Verwaltungsrecht

Eilverfahren, Vorwegnahme der Hauptsache, knapp zehnjährige Grundschülerin, begehrte Teilnahme an schulischer Radfahrausbildung in der Grundschule ohne Coronatest, Teilnahme an Präsenzunterricht ohne Test kraft Verordnung untersagt, keine Ausnahmegenehmigung, kein atypischer Ausnahmefall

Aktenzeichen  W 8 E 21.530

Datum:
20.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 8463
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 88
VwGO § 123
BayIfSMV § 17 12.
BayIfSMV § 18 Abs. 4 12.
BayIfSMV § 28 Abs. 2 12.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist eine knapp zehn Jahre alter Grundschülerin der …-Grundschule in Würzburg. Sie begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Teilnahme an der schulischen Radfahrausbildung ohne einen Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2.
Mit Schriftsatz vom 19. April 2021 ließ die Antragstellerin, vertreten durch ihre Eltern, b e a n t r a g e n:
Im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Antragsgegnerin verpflichtet, die Antragstellerin an den Übungseinheiten sowie dem theoretischen und praktischen Teil der Radfahrprüfung der Klasse 4a der …-Grundschule ohne das Erfordernis eines vorhergehenden Tests in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 teilnehmen zu lassen.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: In der 4. Klasse der …-Grundschule finde derzeit die Radfahrausbildung statt. An den Übungseinheiten am 14. und 16. April 2021 habe die Antragstellerin ohne Test teilnehmen können, da in der Schule keine Tests mehr verfügbar gewesen seien. Die Antragstellerin habe auch am Präsenzunterricht in der Schule am 15. April 2021 teilnehmen können. Am 21. und 23. April 2021 fänden weitere Übungseinheiten der Radfahrausbildung statt. Am 28. April 2021 finde nach vorhergehender theoretischer Prüfung in der Schule der praktische Teil der Radfahrprüfung auf dem Außengelände statt. Die Antragstellerin habe über ihren Vater die Rektorin der Grundschule gebeten, auch an den weiteren Übungseinheiten ohne Test teilnehmen zu dürfen. Eine weitere Reaktion sei nicht erfolgt. Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus der Beschulungspflicht. Die Radfahrausbildung der bayerischen Schülerinnen und Schüler sei in der Grundschule verpflichtend. Die Antragsgegnerin könne der Antragstellerin die Teilnahme an der Radfahrausbildung nicht mit Hinweis auf die Regelungen der 12. BayIfSMV verwehren. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe am 12. April 2021 entschieden, dass die Tests als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht ausschließlich freiwilliger Natur seien. Bei fehlendem Einverständnis in eine Testung müsse sichergestellt sein, dass Alternativangebote wie beispielsweise Distanzunterricht bestehe. Entfalle die Beschulung ohne diese, sei nicht von der erforderlichen Freiwilligkeit auszugehen. So liege der Fall hier. Zur Radfahrausbildung gebe es keine Alternativangebote wie beispielsweise Distanzunterricht. Ohne Einwilligung entfiele eine Beschulung im Rahmen der Radfahrausbildung. Der Antragstellerin würden daraus Nachteile entstehen. Der Antragstellerin stehe ein Rechtsanspruch auf Teilnahme an einer Radfahrausbildung zu.
Die Stadt Würzburg b e a n t r a g t e mit Schriftsatz vom 19. April 2021:
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung der Antragserwiderung ist im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß § 18 Abs. 4 der 12. BayIfSMV sei die Teilnahme am Präsenzunterricht und an den Präsenzphasen des Wechselunterrichts nur erlaubt, wenn sich die Schülerinnen und Schüler einem Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 unterzögen. Die Antragsgegnerin mache sich die Begründung der Verordnung zur Änderung der 12. BayIfSMV zu Eigen. Die Antragsgegnerin hebe hervor, dass kein Anspruch auf bestimmte Angebote bestehe und die Schulen nicht verpflichtet seien, bestimmte Distanzangebote für Schülerinnen und Schüler, die keinen negativen Corona-Test nachweisen könnten bzw. wollten, einzurichten.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin und des gestellten Antrags (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) ist dieser im Interesse der Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung begehrt, am Präsenzunterricht – bezogen auf die schulische Radfahrausbildung – teilzunehmen, ohne sich einem Test auf den Coronavirus zu unterziehen, bzw. eine Ausnahmegenehmigung begehrt, ohne Test an dieser schulischen Radfahrausbildung samt Prüfung teilzunehmen.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Statthaft ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegend ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Vorlage eines Tests auf das Coronavirus als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht und an den Präsenzphasen des Wechselunterrichts in den Grundschulen des Freistaates ergibt sich direkt aus § 18 Abs. 4 BayIfSMV. Soweit es um die Feststellung geht, dass die Antragstellerin ohne einen solchen Test an der Radfahrausbildung teilnehmen kann, spricht vieles dafür, dass in der Hauptsache eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft wäre. Soweit die Antragstellerin eine Ausnahmegenehmigung von der Regelung der 12. BayIfSMV bezogen auf Tests als Voraussetzung an Präsenzveranstaltungen begehrt, kommt theoretisch eine Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV in Betracht. Dafür wäre in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO statthaft.
