Verwaltungsrecht

Doppelgarage als unselbstständiges Nebengebäude

Aktenzeichen  20 ZB 17.1525

Datum:
10.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 42674
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b
AO § 170

 

Leitsatz

1. Eine Garage, die mit einem Wohnhaus zusammengebaut ist, und durch eine Verbindungstür unmittelbaren Zugang dorthin gewährt, ist kein selbstständiger Gebäudeteil im Sinne des bayerischen Abgabenrechts. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für den Beginn der Verjährung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b cc 1. Spiegelstrich BayKAG ist die positive Kenntnis des nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zum Erlass des fraglichen Verwaltungsakts berufenen Amtswalters vom Abschluss der Maßnahme entscheidend. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die von den Gemeinden erhobenen Wasserversorgungsbeiträge unterliegen der Umsatzsteuer. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 10 K 16.2378 2017-04-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.139,54 € festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe – soweit überhaupt ausreichend dargelegt – vorliegt.
a) Der mit der Antragsbegründung geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Die Kläger haben keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243/1244 m.w.N.).
aa) Die Kläger tragen vor, dass das Verwaltungsgericht nicht hätte offen lassen dürfen, ob die vor 2012 erlassenen, früheren Satzungen wirksam gewesen seien und ob nicht bereits nach früherem Satzungsrecht für das Grundstück der Kläger eine Beitragsschuld entstanden sei. Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts infrage zu stellen. Zutreffend ist zwar, dass das Verwaltungsgericht erwogen hat, dass die Beitragsforderung betreffend die Wasserversorgung teilweise verjährt sein könnte, falls die Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung vom 23. Juli 2003 in Gestalt der Änderungssatzungen vom 28. September 2006 und vom 8. März 2007 rechtswirksam gewesen seien. Es hegte allerdings Zweifel an der Rechtswirksamkeit dieser Satzungen, denn mit der zweiten Änderungssatzung zur BGS-WAS vom 8. März 2007 sei in § 1 BGS-WAS der Geltungsbereich der Satzung und der Umfang der Wasserversorgungseinrichtung um 15 Ortsteile erweitert worden, ohne dass gleichzeitig eine solche Änderung in der Wasserabgabesatzung der Beklagten vom 13. Oktober 1998 beschlossen worden sei. In seiner weiteren Begründung (Seite 13 Absatz 2 des Urteils) unterstellte das Verwaltungsgericht jedoch die Rechtswirksamkeit der BGS-WAS vom 23. Juli 2003 und war der Meinung, dass nach § 5 Abs. 4 der Satzung lediglich die Grundstücksfläche und die fiktive Geschossfläche zu berücksichtigen seien, weil das Grundstück zum damaligen Zeitpunkt noch unbebaut gewesen sei. Folglich hätte die Beklagte lediglich die durch den Neubau ausgelöste zusätzliche Geschossfläche abrechnen können. Dies spiele aber keine Rolle, weil die Kläger den Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgung hier nur bezüglich der Garage (116,28 m²) und damit nur in Höhe von 1139,54 € angefochten hätten. Damit war es aus Sicht des Verwaltungsgerichtes gar nicht erforderlich, positiv festzustellen, ob bereits früher für das unbebaute Grundstück ein Herstellungsbeitrag entstanden ist. Streitgegenstand war nur die durch den Neubau zusätzlich geschaffene Geschossfläche. Deshalb kommt es auf die von den Klägern auch aufgeworfenen Fragen, seit wann ihr Grundstück bebaubar gewesen sei und seit wann eine Anschlussmöglichkeit bestanden habe, nicht an. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls der Einwand der Kläger nicht beachtlich, es liege eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung der Satzungsregelung in § 3 Abs. 2 der BGS-WAS vom 20. Dezember 2012 vor, da die Abgaben-/Beitragsschuld zuvor entstanden sei. Er ist hinsichtlich des verbliebenen Streitgegenstandes der Veranlagung der Doppelgarage nicht nachvollziehbar. Insoweit haben die Kläger mit ihrem Klageantrag den Streitgegenstand des gegenwärtigen Verfahrens selbst bestimmt. Wenn die Kläger hier noch meinen, dass die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b) bb) KAG den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133,143 und den weiteren Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 – 1BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 – LKV 2016, 25 unzutreffend umsetze, so entspricht dies nicht der Rechtsprechung des Senates, der in seiner Entscheidung vom 12. März 2015 (Az.: 20 B 14.1441) die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung ausdrücklich festgestellt hat. Diese Entscheidung ist rechtskräftig (BVerwG, B. v. 3.9.2015 – 9 B 39.15 – juris).
Ernstliche Zweifel ergeben sich auch nicht aus der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Doppelgarage sei kein selbstständiger Gebäudeteil, weil sie baulich und funktionell mit dem Wohnhaus der Kläger verbunden sei, mit der Folge dass für die betroffene Geschossfläche ein Herstellungsbeitrag zu entrichten sei. Mit seinem Urteil vom 1. März 2012 (Az.: 20 BV 11.2535 – BayVBl 2013, 376) hat der Senat entschieden, dass eine Garage, die mit dem Wohnhaus zusammengebaut ist, und durch eine Verbindungstür unmittelbaren Zugang dorthin gewährt, kein selbstständiger Gebäudeteil im Sinne des bayerischen Abgabenrechts ist. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass die Garage an der Nordseite des Wohnhauses angebaut ist und in ihrem Erdgeschoss über eine Tür mit dem Erdgeschoss des Wohngebäudes verbunden ist. Deshalb ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Doppelgarage sei kein selbstständiger Gebäudeteil und damit als Geschossfläche zu veranlagen, nicht zu beanstanden. Die weiteren Einwendungen der Kläger, die Garage habe eigene Fundamente, getrennte Einfassungsmauern, eine thermische Trennung durch Matten aufgrund der Vorgaben der EnEV, ein eigenes Dach und eine eigene Standsicherheit ändert an dieser Betrachtungsweise nichts. Insoweit ist der durch die Verbindungstür geschaffene bauliche und funktionelle Zusammenhang entscheidend.
