Verwaltungsrecht

Einschränkung des Leistungsanspruchs nach dem AsylbLG

Aktenzeichen  S 5 AY 20/17 ER

Datum:
14.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 144351
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
AsylbLG § 1a
SGG § 86b Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 § 1a AsylbLG ist nicht verfassungswidrig (ebenso LSG Bayern BeckRS 2016, 74367). (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Entschluss, zum Zweck des Bezugs von Sozialleistungen in die Bundesrepublik einzureisen (vgl. § 1a Abs. 1 AsylbLG), muss bei der Einreise bestehen, so dass die Motivation retrospektiv auf dieses Datum geprüft werden muss. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bestandskräftige asyl- oder aufenthaltsrechtliche Entscheidungen entfalten für die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG Tatbestandswirkung und können sozialgerichtlich nicht überprüft werden (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen BeckRS 2011, 70504).  (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe vom 06.12.2017 wird abgelehnt.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Gewährung von ungekürzten Leistungen gemäß § 3 und § 6 AsylbLG ab dem 06.12.2017.
Die 1979 geborene Antragstellerin ist iranische Staatsangehörige. Sie reiste am 13.06.2017 nach Deutschland ein und stellte am 18.07.2017 einen Antrag auf Asyl. Seit dem 26.07.2017 bezieht sie Leistungen nach dem AsylbLG.
Schriftliche Entscheidungen über die Leistungsbewilligung bestehen nicht. Vielmehr ist den Stammblättern zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin jeden Monat neu über die zu bewilligenden Leistungen entschieden hat. So wurden die Leistungen (§ 3 AsylbLG) für Juli und August 2017 am 23.08.2017 bewilligt und ausbezahlt.
Eine VIS Abfrage der zentralen Ausländerbehörde ergab, dass die Antragstellerin mit einem Kurzaufenthaltsvisum (Schengenvisum) aus Schweden nach Deutschland eingereist war.
Am 02.08.2017 fand beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Anhörung der Antragstellerin gemäß § 25 AsylG statt. In dieser gab die Antragstellerin an am 13.06.2017 direkt aus Teheran nach Deutschland gereist zu sein. Auf die Frage, ob sich die Antragstellerin vor der Einreise nach Deutschland in einem anderen Land aufgehalten habe und wenn ja in welchem, schwieg die Antragstellerin. Sie führte aus, dass sie froh sein kann, in Deutschland zu sein, da es hier Sicherheit gebe für Frauen. Ihr Bruder halte sich in Deutschland auf und sei Christ. Sie selbst wolle auch Christin werden und sich taufen lassen. Sie leide an Depressionen und sei im Iran in Behandlung gewesen. Sie wolle in keinen anderen Staat überstellt werden, da ihr Bruder in Deutschland sei und sie ihn brauche aufgrund ihres Zustandes. Sie habe allerdings zu ihrem Bruder keinen Kontakt. Sie habe letztmalig im März 2017 ihm zum neuen Jahr gratuliert.
Mit Schreiben vom 04.08.2017 bat das Bundesamt für Migration- und Flüchtlinge das Land Schweden um Übernahme des Asylverfahrens.
Mit Bescheid vom 14.08.2017 wurde der Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Schweden angeordnet. Für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerin sei nach der Dublin III-VO Schweden zuständig.
Am 23.08.2017 erhob die Antragstellerin gegen diesen Bescheid sowohl Klage (B 2 K 17.50957) als auch einen Eilantrag (B 2 S 17.50956) beim Verwaltungsgericht Bayreuth.
Mit Beschluss vom 28.08.2017 wurde der Eilantrag vom Verwaltungsgericht Bayreuth abgelehnt. Die schwedischen Behörden hätten unter Bezugnahme auf die Vorschrift des Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ihre Zuständigkeit bejaht. Es beständen keine durchgreifenden Anhaltspunkte für systematische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Schweden. Die Depressionen der Antragstellerin seien ohne Zweifel, falls überhaupt behandlungsbedürftig, auch in Schweden behandelbar.
Mit Schreiben vom 04.09.2017 teilte die Zentrale Ausländerbehörde bei der Regierung von Oberfranken der Antragsgegnerin mit, dass die Abschiebeandrohung/-anordnung seit dem 28.08.2017 vollziehbar sei. Es lägen die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 AsylbLG vor, da die Antragstellerin über einen sicheren Drittstaat (Schweden) eingereist sei und deshalb von einem Leistungsbezug als prägende Motivation für die Einreise ausgegangen werden könne.
