Verwaltungsrecht

Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung im Zusammenhang mit vereinsrechtlicher Verbotsverfügung

Aktenzeichen  M 7 E 16.4941

Datum:
9.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VereinsG VereinsG § 3 Abs. 1, Abs. 4 S. 3, § 4, § 10 Abs. 2
VereinsG-DVO VereinsG-DVO § 4
VwGO VwGO § 123

 

Leitsatz

Im einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht sind die Rechtmäßigkeit einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung und der damit verbundenen Beschlagnahme- und Einziehungsverfügungen nicht in vollem Umfang zu prüfen, da dies jeweils in gesonderten Klage- oder Eilverfahren durch andere gerichtliche Spruchkörper, hier das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, zu geschehen hat (vgl. BayVGH BeckRS 2015, 41068). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Durchsuchung der Wohnung einschließlich etwaiger Nebenräume zur Wohnung sowie Keller- und Garagenräume und der Fahrzeuge des Antragsgegners zu 1), … durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte am Dienstag, den … November 2016, ab 6.00 Uhr zur Sicherstellung des Vereinsvermögens der Vereinigung „Die wahre Religion“ alias „LIES! Stiftung“/„Stiftung LIES!“ einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“ „ReadLiesLtd“ und Insamlingsstiflesen AI Quran Foundation“ sowie von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung von Sachen an die vorstehend genannte Vereinigung deren verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind, sowie zum Zweck der weiteren Aufklärung der Vereinsstrukturen durch die Beschlagnahme von Beweismitteln
wird angeordnet.
Verschlossene Türen und Behältnisse dürfen geöffnet werden.
II.
Die Durchsuchung des Antragsgegners zu 1)
beschränkt auf die Nachschau in und unter der Kleidung zum Zweck des Auffindens versteckter Gegenstände (insbesondere Mobiltelefone, kleine Speichermedien, klassische Adressbücher) durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte wird angeordnet.
III.
Die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel für die weitere Aufklärung der Vereinsstrukturen der verbotenen Vereinigung von Bedeutung sein können, d. h.
– IT-Technik inklusive Datenträger und Peripheriegeräte (PCs, Notebooks, Tablets, externe Festplatten, sonstige Datenträger)
– Handys, Smartphones sowie
– Foto-/Videotechnik und zugehörige Datenträger,
– Kontounterlagen mit Bezug zu DWR/LIES! oder deren Teilorganisationen „LIES! Verlag“, ReadLiesLtd.“, Leicester, Großbritannien, „Insamlingsstiftlesen Al Quran Foundation“, Malmö, Schweden,
– Spendenquittungen, sonstige Hinweise zu Spendengebern
durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte wird angeordnet.
IV.
Die Maßnahmen unter Ziffern I. und III. sind von den Antragsgegnern zu 2) und zu 3) zu dulden.
V.
Der Antragsgegner zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Bundesminister des Innern stellt mit der noch zuzustellenden vereinsrechtlichen Verfügung vom 25. Oktober 2016 fest, dass sich die Vereinigung „Die wahre Religion“ (DWR) alias „LIES! Stiftung“/„Stiftung LIES!“ einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“ „ReadLiesLtd“ und „Insamlingsstiflesen Al Quran Foundation“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richten (Nummer 1). Er verbot die Vereinigung und ihre Teilorganisationen und ordnete ihre Auflösung an (Nummer 2). Ferner wird das Vermögen der Vereinigung DWR und ihrer Teilorganisationen sowie von Dritten, soweit sie durch Überlassung von Sachen die verfassungswidrigen Bestrebungen der DWR und ihrer Teilorganisationen gefördert haben bzw. diese Sachen zu deren Förderung bestimmt sind, beschlagnahmt und eingezogen (Nummer 5 und 6). Im selben Umfang werden auch Forderungen Dritter beschlagnahmt und eingezogen (Nummer 7). Mit Ausnahme der Einziehung wird ferner die sofortige Vollziehung der getroffenen Verfügungen angeordnet (Nummer 8).
Ferner ersuchte der Bundesminister des Innern das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr um Vollstreckung des Vereinsverbots am … November 2016 und bat um die Durchsuchung bestimmter Objekte zur Sicherstellung und Beschlagnahme von Vereinsvermögen und der weiteren Aufklärung der Vereinsstrukturen.
Daraufhin beantragte die Regierung von Oberbayern am 2. November 2016 bei Gericht
1. die Durchsuchung der Wohnräume, Nebengelasse, Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen … und sonstiger Fahrzeuge oder Krafträder des Antragsgegners zu 1), … zur Sicherstellung und Beschlagnahme des Vereinsvermögens der Vereinigung „Die wahre Religion (DWR) alias „LIES! Stiftung“/„Stiftung LIES!“ einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“ „ReadLiesLtd“ und „Insamlingsstiflesen Al Quran Foundation“ sowie von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung von Sachen an die vorstehend genannte Vereinigung deren verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind, sowie zum Zweck der weiteren Aufklärung der Vereinsstrukturen durch die Beschlagnahme von Beweismitteln,
2. die Durchsuchung des Antragsgegners zu 1), beschränkt auf die Nachschau in und unter der Kleidung zum Zwecke des Auffindens versteckter Gegenstände (insbesondere Mobiltelefone, kleine Speichermedien, klassische Adressbücher),
3. die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können für die weitere Aufklärung der Vereinsstrukturen der verbotenen Vereinigung
anzuordnen.
Auf die ausführliche Begründung wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 9. November 2016 wurde ferner beantragt,
anzuordnen, dass die Antragsgegner zu 2) und 3) die Durchsuchung der genannten Räume und die Beschlagnahme der genannten Gegenstände zu dulden haben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf richterliche Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zu 1) samt Nebenräumen und Fahrzeugen sowie seiner Sachen und Person und der Sachen Dritter zum Zwecke der Sicherstellung vereinsrechtlich beschlagnahmter Sachen und zum Zwecke des Auffindens weiterer Beweismittel, auf Anordnung von deren Beschlagnahme sowie auf Duldung der Maßnahmen durch die Antragsgegner zu 2) und 3) ist zulässig.
Das Verwaltungsgericht München ist gem. § 10 Abs. 2 Satz 5, § 4 Abs. 2 Satz 1 VereinsG örtlich zuständig, weil die Maßnahmen im Gerichtsbezirk stattfinden sollen. Nach § 10 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 2 Satz 2 VereinsG entscheidet der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts, vorliegend entsprechend der Geschäftsverteilung der Kammer der Berichterstatter.
Der Antrag hat auch Erfolg.
Der Antragsteller hat die für die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung erforderlichen Voraussetzungen glaubhaft dargelegt (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO).