Die Kläger meinen, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, die Verjährungsfrist für die Nacherhebung nach § 5 Abs. 7 der BGS-WAS für überschießende Geschossflächen des Gebäudes habe erst mit dessen Fertigstellung begonnen. Es sei vielmehr ausreichend, dass mit der Bebauung begonnen worden sei oder der Rohbau errichtet worden sei. Dies trifft nicht zu. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist für den Beginn der Verjährung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) cc) 1. Spiegelstrich KAG die positive Kenntnis des nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zum Erlass des fraglichen Verwaltungsakts berufenen Amtswalters vom Abschluss der Maßnahme entscheidend (BayVGH, B. v. 18.7.2017 – 20 ZB 16.624 – juris; B.v. 19.11.2011 – 20 ZB 11.1339 – juris Rn. 2; B.v. 17.8.2001 – 23 ZB 01.1553 – juris Rn. 4 unter Verweis u.a. auf Großer Senat BVerwG, B.v. 19.12.1984 – GrSen 1/84, GrSen 2/84 – NJW 1985, 819). Dass diese Kenntnis bereits im Jahr 2010 vorhanden war, machen die Kläger in ihrem Zulassungsantrag nicht geltend.
Weiter tragen die Kläger noch vor, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden deswegen, weil der verjährte Beitrag unzutreffend ermittelt worden sei. Es sei insbesondere nicht ersichtlich und auch nicht erkennbar, welcher ideelle Beitragsanteil auf das Wohngebäude und welche Anteile auf das Nebengebäude entfielen. Der verjährte Beitragsanteil sei rechnerisch ohne Bindung an konkrete Geschossflächen zu ermitteln und reduziere die Forderung der Beklagten, sodass es nicht darauf ankomme, mit welcher Begründung ein Teilbetrag angegriffen worden sei. Dies trifft nicht zu. Eine Zuordnung der fiktiven Geschossfläche auf die später tatsächlich errichteten Geschossflächen findet nicht statt, sondern eine bloße Saldierung der Geschossflächen. Sind die Kläger der Meinung, eine bestimmte Fläche sei nicht in diese Saldierung einzubeziehen, so ist allein maßgeblich, ob diese Flächen beitragspflichtige Geschossflächen sind oder nicht.
Die Kläger rügen weiter, dass bei der Festsetzung der Beiträge zu Unrecht die Mehrwertsteuer berücksichtigt worden sei. Dies sei unzulässig, da es vorliegend an einer satzungsmäßigen Rechtsgrundlage fehle und zudem die Beklagte hoheitlich und nicht im Rahmen eines privatrechtlichen Leistungsaustausches gehandelt habe. Dieser Vortrag greift nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29.4.1988 – 8 C 33.85 – BVerwGE 79, 266) unterliegen die von den Gemeinden erhobenen Wasserversorgungsbeiträge der Umsatzsteuer. Die von der Beklagten zur Beitragserhebung herangezogene BGS-WAS vom 20. Dezember 2012 enthält in § 14 auch eine entsprechende Erhebungsregelung. Insoweit trifft der Vortrag der Kläger tatsächlich nicht zu.
b) Aus den gleichen Gründen ist die Berufung auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nummer zwei VwGO) zuzulassen.
c) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Auf die von den Klägern für grundsätzlich zu klärend erachteten Fragen kommt es nicht an oder sie sind bereits durch die Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. 1 a).
d) Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wurde nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Um den Zulassungsgrund der Divergenz darzulegen, müssen die Kläger nicht nur die Divergenzentscheidung genau benennen, sondern auch darlegen, welcher Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz dazu im Widerspruch steht (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a, Rn. 73 m.w.N.). Daran fehlt es hier bereits, weil in dem Zulassungsantrag keine sich widersprechenden Rechtssätze gegenübergestellt wurden. Darüber hinaus ist auch sonst nicht ersichtlich, warum das Verwaltungsgericht inhaltlich von der Entscheidung des Senats vom 9. März 2017 – 20 B 16.115 – abgewichen sein soll. Vielmehr ist es davon ausgegangen, dass ein fiktiver Geschossflächenbeitrag in Höhe eines Viertels der Grundstücksfläche verjährt sein könnte.
e) Schließlich liegt der geltend gemachte Verfahrensmangel (Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) nicht vor.
Die Kläger tragen vor, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, die erstmalige Bebaubarkeit des Grundstückes und den Ausschluss der Erhebung von Herstellungsbeiträgen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b) bb) KAG zu ermitteln und damit gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen.
Wer die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht erhebt, obwohl er, wie die Kläger, anwaltlich vertreten war und in der Vorinstanz keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, muss darlegen, warum sich dem Tatsachengericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgeblichen materiellrechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der gezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 5.3.2010 – 5 B 7.10 – juris Rn. 9). Sind keine förmlichen Beweisanträge gestellt worden, so verletzt das Verwaltungsgericht seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn sich von seinem Rechtsstandpunkt her eine Beweiserhebung aufdrängen musste (BayVGH, B.v. 5.2.2016 – 7 ZB 15.1073 – juris). Das war hier schon deswegen nicht der Fall, weil es nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts auf die durch den Neubau im Jahre 2011 geschaffenen zusätzlichen Geschossflächen und nicht auf die erstmalige Bebaubarkeit des Grundstückes streitentscheidend angekommen ist.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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