Verwaltungsrecht

Drittstaatenbescheid, anerkannt Schutzberechtigter in Polen, keine Verletzung von Art. 3 EMRK, Art. 4 GrCh in Polen, auch unter Berücksichtigung des Flüchtlingszustroms aus der Ukraine, unterstützungsfähiger Onkel in Polen, entgegenstehende Aussagen nicht glaubhaft, bedingter Beweisantrag zur Einholung von Auskünften/Sachverständigengutachten – hier abgelehnt

Aktenzeichen  W 1 K 22.30178

Datum:
6.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11118
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 24.02.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat darüber hinaus auch weder einen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Polen noch auf die Verkürzungen der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 AufenthG (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht verweist zunächst auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides vom 24.02.2022 und macht sich diese vollumfänglich zu eigen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Darüber hinaus ist Folgendes auszuführen:
1. Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides ist rechtmäßig. Die Beklagte hat insoweit zu Recht entschieden, dass der Asylantrag unzulässig ist. Die Unzulässigkeitsentscheidung wurde von der Beklagten rechtmäßigerweise auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf das entsprechende Schreiben der polnischen Behörden vom 08.02.2022, wonach dem Kläger am 20.10.2021 in Polen internationaler Schutz in Form des Flüchtlingsstatus gewährt worden ist. Soweit der Kläger pauschal angegeben hat, dass er in Polen weder einen Asylantrag gestellt noch eine Anhörung zu seinem Fluchtgründen gehabt habe und auch nichts von einer Asylentscheidung wisse, so kann ihm diese vollkommen unsubstantiiert gebliebene Aussage nicht abgenommen werden. Das Vorbringen ist vielmehr als asyltaktisch zu werten, zumal nicht ansatzweise ersichtlich ist, aus welchem Grunde der polnische Staat den Kläger ohne einen entsprechenden Antrag und eine Anhörung als Flüchtling anerkennen sollte. Hintergrund der Aussage ist nach Überzeugung des Gerichts vielmehr, dass das Fluchtziel von vornherein Deutschland gewesen ist, wie auch der Cousin des Klägers, mit dem der Kläger gemeinsam gereist ist, im Rahmen seiner Befragung beim Bundesamt angegeben hat. Überdies hat dieser dort auch erklärt, dass für den Fall, dass man den Asylantrag nicht unterschrieben hätte, man Polen innerhalb von 14 Tagen hätte verlassen müssen, was im Falle des Klägers offensichtlich nicht der Fall war, sodass im Umkehrschluss davon auszugehen ist, dass der Kläger einen Asylantrag gestellt hat und ihm in der Folge internationaler Schutz in Polen gewährt wurde.
2. Der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG steht auch nicht Art. 4 der Grundrechtscharta (GRC) i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen (vgl. hierzu EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540/17 u.a. – juris). Eine ernsthafte Gefahr, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Polen zu erfahren, besteht für den Kläger nach Überzeugung des Gerichts nicht.
Bei der Prüfung, ob Polen hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzberechtigten gegen Art. 4 GRC i.V.m. Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662; U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 28). Denn Polen unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verpflichtet. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden. Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (vgl. hierzu nur EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. juris Rn. 83 f.).
Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 83).
Solche Schwachstellen verstoßen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aber nur dann gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Diese Schwelle wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Eine große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse erreichen diese Schwelle nicht, wenn sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund derer diese Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 91 ff.).
