Verwaltungsrecht

Eine Abschiebungsandrohung nach Äthiopien ist nicht allein wegen der Unsicherheit des Abschiebungserfolgs rechtswidrig

Aktenzeichen  20 ZB 18.32640

Datum:
22.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26780
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 59 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war sowie ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit) und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Klärungsbedürftigkeit). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Abschiebungsandrohung in Bezug auf die Bezeichnung des Zielstaates (§ 59 Abs. 2 AufenthG) unterliegt jedenfalls nicht bereits deshalb der Aufhebung, weil der Abschiebungserfolg nicht sicher vorhergesagt werden kann. Besteht aufgrund der Beziehungen des Ausländers zum Zielstaat eine hinreichende Aussicht auf erfolgreiche Durchführung der Abschiebung, ist dem ausreisepflichtigen Ausländer zuzumuten, sich um eine Einreise (auch) in diesen Staat zu bemühen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 8 K 17.31115 2018-08-22 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist unbegründet, da der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht vorliegt oder bereits nicht in der nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erforderlichen Weise dargelegt wurde.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war sowie ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist – Klärungsfähigkeit – und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist – Klärungsbedürftigkeit (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Klärungsbedürftig sind nur Fragen, die nicht ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen sind oder nicht durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts oder des Berufungsgerichts geklärt sind (Happ, a.a.O., Rn. 38).
Der Kläger hält einerseits für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob ein Staatsangehöriger Eritreas, der zeitweilig in Äthiopien aufgewachsen ist – jedoch nicht die äthiopische Staatsbürgerschaft besitzt – nach Äthiopien abgeschoben werden kann, und der Staat Äthiopien zur Aufnahme der betreffenden Person verpflichtet ist?
Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt ist. Hierauf hat das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung auch hingewiesen. Eine Abschiebungsandrohung in Bezug auf die Bezeichnung des Zielstaates (§ 59 Absatz 2 AufenthG) unterliegt jedenfalls nicht bereits deshalb der Aufhebung, weil der Abschiebungserfolg nicht sicher vorhergesagt werden kann. Besteht aufgrund der Beziehungen des Ausländers zum Zielstaat eine hinreichende Aussicht auf erfolgreiche Durchführung der Abschiebung, ist dem ausreisepflichtigen Ausländer zuzumuten, sich um eine Einreise (auch) in diesen Staat zu bemühen. So liegt der Fall hier, weil nach den vom Kläger mit seinem Zulassungsantrag nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts davon auszugehen sei, dass der Kläger in Äthiopien einen legalen Aufenthalt hatte bzw. sogar die äthiopische Staatsbürgerschaft beantragen könnte. Die Abschiebungsandrohung dient in derartigen Fällen nicht der Durchsetzung einer unerfüllbaren Pflicht des Ausländers, sondern stellt gewissermaßen die Grundverfügung zur Durchsetzung der Ausreisepflicht dar, die unter Umständen nachfolgender Ergänzungen in Bezug auf den Zielstaat bedarf oder etwa im Wege der Duldung zu suspendieren sein kann (BVerwG, B. v. 1.9.1998 – 1 B 41.98 – juris, Rn 19).
Der Kläger hält weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob der im Staat Eritrea abzuleistende Nationalservice als Militärdienst ein den allgemeinen Kriterien eines zulässigen durch den jeweiligen Heimatstaat verhängten Wehr- bzw. Militärdienstes genügt, oder ob nicht vielmehr der Nationalservice eine unmenschliche Behandlung darstellt, und daher zumindest die Zuerkennung im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG erfolgen muss und damit das erkennende Gericht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen ist.
Der Kläger hat hierbei die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage bereits nicht im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG verlangt, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutert, weshalb die Frage klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). „Darlegen“ bedeutet schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis. „Etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, Beschluss v. 2.10.1961 – 8 B 78.61 – BVerfGE 13, 90/91; Beschluss v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Der Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, mit der sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert auseinandersetzen muss (BVerfG, B. v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – NVwZ 2006, 683). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (BVerfG, B.v. 7.11.1994 – 2 BvR 2079/93 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105/92 – NJW 1993, 2825). Das Verwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass allein die Einberufung zum Nationaldienst durch den eritreischen Staat keine staatliche Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG darstelle. Die Heranziehung zum Militärdienst unterfalle flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen. Der Kläger verweist hiergegen lediglich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. April 2018 – 1 C 29.17 – juris, und meint das Bundesverwaltungsgericht gehe selbstverständlich vom Vorliegen des subsidiären Schutzes für eritreische Staatsbürger aus, die in den Militärdienst einberufen werden könnten. Diese Annahme trifft jedoch nicht zu, denn die Frage der Gewährung des subsidiären Schutzes war in diesem Revisionsverfahren nicht Streitgegenstand der Entscheidung. Dort begehrten die Kläger die Gewährung von Flüchtlingsschutz, hilfsweise nationalem Abschiebungsschutz.
Damit scheidet eine vom Kläger angedeutete Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr.2 AsylG) ebenfalls offensichtlich aus.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


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