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung zum Zwecke der Sicherstellung vereinsrechtlich beschlagnahmter Sachen ist § 10 Abs. 2 Satz 5 VereinsG. § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG befugt die Vollzugsbehörde aufgrund der nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG mit der Verbotsverfügung verbundenen Beschlagnahme Sachen im Gewahrsam des Vereins, einschließlich der ihm von Dritten überlassenen Sachen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG, und aufgrund einer Sicherstellungsanordnung Sachen im Gewahrsam Dritter (vgl. Seidl in Albrecht/Roggenkamp, VereinsG, Komm. 2014, § 10 Rn. 26 f.) sicherzustellen. Da der Antragsgegner zu 1) nicht Mitglied des Vorstandes und damit des für den Verein handelnden Organs des Vereins ist, ist er bezüglich der Voraussetzungen für eine Sicherstellung von Sachen als Dritter im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG anzusehen (vgl. VGH BW, 27. Oktober 2011 – 1 S 1864/11- juris Rn. 10), so dass bei ihm zum Zwecke der Sicherstellung des Vereinsvermögens nur aufgrund eines gesonderten, von der Regierung von Oberbayern zu erlassenden Sicherstellungsbescheides (§ 4 VereinsG-DVO) sichergestellt werden kann. Soweit es der Zweck der Sicherstellung erfordert, dürfen gem. § 10 Abs. 2 Satz 2 VereinsG auch Räume betreten sowie verschlossene Türen und Behältnisse geöffnet werden. Voraussetzung ist eine wirksame und vollziehbare Beschlagnahme des Vereinsvermögens (BayVGH, U. v. 8. Januar 2015 – 4 C 14.1708 – juris Rn. 24) sowie hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich beim Antragsgegner zu 1) dem Vereinsvermögen zuzurechnende Gegenstände oder sonstige von der Beschlagnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG erfasste Gegenstände befinden (BayVGH, B. v. 25. August 2008 – 4 C 08.1341 – juris Rn. 18).
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Durchsuchung der Räume, Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins zum Zwecke der Auffindung weiterer Beweismittel sowie für die Anordnung von deren Beschlagnahme ist § 4 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 und 2 VereinsG. Dass bereits eine Verbotsverfügung erlassen worden ist und die Beweismittel nicht deren Vorbereitung, sondern der weiteren Untermauerung der Verfügung dienen, steht der (gleichzeitigen) Anwendung dieser für das Ermittlungsverfahren konzipierten Rechtsgrundlage nicht entgegen (OVG Bremen, U. v. 19. November 2015 – 1 B 349/14 – juris Rn. 4; OVG BB, B. v. 21. Dezember 2012 – 1 L 82.12 – juris Rn. 5; VGH BW, 27. Oktober 2011 – 1 S 1864/11- juris Rn. 5 ff.; Nds. OVG, B. v. 26. Oktober 1999 – 11 O 863/98 – juris Rn. 2; HessVGH, B. v. 16. Februar 1993 – 11 TJ 185/93, 11 TJ 186/93 – juris Rn. 45; OVG Hamburg, B. v. 6. Dezember 1983 – Bs III 840/83 – juris Ls). Eine Durchsuchung ist zulässig, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür sprechen, dass sie zur Auffindung von Gegenständen führt, die als Beweismittel in dem vereinsrechtlichen Verbotsverfahren von Bedeutung sein können (§ 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG).
Der Antragsgegner zu 1) ist Mitglied einer verbotenen Vereinigung.
Der Bundesminister des Innern ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei DWR alias „LIES! Stiftung“/“Stiftung LIES!“ einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“ „ReadLiesLtd“ und „Insamlingsstiflesen Al Quran Foundation“ um einen Verein im Sinne von § 2 Abs. 1 VereinsG handelt, nämlich – ohne Rücksicht auf die Rechtsform und im weiteren Sinn (vgl. BVerwG, U. v. 14. Mai 2014 – 6 A 3.13 – juris Rn. 24) – um eine Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Aus der Verfügung vom 25. Oktober 2016 (Seite 5 ff.) gehen zahlreiche und ausreichende Anhaltspunkte dafür hervor, dass es sich um einen zumindest stillschweigenden Zusammenschluss von Personen handelt, die zumindest faktisch einen gemeinsamen Zweck verfolgen und über die wesentlichen Ziele der Vereinigung einig sind; weiter, dass eine Organisationsstruktur vorhanden ist, die faktisch auf eine organisierte Willensbildung schließen lässt und die einzelnen Mitglieder der Verbandsdisziplin untergeordnet sind (vgl. BVerwG, U. v. 14. Mai 2014 – 6 A 3.13 – juris Rn. 25).
Anhand ausführlicher, in einem Personaldossier zusammengestellter Erkenntnisse ist belegt, dass der Antragsgegner zu 1) dem salafistischen Personenspektrum in München zuzurechnen und Mitglied bei der LIES!-Gruppe München (DWR) ist. So hat er bei der Landeshauptstadt München für fünf Tage von Januar bis März 2016 als verantwortlicher Leiter vor Ort einen LIES!-Stand angemeldet und auch schon im Jahr 2015 solche Stände betreut. Ferner hat er im August und September 2015 jeweils vierstellige Beträge an Abou Nagie überwiesen. In Zusammenhang damit führt das Bayerische Landeskriminalamt Finanzermittlungen aufgrund einer Verdachtsmeldung (Terrorismusfinanzierung) der Commerzbank AG. In der Antragsschrift der Regierung von Oberbayern vom 1. November 2016 (Seite 6 f.) ist überzeugend dargetan, dass der Antragsgegner zu 1) als Verantwortlicher, sog. Mehrfachanmelder und Organisator von LIES!-Ständen eine leitende Funktion innerhalb eines LIES!-Teams und damit eine wesentliche Funktion für die Vereinsaktivitäten innehat und seine ideologische Verbundenheit mit den Zielen des Vereins dokumentiert, Träger von Insiderwissen ist, Zugang zum Vereinsvorstand und insgesamt eine Schlüsselfunktion für die Flächenpräsenz von DWR hat.
Der bundesweit agierende Verein einschließlich seiner Teilorganisationen wird mit sofort vollziehbarer (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) vereinsrechtlicher Verfügung des nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 VereinsG zuständigen Bundesministers des Innern vom 25. Oktober 2016 verboten und aufgelöst, weil er zwei Verbotstatbestände (§ 3 Abs. 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG) erfüllt, nämlich sich in aggressiv-kämpferischer Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet und schwerwiegend, ernst und nachhaltig den Gedanken der Völkerverständigung beeinträchtigt (vgl. BVerwG, U. v. 16. November 2015 – 1 A 4/15 – juris Rn. 19 ff. u. U. v. 3. Dezember 2004 – 6 A 10/02 – juris Rn. 18; Albrecht in Albrecht/Roggenkamp, VereinsG, Komm. 2014, § 3 VereinsG, Rn. 56). Durch die geplante zeitgleiche Übergabe an die Vertreter des Vereins am … November 2016 um 6:00 Uhr wird die Verbotsverfügung wirksam (§ 3 Abs. 4 Satz 3 VereinsG).
Im einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht sind die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung und der damit verbundenen Beschlagnahme- und Einziehungsverfügungen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG) nicht in vollem Umfang zu prüfen, da dies jeweils in gesonderten Klage- oder Eilverfahren durch andere gerichtliche Spruchkörper, hier das Bundesverwaltungsgericht gem. § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, zu geschehen hat (vgl. BayVGH, U. v. 8. Januar 2015 – 4 C 14.1708 – juris Rn. 24; ebenso SächsOVG, B. v. 12. November 2013 – 3 E 70/13 – juris Rn. 12; OVG Bremen, B. v. 11. September 2013 – 1 S 131/13 – juris Rn. 9; HambOVG, B. v. 23. Januar 2001 – 4 Bs 299/00 – juris Rn. 6). Die für die Verbots- und Beschlagnahmeverfügung angeführten Gründe sind nur in summarischer Form auf ihre Schlüssigkeit und Plausibilität hin zu überprüfen und im Falle offenkundiger Mängel der Antrag auf Anordnung der Durchsuchung abzulehnen (vgl. BayVGH, a. a. O., m. w. N.). Eine solche Prüfung ergibt, dass der Bundesminister des Innern ausgehend von der in der obergerichtlichen Rechtsprechung erfahrenen Ausprägung der Verbotsgründe und den vor allem im Internet verbreiteten, durch das Gericht nachprüfbaren Belegen zutreffend und überzeugend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass DWR sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, vor allem gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, die Glaubens- und Gewissensfreiheit und das Gleichheitsgrundrecht, richtet (Seite 15 ff.) und den Gedanken der Völkerverständigung beeinträchtigt (Seite 29 ff.), weiter, dass ein Vereinsverbot, insbesondere unter Abwägung mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit und der Europäischen Menschenrechtskonvention, verhältnismäßig ist (Seite 46 ff.). Es ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (BVerwG, U. v. 16. November 2015 – 1 A 4/15 – juris Rn. 13 m. w. N.) auch nicht zu beanstanden, dass der Bundesminister des Innern von einer Anhörung des Vereins absieht, um diesem keine Gelegenheit zu geben, sein Vermögen, verbotsrelevante Unterlagen oder dergleichen dem behördlichen Zugriff zu entziehen.
In Anbetracht der herausgehobenen Aktivitäten des Antragsgegners zu 1) für den Verein und der großen Verbreitung moderner technischer Kommunikationsmittel im häuslichen Bereich steht bei lebensnaher Betrachtung zu erwarten, dass in seiner Wohnung, den dazugehörigen Nebenräumen einschließlich Keller und Garage (zum Begriff der Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG vgl. BayVGH, U. v. 2. Oktober 2012 – 10 BV 09.1860 – juris Rn. 29) und den von ihm genutzten Fahrzeugen die vom Antragsteller näher aufgeführten Gegenstände, Datenträger und Unterlagen aufgefunden werden, die von Bedeutung sein können, die Aktivitäten von DWR bzw. des Antragsgegners zu 1) für den Verein weiter aufzuklären, als auch dem Vereinsvermögen zuzurechnende Gegenstände einschließlich solcher nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Da es weithin üblich ist, Gegenstände wie Mobiltelefone, kleine Speichermedien und klassische Adressbücher ständig mitzuführen, ist darüber hinaus damit zu rechnen, dass der Antragsgegner zu 1) derartige Beweismittel in seiner Kleidung bei sich trägt.
Da der Antragsgegner zu 1) nicht Mitglied des Vereinsvorstandes und damit des für den Verein handelnden Organs ist, ist er bezüglich der Voraussetzungen für eine Sicherstellung von Sachen als Dritter im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG anzusehen (vgl. VGH BW, 27. Oktober 2011 – 1 S 1864/11- juris Rn. 10), so dass bei ihm zum Zwecke der Sicherstellung des Vereinsvermögens nur aufgrund eines gesonderten Sicherstellungsbescheides (§ 4 VereinsG-DVO) sichergestellt werden kann. Hinsichtlich der Durchsuchungsanordnung zum Zwecke des Auffindens weiterer Beweismittel ist der Antragsgegner zu 1) als Mitglied oder Hintermann des Vereins im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 VereinsG anzusehen.
Der Antrag auf Erlass der Beschlagnahmeanordnung genügt auch dem Bestimmtheitsgebot (vgl. BayVGH, B. v. 11. Dezember 2002 – 4 C 02.2478 – juris Rn. 22 m. w. N.; OVG Nds., B. v. 19. Februar – 11 OB 398/08 – juris Rn. 9; OVG NW, B. v. 30. Januar 2009 – 5 E 1492/08 – juris Rn. 15 f.; OVG BE-BB, B. v. 1. September 2009 – 1 L 100.08 – juris Rn. 3; OVG Bremen, U. v. 19. November 2015 – 1 B 349/14 – juris Rn. 9 ff.), da der Antragsteller in der Antragsbegründung unter Nummer 6 präzisiert hat, welche Gegenstände, nämlich Kommunikations- und Videotechnik, Datenträger, Kontounterlagen des Vereins einschließlich seiner Teilvereinigungen und Spendenquittungen, beschlagnahmt werden sollen. Damit sind diese Gegenstände so genau bezeichnet, dass kein vernünftiger Zweifel über den Umfang der Beschlagnahme aufkommen kann. Die verbleibende, nie ganz zu vermeidende Unbestimmtheit ist unschädlich (vgl. OVG Bremen, U. v. 19. November 2015 – 1 B 349/14 – juris Rn. 10 f.).
Die Durchsuchungsmaßnahmen und etwaige Beschlagnahme von Gegenständen sind von den Antragsgegnern zu 2) und 3) zu dulden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1. September 2009 – 1 L 100.08 – juris Rn. 2 a. E.). Nachdem das Vereinsgesetz dem (Mit-)Inhaber von Räumen und Sachen, die nicht im alleinigen Gewahrsam des Hauptbetroffenen der Durchsuchung und Beschlagnahme stehen, nicht ausdrücklich eine Duldungspflicht auferlegt, war diese anzuordnen (vgl. BSG, U. v. 29. Juli 1992 – 11 Rar 57/91 – juris Rn. 55. f.). Der ergänzende Antrag vom 9. November 2016 war nach seinem Ziel und der Antragsbegründung vom 1. November 2016 gem. § 122 Abs. 1, § 88 VwGO zweckentsprechend dahingehend auszulegen, dass er auch eine Duldung der Durchsuchung vom Antragsgegner zu 1) genutzter Fahrzeuge umfasst, soweit den Antragsgegnern zu 2) und 3) hieran ein Mitgewahrsam zusteht.
Die Durchsuchung und Beschlagnahme verstoßen auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BVerfG, B. v. 26. Oktober 2011 – 2 BvR 1774/10 – juris Rn. 26 u. B. v. 27. Mai 1997 – 2 BvR 1992/92 – juris 1. Ls, Rn. 24). Sie versprechen im Hinblick auf die vorangegangenen Darlegungen Erfolg und sind zur Erreichung der beantragten Zwecken auch erforderlich, da andere, weniger einschneidende Mittel nicht ersichtlich sind, um an die erwartungsgemäß zu gewinnenden Beweismittel und das Vereinsvermögen zu gelangen. Auch das zwangsweise Öffnen der Wohn- und sonstigen Räume sowie Sachen, sofern die Antragsgegner nicht anwesend sind oder keinen Zutritt gewähren, ist gerechtfertigt, da die Regierung von Oberbayern beauftragt ist, zeitgleich mehrere Durchsuchungen durchführen zu lassen, und die Gewinnung von Beweismitteln und eine Sicherstellung des Vereinsvermögens nur in einer konzertierten Aktion erfolgversprechend erscheint. Schließlich steht die Schwere dieser grundgesetzlichen Eingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B. v. 11. Juli 2008 – 2 BvR 2016/06 – juris Rn. 16 ff.) mit Blick auf den Umfang und das Gewicht der vorliegenden Erkenntnisse und auf die aus dem Agieren des Vereins resultierenden Gefahren für höchste Rechtsgüter, die Schwierigkeiten, in einem ideologisch-konspirativen Umfeld zu ermitteln, sowie die Festlegung des Durchsuchungs- und Beschlagnahmerahmens in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck und der hierdurch zu schützenden verfassungsmäßigen Ordnung.
Eine vorherige Anhörung der Antragsgegner nach Art. 103 Abs. 1 GG unterbleibt, da andernfalls die Gelegenheit bestünde, einschlägige Gegenstände und Beweismittel beiseitezuschaffen und damit den Zweck der Anordnung zu gefährden (vgl. BVerfG, B. v. 16. Juni 1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 54 m. w. N.; § 4 Abs. 4 VereinsG i. V. m. § 101 StPO). Der gerichtliche Beschluss ist den Antragsgegnern jedoch vor Beginn der Durchsuchung bekanntzumachen.
Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Entsprechend den Rechtsgedanken aus § 155 Abs. 4, § 156 VwGO waren die Kosten dem Antragsgegner zu 1) als Veranlasser der Maßnahmen aufzuerlegen. Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es nicht, da Gerichtsgebühren nicht anfallen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben