Verwaltungsrecht

Einstufung einer Ortsstraße als Anliegerstraße

Aktenzeichen  6 ZB 19.157

Datum:
15.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15137
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 47, § 52 Abs. 3 S. 1
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3, Art. 19 Abs. 7, Abs. 8
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2, § 124a Abs. 5 S. 2, S. 4, § 152 Abs. 1

 

Leitsatz

Bei der Einordnung einer Straße in die Kategorien der Ausbaubeitragssatzung ist ausgehend von den Definitionen der Satzung auf die Zweckbestimmung abzustellen, wie sie sich aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren weiterreichenden Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 11 K 18.997 2018-12-12 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. Dezember 2018 – RO 11 K 18.997 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 40.074,34 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg. Die fristgerecht geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 26.3.2007 – 1 BvR 2 228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger wurde von der beklagten Gemeinde mit Bescheiden vom 24. Oktober 2016 als Eigentümer der Grundstücke FlNr. 104 und FlNr. 105, 90/43 für den Ausbau der Ortsstraße Kirchplatz (auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG a.F. in Verbindung mit der Ausbaubeitragssatzung vom 8. Februar 2007 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 16. April 2015 – ABS) zu Straßenausbaubeiträgen von 22.599,65 € und 17.474,69 € herangezogen. Den vom Kläger erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt Neustadt a.d. Waldnaab mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2018 zurück. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom 12. Dezember 2018 abgewiesen. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Straßenausbaubeitragsbescheide und der Widerspruchsbescheid rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der Senat hat mit dem Verwaltungsgericht keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Straßenausbaubeitragsbescheide.
Durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) wurde rückwirkend zum 1. Januar 2018 die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verboten (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG n.F.). Allerdings verbleibt es für Beiträge und für Vorauszahlungen, die – wie hier – bis zum 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind, nach Maßgabe der Übergangsvorschriften in Art. 19 Abs. 7 und 8 KAG bei der früheren, bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage, die sich aus dem Kommunalabgabengesetz selbst (KAG a.F.) und dem auf seiner Grundlage wirksam erlassenen gemeindlichen Satzungsrecht ergibt.
Im vorliegenden Fall ist zwischen den Beteiligten lediglich streitig, ob die abgerechnete Ortsstraße Kirchplatz vom Verwaltungsgericht (in Übereinstimmung mit der Beklagten) zu Recht als Anliegerstraße und nicht – wie vom Kläger aufgrund des höheren Gemeindeanteils gewünscht – als Haupterschließungsstraße eingestuft worden ist. Der Kläger hält dem angefochtenen Urteil nichts Stichhaltiges entgegen, das ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit begründet und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedarf.
§ 7 Abs. 3 Nr. 1 ABS definiert Anliegerstraßen als Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen. Als Anliegerverkehr ist in diesem Zusammenhang der Verkehr anzusehen, der zu den angrenzenden Grundstücken hinführt oder von ihnen ausgeht (Ziel- und Quellverkehr). Dem Anliegerverkehr ist darüber hinaus auch der kleinräumige Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier zuzuordnen; denn bei diesem handelt es sich nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße erforderlich wäre (BayVGH, U.v. 31.7.2018 – 6 B 18.481 – juris Rn. 20; U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 20). Dagegen sind nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 ABS Haupterschließungsstraßen Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei der Einordnung einer Straße in die Kategorien der Ausbaubeitragssatzung ausgehend von den Definitionen der Satzung auf die Zweckbestimmung abzustellen, wie sie sich aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren weiterreichenden Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Lediglich „daneben“, gewissermaßen als Bestätigungsmerkmal, können auch die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse von Bedeutung sein (BayVGH, U.v. 31.7.2018 – 6 B 18.481 – juris Rn. 19; B.v. 17.2.2016 – 6 ZB 14.1871 – juris Rn. 20; B.v. 27.7.2012 – 6 ZB 12.848 – juris Rn. 5; U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Begriffswahl „ganz überwiegend“ soll also verdeutlichen, dass es nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt gehen soll.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Verwaltungsgericht – in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats – mit überzeugender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei der Ortsstraße Kirchplatz um eine Anliegerstraße im Sinn des § 7 Abs. 3 Nr. 1 ABS handelt. Das ergibt sich vor allem aus der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz, die anhand der Lagepläne und Luftbilder deutlich erkennbar ist, sowie ihrem Ausbauprofil. Die Ortsstraße Kirchplatz ist lediglich knapp 80 m lang und „erschließt“ nur wenige Grundstücke. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts weist der Kirchplatz – neben einer Engstelle – überwiegend eine Fahrbahnbreite von 4,50 m auf. Ein Gehweg für Fußgänger ist nur in Teilbereichen vorhanden. Dass der Kirchplatz von der Raiffeisenstraße und von Westen her (teilweise) einsehbar ist, ist beitragsrechtlich ebensowenig relevant wie der Einwand des Klägers, dass der Kirchplatz als Zubringerweg zum Unteren Markt genutzt wird. Selbst wenn er als Abkürzung genutzt würde, müsste dies bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise außer Betracht bleiben. Der Einordnung als Anliegerstraße würde das nicht entgegenstehen, weil es sich hierbei nur um kleinräumigen Ziel- und Quellverkehr innerhalb desselben Bauquartiers handelt und nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße erforderlich wäre (vgl. BayVGH, U.v. 31.7.2018 – 6 B 18.481 – juris Rn. 20; U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris). Abgesehen davon sucht sich der Verkehr häufig eine Bahn, die auch von zufälligen, nicht mit der Verkehrsplanung und dem Straßenbau zusammenhängenden Gründen abhängig ist. Vereinzelte kleinräumige Umfahrungen gehören deshalb noch nicht zum durchgehenden innerörtlichen Verkehr (BayVGH, U.v. 31.7.2018 – 6 B 18.481 – juris Rn. 23; B.v. 9.3.2015 – 6 ZB 14.124 – juris Rn. 8). Die vom Kläger zitierte Entscheidung des OVG Lüneburg (U.v. 9.8.2016 – 9 LC 29/15 – juris) ist zum niedersächsischen Kommunalabgabenrecht ergangen und steht der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht entgegen.
2. Entgegen der Ansicht des Klägers weist die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Frage der zutreffenden Straßenkategorie des Kirchplatzes lässt sich ohne weiteres anhand der in den Akten befindlichen Lagepläne, Luftbilder und Fotos beantworten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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