Verwaltungsrecht

Eingang eines Schriftsatzes nach Ablauf der Einlassungsfrist

Aktenzeichen  11 CE 16.499

Datum:
18.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 154 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
VwGO VwGO § 152a Abs. 2 S. 6

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 16. Februar 2016 (11 CE 16.15), mit dem die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 6. Dezember 2015 (B 1 E 15.851) zurückgewiesen wurde, ist unbegründet. Aus den Darlegungen des Antragstellers in dem Schriftsatz vom 9. März 2016 ergibt sich nicht, dass der Senat bei der Zurückweisung der Beschwerde den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hätte (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 VwGO).
Der Anspruch der Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, seine Entscheidung nur auf Tatsachen oder Beweisergebnisse zu stützen‚ zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO), sowie deren rechtzeitige und möglicherweise erhebliche Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit sie aus verfahrens- oder materiellrechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben müssen oder können (vgl. BayVerfGH, E. v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 44 m. w. N.). Ein Gehörsverstoß kann auch in der Verletzung von Verfahrensvorschriften liegen, die der Wahrung des rechtlichen Gehörs dienen (BVerfG, B. v. 29.11.1991 – 1 BvR 729/91 – juris; BayVGH, B. v. 30.6.2009 – 1 ZB 07.3431 – juris Rn. 17).
Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 91 Abs. 1 BV sind allerdings nur dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seinen Pflichten nicht nachgekommen ist. Im Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123 VwGO) ist dabei zu berücksichtigen, dass die Beschwerde nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen ist und das Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die fristgerecht dargelegten Gründe prüft. Die Beschwerdebegründung kann nach Ablauf der Beschwerdefrist zwar noch ergänzt werden, der Vortrag neuer oder bisher nicht ausreichend dargelegter Beschwerdegründe ist nach Ablauf der Frist aber nicht mehr möglich und wird nicht mehr gehört (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 146 Rn. 19).
Gemessen daran muss die Anhörungsrüge erfolglos bleiben. Der Antragsteller rügt, sein nach Erlass des angegriffenen Beschlusses eingereichter Schriftsatz vom 21. Februar 2016 sei nicht gewürdigt worden und er habe keine Gelegenheit gehabt, das zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung noch nicht abgefasste Urteil des Amtsgerichts Wunsiedel vom 21. Dezember 2015 sowie das noch nicht erstellte Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wunsiedel vorzulegen, da der Senat schon am 16. Februar 2016 über die Beschwerde entschieden habe. Nachdem der Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 29. Januar 2016 seinem Prozessbevollmächtigten mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übersandt worden und dort erst am Montag, 8. Februar 2016, eingegangen sei, hätte mit einer Entscheidung mindestens 14 Tage abgewartet werden müssen. In dem Urteil des Amtsgerichts Wunsiedel seien Angaben des Antragstellers zu seinen Lebensumständen in der Tschechischen Republik zu erwarten gewesen. Im Übrigen lägen ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vor. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Saarlouis vom 4. Mai 2012 (10 L 285/12) sei nicht hinreichend gewürdigt worden.
Damit zeigt der Antragsteller keinen Gehörsverstoß auf, denn aus dem Prozessrecht lässt sich keine Pflicht ableiten, nach Übersendung der Beschwerdeerwiderung an den Antragsteller mindestens 14 Tage mit der Entscheidung abzuwarten. Eine Einlassungsfrist von zwei Wochen zur Stellungnahme auf die Beschwerdeerwiderung (vgl. z. B. § 277 Abs. 4 i. V. m. § 277 Abs. 3 ZPO zur Einlassungsfrist zur Stellungnahme auf eine Klageerwiderung im Zivilprozess) ist im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht vorgesehen und würde auch dem Charakter eines Eilverfahrens widersprechen. Darüber hinaus muss der Beschwerdegegner ohnehin nur dann zwingend gehört werden, wenn eine Aufhebung oder Änderung der Entscheidung zu seinen Ungunsten erfolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 150 Rn. 4). Unabhängig davon, ob dem Antragsteller daher überhaupt nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme auf die Beschwerdeerwiderung gegeben werden musste, war es im vorliegenden Fall jedenfalls ausreichend, nach Übersendung des Schriftsatzes der Landesanwaltschaft Bayern an den Antragsteller noch eine Woche abzuwarten, ob eine weitere Äußerung erfolgt, denn dieser Zeitraum entspricht auch der Einlassungsfrist von einer Woche nach § 132 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der im Verwaltungsprozess ergänzend herangezogen werden kann (Meissner/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Oktober 2015, § 173 Rn. 147). Selbst wenn der Schriftsatz der Landesanwaltschaft erst am Montag, 8. Februar 2016, bei dem Prozessbevollmächtigten eingegangen ist, verblieb bis zur Entscheidung am 16. Februar 2016 eine Woche Zeit zur Äußerung oder zur Ankündigung einer solchen.
Darüber hinaus enthielt der Schriftsatz der Landesanwaltschaft vom 29. Januar 2016 auch keine neuen tatsächlichen Aspekte, zu denen sich der Antragsteller bis dahin nicht äußern konnte. Der Senat forderte ihn deshalb auch nicht unter Fristsetzung auf, zu dem Schriftsatz Stellung zu nehmen, sondern übersandte diesen zur Kenntnis und – etwaigen – Äußerung. Nachdem aber innerhalb einer Woche weder eine Stellungnahme einging noch angekündigt wurde, konnte am 16. Februar 2016 ohne Gehörsverstoß entschieden werden.
Die weiteren Ausführungen des Antragstellers richten sich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung vom 16. Februar 2016 und können seiner Anhörungsrüge nicht zum Erfolg verhelfen. Darüber hinaus wird mit der Anhörungsrüge auch nicht herausgearbeitet, welchen die Beschwerdebegründung zulässigerweise vertiefenden Vortrag aus dem Schriftsatz vom 21. Februar 2016 der Senat nicht erwogen haben soll. Es werden verschiedene Aspekte aufgezeigt, die schon in der Beschwerdebegründung angesprochen und im Beschluss vom 16. Februar 2016 auch berücksichtigt wurden. Ausführungen im Schriftsatz vom 21. Februar 2016, die nicht nur der Vertiefung des Beschwerdevorbringens dienen sollten, wären ohnehin nicht berücksichtigungsfähig gewesen, da sie nicht fristgerecht vorgebracht wurden.
Im Übrigen hat der Antragsteller auch weder mit seinem Schriftsatz vom 21. Februar 2016 noch mit seiner Anhörungsrüge das Urteil des Amtsgerichts Wunsiedel vom 21. Dezember 2015 und das Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht vorgelegt und auch nicht mitgeteilt, welchen konkreten Ausgang dieses Verfahren genommen hat, sondern ausschließlich mitgeteilt, nur er habe Berufung eingelegt. Daraus kann nur abgeleitet werden, dass das Amtsgericht Wunsiedel ihn offensichtlich verurteilt hat. Es kann aber nicht nachvollzogen werden, welche von der angegriffenen Entscheidung abweichenden Schlüsse der Senat aus diesen Unterlagen hätte ziehen sollen. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Antragsteller die Angaben zu seinen Lebensumständen in der Tschechischen Republik nicht vor dem Verwaltungsgericht oder in seiner Beschwerdebegründung dargelegt hat, sondern dafür das Urteil des Amtsgerichts vorlegen wollte.
Die Kosten der erfolglosen Anhörungsrüge sind gemäß § 154 Abs. 1 VwGO dem Antragsteller aufzuerlegen. Die Höhe der Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes; einer Streitwertfestsetzung bedarf es daher nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).


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