung, insbesondere die ergänzenden Bemerkungen, die mehrfachen Bewerbungen (2014 und 2016) der Antragstellerin auf die ausgeschriebene Stelle und Angaben zu ihrem konkret innegehaltenen Dienstposten würden fehlen. Gerade auf Letzteres komme es an, weil die Antragstellerin im Schuljahr 2016/2017 und seit September 2019 die streitgegenständliche Funktion als Konrektorin an der Grund- und Mittelschule H. kommissarisch ausgeübt habe bzw. ausübe. Aus dem Besetzungsvermerk ergebe sich nicht, ob und inwieweit die tabellarische Übersicht „Bewerberliste für Leitungsfunktion“ (Behördenakte S. 3 f.) und die beiden letzten dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin im Rahmen der Auswahlentscheidung eingesehen und berücksichtigt worden seien. Entgegen den Ausführungen des Erstgerichts habe die Antragstellerin besondere leistungsbezogene Kriterien, die den Leistungsvorsprung der Beigeladenen zu Gunsten der Antragstellerin hätten kompensieren können, mit ihrer jahrelangen Tätigkeit auf dem konkreten, ausgeschriebenen Dienstposten sehr wohl dargelegt. Sie habe Aufsichts- und Vertretungspläne erstellt, sowohl in der Grund- als auch Mittelschule unterrichtet, Erfahrungen zum neuen „Lehrplan Plus“ gesammelt, Schulbuchgutachten verfasst, eine neue Schulhomepage gestaltet, als Systembeauftragte das Medienkonzept der Schule federführend bearbeitet und an 31 Fortbildungstagen teilgenommen. Die Leistungen seien im Auswahlverfahren nicht adäquat berücksichtigt worden. Es könne keine Rede davon sein, dass sie eine „chancenlose“ Bewerberin sei.
Mit diesem Vorbringen kann die Antragstellerin nicht durchdringen. Der Antragsgegner kam seiner aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Verpflichtung ausreichend nach, die wesentlichen Auswahlerwägungen der Stellenbesetzung schriftlich niederzulegen (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 25.11.2019 – 3 CE 19.1926 – juris Rn. 12). Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Dokumentation der Auswahlentscheidung den rechtlichen Anforderungen genügt, ist der Besetzungsvermerk vom 13. November 2019, wonach die Antragstellerin (Besoldungsgruppe A 12) zwar das gleiche Gesamtergebnis („UB“) wie die Beigeladene (Besoldungsgruppe A 12 mit Amtszulage) in ihrer aktuellen dienstlichen Beurteilung vorweisen könne, jedoch in niedrigerer Besoldungsgruppe. Aus der Namenszeichnung in der Spalte „Entscheidung ROB“ folgt zudem, dass auch die in der tabellarischen Übersicht „Bewerberliste für Leitungsfunktion“ vom 21. Oktober 2019 zusammengestellten Aspekte, darunter die Gesamtergebnisse der letzten beiden dienstlichen Beurteilungen, die Verwendungseignungen und die Bewertungen in den wesentlichen Beurteilungskriterien (sog. „Superkriterien“; Art. 16 Abs. 2 Satz 2, 3 und 4 LlbG i.V.m. Art. 58 Abs. 3 und 6 LlbG; KMS v. 21.12.2017) in den jeweils aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber/-innen bei der Auswahlentscheidung Berücksichtigung gefunden haben. Schließlich nennt das Zu- und Absageschreiben der Abteilungsleiterin der Regierung vom 6. Dezember 2019 die Erwägungen der Auswahlentscheidung. Diese stütze sich – wie in der Ausschreibung unter 2.1 (Schulanzeiger Nr. 10/2019 S. 194 ff.) angekündigt – zunächst auf die aktuelle dienstliche Beurteilung; bei im Wesentlichen gleicher Einstufung der Bewerber/-innen seien sogenannte „Superkriterien“ oder das Ergebnis eines Personalauswahlgespräches heranzuziehen. „Unter Anwendung der o.g. Kriterien“ sei die Beigeladene für die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle vorgesehen. Aus dieser Dokumentation gehen daher nachvollziehbar die Erwägungen hervor, aus denen heraus die Bewerbung der Antragstellerin keinen Erfolg hatte. Die von der Antragstellerin vorgetragene Rechtsprechung zu Dokumentationspflichten in besonderen Fallkonstellationen führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Dienstherr löste sich bei der streitgegenständlich getroffenen Auswahlentscheidung gerade nicht von der Leistungsdokumentation dienstlicher Beurteilungen (so aber OVG RhP, B.v. 25.8.1998 – 2 B 11710/98 – juris Ls. und Rn. 9) und nahm auch keine fiktive Fortschreibung einer dienstlichen Beurteilung vor (so OVG NW, B.v. 15.3.2013 – 1 B 133/13 – juris Rn. 81).
