Verwaltungsrecht

Einstweilige Anordnung, Beiladung, Stellenbesetzungsverfahren, Verwaltungsgerichte, Auswahlentscheidung, Gesundheitsverwaltung, Rechtsschutzbedürfnis, Befähigung zum Richteramt, Vorbeugender Rechtsschutz, Klage auf Aufhebung, Rechtsschutzinteresse, rechtskräftige Entscheidung, Anlassbeurteilung, Antragsgegner, Prozeßkostenhilfeverfahren, Festsetzung des Streitwerts, Streitwertkatalog, Streitwertbeschwerde, Antragstellers, Wert des Beschwerdegegenstandes

Aktenzeichen  W 1 E 20.1570

Datum:
4.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41347
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 5
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Der Streitwert wird auf 22.628,16 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung das vorläufige Absehen der Besetzung der Leitungsfunktion der Gesundheitsverwaltung am Landratsamt … bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Bewerbung.
Der Antragsteller ist Beamter des Antragsgegners in der Besoldungsgruppe A 15 und derzeit als Leiter des Gesundheitsamtes beim Landratsamt Y. beschäftigt. Er erhielt zuletzt eine Anlassbeurteilung vom 09.07.2020 mit dem Gesamturteil 12 Punkte.
Der Beigeladene ist seit März 2019 Beamter auf Lebenszeit des Freistaats Bayern in der Besoldungsgruppe A 14 und derzeit beim Gesundheitsamt … eingesetzt. Er erhielt zuletzt eine Anlassbeurteilung vom 07.07.2020 mit dem Gesamturteil 13 Punkte.
Mit Schreiben vom 20.04.2020 schrieb das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege den Dienstposten der Leitung der Gesundheitsverwaltung am Landratsamt … (entwicklungsfähig bis Besoldungsgruppe A 16) verwaltungsintern (Adressaten: beamtete Ärztinnen und Ärzte bei den Regierungen, den Landratsämtern und dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, die über die Qualifikation für den fachlichen Schwerpunkt Gesundheitsdienst in der Fachlaufbahn Gesundheit verfügen) aus. Auf diese Ausschreibung bewarben sich unter anderem der Antragsteller und der Beigeladene.
Mit Schreiben vom 20.07.2020 an den Landrat des Landkreises … teilte das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege mit, dass in den Bewerbervergleich der Antragsteller und der Beigeladene einzubeziehen sei. Der Antragsteller sei im Mai 2015 zum Medizinaldirektor befördert worden und habe damit zum Stichtag der Anlassbeurteilung ein um eine Stufe höheres statusrechtliches Amt inne als der Beigeladene. Es sei mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar und durch die Rechtsprechung anerkannt, dass der Beurteilung eines Bewerbers mit höherem statusrechtliche Amt auch ein höheres Gewicht beizumessen sei. Dieser Grundsatz wiege im vorliegenden Fall umso schwerer als der Antragsteller als Leiter der Gesundheitsverwaltung Y. auch bereits im konkret funktionellen Amt eine höherwertige Funktion ausübe als der Beigeladene. Der Antragsteller übe seit etwa 5 Jahren die Leitungsfunktion an der Gesundheitsverwaltung Y. aus, wohingegen der Beigeladene erst im August 2019 zum stellvertretenden Leiter der Gesundheitsverwaltung … bestellt worden sei. Seit März 2020 übe der Beigeladene die kommissarische Leitung dort aus. Nachdem der Unterschied bei den Gesamturteilen nur einen Punkt betrage, sei aufgrund der Grundsätze in rechtlich nicht zu beanstandender Weise von einen zumindest leichten Vorsprung des Antragstellers auszugehen.
Der Landrat des Landkreises … führte in einem Schreiben vom 13.08.2020 aus, er sei mit der Übertragung der Leitung seines Gesundheitsamtes an den Antragsteller nicht einverstanden. Der Antragsteller sei ihm persönlich nicht bekannt, der Beigeladene habe schon in der Zeit ab dem 26.08.2019 im Rahmen der stellvertretenden Leitung des Gesundheitsamtes faktisch fast durchgängig immer wieder die Leitungsfunktion ausgeübt und habe daher einen klaren Vorsprung gegenüber dem Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 24.09.2020 (ausgelaufen am 01.10.2020) teilte das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege dem Antragsteller daraufhin mit, dass einem Mitbewerber der Vorzug zu geben sei.
Am 22.10.2020 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg
den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, dass bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über eine noch zu erhebende Klage auf Aufhebung der Auswahlentscheidung und Durchführung einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung von der Besetzung der Leitungsfunktion der Gesundheitsverwaltung am Landratsamt … abzusehen sei.
Nach Akteneinsicht beantragt der Antragsteller am 10.11.2020,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, vorläufig – bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Bewerbung des Antragstellers – von der Stellenbesetzung der Leitungsfunktion der Gesundheitsverwaltung am Landratsamt … abzusehen.
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege teilte mit Schriftsatz vom 27.11.2020 mit, dass die Auswahlentscheidung betreffend die Neubesetzung der Leitungsstelle des Gesundheitsamtes am Landratsamt … am 10.11.2020 aufgehoben worden sei. Die Aufhebung der Auswahlentscheidung führe zum Entfallen des Rechtsschutzinteresses des Antragstellers. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege habe sich im Rahmen seiner Organisationsgewalt dazu entschieden, das Stellenbesetzungsverfahren neu durchzuführen, womit sämtliche im ursprünglichen Verfahren getroffenen Entscheidungen ihre Gültigkeit verloren hätten. Es seien alle Bewerberinnen und Bewerber über den Abbruch und die Neudurchführung des Stellenbesetzungsverfahren informiert worden. Die neue Ausschreibung der Leitungsstelle werde Mitte Dezember veranlasst. Ab diesem Zeitpunkt dürften sich die ursprünglichen Bewerberinnen und Bewerber und mögliche weitere Interessenten erneut auf die Ausschreibung bewerben. Es sei ein Zustand geschaffen worden wie vor der erstmaligen Stellenausschreibung. Dem Stellenbesetzungsverfahren immanent sei, dass die Stelle vor Ergehen einer neuen Auswahlentscheidung nicht besetzt werde. Eine gesonderte Erklärung und Zusicherung über die Tatsache, dass die Stelle vor Ergehen einer erneuten Auswahlentscheidung nicht besetzt werde, sei nicht angezeigt, da sich dieser Umstand aus dem herkömmlichen Verwaltungsverfahren ergebe. Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für vorbeugenden Rechtsschutz sei nicht gegeben. Die angeregte Zusicherung, dass bis zur Rechtskraft der erneuten Auswahlentscheidung die Stelle nicht besetzt werde, würde das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers unzulässig erweitern. Hierfür begehre der Antragsteller vorbeugenden Rechtsschutz, für den er kein Rechtsschutzbedürfnis geltend machen könne.
Der Antragsteller wandte sich mit einem weiteren Antrag nach § 123 VwGO an das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg mit dem Ziel, das abgebrochene Stellenbesetzungsverfahren mit dem bisherigen Bewerberkreis fortzuführen und die beabsichtigte neue Ausschreibung der Stelle zu unterlassen (W 1 E 20.1889), hielt aber gleichzeitig den am 10.11.2020 gestellten Antrag aufrecht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der Gerichtsakte, auch im Verfahren W 1 E 20.1889 verwiesen.
II.
Der Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, vorläufig – bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Bewerbung des Antragstellers – von der Stellenbesetzung der Leitungsfunktion der Gesundheitsverwaltung am Landratsamt … abzusehen, ist unzulässig, da dies dem Dienstherrn im Wege der einstweiligen Anordnung nur für einen Zeitraum bis zu einer erneuten, die Rechtsauffassung des Gerichts beachtenden Entscheidung über die Beförderung des Antragstellers untersagt werden darf (vergleiche OVG NRW, B.v. 13.08.2020 – 6 B 904/20 und B.v. 05.05.2020 – 1 B 202/20; BayVGH, B.v. 16.12.1998 – 7 ZE 98.3115 – alle bei juris) und das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege mitgeteilt hat, dass die vom Antragsteller angegriffene Auswahlentscheidung betreffend die neue Besetzung der Leitungsstelle des Gesundheitsamtes am Landratsamt … aufgehoben worden ist.
Unabhängig davon, ob der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens rechtmäßig erfolgt ist, woran nach derzeitigem Kenntnisstand der Kammer Zweifel angebracht sind, ist durch die Aufhebung der Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers im hiesigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vollauf Genüge getan, was sich im Übrigen auch daraus ableiten lässt, dass der Antragsteller zunächst am 22.10.2020 genau dies beantragt hatte und diesen Antrag erst später erweiterte. Durch eine einstweilige Anordnung sicherungsfähig ist nämlich allein das etwaige Recht des Antragstellers, dass über seinen geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruch erneut und rechtsfehlerfrei entschieden wird. Nur bis dahin – und nicht notwendig bis zur Bestandskraft bzw. Rechtskraft der Auswahlentscheidung – muss die in Rede stehende Stelle bzw. der maßgebliche Dienstposten vorläufig freigehalten werden. Nach einer erneuten Auswahl- und Besetzungsentscheidung ist es dem jeweiligen Antragsteller ohne weiteres zuzumuten, ggf. wiederum um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen (vgl. OVG NRW, B.v. 05.05.2020 a.a.O.).
Da der Antragsteller mithin im gegenständlichen Verfahren das erreicht hat, was allein im Wege der einstweiligen Anordnung auch das Gericht hätte festsetzen können, nämlich die Aufhebung der Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen, hat sich durch die Erklärung des Antragsgegners das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers erschöpft, sodass der gleichwohl aufrecht erhaltene Antrag abzulehnen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich der Beigeladene nicht mit der Stellung eines Antrags am Kostenrisiko beteiligt hat, entsprach es nicht der Billigkeit, seine etwaigen außergerichtlichen Aufwendungen der unterliegenden Antragstellerpartei aufzuerlegen (§§ 162 Abs. 3 i.V.m. 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus 10.2 des Streitwertkataloges in Verbindung mit § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG. Die Kammer geht dabei von einem Vierteljahresgehalt der Besoldungsgruppe A 16 aus.


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