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch dahingehend glaubhaft gemacht, ohne Test am Unterricht auf dem Schulgelände teilnehmen zu dürfen oder einen Rechtsanspruch für die Erteilung einer dahingehenden Ausnahmegenehmigung zu haben.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder wenn es aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag dann begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es der Antragstellerin schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Vorliegend besteht zudem die Besonderheit, dass die Feststellung im Wege der einstweiligen Anordnung, dass die Antragstellerin an der Radfahrausbildung samt Radfahrprüfung ohne vorhergehenden Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus teilnehmen darf, zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde. Denn selbst bei einem Obsiegen in der Hauptsache könnte der Antragstellerin nicht mehr zugesprochen werden, als das, was sie ausgehend von dem gestellten Antrag sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens begehrt. Eine Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht grundsätzlich dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einer Antragstellerin nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was sie nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, welcher einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für den Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 13 f.). Maßgeblich für die Entscheidung über das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 27 m.w.N.).
Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Erfolgsaussichten ihrer – noch zu erhebenden – Klage in der Hauptsache sind bei summarischer Prüfung offenkundig nicht gegeben.
Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie am Präsenzunterricht auf dem Schulgelände ihrer Grundschule ohne Test auf das Coronavirus teilnehmen darf.
Denn aus § 18 Abs. 4 Satz 1 der 12. BayIfSMV ergibt sich unmittelbar, dass die Teilnahme am Präsenzunterricht und an den Präsenzphasen des Wechselunterrichts sowie an der Notbetreuung und der Mittagsbetreuung Schülerinnen und Schülern nur erlaubt ist, wenn sie sich zwei Mal wöchentlich, im Fall des Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 mindestens zwei Mal wöchentlich, nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 einem Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS CoV-2 unterziehen. Diese Regelung gilt abgesehen von der allgemeinen Ausnahmemöglichkeit des § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV uneingeschränkt, ohne dass die Schule davon abweichen kann. Daran ändert auch die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nichts.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zwar in seinem Beschluss vom 12. April 2021 unter anderem unter Bezugnahme auf die Begründung zur Änderungsverordnung der 12. BayIfSMV ausgeführt: „Der Senat versteht die Begründung der Verordnung nicht in der Weise, dass Schülerinnen und Schüler, die keinen negativen Test vorweisen, nur dann am Distanzunterricht teilnehmen können, wo dieser gegebenenfalls angeboten wird, sondern in der Weise, dass ähnlich dem Wechselunterricht, soweit erforderlich, grundsätzlich Präsenz- und Distanzunterricht flächendeckend stattfindet. Nur so sind die Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gewährleistet. Denn entfiele eine Beschulung insgesamt, könnte nicht mehr von einer freien Wahl der Schülerinnen und Schüler bzw. ihrer Erziehungsberechtigten ausgegangen werden. Es bestünde die Gefahr, dass die Einwilligung gerade nicht aufgrund eines freiwilligen Entschlusses erfolgt, sondern unter dem „Druck“, ansonsten vom Schulunterricht gänzlich ausgeschlossen zu werden und damit womöglich Bildungsnachteile zu erfahren.“ (BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – BeckRS 2021, 7239 Rn. 27; B.v.13.4.2021 – 20 NE 21.1031 BeckRS 2021, 7563 Rn. 27).