Auf die ausdrückliche Erwähnung insbesondere der vorübergehenden Beauftragung der Antragstellerin mit der Stellvertretung der Schulleitung in dem Besetzungsvermerk kommt es indes nicht an. Das vom Antragsgegner durchgeführte Stellenbesetzungsverfahren lässt nämlich auch ohne explizite Benennung dieses Gesichtspunktes erkennen, dass die Grundsätze der Bestenauslese in einer die Prognose rechtfertigenden Weise gewahrt wurden. Die Kompensation eines Rückstands oder sogar ein Überholen des in dem höheren Statusamt befindlichen Konkurrenten ist nämlich nur möglich, sofern dabei auf leistungsbezogene Kriterien abgestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.11.2007 – 3 CE 07.2274 – juris Rn. 48; B.v. 8.8.2007 – 3 CE 07.1050; B.v. 13.5.2009 – 3 CE 09.413). Die Beauftragung mit der Stellvertretung der Schulleitung ist aber für sich gesehen schon kein (zumindest im hier maßgeblichen, unmittelbaren Sinn) leistungsbezogenes Kriterium; inwieweit sie als Hilfskriterien bei anderweitig festgestellter Pattsituation heranziehbar ist, braucht vorliegend nicht näher beleuchtet zu werden. Die Beigeladene ist im Übrigen bereits seit 1. August 2017, die Antragstellerin hingegen lediglich vorübergehend vom 18. Oktober 2016 bis 31. Juli 2017 und erst seit 4. September 2019 mit den Aufgaben der ständigen Stellvertretung der Schulleitung beauftragt. In der Ausschreibung der streitgegenständlichen Stelle war auch kein besonderes Anforderungsprofil enthalten, woraus ersichtlich wäre, dass der Dienstherr im Rahmen der ihm insofern zustehenden sachgerechten Ermessensausübung auf die kommissarische Wahrnehmung der Aufgaben als Stellvertretung der Schulleitung im Hinblick auf den zu besetzenden Dienstposten besonderen Wert gelegt hätte.
Da bei der Prüfung einer Kompensationsmöglichkeit zunächst die jeweiligen Beurteilungen in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen sind, also gegebenenfalls auch unter Heranziehung von Einzelmerkmalen und unter Berücksichtigung des Vorhandenseins eines entsprechenden Verwendungsvermerks (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2009 – 3 CE 08.3152 – juris Rn. 39), folgt auch unter diesem Gesichtspunkt ein Vorrang der Beigeladenen gegenüber der Antragstellerin, weil sie in den sog. „Superkriterien“ zweimal besser beurteilt wurde (2 x „BG“ und 2 x „UB“) als die Antragstellerin (4 x „UB“).
Die Beschwerde der Antragstellerin ist demnach mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Beigeladene hat sich nicht durch eigene Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt, so dass keine Veranlassung besteht, der Antragstellerin aus Billigkeitsgründen die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6, § 47 GKG (wie Vorinstanz).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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