Verwaltungsrecht

Duldungsanordnung zum Betreten von Grundstücken

Aktenzeichen  1 ZB 18.1747

Datum:
28.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18513
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 54 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 11 K 15.5553 2018-02-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Kläger wenden sich als Miteigentümer mehrerer bebauter Grundstücke gegen eine Anordnung, durch die sie verpflichtet wurden, das Betreten ihrer Grundstücke sowie der dort vorhandenen Gebäude durch Vertreter der Bauaufsichtsbehörde zu dulden (Nr. 1.1 des Änderungsbescheids vom 29. März 2017) bzw. zu ermöglichen (Nr. 1.2 des Änderungsbescheids).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Duldungsanordnung sowie gegen die Verpflichtung der Kläger richtet, den Zutritt zu mehreren Grundstücken für Kontrollzwecke zu ermöglichen. Die Anordnung sei insoweit rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig. Die Duldungsanordnung in Nr. 1.1 beschränke sich auf diejenigen Wohnungen bzw. Räume, für die bereits Nutzungsuntersagungen vorlägen. Angesichts der gerichtsbekannten baurechtlichen Verstöße der Kläger in den vergangenen Jahren sei auch die in Nr. 1.1 des Bescheids festgesetzte Höchstzahl von zehn Betretungen pro Haus im Jahr nicht zu beanstanden. Soweit die Klage sich gegen die im Bescheid ausgesprochene Verpflichtung des Klägers zum Tätigwerden gegenüber etwaigen Mietern sowie gegen die Zwangsgeldandrohung richtet, hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben.
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung, der nach seinem erkennbaren Rechtsschutzziel dahingehend auszulegen ist, dass er sich gegen die erstinstanzlich erfolgte Klageabweisung wendet, hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Soweit die Kläger vortragen, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem tatsächlichen Ausmaß der Anordnung auseinandergesetzt habe und sie infolge der Regelung in Nr. 1.1 des Änderungsbescheids insgesamt bis zu 30 Betretungen hinzunehmen hätten, lässt es die Ausführungen des Verwaltungsgerichts unberücksichtigt, wonach es angesichts der gerichtsbekannten baurechtlichen Verstöße der Kläger in der Vergangenheit nicht unverhältnismäßig sei, dass die Bauaufsichtsbehörde das Betretungsrechts innerhalb eines Jahres je Anlage bis zu zehnmal ausüben könne (UA S. 13). Weiter hat das Verwaltungsgericht entsprechend dem Wortlaut des Bescheids die Anordnung unter Nr. 1.2 dahingehend ausgelegt, dass die Bauaufsichtsbehörde den Klägern für eine einmalige angekündigte Betretung des jeweiligen Anwesens einen Termin mit acht Wochen Vorlauf benennt. Diese Auslegung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut „eine Betretung“ sowie „ein konkreter Termin“. Die Auffassung der Kläger, dass sich aus Nr. 1.2 des Änderungsbescheids eine Verpflichtung der Kläger zur Ermöglichung von 15 Besichtigungen ergeben würde, findet im Wortlaut des Bescheids keine Stütze und liegt fern. Dem Verwaltungsgericht war daher für die Frage der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit sowie der Ermessensausübung der Umfang der Duldungsanordnung bewusst. Eine Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht aus der Gesamtzahl der zu duldenden Maßnahmen bzw. der Verpflichtungen, den Zugang zu ermöglichen. Diese Anzahl ist bedingt durch die Anzahl der Objekte der Kläger und ihres baurechtswidrigen Verhaltens in der Vergangenheit. Im Übrigen fehlt es hinsichtlich der Ausführungen im Zulassungsvorbringen zur Unverhältnismäßigkeit bzw. zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Anordnungen an einer Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts. Auch soweit das Zulassungsvorbringen ausführt, dass für die Wohnung in der W* …straße 29 – nördlich mittige Wohnung – entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts eine bestandskräftige Nutzungsuntersagung nicht vorliege und in den Wohnungen in der W* …straße 29 im 1. OG und in der F* …straße im Dachgeschoss Flüchtlinge durch das Landratsamt untergebracht seien, zeigt es keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf. Das Verwaltungsgericht hat im Hinblick auf die Anordnung in Nr. 1.1 nicht entscheidungstragend auf die Bestandskraft der Nutzungsuntersagungen abgestellt, sondern nur auf deren Vorliegen. Weiter hat das Verwaltungsgericht bereits auf S. 13 f des Beschlusses vom 30. März 2016 (M 11 S 15.5555), den die Kläger zur Stützung ihrer Auffassung zitieren, für erforderlich erachtet, dass sich das Landratsamt im Rahmen einer Besichtigung zunächst einen Überblick über die tatsächlichen Nutzungen auch dieser Wohnungen verschafft. Hierzu verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht. In Bezug auf den Vortrag, dass das Objekt W* …straße 14 komplett leer stehe, da hier eine Baugenehmigung vorliege, fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Dass die Erforderlichkeit dieser Kontrollen im Hinblick auf eine im Zulassungsvorbringen nicht näher bezeichnete Baugenehmigung entfällt, wird nicht näher ausgeführt. Eine Unverhältnismäßigkeit der Anordnungen zeigt das Zulassungsvorbringen auch nicht im Hinblick auf die Ausführungen im Bescheid auf, wonach eine Betretung der einzelnen Wohnungen gegen den Willen der jeweiligen Nutzungsberechtigten nur nach einem weiteren Verwaltungsakt erfolgen wird, in dem ergänzend auch die Eigentümer zur Duldung der Wohnungsbetretung gegen den Willen des Mieters explizit zu verpflichten sind und ihnen dieser Verwaltungsakt zuzustellen ist. Diesen Ausführungen im Bescheid kommt bereits keine Regelungswirkung zu. Es handelt sich dabei lediglich um einen Hinweis bzw. eine Ankündigung auf weitere Verwaltungsakte. Eine Rechtsverletzung der Kläger durch diesen schlichten Hinweis ist nicht erkennbar, insbesondere kann daraus nicht auf die Unverhältnismäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnung geschlossen werden.
2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden.
3. Der von den Klägern behauptete Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist nicht dargelegt.
Das Zulassungsvorbringen rügt, dass das Verwaltungsgericht seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt habe, indem es sich nicht ausreichend mit dem Sachverhalt in Bezug auf den Umfang der Betretungen auseinandergesetzt habe. Damit rügen die Kläger in der Sache die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der angegriffenen Anordnungen und damit die vom Gericht vorgenommene rechtliche Würdigung. Hierauf kann ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nicht gestützt werden.
Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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