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich mit diesen Ausführungen auf die Begründung der Änderungsverordnung (BayMBl. 2021 Nr. 262) bezogen. Dort ist unter anderem ausgeführt: „ein Anspruch auf bestimmte Angebot besteht nicht. Dies bedeutet: Wenn es Distanzunterricht an der Schule für die jeweilige Jahrgangsstufe gibt, sind Schülerinnen und Schüler, die keinen negativen Coronatest nachweisen können bzw. wollen, verpflichtet, am Distanzunterricht teilzunehmen. Andererseits sind die Schulen nicht verpflichtet, bestimmte Distanzangebote für die Schülerinnen und Schüler einzurichten. Die Schülerinnen und Schüler können auch keinen Anspruch darauf erheben. Es gilt dann letztlich dasselbe, wie bei den Schülerinnen und Schüler, die aufgrund einer individuellen Gefährdung vom Präsenzunterricht bzw. den Präsenzphasen des Wechselunterrichts beurlaubt sind. Die Schulen werden sich im Rahmen der Kapazitäten darum bemühen, auch für diese Schülerinnen und Schüler mindestens angemessene Lernangebote zur Verfügung zu stellen. Die Schulpflicht wird durch diese Lernangebote erfüllt.“
Ausgehend von dieser Begründung, die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich wie zitiert gebilligt ist, hat eine Schülerin oder ein Schüler keinen Anspruch auf bestimmte Lerninhalte in den einzelnen Fächern. Der Distanzunterricht kann – auch inhaltlich – zwangsläufig nicht mit einem durchgehenden Präsenzunterricht identisch sein und muss es auch nicht. Es genügt, wenn sie überhaupt ein Unterrichtsangebot erhalten und nicht gänzlich davon ausgeschlossen werden (BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – BeckRS 2021, 7239 Rn. 24; B.v.13.4.2021 – 20 NE 21.1031 BeckRS 2021, 7563 Rn. 24). Dem wäre auch Genüge getan, wenn bestimmte Unterrichtsinhalte entfallen würden, wie etwa auch beim Sportunterricht, oder nur gekürzt vermittelt werden.
Das Gericht hält es konkret bezogen auf die Radfahrausbildung zudem für denkbar und möglich, dass bestimmte Lernangebote im Rahmen des „Home-Schooling“ gemacht werden können, insbesondere was die theoretische Ausbildung anbelangt, aber gegebenenfalls auch praktische Übungen. Soweit es um die Radfahrprüfung geht, gilt das vorstehend Ausgeführte entsprechend für Leistungsnachweise in der Klasse bzw. im Klassenverband.
Etwas Anderes gilt für organisatorisch verselbständigte Prüfungen, die in § 17 der 12. BayIfSMV geregelt sind. Ein negatives Testergebnis ist für die Teilnahme an diesen Prüfungen nicht vorgeschrieben. Hierzu zählen etwa die Abschlussprüfungen. Allerdings ist bei diesen Prüfungen – neben den allgemeinen Hygienevorschriften – auf erhöhte Schutzmaßnahmen zu achten. Insbesondere sind diese Prüfungen getrennt vom allgemeinen Unterrichtsgeschehen und gegebenenfalls in Kleingruppen von Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen. Ebenfalls könnten Einzeltermine angesetzt werden. Die Organisation im Einzelnen obliegt insofern gleichwohl der Schule. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Prüfungen, etwa wenn ein Schüler oder eine Schülerin nicht bestanden hat oder wegen Erkrankung gefehlt hat, auch nachgeholt werden können.
Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Teilnahme ohne Test auf das Coronavirus an der regulären schulischen Radfahrausbildung und der damit verbundenen Prüfung zusammen mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern.
Des Weiteren hat die Antragstellerin auch sonst offenkundig keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung betreffend die Teilnahme an der schulischen Radfahrausbildung gemäß § 28 Abs. 2 12. BayIfSMV. Die Voraussetzungen für eine Erteilung der Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 12. BayIfSMV liegen nicht vor. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV können Ausnahmegenehmigungen von den Regelungen dieser Verordnung im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Nach Satz 2 des § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV können Ausnahmegenehmigungen, die wie hier, einen generellen Personenkreis oder eine allgemeine Fallkonstellation betreffen, nur mit dem zusätzlichen Einvernehmen der zuständigen Regierung erteilt werden.
Vorliegend ist schon nicht ersichtlich, dass in der Person der Antragstellerin ein Einzelfall, also ein atypischer Ausnahmefall vorliegt. Vielmehr betrifft das Begehren vorliegend eine allgemeine Fallkonstellation und einen generellen Personenkreis in einer Grundschule. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Ermessensspielraums zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung liegen bereits nicht vor, da die Antragstellerin nicht geltend machen kann, aufgrund einer Atypik ihres Falles einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu haben. Es handelt sich vielmehr um einen Regelfall des Erfordernisses eines Testes für die Teilnahme am Präsenzunterricht. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung setzt voraus, dass ein besonders gelagerter Fall vorliegt, der ein Abweichen von der allgemeinen Regelung rechtfertigen kann. Es muss sich um einen atypischen Einzelfall handeln, den der Verordnungsgeber beim Erlass der allgemein gültigen Regelungen nicht in Blick hatte. Erst wenn ein solcher vorliegt, eröffnet sich überhaupt für die zuständige Behörde ein Ermessensspielraum. Diese Sichtweise folgt aus dem Wesen eines Ausnahmefalles. Es muss um eine besondere Fallgestaltung gehen, die, hätte der Verwaltungsgeber sie erkannt, er vermutlich von sich aus ausgenommen hätte und die vom Regelfall abweicht. Das Erfordernis einer atypischen Fallgestaltung hängt auch mit dem weiteren Merkmal der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit zusammen. Die Kreisverwaltungsbehörde – hier die Antragsgegnerin – hat die Wertungen des Verordnungsgebers für den Regelfall zu beachten (vgl. zum Ganzen VG Würzburg, B.v. 14.4.2021 – W 8 E 21.510; VG Regensburg, B.v. 9.3.2021 – RO 5 E 21.363 – juris Rn 35 ff.; B.v. 24.2.2021 – RO 5 E 21.170 – juris Rn. 32 ff.).
Ausgehend von diesem Maßstab hat die Antragstellerin überhaupt keine konkret individuellen Gründe für sich vorgetragen. Dem Gericht leuchtet nicht ein, dass die von der Antragstellerin begehrte Ausnahme in der Grundschule infektionsschutzrechtlich vertretbar sein sollte.
Des Weiteren dürfen nach § 28 Abs. 2 Satz 2 der 12. BayIfSMV Ausnahmegenehmigungen nur unter der zusätzlichen Voraussetzung eines Einvernehmens der zuständigen Regierung erteilt werden, weil die von der Antragstellerin angesprochene Grundschulsituation bei der Radfahrausbildung eine allgemeine Fallkonstellation betrifft.
Abgesehen davon, dass demnach schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht vorliegen, ist nicht ersichtlich, dass unabhängig davon eine Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zwingend vorzunehmen wäre. Vielmehr wäre eine Ermessensentscheidung zu treffen. Jedenfalls fehlte es hierbei offenkundig an einer Ermessensreduzierung auf Null (vgl. näher VG Würzburg, B.v. 14.4.2021 – W 8 E 21.510; VG Regensburg, B.v. 9.3.2021 – RO 5 E 21.363 – juris Rn. 45 ff.).
Ergänzend wird noch angemerkt, dass das Gericht keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit der streitgegenständlichen Regelung in § 18 Abs. 4 der 12. BayIfSMV hat (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – BeckRS 2021, 7239; B.v.13.4.2021 – 20 NE 21.1031 BeckRS 2021, 7563; siehe auch NdsOVG, B.v. 19.4.2021 -13 MN 192/21 – juris; OVG LSA, B.v. 16.4.2021 – 3 R 94/21 – juris; OVG BlnBbg B.v. 15.4.2021 – OVG 11 S 51/21 – juris).
Soweit die Antragstellerin gerade auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Auslegung generelle Bedenken gegen die betreffenden Regelungen in der 12. BayIfSMV hat, wäre der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Wege eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bzw. im Eilverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO zuständig. Der Antragstellerin bleibt es unbenommen, entsprechende Anträge direkt beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu stellen.
Selbst wenn man im vorliegenden Verfahren davon ausgehen wollte, dass die Erfolgsaussichten offen wären, würde eine Folgeabwägung gerade vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens gerade auch im Bereich der Stadt Würzburg mit einer 7-Tages-Inzidenz in den letzten Tagen zwischen 190 und 200 zu Lasten der Antragstellerin ausfallen. In Rede stehen vorliegend hochrangige Gemeinschaftsgüter. Insbesondere geht es auch um die Grundrechte von Mitschülerinnen und Mitschüler. Es soll gerade die Anwesenheit eines ungetesteten Schülers bzw. einer ungetesteten Schülerin verhindert werden, um die anderen Schüler nicht einer Gesundheitsgefahr auszusetzen. Die Nachteile für die Antragstellerin sind weniger schwerwiegend, als im umgekehrten Fall bei einer Teilnahme ohne Testung mit der Gefährdung der Mitschüler. Denn wie ausgeführt hält es das Gericht für möglich, dass auch die Radfahrausbildung teilweise im Distanzunterricht erfolgen kann, gegebenenfalls der Unterricht bzw. auch die Radfahrprüfung nachgeholt werden kann. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 12. April 2021 (20 NE 21.926 – BeckRS 2021, 7239 Rn. 31) darauf hingewiesen, dass gerade auch der Anstieg der Fallzahlen bei Kindern und Jugendlichen bemerkbar ist. Dies gilt insbesondere auch in der Stadt Würzburg.
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. In Ermangelung anderweitiger Angaben, war vom Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 EUR auszugehen. Eine Halbierung des Streitwerts nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war nicht geboten, da die Antragstellerin wie dargestellt die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.


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