Die Lebensverhältnisse für international Schutzberechtigte in Polen stellen sich nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK dar. Ein vom Willen der Schutzberechtigten unabhängiger „Automatismus der Verelendung“ lässt sich nicht feststellen (VG Düsseldorf, B.v. 03.02.2022 – 12 L 8/22.A – juris Rn. 50; VG Ansbach, B.v. 20.07.2021 – AN 18 S 20.50221 – juris Rn. 31; VG Bayreuth, B.v. 28.05.2021 – B 8 S 21.50108 – juris Rn. 26). Anerkannten Schutzberechtigten droht in Polen nicht automatisch die Obdachlosigkeit. Sie dürfen nach Erhalt der Entscheidung noch für maximal zwei Monate in der Unterbringung für Asylbewerber bleiben. Die Wohnungssuche ist in Polen für Schutzberechtigte schwierig. Dabei liegen die Haupthindernisse bei der Wohnungssuche in der hohen Miete und Diskriminierung. Der polnische Staat stellt keine Unterkünfte für Schutzberechtigte zur Verfügung. Einige Gemeinden bieten zwar spezielle Wohnungen zu diesem Zweck an, es herrscht aber generell ein Mangel an Sozialwohnungen, sowohl für Polen als auch für Inhaber eines Schutztitels. Nach Auffassung vieler Nichtregierungsorganisationen sind international Schutzberechtigte in Polen von Obdachlosigkeit und Armut bedroht. Belastbare Daten zur Zahl der wohnungslosen Schutzberechtigten gibt es indes nicht. Es bestehe ein hohes Risiko, dass die Zahl erheblich sei (vgl. Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation – Polen, Version 2, 7. Dezember 2021, S. 16; aida, Country Report: Poland, 2020 Update, April 2021, S. 105 ff.). Dem Gericht liegen jedoch keine tagesaktuellen Berichte vor, nach denen sich die in den vorbenannten Auskünften prognostizierte Gefahr von Obdachlosigkeit verwirklicht hätte. Zudem können anerkannte Schutzberechtigte in Polen jedenfalls vorübergehend und ergänzend auf staatliche Leistungen und die Unterstützung durch caritative Organisationen zurückgreifen. Sie können binnen 60 Tagen ab Statuszuerkennung die Teilnahme an einem speziellen Individual Integration Program (IPI) beantragen, das von den Poviat Family Support Centres (PCPR) angeboten wird. Es dauert 12 Monate, in denen Integrationshilfe gewährt wird. Diese umfasst unter anderem eine Beihilfe für Polnisch-Kurse, Übernahme der Krankenversicherung und Sozialberatung. Abhängig von der Haushaltsgröße erhalten die Nutznießer zwischen 158 und 317 Euro pro Person in den ersten sechs Monaten und zwischen 149 und 288 Euro pro Person in den zweiten sechs Monaten des IPI. Die PCPR unterstützen die Teilnehmer auch bei der Arbeitssuche und bei der Suche nach Wohnraum und zahlen gegebenenfalls eine Beihilfe für das Mieten einer Wohnung (vgl. Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation – Polen, Version 2, 7. Dezember 2021, S. 16; aida, Country Report: Poland, 2020 Update, April 2021, S. 109 ff.). Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, durch seine Weiterreise nach Deutschland die Frist von 60 Tagen versäumt zu haben, da dies allein in seinen Verantwortungsbereich fällt. Dass dem Kläger die Schutzgewährung mangels entsprechender Information nicht bekannt gewesen sei, kann ihm nicht abgenommen werden. Dem Kläger wurde nach Angaben der polnischen Behörden am 20.10.2021 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und am 30.10.2021 ist er in das Nachbarland Deutschland eingereist, sodass bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen ist, dass dem Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Polen noch mitgeteilt und bekannt geworden ist. In diesem Zusammenhang dürfte dem Kläger dann auch mitgeteilt worden sein, dass er – jedenfalls alsbald – wegen seiner Schutzberechtigung die Flüchtlingsunterkunft zu verlassen habe. Dies lässt sich zeitlich auch damit in Einklang bringen, dass der Kläger 2,5 Monate in einem Camp gelebt habe, sodass bei einer Einreise nach Polen am 25.08.2021 die vorgetragene Aufforderung zum Verlassen des Camps in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestanden haben muss und damit auch kurz vor der Ausreise nach Deutschland. Der Kläger hat auf Nachfrage des Gerichts auch nicht näher erläutern können, warum er ausgerechnet nach 2,5 Monaten – die klägerischen Angaben zugrunde gelegt noch während des Laufs seines Asylverfahrens – das Camp hätte verlassen sollen, was der Erkenntnismittellage widerspricht (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Polen vom 07.12.2021, S. 11 f.). Es ist nach Überzeugung des Gerichts vielmehr so, dass der Kläger asyltaktisch zu verschleiern versucht, dass er in voller Kenntnis der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus Polen ausgereist ist und somit auch die Frist zur Teilnahme an dem dortigen Integrationsprogramm bewusst hat verstreichen lassen, sodass er sich auf deren Ablauf nicht berufen kann, zumal ihm aber auch unabhängig davon keine Verletzung von Art. 3 EMRK, Art. 4 GrCh droht.
Ferner haben Berechtigte internationalen Schutzes Zugang zum allgemeinen polnischen Sozialsystem wie polnische Bürger und können Sozialhilfe erhalten, wenn sie eine gewisse Einkommensgrenze nicht übersteigen. Auch können sie auf verschiedene Familienbeihilfen zurückgreifen. In der Praxis bestehen aufgrund von mangelnden Sprachkenntnissen, mangelndem Wissen um die Rechte und administrativen Hürden Probleme beim Zugang zu Sozialhilfe (vgl. Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation – Polen, Version 2, 7. Dezember 2021, S. 16 f.; aida, Country Report: Poland, 2020 Update, April 2021, S. 108 f.). International Schutzberechtigte haben ein Recht auf medizinische Versorgung wie polnische Staatsbürger, was bedeutet, dass sie grundsätzlich eine Krankenversicherung haben müssen. Während sie eine IPI beziehen, müssen sie sich arbeitslos melden und werden von der öffentlichen Hand krankenversichert. Nach Ende der IPI muss die Krankenversicherung entweder von einem etwaigen Arbeitgeber, dem zuständigen Arbeitsamt (wenn der Betreffende arbeitslos gemeldet ist) oder vom Schutzberechtigten selbst übernommen werden. Die administrativen Hürden für den Zugang zu medizinischer Versorgung in Polen gelten als hoch und langwierig (vgl. Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation – Polen, Version 2, 7. Dezember 2021, S. 16 f.; aida, Country Report: Poland, 2020 Update, April 2021, S. 111 f.).
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) spielen in vielen Bereichen eine zentrale Rolle bei der Unterstützung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten. Ihnen ist es mit – in vielen Fällen kurzfristigen – Aktivitäten gelungen, die Lücken des Systems zu füllen (vgl. aida, Country Report: Poland, 2020 Update, April 2021, S. 45, 107).
Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Suche nach einer Erwerbstätigkeit für international Schutzberechtigte in Polen von vornherein aussichtslos oder mit solchen Schwierigkeiten verbunden ist, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könnte, der Kläger würde seinen Lebensunterhalt – ggf. mit ergänzender staatlicher und caritativer Unterstützung – nicht selbst sicherstellen können. Schutzberechtigte in Polen haben, wie polnische Bürger, unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. In der Praxis haben sie Zugang zu Beschäftigung, obwohl sie mit Hindernissen konfrontiert sind, etwa fehlenden Sprachkenntnissen und Qualifikationen sowie einem geringen Bewusstsein der Arbeitgeber für ihren uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Dies kann zu Arbeitslosigkeit oder Beschäftigung mit niedrigem Gehalt, Instabilität der Beschäftigung und geringen Aufstiegschancen führen. In Großstädten ist es aber einfacher, Arbeit zu finden. NGOs unterstützten die international Schutzberechtigten bei der Integration in den Arbeitsmarkt (vgl. aida, Country Report: Poland, 2020 Update, April 2021, S. 107 ff.).
Der Kläger ist den aufgeführten Erkenntnissen zu den Lebensbedingungen von Personen mit internationalem Schutzstatus in Polen auch nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat vielmehr beim Bundesamt lediglich pauschal geäußert, dass es in Polen schlechte Lebensbedingungen und keine Arbeit gebe und sie nach 2,5 Monaten aus dem Camp, wo sie zunächst gelebt hätten, verwiesen worden seien. Dies dürfte im Übrigen der Zeitpunkt gewesen sein, zu dem dem Kläger der internationale Schutz zuerkannt worden ist (vgl. oben). Soweit in der mündlichen Verhandlung – erstmals – auf die mangelnde medizinische Versorgung hingewiesen wurde, ist bereits nicht erkennbar, wie dies den gesunden Kläger betroffen haben sollte. Überdies erscheint der völlig unsubstantiiert gebliebene Vortrag asyltaktisch nachgeschoben und zudem steht diesem die überzeugende Erkenntnismittellage entgegen (vgl. BFA, S. 13 ff.). Zwar ist es unbestreitbar, dass die Lebensbedingungen in Polen nicht den Standard in Deutschland erreichen. Dies ist jedoch im hiesigen Verfahren von Rechts wegen ohne Belang, solange durch die dortigen Lebensverhältnisse Art. 3 EMRK, Art. 4 GrCh nicht verletzt werden, was angesichts obiger Ausführungen in Polen nicht der Fall ist. Der Kläger hat nach dem europäischen Asylsystem insbesondere kein Wahlrecht, sich den Mitgliedsstaat auszusuchen, in dem er sich bessere Chancen oder angenehmere Aufenthaltsbedingungen erhofft. Zugleich hat der Kläger jedoch auch erklärt, dass er sich nicht um staatliche Leistungen, etwa einen weiteren vorübergehenden Verbleib in der staatlichen Unterkunft, oder zivilgesellschaftliche Hilfe bemüht habe, was ihm als jungem, gesundem und erwerbsfähigem Mann als zu erwartender Eigeninitiative ohne weiteres möglich und zumutbar ist. Vielmehr hat der Kläger offensichtlich unmittelbar im Anschluss an die Schutzgewährung Polen verlassen, um sich nach Deutschland zu begeben.
Abweichendes gilt schließlich auch nicht vor dem Hintergrund des Flüchtlingszustroms nach Polen infolge des Krieges in der Ukraine. Zwar sind seit Kriegsbeginn zwischenzeitlich 2.469.657 Flüchtlinge aus der Ukraine in Polen angekommen (http://data2.unhcr.org/en/situations/ukraine; Stand: 04.04.2022). Jedoch ist zum einen davon auszugehen, dass bei weitem nicht die vorgenannte Zahl an Flüchtenden in Polen (wo insbesondere die großen Städte betroffen sind, https://www…de/ausland/europa/polen-migranten-fluechtlinge-101.html) verblieben ist (https://www…de/nachrichten/politik/polen-fluechtling-ukraine-krieg-russland-100.html; https://www…de/politik/deutschland/ukraine-krieg-mindestens-259-000-menschen-sind-bisher-nach-deutschland-geflohen-a-99f9c765-84e3-4c4a-929e-b58e5c25b2ce; https://www…de/ausland/russland-ukraine-news-am-dienstag-spanien-setzt-mega-jacht-eines-russischen-oligarchen-fest-a-6c37b770-3046-47f9-a3d4-f682a578ad42). Denn nachdem zunächst viele geflohene Menschen bei bereits in Polen lebenden Landsleuten oder Bekannten untergekommen sind, wächst zunehmend die Zahl derer, die Züge und Busse weiter nach Westen nehmen (https://www…de/politik/schon-1-3-millionen-kriegsfluechtlinge-die-polnische-hilfsbereitschaft-mischt-sich-mit-angst/28146384.html). Unabhängig davon ist davon auszugehen, dass auch ein weiterer Teil des derzeit dort aufhältigen Personenkreises von Flüchtlingen aus der Ukraine – wenn eine kurzfristige Rückkehr ins Heimatland nicht möglich sein sollte – von dort aus ebenfalls noch in andere europäische Staaten weiterreisen wird. Darüber hinaus sind mehr als 500.000 Menschen in die Ukraine zurückgekehrt, seitdem Russland das Nachbarland angegriffen hat (https://www…de/newsticker/liveblog-ukraine-sonntag-117.html), 322.000 hiervon aus Polen (Stand 26.03.2021: https://www…de/politik/deutschland/ukraine-krieg-mindestens-259-000-menschen-sind-bisher-nach-deutschland-geflohen-a-99f9c765-84e3-4c4a-929e-b58e5c25b2ce).
Zum anderen werden die Nachbarländer der Ukraine und so auch Polen bei der Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge aus der Ukraine durch den UNHCR unterstützt (https://www…org/dach/de/74249-unhcr-mobilisiert-hilfe-fur-vertriebene-in-der-ukraine-und-in-den-nachbarlandern.html; https://data2.unhcr.org/en/documents/details/91719) und insbesondere wurde aus europäischen Finanzmitteln in erheblicher Weise Unterstützung zur Bewältigung des Bedarfs der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zugesagt (vgl. Art. 24 der RL 2001/55/EG vom 20.07.2001 (Massenzustrom-Richtlinie; https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-stellt-soforthilfe-fur-die-ukraine-bereit-und-bietet-nachbarlandern-unterstutzung-2022-02-25_de; https://www…de/bruessel-will-eu-nachbarstaaten-der-ukraine-staerker-unterstuetzen-296351/; https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_22_1469; https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1610; https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1867; https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1961; https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1946; https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_2152). Überdies sieht die genannte Richtlinie gemäß Art. 25, 26 Kooperationsmaßnahmen vor, um einzelne Mitgliedstaaten vor Überlastung zu schützen. Die EU-Kommission hat etwa eine Solidaritätsplattform eingerichtet, mit deren Hilfe die Mitgliedsländer der Gemeinschaft ihre Hilfe bei der Flüchtlingsaufnahme koordinieren können sowie einen 10-Punkte-Plan beschlossen, wonach eine bessere Verteilung der Schutzsuchenden erreicht werden soll (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1946; https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_2152; https://www…de/ausland/krieg-und-flucht-eu-will-mit-zehn-punkte-plan-aufnahme-von-fluechtlingen-koordinieren-a-dca67382-d708-4e2e-97c4-ec97412c96db), auch wenn diese Maßnahmen aktuell noch auf der Freiwilligkeit der Mitgliedsstaaten basieren. Gegen eine Überlastung des polnischen Staates spricht zudem, dass sich gerade die EU-Staaten in geographischer Nähe zur Ukraine gelassen gegeben haben und sie zunächst keine Unterstützung der EU benötigten. Auch Polen versuche nach Angaben von Diplomaten so lange wie möglich ohne EU-Hilfe auszukommen (https://www…de/politik/deutschland/ukraine-krieg-eu-droht-neuer-streit-ueber-fluechtlingsquoten-a-719bdf22-619a-431a-a152-25d1b8ba8935). In Polen gibt es aktuell keine humanitäre Krise (https://www…de/nachrichten/politik/polen-fluechtling-ukraine-krieg-russland-100.html). Im Hinblick auf die polnische Wirtschaft geht die polnische Nationalbank für 2022 trotz des Krieges in der Ukraine von einem Wirtschaftswachstum von 3,4-5,3% aus. Zudem verlassen Tausende ukrainische Arbeiter ihre Betriebe in Polen, um für ihr Heimatland zu kämpfen. Dies wiederum bringt gerade die Bauwirtschaft und das Transportgewerbe in Polen in Not, da in der polnischen Bauwirtschaft etwa 400.000 Arbeiter, knapp jeder dritte, aus der Ukraine stammt und die polnische Bauwirtschaft schon zuvor unter Fachkräftemangel gelitten hat. Da Ukrainer oft in klassischen Männerberufen arbeiteten, können die nun ganz überwiegend ankommenden Frauen und Kinder nur selten als Ersatz einspringen. Um die wenigen verbliebenen Bauarbeiter werde jetzt wohl auch mit deutlich höheren Lohnzusagen gebuhlt (https://www…de/wirtschaft/weltwirtschaft/polen-ukraine-fachkraefte-101.html; https://www…de/polen-analysen/290/die-bedeutung-des-kriegs-in-der-ukraine-fuer-polen/; https://www…de/politik/deutschland/ukraine-krieg-mindestens-259-000-menschen-sind-bisher-nach-deutschland-geflohen-a-99f9c765-84e3-4c4a-929e-b58e5c25b2ce). Der polnische Arbeitsmarkt ist in der Lage, innerhalb der kommenden Monate etwa 700.000 Arbeitskräfte zu integrieren (https://www…de/story/2000133965638/geteilte-bedrohungswahrnehmung). Zudem ist zu bedenken, dass viele Flüchtlinge aus der Ukraine angesichts der großen Zahl der bereits vor dem Krieg in Polen lebenden Landsleute (wohl ca. 1,4 Millionen: https://www…de/politik/schon-1-3-millionen-kriegsfluechtlinge-die-polnische-hilfsbereitschaft-mischt-sich-mit-angst/28146384.html) auf deren Unterbringung und anderweitige Unterstützung zählen kann, sodass auch vor diesem Hintergrund ein nicht zu unterschätzender Teil der sich aus dem aktuellen Flüchtlingszustrom ergebenden Belastungen einer zivilgesellschaftlichen Bewältigung zugeführt wird. Darüber hinaus lässt sich in diesem Zusammenhang aber auch allgemein eine aktuell fortbestehende enorme Hilfsbereitschaft und Solidarität der polnischen Zivilgesellschaft für die ankommenden Flüchtlinge erkennen (statt vieler: https://www…de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/polen-ukraine-fluechtlinge-helfer-ehrenamt-100.html) und auch wenn Hilfestellung und Unterstützung für Personen aus dem Nachbarland Ukraine aufgrund kultureller Nähe für viele Polen näherliegt als eine solche für Schutzsuchende aus anderen Staaten, so ist doch nichts dafür erkennbar, dass der Kläger als afghanischer Staatsangehöriger von der in Polen aktuell bestehenden bemerkenswerten Anteilnahme und Hilfsbereitschaft sehr breiter Kreise der Bevölkerung für flüchtende Menschen ausgeschlossen wäre; vielmehr hilft die Zivilgesellschaft, Anwohner wie Hilfsorganisationen, auch anderen als ukrainischen Flüchtlingen (https://www…de/meinung/meinung-polen-fluechtlinge-belarus-1.5558920).
Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen und auch darüber hinaus sind keine greifbaren stichhaltigen Anhaltspunkte oder Berichte dafür ersichtlich, dass sich die Situation für Personen wie den Kläger, der sich als international schutzberechtigter Afghane in Polen aufhält, derartig verändert hätte, dass diesem abweichend von obigen Ausführungen im entscheidungserheblichen Zeitpunkt – und auch nicht konkret absehbar – mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit – die Gefahr droht, durch die Lebensbedingungen in Polen einer Verletzung des Art. 3 EMRK, Art. 4 GrCh ausgesetzt zu sein (so auch: VG Lüneburg, U.v. 08.03.2022 – 5 B 23/22 – juris; VG Potsdam, B.v. 18.03.2022 – VG 1 L 110/22.A; VG München, B.v. 21.03.2022 – M 5 S 22.50140; VG Braunschweig, B.v. 04.03.2022 – 6 B 117/22).
Die vorstehende Einschätzung gilt – erst recht – für den hiesigen Kläger. Denn in dessen Einzelfall ist überdies positiv zu berücksichtigen, dass er über eine herausgehobene Ausbildung verfügt, indem er in Afghanistan Abitur gemacht und im Anschluss 2,5 Jahre Biologie studiert hat. Zudem verfügt er über relevante berufliche Erfahrungen als Tagelöhner, etwa in der Bauwirtschaft. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch realistisch, dass der Kläger aufgrund seiner Vorkenntnisse und Erfahrungen auf dem polnischen Arbeitsmarkt wird Fuß fassen und das zu seinem Lebensunterhalt Notwendige wird erwirtschaften können. Darüber hinaus wird der Kläger aller Voraussicht nach gemeinsam mit seinem Cousin, der ebenfalls in Polen schutzberechtigt ist und dessen Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung und Abschiebungsandrohung nach Polen am heutigen Tage ebenfalls abgewiesen wurde (W 1 K 22.30179), nach Polen zurückkehren, sodass eine gegenseitige Unterstützung erfolgen kann.
Unabhängig von vorstehenden Ausführungen befindet sich der Kläger durch seinen seit 10-15 Jahren in Polen lebenden und dort schutzberechtigten Onkel hier auch in einer besonders begünstigten Situation, die ihrerseits als solche ausreichend ist, um eine Verletzung des Art. 3 EMRK, Art. 4 GrCh für den Kläger in Polen auszuschließen. Denn von diesem ist vorliegend eine relevante und nachhaltige Unterstützung gerade im Hinblick auf die hier inmitten stehenden zentralen Lebensbedürfnisse („Bett, Brot, Seife“, vgl. VGH Mannheim, U.v. 29.07.2019 – A 4 S 749/19 – juris) zu erwarten. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage angegeben hat, dass sie von diesem zwar einen Monat lang unterstützt worden seien, er dann jedoch gesagt habe, dass sie sich nun selbst um ihr Leben kümmern müssten, so handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts um rein asyltaktisches Vorbringen. Denn der besagte Onkel hat sich gemäß dem Vorbringen beim Bundesamt für den Kläger und seinen Cousin in der jüngsten Vergangenheit vielmehr in erheblicher Weise engagiert, indem er diesen Plätze in den äußerst knappen Evakuierungsflügen aus Afghanistan im August 2021 organisiert hat. Angesichts der im afghanischen Kulturkreis allgemein bestehenden sehr engen familiären Bindungen, welche angesichts vorstehender Ausführungen und substantiierter entgegenstehender Anhaltspunkte offensichtlich auch aktuell weiter fortbestehen, ist bei lebensnaher Betrachtung realistisch zu erwarten, dass der Onkel dem Kläger auch weiterhin Unterstützung angedeihen lassen wird. Aus welchem Grunde eine solche nunmehr plötzlich nicht mehr erfolgen sollte, wie vom Kläger vor Gericht pauschal behauptet, hat er nicht ansatzweise nachvollziehbar zu begründen vermocht. Nicht plausibel erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger angeblich nicht wissen will, was sein Onkel beruflich macht. Der Kläger hat im Übrigen im Gegensatz zu seinem Cousin nicht angegeben, dass der Onkel aktuell arbeitslos sei. Auch angesichts dieser divergierenden Aussagen geht das Gericht davon aus, dass der Kläger und sein Cousin zu verschleiern versuchen, dass sie in Polen weiterhin auf einen unterstützungswilligen und unterstützungsfähigen Verwandten zurückgreifen können. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bei dem in Polen offensichtlich integrierten Onkel unterkommen könnte und dieser ihn auch etwa beim Spracherwerb, bei der Beantragung sozialer Leistungen, bei der Arbeitssuche und erforderlichenfalls auch darüber hinaus direkt finanziell unterstützen würde.
Den vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung gestellten bedingten Beweisanträgen war vorliegend nicht nachzugehen.
Dies ergibt sich zunächst aus § 87b Abs. 3 VwGO, wonach das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Abs. 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden kann, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist. Mit Schreiben vom 15.03.2022 wurde dem Klägerbevollmächtigten aufgegeben, bis spätestens 29.03.2022 sämtliche der Klagebegründung dienenden Erklärungen und Beweismittel sowie etwaigen weiteren Tatsachenvortrag und Beweismittel anzugeben bzw. vorzulegen. Über die Folgen der Fristversäumung gemäß § 87b Abs. 3 VwGO wurde in diesem Schreiben belehrt. Der vorgenannte Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens stellt ein solches in der Vorschrift genanntes Beweismittel dar. Der Beweisantrag wurde jedoch nicht innerhalb der gesetzten Frist des § 87b VwGO gestellt, sondern erst in der mündlichen Verhandlung. Entschuldigungsgründe für die Verspätung wurden weder vorgebracht noch sind sie erkennbar, zumal sich die Situation in Polen seit Ablauf der gesetzten Frist auch nicht überraschend verändert hätte. Darüber hinaus würde die Einholung entsprechender Auskünfte bzw. Gutachten sachverständiger Stellen die Erledigung des Rechtsstreits in kausaler Weise erheblich verzögern, da deren Einholung regelmäßig einen erheblichen Zeitraum in Anspruch nimmt. In Ausübung des gerichtlichen Ermessens und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes weist der erkennende Einzelrichter den Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 87b Abs. 3 VwGO zurück, zumal angesichts vorstehender Ausführungen eine Vielzahl von Informationen zur aktuellen Lage der Flüchtlinge in Polen vorliegt, aus der hinreichend sicher auch auf die zu erwartende Situation für den Kläger geschlossen werden kann.
Desweiteren werden die Beweisanträge abgelehnt, da es sich bei den Anträgen, dass es für international schutzberechtigte Afghanen in Polen seit dem 24.02.2022 faktisch unmöglich ist, Wohnung und Arbeitsstelle zu finden sowie dass diesen Personen Obdachlosigkeit und wirtschaftliche Verelendung droht, da sie keinen Zugang zu staatlicher Unterstützung erhalten, um einen unbeachtlichen Beweisermittlungsantrag handelt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er nicht auf einen hinreichend konkreten Sachverhalt bezogen ist, sondern vielmehr der Vorbereitung eines eigentlichen Beweisantrages dient. Mit seiner Hilfe soll festgestellt werden, ob überhaupt entscheidungserhebliche Tatsachen vorliegen oder geeignete Beweismittel vorhanden sind (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 86 Rn. 27). Auch handelt es sich um einen abzulehnenden Ausforschungsbeweisantrag, da – auch unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen des Gerichts – keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dem Kläger nunmehr ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK Art. 4 GrCh in Polen droht. Das begründende Vorbringen des Klägerbevollmächtigten nimmt – abgesehen von der Anzahl der Flüchtlinge – an keiner Stelle Bezug auf Quellen, die sein Vorbringen stützen würden, und hält sich letztlich sehr im Ungefähren, sodass die unter Beweis gestellten Behauptungen letztlich ins Blaue hinein getroffen wurden.
Schließlich sind die gestellten Beweisanträge auch deshalb nicht entscheidungserheblich, da eine Verletzung des Art. 3 EMRK, Art. 4 GrCh im vorliegenden Einzelfall bereits dadurch ausgeschlossen ist, dass der Kläger auf die Unterstützung seines in Polen lebenden Onkels zurückgreifen kann. Auf die diesbezüglichen obigen Ausführungen wird insoweit vollumfänglich verwiesen.
Eine Verletzung des Art. 3 EMRK, Art. 4 GrCh ist nach alledem bei einer Rückkehr nach Polen nicht zu erwarten. Die auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG beruhende Unzulässigkeitsentscheidung erweist sich daher als rechtmäßig.
3. Darüber hinaus ist auch die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides getroffene Verneinung des Bestehens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG rechtmäßig.
a) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Da dem Kläger entsprechend obiger Ausführungen in Polen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC i.V.m. Art. 3 EMRK droht, scheidet auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu seinen Gunsten aus. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2. sowie in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides vollumfänglich Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG. Die Verletzung sonstiger Konventionsrechte ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat das Bundesamt daher zu Recht vereint.
b) Schließlich liegt auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur dann vor, wenn der Kläger unter einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Die Erkrankung muss nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 2c) Satz 2 AufenthG durch Vorlage einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung glaubhaft gemacht werden.
Entsprechend vorstehender Ausführungen unter 2. sowie 3.a) ist auch für das Bestehen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nichts ersichtlich, zumal der Kläger beim Bundesamt angegeben hat, gesund zu sein.
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich schließlich nicht aus den gesundheitlichen Gefahren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, denn die Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wird durch § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG gesperrt. Die Gefahr einer Infektion betrifft die gesamte Bevölkerung allgemein. Es liegt auch keine Extremgefahr vor, die es verfassungsrechtlich gebieten würde, die Sperrwirkung von § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausnahmsweise entfallen zu lassen (vgl. BVerwG, U.v. 13.06.2013 – 10 C 13/12 -, juris).
Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei seiner Rückkehr nach Bulgarien mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, wobei sich diese ausschließlich auf den Tod aufgrund einer Infektion mit Covid-19 oder einen besonders schweren Verlauf beziehen kann. Dies ist beim Kläger nicht anzunehmen, denn der 22-jährige Kläger ohne erkennbare relevante Vorerkrankungen gehört nach dem oben genannten Maßstab bereits nicht zu der Personengruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der COVID-19-Erkrankung (vgl. https://www…de/DE/Content/ InfAZ/N/Neuartiges_ Coronavirus/Steckbrief.html; jsessinid=DC346DA1D7E1A04E3FB153F23B3AF998.internet092#doc13776792bodyText15). Der Kläger hätte überdies im Falle einer etwaigen Erkrankung an Covid-19 Anspruch auf die notwendige medizinische Versorgung in Polen (vgl. oben). Zudem ist zu berücksichtigen, dass jeder das eigene Infektionsrisiko durch eine Impfung bzw. durch Einhaltung der geltenden Hygiene- und Abstandsregeln maßgeblich verringern kann.
Vor diesem Hintergrund ist auch der gestellte Hilfsantrag auf die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG unbegründet.
4. Die Abschiebungsandrohung nach Polen in Ziffer 3 des angegriffenen Bescheides begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Sie wurde vom Bundesamt rechtmäßigerweise auf §§ 34, 35 AsylG gestützt. Die Ausreisefrist von einer Woche ergibt sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
5. Auch das in Ziffer 4 getroffene Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist rechtmäßig. Das Verbot ist nach dem Gesetzeswortlaut zwingend anzuordnen. Die Festsetzung der Frist erfolgt nach § 11 Abs. 3 AufenthG im Ermessenswege. Die Beklagte hat ihr Ermessen vorliegend auch ausgeübt. Dass die festgesetzte Frist von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung vorliegend ermessensfehlerhaft wäre, ist nicht erkennbar. Denn zwar hat der Kläger angegeben, dass sich einer seiner Onkel in Deutschland aufhalte, was von der Beklagten auch in ihre Abwägung eingestellt wurde. Allerdings erscheint es ermessensfehlerfrei, wenn das Bundesamt insoweit nicht von wesentlichen, bei der vorliegenden Entscheidung ermessensreduzierend zu berücksichtigenden Bindungen ausgeht, da es sich bei dem vorgetragenen Verwandtschaftsverhältnis nicht um einen Angehörigen der Kernfamilie des erwachsenen Klägers handelt. Nach alledem erscheint es nicht zu beanstanden, die Frist auf die Hälfte der Höchstfrist festzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463 – juris). Vor diesem Hintergrund ist auch der gestellte Hilfsantrag auf die Verkürzungen der festgesetzten Frist nicht begründet.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b Abs. 1 AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben