Verwaltungsrecht

Eilantrag auf vorläufige Fortsetzung der Laufbahnausbildung nach entlassungsauslösender Prüfungsentscheidung

Aktenzeichen  6 CE 20.2357

Datum:
23.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32751
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 83 Abs. 1, § 123, § 146 Abs. 4
BBG § 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 1
GVG § 179 Abs. 2 S. 3
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Für den Erfolg des vorliegenden Eilantrags kommt es aufgrund der gestuft prüfungs- und beamtenrechtlichen „Hauptsache“ in erster Linie auf die Rechtmäßigkeit der die Entlassung auslösenden Prüfungsentscheidung an. (Rn. 15 und 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Entscheidungen im Rahmen eines Eilverfahrens dürfen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21a E 20.3661 2020-09-17 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 17. September 2020 – M 21a E 20.3661 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.535,58 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller stand während der Zeit vom 1. April 2019 bis 9. Dezember 2019 als Beamter auf Widerruf im Amt eines Regierungsinspektoranwärters (BesGr. A9) im Dienst der Antragsgegnerin. Er war zuletzt zur Laufbahnausbildung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst an die Hochschule des Bundes für die öffentliche Verwaltung – Fachbereich Bundeswehrverwaltung – in Mannheim abgeordnet.
Beim Erstversuch war der Antragsteller von der Modulprüfung 5 unter Vorlage eines privatärztlichen Attestes mit Einverständnis der Antragsgegnerin zurückgetreten und hatte die Modulprüfungen 3, 4 und 6 nicht bestanden. Er erhielt die Gelegenheit, diese Prüfungen im Rahmen der Wiederholungsprüfungen vom 15. bis 22. November 2019 (erneut) abzulegen. Ihm wurde dazu der schriftliche Hinweis ausgehändigt, dass zum Nachweis einer krankheitsbedingten Verhinderung während der Wiederholungsprüfungen ein amtsärztliches Attest vorzulegen sei.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2019, dem Antragsteller am 9. Dezember 2019 zugestellt, lehnte das Prüfungsamt der Hochschule dessen telefonisch gestellte Anträge auf Rücktritt aller im Rahmen der Wiederholungsprüfung angesetzten Prüfungsteile aus gesundheitlichen Gründen ab und stellte fest, dass die Modulprüfungen 3, 4 und 6 wiederholt als nicht bestanden sowie die Modulprüfung 5 im Erstversuch als nicht bestanden zu bewerten seien. Der Antragsteller habe es versäumt, das erforderliche amtsärztliche Attest über die behauptete Prüfungsunfähigkeit vorzulegen; die am 20. November 2019 bei der Hochschule eingegangene privatärztliche Bescheinigung reiche dafür nicht aus. Da im Übrigen die dort attestierte psychische Erkrankung des Antragsellers als persönlichkeitsbedingte Eigenschaft dessen Leistungsfähigkeit dauerhaft präge, berechtige diese nicht zum Rücktritt von einer Prüfung. Da der Antragsteller die Modulprüfungen 3, 4 und 6 spätestens im Wiederholungsversuch hätte bestehen müssen, weil eine zweite Wiederholung nur in einem Pflichtmodul zulässig sei, sei sein Prüfungsanspruch erloschen. Der gegen diese Prüfungsentscheidung eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller am 14. April 2020 Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erheben lassen, über die bislang nicht entschieden wurde.
Am 16. Dezember 2019 teilte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass sein Beamtenverhältnis auf Widerruf nach § 37 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BBG i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst in der Bundeswehrverwaltung (GntDBwVVDV) mit dem Ablauf des Tages der Bekanntgabe des Nichtbestehens der Prüfung, mithin dem 9. Dezember 2019, ende und Bezüge nach § 60 BBesG noch bis Ende Dezember 2019 weitergewährt würden. Hiergegen ließ der Antragsteller ebenfalls Widerspruch einlegen. Ein beim Verwaltungsgericht Stuttgart gestellter Antrag, die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs wiederherzustellen, wurde nach Verweisung des Verfahrens an das Verwaltungsgericht München zurückgenommen. Nachdem der Widerspruch zurückgewiesen worden war, erhob der Antragsteller am 29. Juni 2020 beim Verwaltungsgericht Berlin Klage mit dem Antrag, den Entlassungsbescheid vom 16. Dezember 2019 aufzuheben.
Am 20. Juli 2020 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Berlin zudem beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig unter erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf oder Begründung eines vergleichbaren Dienstverhältnisses die Laufbahnausbildung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst bis zu einer abschließenden Entscheidung über den Bescheid der Hochschule des Bundes vom 3. Dezember 2019 über das Nichtbestehen der Bachelorprüfung zu ermöglichen.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat sowohl das Klageverfahren als auch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes an das Verwaltungsgericht München verwiesen, das den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 17. September 2020 mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt hat. Der Antragteller habe keinen Anspruch auf vorläufige Wiedereinstellung oder Begründung eines sonstigen Dienstverhältnisses bis zur Entscheidung im prüfungsrechtlichen Hauptsacheverfahren (Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen den Bescheid vom 3.12.2019), weil sich die Prüfungsentscheidung der Hochschule nach summarischer Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweisen werde.
Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz weiterverfolgt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V. mit § 920 Abs. 2 ZPO). Die mit der Beschwerde innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zu keiner anderen Beurteilung.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Derartige Anordnungen, die – wie hier – durch vorläufige Befriedigung des erhobenen Anspruchs die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zumindest teilweise vorwegnehmen, setzen voraus, dass die Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, um andernfalls zu erwartende schwere und unzumutbare Nachteile oder Schäden vom Antragsteller abzuwenden (Anordnungsgrund), und dass ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht (Anordnungsanspruch). Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V. mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Das Verwaltungsgericht hat vorliegend entschieden, dass der Antragsteller einen mit Hilfe des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu sichernden Anspruch auf vorläufige Wiedereinstellung oder Begründung eines sonstigen Dienstverhältnisses bis zur Entscheidung im prüfungsrechtlichen Hauptsacheverfahren nicht glaubhaft gemacht hat, da sich die Prüfungsentscheidung der Hochschule nach summarischer Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweisen werde. Diese Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Ohne Erfolg bleibt die Rüge des Antragstellers, das Verwaltungsgericht München habe in der angegriffenen Entscheidung Fragen beantwortet, die instanziell, örtlich und sachlich im Hauptsacheverfahren beim Verwaltungsgericht Karlsruhe zu klären sein würden, und auf diese Weise rechtsfehlerhaft eine Entscheidung vorweggenommen, für die es nicht zuständig gewesen sei.
a) Das Verwaltungsgericht München war für die angegriffene Entscheidung örtlich zuständig. In seinem gemäß § 83 Satz 2 VwGO nicht anfechtbaren Beschluss vom 10. August 2020 hat sich das Verwaltungsgericht Berlin für örtlich unzuständig erklärt und die dort anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten (Klage gegen den Entlassungsbescheid vom 16.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.5.2020 und Eilantrag auf vorläufige Fortsetzung der Laufbahnausbildung) nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Verwaltungsgericht München verwiesen. Dieser Beschluss war und ist gemäß § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Verwaltungsgericht München bindend.
b) Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung über den Antrag nach § 123 VwGO in der Sache auch zu Recht von der (summarischen) Prüfung der Rechtmäßigkeit des Prüfungsbescheides vom 3. Dezember 2019 und damit der Frage, ob der Antragsteller formell und materiell wirksam von den streitgegenständlichen Prüfungen zurückgetreten ist, abhängig gemacht.
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist nach seinem eindeutigen Wortlaut auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin gerichtet, ihm vorläufig unter erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf oder Begründung eines vergleichbaren Dienstverhältnisses die Laufbahnausbildung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst bis zu einer abschließenden Entscheidung über den Bescheid der Hochschule des Bundes vom 3. Dezember 2019 über das Nichtbestehen der Bachelorprüfung zu ermöglichen.
Hiervon ausgehend kann es nicht zweifelhaft sein, dass der der begehrten Regelungsanordnung zugrundeliegende Streitgegenstand in der Hauptsache entgegen der Auffassung des Antragsstellers nicht allein die Klage gegen die Entlassungsmitteilung vom 19. Dezember 2019 sein kann. Denn die Entlassung ist lediglich die in § 37 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BBG vorgesehene – zwingende – Folge für den Fall, dass einem Beamten auf Widerruf das Nichtbestehen einer Prüfung bekanntgegeben wurde. Die Beendigungswirkung mit Blick auf das bisherige Beamtenverhältnis bliebe auch bei Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung in Gestalt der vorläufigen Fortsetzung der Ausbildung durch Neubegründung eines Beamtenverhältnisses oder außerhalb eines solchen an sich unangetastet. Für den Erfolg des vorliegenden Eilantrags kommt es daher aufgrund der gestuft prüfungs- und beamtenrechtlichen „Hauptsache“ in erster Linie auf die Rechtmäßigkeit der die Entlassung auslösenden Prüfungsentscheidung an (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2020 – 2 BvR 469/20 – juris Rn. 34).
Das mit dem vorliegenden Antrag nach § 123 VwGO verfolgte Ziel, vorläufig im Rahmen eines neu begründeten Dienstverhältnisses weiter an der Laufbahnausbildung teilnehmen zu dürfen, kann daher nur dann Erfolg haben, wenn der Antragsteller ausreichend glaubhaft machen kann, dass die Entscheidung des Prüfungsamtes, der Prüfungsanspruch des Antragstellers sei wegen eines unberechtigten Rücktritts von einer Wiederholungsprüfung und des daraus folgenden endgültigen Nichtbestehens mehrerer Teilprüfungen erloschen, rechtswidrig war.
2. Das Verwaltungsgericht hat aufgrund eingehender sachlicher Prüfung festgestellt, dass die begehrte Regelungsanordnung in Gestalt der Fortsetzung der Ausbildung durch Neubegründung eines Beamtenverhältnisses oder außerhalb eines solchen auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht geboten ist, weil sich die Prüfungsentscheidung der Hochschule in der Hauptsache voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird, und daher einen Anordnungsanspruch verneint. Es hat die Sache tatsächlich und rechtlich hinreichend durchdrungen und sich bei seiner Prüfung der Sach- und Rechtslage mit den vorgetragenen Argumenten des Antragstellers in ausreichender Weise auseinandergesetzt. Dabei ist es mit überzeugenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die dem Antragsteller schriftlich und mehrmals auch mündlich bekannt gegebene, auf § 57 Abs. 2 Satz 3 GntDBwVVDV gestützte Anordnung, bei einer Verhinderung während der Wiederholungs- und Nachprüfung aus gesundheitlichen Gründen ein amtsärztliches Attest beizubringen, rechtmäßig war und Ermessensfehler des Prüfungsamtes insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich seien. Das mangels Beibringung eines amtsärztlichen Attestes nicht genehmigte Fernbleiben von den Prüfungen im Sinn von § 57 Abs. 5 Satz 2 GntDBwVVDV habe nach § 37 Abs. 1 GntDBwVVDV das Nichtbestehen der jeweiligen Teilprüfung zur Folge. Die Strenge dieser Regelung diene dem legitimen Ziel, Missbräuchen vorzubeugen, durch die sich Prüflinge eine ihnen nicht zustehende weitere Prüfungschance verschaffen könnten.
Substantiierte Einwendungen gegen diese Feststellungen werden mit der Beschwerde nicht vorgebracht.
a) Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, das Verwaltungsgericht versage mit seiner Entscheidung den effektiven einstweiligen Rechtsschutz, den es nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juni 2020 gewähren sollte, beruht dies auf einem unzutreffenden Verständnis der verfassungsgerichtlichen Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Beschwerde folgt daraus nicht, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Fall der Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf nach Feststellung des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung immer auch – gleichsam automatisch angesichts der ansonsten drohenden gravierenden Nachteile – erfolgreich sein muss. Vielmehr verlangt das Bundesverfassungsgericht insbesondere mit Blick darauf, dass die generelle Versagung vorläufigen Rechtsschutzes in diesen Fällen zu einer erheblichen Ausbildungsverzögerung führt und die damit verbundene Belastung des Betroffenen erheblich ist, lediglich die grundsätzliche Möglichkeit, im Rahmen eines Eilverfahrens die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels gegen die entlassungsauslösende Prüfungsentscheidung prüfen zu lassen (BVerfG, B.v. 9.6.2020 – 2 BvR 469/20 – Rn. 30).
Hintergrund dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidung ist die bisherige verwaltungsgerichtliche Spruchpraxis, in Fällen wie dem vorliegenden die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Blick auf den Eintritt der Beendigungswirkung durch den Realakt „Bekanntgabe des endgültigen Nichtbestehens“ (§ 37 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BBG) generell auszuschließen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf die Beendigungswirkung jedoch nicht zu einer solchen kategorischen Versagung einstweiligen Rechtsschutzes führen. Die bislang praktizierte pauschale Rechtsschutzverweigerung verkenne Bedeutung und Tragweite der Gewährleistungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, da sich die Gerichte damit einer Prüfung der entlassungsauslösenden Prüfungsentscheidung und der dem Betroffenen entstehenden Nachteile vollständig verschlossen hätten. Auch die der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zugrunde gelegte gesetzgeberische Intention könne einen undifferenzierten und völligen Ausschluss einer Prüfung der Erfolgsaussichten der prüfungsrechtlichen Hauptsache nicht rechtfertigen. Erfolg kann ein entsprechendes einstweiliges Rechtsschutzbegehren allerdings – wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt – nur haben, sofern die prüfungsrechtlichen Einwendungen in der Sache hierzu Anlass geben (vgl. B.v. 9.6.2020 – 2 BvR 469/20 – Rn. 34).
b) Auf dieser verfassungsrechtlichen Grundlage ist im Rahmen des danach grundsätzlich zulässigen Verfahrens nach § 123 Abs. 2, 3 VwGO vorläufiger Rechtsschutz in der geeigneten Form (nur) unter der Voraussetzung zu gewähren, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat (vgl. SächsOVG, B.v. 4.9.2020 – 2 B 333/19 – juris Rn. 7 f.).
Das hat das Verwaltungsgericht nach eingehender Prüfung der Erfolgsaussichten im prüfungsrechtlichen Hauptsacheverfahren, wie oben ausgeführt, mit überzeugenden Erwägungen verneint.
Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Vortrag, die Begründung für die Zurückweisung des Antrags habe den Antragsteller überrascht, weil das Gericht ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass es auf die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung ankomme, ist dafür nicht geeignet.
Einen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs hat der Antragsteller damit nicht dargelegt. Eine im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG unzulässige Überraschungsentscheidung liegt nur vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte, was von den betreffenden Beteiligten im Einzelnen darzulegen ist (BVerwG, B.v. 27.7.2015 – 9 B 33.15 – juris Rn. 8). Wie der Antragsteller selbst ausführt, war Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Herstellung eines Dienstverhältnisses, das es ihm erlaubt, sein Studium bis zu einer Entscheidung über den streitigen Prüfungssachverhalt fortzusetzen (S. 6 der Beschwerdebegründung). Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter musste davon ausgehen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auslösenden Mitteilung über das Nichtbestehen der Prüfung im Mittelpunkt der verwaltungsgerichtlichen Prüfung des Antrags auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung stehen würde. Der Vorhalt, der Antragsteller habe keine Gelegenheit bekommen, sich zum Prüfungssachverhalt und zur Rechtswidrigkeit der Hochschulbescheide vorzutragen, trifft ersichtlich nicht zu.
Im Übrigen wäre es jedenfalls Sache des Antragstellers gewesen, zumindest im Rahmen der vorliegenden Beschwerde Gründe darzulegen, aus welchen sich ergeben könnte, dass die verwaltungsgerichtliche Einschätzung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung falsch ist. Insoweit beschränkt sich der Vortrag jedoch auf den Vorwurf, das Verwaltungsgericht hätte richtigerweise das Interesse an einer einstweiligen Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses bis zu einer (zuständigen bzw. zulässigen) gerichtlichen Entscheidung über den Prüfungsbescheid mit dem Interesse an einer sofortigen und ebenso übergangswie mittellosen Entlassung aus dem Dienstverhältnis abwägen und einen Anordnungsanspruch bejahen müssen. Dem kann nicht gefolgt werden.
Entscheidungen im Rahmen eines Eilverfahrens dürfen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (vgl. BVerfG, B.v. 20.11.2018 – 2 BvR 80/18 – juris Rn. 7 ff; B.v. 12.5.2005 – 1 BvR 569/05 – juris Rn. 23; B.v. 27.3.1998 – 2 BvR 378/98 – juris;). Ergibt eine Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass das in der Hauptsache verfolgte Begehren des Antragstellers keine Aussicht auf Erfolg hat, scheidet der Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls aus (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.1999 – 2 VR 1/99 – juris). Eine von den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung wäre nur dann vorzunehmen, wenn sich nicht feststellen ließe, ob die angegriffene Behördenentscheidung rechtmäßig ist.
3. An die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren getroffene Entscheidung ist das Gericht im Rahmen der Prüfung des Hauptsacherechtsbehelfs nicht gebunden. Von einer Vorwegnahme der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe im Klageverfahren gegen den Prüfungsbescheid durch die hier streitgegenständliche Entscheidung kann daher nicht die Rede sein. Ebenso geht der Vorwurf des Antragstellers fehl, mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts München werde die richterliche Unabhängigkeit und sein Anspruch auf ein faires Verfahren beim Verwaltungsgericht Karlsruhe berührt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 GKG i.V.m. Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und beträgt ein Viertel der Anwärterbezüge für das maßgebliche Jahr 2020 (§ 40 GKG) für den gehobenen Dienst gemäß Anlage VIII zum BBesG (3 x 1.511,86 €).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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