Aufgrund dieser Mitteilung hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin bei ihrer Vorsprache am 07.09.2017 mündlich mitgeteilt, dass auf Grund der gemäß § 1a Abs. 1 AsylbLG durchzuführenden Leistungskürzung eine Auszahlung des Geldbetrages für den persönlichen Bedarf (sog. Taschengeld) nicht mehr erfolgen könne. Die gesetzlich zu gewährenden Leistungen in Form von Unterkunft, Heizung, Ernährung, Gesundheitspflege und Hygieneartikel würden als Sachleistungen weiterhin gewährt, war die Krankenversorgung nach § 4 AsylbLG nicht von der Kürzung betroffen. Eine schriftliche Bestätigung des mündlichen Bescheides forderte die Antragstellerin nicht.
Leistungen nach § 6 AsylbLG wurden bislang von der Antragstellerin nicht beantragt.
Gegen den mündlichen Bescheid vom 07.09.2017 legte der Bevollmächtigte der Antragstellerin am 06.12.2017 Widerspruch ein. Eine Abhilfeprüfung seitens der Antragsgegnerin ist noch nicht erfolgt.
Gleichzeitig stellte der Bevollmächtigte der Antragstellerin beim Sozialgericht Bayreuth einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Im vorliegenden Fall sei der Bescheid rechtswidrig, da die die Voraussetzungen des § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG nicht erfüllt seien. Die Antragstellerin halte sich gerade nicht entgegen einer Verteilungsentscheidung der Europäischen Union im Rahmen der Relocationsprogramme auf. Es bestehe nach der Auffassung des Bundesamtes für Migration schlicht keine Regelzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland, sondern des Königreiches Schwedens. Darüber hinaus sei § 1a AsylbLG verfassungswidrig, verstoße demnach nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG und genüge nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der Grundrechtsrelevanz der Entziehung der Leistungen zur Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten der Antragstellerin ab 06.12.2017 vorläufig Leistungen nach §§ 3 und 6 AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.
Es werde auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 12.05.2017 B 7 AY 1/16 verwiesen, in welcher davon ausgegangen wird, dass die Regelung des § 1a AsylbLG verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Darüber hinaus stütze sich der mündliche Bescheid nicht auf § 1a Abs. 4 AsylbLG sondern auf § 1a Abs. 1 AsylbLG. Dies hätte jederzeit durch Beantragung einer schriftlichen Bestätigung der Entscheidung bzw. einer vorherigen Kontaktaufnahme mit der Antragsgegnerin abgeklärt werden können. Es ergebe sich eine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, da die Antragstellerin ausreisepflichtig sei. Die Antragstellerin erhalte Leistungen nur soweit diese unabweisbar seien. Die Äußerungen der Antragstellerin im Rahmen der Anhörung seien Schutzbehauptungen. Es seien weder medizinische Unterlagen vorgelegt worden, welche den Gesundheitszustand zeigten. Noch habe Kontakt zum Bruder bestanden. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass es die Hauptabsicht der Antragstellerin gewesen sei, nach Deutschland einzureisen, um die Gewährung von anderen und höheren Leistungen zu erhalten. Selbst wenn noch andere Motive vorgelegen hätten, sei die Leistungsgewährung prägendes Motiv. Besondere Umstände, die eine Gewährung von anderen Leistungen nach § 3 und § 6 AsylbLG erforderlich machen würden, seien nicht vorgetragen worden. Auf dem Gelände der AEO bestehe weiterhin eine WLAN-Verbindung darüber hinaus bestehe die Möglichkeit den Bus-Shuttle zum Erreichen der Innenstadt zu nutzen. Die Antragstellerin sei daher in der Lage den wesentlichen Teil des soziokulturellen Bedarfs zu decken. Unabhängig davon bestehe die Möglichkeit sich um eine Arbeitsangelegenheit nach § 5 AsylbLG zu bemühen.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin, die Ausländerakte sowie auf die Gerichtsakte im Verfahren S 5 AY 20/17 ER verwiesen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig, aber unbegründet, was durch Beschluss auszusprechen war.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. hierzu § 86a Abs. 2 SGG), die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – Regelungsanordnung).
Im vorliegenden Fall kommt in der Hauptsache nicht lediglich eine Anfechtungsklage in Betracht, da die Antragsgegnerin vor Erlass des mündlichen Bescheides vom 07.09.2017, für den Zeitraum ab September 2017 bzw. im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ab 06.12.2017 keine dauerhafte Bewilligung vorgenommen hat. Sollte man in den Vermerken in den Stammblättern der Antragsgegnerin Verwaltungsakte erblicken, so bezögen sich diese jeweils nur auf einen Monat, indem die Antragsgegnerin Leistungen für diese bewilligte.
Die Antragstellerin strebt demnach eine Erweiterung ihrer Rechtsposition an (Regelungsanordnung).
Eine solche Anordnung setzt sowohl einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) als auch einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit im Sinne der Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zuzumuten ist) voraus. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO) oder nach Durchführung der von Amts wegen im Eilverfahren möglichen und gebotenen Ermittlungen glaubhaft erscheinen.
Glaubhaftigkeit bedeutet, dass für das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, als die volle richterliche Überzeugung. Welcher Grad von Wahrscheinlichkeit insoweit genügt, ist bei unklaren Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten und der öffentlichen Interessen zu bestimmen. Abzuwägen sind die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch besteht, gegen die Folgen, die auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch nicht besteht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b Rn. 29a).
Sofern dabei auf Seiten des Anordnungsgrundes das Existenzminimum eines Menschen bedroht ist, genügt für die Glaubhaftigkeit des Anordnungsanspruchs ein geringer Grad an Wahrscheinlichkeit, nämlich die nicht auszuschließende Möglichkeit seines Bestehens. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat insoweit entschieden, dass in Fällen, in denen es um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht, eine Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund fehlender Erfolgsaussichten der Hauptsache nur dann zulässig ist, wenn das Gericht die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend geprüft hat (BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2007, 1 BvR 3101/06 – unveröffentlicht und Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05 = NJW 2005, 2982). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei die Gerichte eine Verletzung der Grundrechte des Einzelnen, insbesondere der Menschenwürde, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, zu verhindern haben (Bay. LSG, Beschluss vom 22. Dezember 2010, L 16 AS 767/10 B ER – juris).
Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch. Es sind in der Hauptsache keine Erfolgsaussichten ersichtlich.
Der mündliche Bescheid vom 07.09.2017 erfüllt dabei sämtliche Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes i.S.v. § 31 Satz 1 SGB X. Ausweislich einer Vorsprache der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin am 07.09.2017 wurden diesem mitgeteilt, dass eines Auszahlung des Geldbetrages für den persönlichen Bedarf (sog. Taschengeld) nicht mehr erfolgen könne. Damit hat die Antragsgegnerin i.S.v. § 35 Satz 1 SGB X eine Einzelfallentscheidung mit unmittelbarer Regelungswirkung für die Antragstellerin getroffen.
Zwar dürfte der Widerspruch gegen den mündlichen Bescheid vom 07.09.2017 nicht verfristet sein, da wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:wohl die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG gilt, allerdings wäre dieser als unbegründet zurückzuweisen. .
Rechtsgrundlage ist § 1a AsylbLG. Der diese Leistungskürzung verfügende mündliche Bescheid vom 07.09.2017 ist nicht zu beanstanden.
Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG sind nicht bereits verfassungswidrig (BayLSG, Beschluss vom 23.09.2014, L 18 AY 3/13 B ER – nicht veröffentlicht, m.N), da es sich hierbei nicht um existenzsichernde Leistungen handelt (Oppermann, a.a.O., Rn. 89, 90). Diese Einschätzung des Sozialgerichts Bayreuth (vergleiche etwa Beschluss vom 29.01.2013, S 4 AY 1/13 ER – nicht veröffentlicht) hat das Bayer. Landessozialgericht bestätigt (Beschluss vom 12.04.2013, L 18 AY 3/13 B ER – nicht veröffentlicht).
Auch in seiner Entscheidung vom 11.11.2016, L 8 AY 29/16 B ER führt es aus:
„Der Senat teilt in Übereinstimmung mit der jüngsten Kommentierung (Hohm, AsylbLG, § 1 a Rn. 27 m. w. N.) die Einschätzung des SG, dass § 1 a AsylbLG in der Fassung des Asylbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015 verfassungsgemäß ist. Die hier einschlägigen Regelungen des § 1 a Abs. 2 und 3 AsylbLG haben auch durch das Integrationsgesetz vom 31.07.2016 keine Änderung erfahren. Art. 1 und 20 GG gebieten keine bedarfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen (gefestigte Rechtsauffassung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 13.09.2016, L 8 AY 21/16 B ER sowie vom 24.08.2016 L 8 AY 15/16 B ER).“
Damit kann die Antragstellerin mit ihrer Annahme einer Menschenwürdegarantieverletzung nicht gehört werden.
Zur Rechtmäßigkeit des Bescheides muss die Antragstellerin leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG sein und die weiteren Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 AsylbLG erfüllen. Die Prüfung von § 1a Abs. 2 AsylbLG bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Die Antragstellerin ist leistungsberechtigt nach § 1 Nr. 5 AsylbLG, weil er vollziehbar ausreisepflichtig ist. Ein Eilverfahren gegen die Abschiebungsandrohung blieb erfolglos.
Die Voraussetzungen des § 1a Nr. 1 AsylbLG liegen ebenfalls vor. Danach ist die Sanktionierung rechtens, wenn der Leistungsberechtigte eingereist ist, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen. Der Entschluss, zum Zweck des Bezugs von Sozialleistungen in die Bundesrepublik einzureisen, muss bei der Einreise bestehen; so dass die Leistungsbewilligung die Motivation retrospektiv auf dieses Datum geprüft werden muss (Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG 2. Überarbeitung, Rn. 27). Ist der Erhalt von Sozialleistungen der einzige Grund der Einreise, so ist die rechtsmissbräuchliche Einreiseabsicht verwirklicht (Oppermann aaO. Rn. 27). „Die auf dem Landweg über einen sicheren Drittstaat erfolgte Einreise in die Bundesrepublik rechtfertigt für sich allein nicht die Annahme, dass der Ausländer zum Zweck der Inanspruchnahme von Sozialleistungen eingereist ist. Es müssen weitere Indizien hinzutreten, die einen sicheren Schluss auf die prägende Einreisemotivation des Bezugs von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bei Einreise über einen sicheren Drittstaat erlauben. Dies sind vorzugsweise Tatsachen, die sich aus der Einreise selbst (lange Verweildauer in einem sicheren Drittstaat) oder aus der Person des Ausländers (keine Eigenmittel) ergeben können.“ (Oppermann aaO. Rn. 28). Anhaltspunkte für den Missbrauchstatbestand können allerdings die Ablehnung als offensichtlich unbegründet liefern, insbesondere auch wenn die Begründung der Entscheidungen deutliche Anzeichen für den Missbrauch enthält (Oppermann aaO. Rn. 33). Erfolgte Einreise primär zum Zwecke der Familienzusammenführung, erfüllt dies nicht den Sanktionstatbestand nach Abs. 1 (Oppermann aaO. Rn. 37).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestanden für die Antragsgegnerin hinreichende Indizien (Oppermann aaO. Rn. 43), eine entsprechende Motivation der Antragstellerin im Einreisezeitpunkt anzunehmen. Zunächst hat die Antragstellerin behauptet direkt aus Teheran nach Deutschland gereist zu sein. Dies entspricht nachweislich nicht den Tatsachen.
Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat den Beschluss vom 28.08.2017 (B 2 S 17.50956) festgestellt, dass Schweden für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Zuständigkeit Schwedens ergebe sich aus Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO. Die Antragstellerin sei mit einem von schwedischen Behörden ausgestellten Schengen-Visum (Gültigkeit vom 27.05.2017 bis 05.07.2017) nach Deutschland eingereist. Die schwedischen hätten unter Bezugnahme auf die Vorschrift des Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ihre Zuständigkeit bejaht. Der Umstand, dass die Antragstellerin keine Asylantrag in Schweden gestellt habe, sei unbeachtlich. Es beständen keine durchgreifenden Anhaltspunkte für systematische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Schweden. Volljährige Angehörige (der Bruder) seien aus dem Anwendungsbereich des Art. 2 g) Dublin III-VO ausgenommen. Die Depressionen der Antragstellerin seien (falls überhaupt Behandlungsbedürftigkeit bestehe) ohne Zweifel auch in Schweden behandelbar.
Das Sozialgericht Bayreuth hält die Entscheidungsgründe für zutreffend und macht sich diese zu Eigen. Ohnehin ist die „Überprüfung des Lebenssachverhaltes nach dem Asyl- bzw. Aufenthaltsrecht [dem Sozialgericht Bayreuth] verwehrt. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nicht zur Überprüfung asyl- oder aufenthaltsrechtlicher Entscheidungen der Ausländerbehörden berufen; dies fällt vielmehr in die alleinige Zuständigkeit und Entscheidungskompetenz der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bestandskräftige asyl- oder aufenthaltsrechtliche Entscheidungen, welche [dem Antragsteller] im streitigen Zeitraum nur zu einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG verholfen und ihnen insbesondere eine Ausreisepflicht auferlegt haben, entfalten für den Senat deshalb sog. Tatbestandswirkung mit der Folge, dass . . . diese asyl- und aufenthaltsrechtliche Bewertung ohne eigene Kompetenz zur Überprüfung als gegeben hinzunehmen“ ist (Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14. 2. 2011 – L 20 AY 46/08).
Schließlich ist die behauptete Familienzusammenführung kein hinreichendes abweichendes Motiv, das die Prägung der Einreise um Sozialhilfe zu erhalten, umkehren könnte. Eine solche Familienzusammenführung wurde offenbar durch die Antragstellerin nicht angestrebt bzw. nicht glaubhaft gemacht. In ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration gab die Antragstellerin an, keinen Kontakt zu ihrem Bruder zu haben. Zuletzt habe sie ihm März 2017 zum neuen Jahr gratuliert. Darüber hinaus bestehen keinerlei Zweifel daran, dass die Antragstellerin ihren neu angenommenen christlichen Glauben auch in Schweden hätte ausüben können, da 2/3 der schwedischen Bevölkerung (unterschiedlichen) christlichen Glaubens sind.
Als Rechtsfolge des § 1a AsylbLG erhält die Antragstellerin Leistungen nach AsylbLG nur, soweit diese im Einzelfall unabweisbar geboten sind. Einwendungen gegen die (Rest-) Leistungshöhe wurden nicht vorgetragen und sind nicht ersichtlich.
Inhalt und Umfang des unabweisbar Gebotenen sind durch den zuständigen Leistungsträger anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls allein bedarfsorientiert festzulegen (vgl. zu § 1a AsylbLG in der nunmehr geltenden Fassung auch BT-Drucks 18/8615 S. 35). Dabei stellt das Tatbestandsmerkmal des unabweisbar Gebotenen einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Eine generalisierende, auf typische Bedarfslagen abstellende Bestimmung eingeschränkter Leistungsansprüche ist im Anwendungsbereich von § 1a AsylbLG von vornherein unzulässig (vgl. bereits BSGE 114, 302 ff RdNr. 23 = SozR 4-3520 § 1a Nr. 1., BSG, Urteil vom 12.05.2017, B 7 AY 1/16 R).
Die Beschränkung auf das „unabweisbar Gebotene“ verlangt abweichend die Prüfung, welche besonderen persönlichen Lebensumstände es zwingend erforderlich machen, im Einzelfall weitere Leistungen zu gewähren, die nicht die physische Existenzsicherung betreffen. Es verbieten sich im Anwendungsbereich des § 1a typisierende Festlegungen auf ein bestimmtes Leistungsniveau (BSG, Urteil vom 12.05.2017, B 7 AY 1/16 R).
Die Antragsgegner gewährt unstrittig das physische Existenzminimum. Hinsichtlich der Gewährung weiterer Leistungen darüber hinaus wurde seitens der Antragstellerin nichts Konkretes vorgetragen. Anträge nach § 6 AsylbLG wurden nicht gestellt. Der Antragstellerin ist durch die Nutzung des WLAN in der EAO sowie des Bus-Shuttle in die Innenstadt möglich einen Teil des soziokulturellen Existenzminimums zu verwirklichen. Inwieweit eine weitere Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums unabweisbar geboten ist, wurde nicht glaubhaft gemacht. Daher stellen die von der Antragsgegnerin bewilligten Leistungen in Form von Unterkunft, Heizung, Ernährung, Gesundheitspflege und Hygieneartikel sowie Krankenversorgung nach § 4 AsylbLG zu Recht das unabweisbar Gebotene im Sinne des § 1a Abs. 1 AsylbLG dar.
Daher war der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mangels Anordnungsanspruches abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
III.
Prozesskostenhilfe ist vorliegend nicht zu gewähren. Zwar liegen die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet, da die Hauptsache keine hinreichende Erfolgsaussicht hat.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe (PKH), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte in einem Verfahren nicht vorgeschrieben, wird gemäß § 121 Abs. 2 ZPO der Partei auf Antrag im Rahmen der Prozesskostenhilfe ein Anwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
Das Tatbestandsmerkmal „hinreichende Erfolgsaussicht“ ist unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Bezüge zu interpretieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet.
Verfassungsrechtlich ist zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Dies bedeutet zugleich, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, 347, 357 f.; ständige Rechtsprechung).
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat jedoch keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO). Dies ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.


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