Verwaltungsrecht

Eintragung eines Altrechts in das Wasserbuch – erfolgloser Berufungszulassungsantrag

Aktenzeichen  8 ZB 19.1006

Datum:
21.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19821
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayWG Art. 75 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Beruht das Urteil auf mehreren selbstständig tragenden Gründen (Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn der Rechtsmittelführer hinsichtlich jeder dieser Begründungen einen Zulassungsgrund aufzeigt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für das “Aufrechterhalten” eines Altrechts ist erforderlich, dass eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der Benutzung in wasserwirtschaftlicher Hinsicht stattgefunden hat. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 9 K 18.846 2019-03-25 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines wasserrechtlichen Altrechts für den Betrieb einer Wasserkraftanlage.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1/6 Gemarkung R* …, auf dem die Mahlmühle (Untere Mühle) auf der rechten Uferseite der K* … liegt. Die Mahlmühle wurde bis zum Jahr 1962 betrieben. Mit Schreiben vom 4. November 1963, 12. März 1964, 27. Januar und 24. Februar 1965 beantragte die frühere Mühlenbetreiberin die Eintragung eines Altrechts in das Wasserbuch.
Der Kläger erstrebt die Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage nebst Umbau; mit einigen Bau- und Sanierungsarbeiten hat er im Jahr 2012 begonnen.
Mit Bescheid vom 26. April 2016 stellte das Landratsamt Ostallgäu fest, dass für den Betrieb der Wasserkraftanlage kein Altrecht besteht (Ziffer I.). Der Kläger wurde aufgefordert, erfolgte Umbaumaßnahmen innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft des Bescheides zurückzubauen bzw. zu entfernen (Ziffer II. Buchst. a). Ein Staubetrieb sei nicht zulässig (Ziffer II. Buchst. b). In den rückgebauten Bereichen sei das Gewässer mit den Ufern naturnah wiederherzustellen (Ziffer II. Buchst. c). Falls der Kläger den o.g. Verpflichtungen nicht oder nicht vollständig nachkommt, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300 bzw. 250 Euro fällig (Ziffer III.).
Das Verwaltungsgericht Augsburg hat die hiergegen gerichtete Klage des Klägers mit Urteil vom 25. März 2019 abgewiesen. Für die beabsichtigte Benutzung des Gewässers bestehe kein Altrecht, weil keine vollständige öffentlich-rechtliche Überprüfung in wasserwirtschaftlicher Hinsicht stattgefunden habe. Das vom Kläger behauptete Altrecht sei auch deshalb erloschen, weil sich die nun beabsichtigte Benutzung zur Energieerzeugung von der vormaligen Wassernutzung (Aufstau zum Betrieb eines Mühlrads zur Produktion von Getreideerzeugnissen) beträchtlich unterscheide.
Mit dem Zulassungsantrag verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1.1 Beruht das angegriffene Urteil auf mehreren selbständig tragenden Gründen (Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn der Rechtsmittelführer hinsichtlich jeder dieser Begründungen einen Zulassungsgrund aufzeigt (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 2 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 6 ZB 17.956 – juris Rn. 4; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 100 und § 124a Rn. 196 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat ein Altrecht verneint, weil es mangels behördlicher Überprüfung nicht aufrechterhalten worden sei (vgl. UA Rn. 31 ff.) sowie – selbständig tragend – weil die geplante Wassernutzung (Energieerzeugung) von der früheren Nutzung (Getreidemühle) abweiche (vgl. UA Rn. 44 ff.). Den zweiten Begründungsstrang greift der Zulassungsantrag nicht an. Der Zusatz im Ersturteil „ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme“ (vgl. UA Rn. 44) bedeutet nicht, dass das Ausgangsgericht die Klageabweisung nicht auch auf die zweite Begründung stützen wollte; vielmehr wurde damit klargestellt, dass die Klage schon aufgrund der ersten Begründung abzuweisen war, d.h. beide Begründungsstränge selbständig tragend sind.
Unter welchen Voraussetzungen die Umstellung einer Wasserkraftanlage vom Mühlenbetrieb zur Erzeugung elektrischer Energie dem Fortbestand eines Altrechts entgegensteht, kann deshalb dahinstehen (vgl. hierzu Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 497; Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Februar 2019, § 20 WHG Rn. 27; vgl. auch BGH, U.v. 15.3.2001 – III ZR 154/00 – BGHZ 147, 125 = juris Rn. 22 ff.; BayVGH, U.v. 28.4.1967 – 46 VIII 65 – VGHE n.F. 20, 51/53; OLG Celle, U.v. 2.12.1965 – 12 U 5/65 – NJW 1966, 1758).
1.2 Abgesehen davon zieht der Zulassungsantrag die erstinstanzliche Annahme, ein nach dem Rechtsinstitut der „unvordenklichen Verjährung“ wohl anzuerkennendes Altrecht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG, Art. 75 Abs. 1 BayWG sei mangels öffentlich-rechtlicher Überprüfung der Benutzung in wasserwirtschaftlicher Hinsicht nicht aufrechterhalten worden (vgl. UA Rn. 31 ff.), nicht ernstlich in Zweifel.
Für Gewässerbenutzungen aufgrund von Rechten, die nach den Landeswassergesetzen erteilt oder durch sie aufrechterhalten worden sind, ist keine Erlaubnis oder Bewilligung erforderlich, wenn bis spätestens 1. März 1965 rechtmäßige Anlagen für die Wasserbenutzung vorhanden waren (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayWG). Als solches Recht gilt auch die Rechtsstellung nach Art. 207 des Wassergesetzes vom 23. März 1907 (vgl. Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayWG).
Das „Aufrechterhalten“ eines Altrechts verlangt aber mehr als ein bloßes Unberührtlassen des alten Rechts. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist hierfür erforderlich, dass eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der Benutzung in wasserwirtschaftlicher Hinsicht stattgefunden hat (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.2005 – 7 C 16.04 – NVwZ 2005, 1076 = juris Rn. 26; U.v. 13.12.1974 – IV C 74.71 – ZfW 1975, 92 = juris Rn. 10; U.v. 22.1.1971 – IV C 94.69 – BVerwGE 37, 103 = juris Rn. 24). Dieses aus systematischen, historischen und teleologischen Erwägungen abgeleitete restriktive Verständnis, dem sich der Verwaltungsgerichtshof angeschlossen hat (vgl. BayVGH, U.v. 5.8.2003 – 22 B 00.2918 – BayVBl 2004, 82 = juris Rn. 24; U.v. 1.3.2002 – 22 B 96.2394 – BayVBl 2002, 703, juris Rn. 13), knüpft die Anerkennung eines nach Landeswassergesetz „aufrechterhaltenen“ Altrechts an den individuellen Nachweis eines behördlichen Bestätigungsakts. Dies gilt im Besonderen für Altrechte, deren Bestand sich – wie hier – nur auf das Rechtsinstitut der unvordenklichen Verjährung und damit nicht auf einen besonderen Titel stützen können (vgl. BayVGH, U.v. 5.8.2003 – 22 B 00.2918 – BayVBl 2004, 82 = juris Rn. 24; NdsOVG, B.v. 7.7.2014 – 13 LA 203/13 – ZfW 2015, 21 = juris Rn. 23; zustimmend Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, Stand Juni 2018, Art. 20 Rn. 35).
Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen dargelegt, weshalb dem Protokoll der Eichpfahlsetzung vom 20. Juli 1869, der Eintragung in das Wasserbuch und den Anträgen auf Eintragung des Altrechts in den Jahren 1963 bis 1965 keine derartige wasserrechtliche Überprüfung zu entnehmen ist (vgl. UA Rn. 36 ff.). Der Zulassungsantrag behauptet das Gegenteil, ohne sich mit den erstinstanzlichen Erwägungen auseinanderzusetzen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Vorbringen, die Wasserbehörde habe durch ihre Untätigkeit auf wiederholte Nutzungsanzeigen der früheren Mühlenbetreiberin zumindest konkludent erkennen lassen, den Fortbestand des Altrechts für unbedenklich zu halten, verfängt nicht. Auch wenn eine stillschweigende Billigung aus Anlass einer sonstigen wasserrechtlichen Entscheidung hierfür ausreichend wäre, fehlt es hier am Nachweis einer über die bloße Duldung hinausgehenden inhaltlichen Bestätigung des Altrechts (vgl. BayVGH, U.v. 5.8.2003 – 22 B 00.2918 – BayVBl 2004, 82 = juris Rn. 24). Dass die offenbar nicht beantworteten Schreiben der Voreigentümerin der Wasserbehörde eine Überprüfung der Gewässernutzung ermöglicht haben könnten (vgl. hierzu Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, Art. 20 Rn. 35), ist weder dargelegt noch erkennbar.
1.3 Soweit sich der Zulassungsantrag darauf beruft, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es keiner Aufrechterhaltung eines erteilten Rechts bedürfe, legt er nicht dar, woraus sich vorliegend die frühere Erteilung eines solchen Rechts ergeben sollte. „Erteilt“ sind nur Rechte, die auf einer für den Einzelfall ergangenen Verwaltungsentscheidung beruhen, bei der eine einen konkreten Vertrauenstatbestand begründende öffentlich-rechtliche Überprüfung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden hat, nicht dagegen solche Rechtspositionen, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1971 – IV C 94.69 – BVerwGE 37, 103 = juris Rn. 25; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 20 Rn. 15). Das Verwaltungsgericht hat hierzu in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass keinerlei behördliche Gestattungen vorliegen, aus den sich die Verleihung eines Gewässerbenutzungsrechts im Aufstau der K* … für die früheren Eigentümer der Mahlmühle ergeben (vgl. UA Rn. 30). Dem tritt der Zulassungsantrag nicht substanziiert entgegen.
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten in diesem Sinn weist eine Rechtssache auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sich diese also wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147 = juris Rn. 28; B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42). Das ist hier nicht der Fall. Die Frage, ob das vom Kläger geltend gemachte wasserrechtliche Altrecht besteht, kann ohne Weiteres im Zulassungsverfahren anhand der gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung geklärt werden.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung liegt nur dann vor, wenn die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, bisher höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt ist und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2017 – 8 ZB 15.2642 – juris Rn. 29; vgl. auch Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Der Rechtsmittelführer muss daher eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren und darlegen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) und klärungsbedürftig ist, sowie aufzeigen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2017 – 8 ZB 15.2642 – juris Rn. 29; B.v. 14.5.2014 – 14 ZB 13.2658 – juris Rn. 18). Daran fehlt es hier.
Hinsichtlich der vom Zulassungsantrag für grundsätzlich bedeutsam erachteten Rechtsfrage, ob es nach der Erteilung alter Rechte, die nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG und den geltenden Landeswassergesetzen eine Erlaubnis oder Bewilligung erübrigen, zusätzlich eines „Aufrechterhaltens“ durch eine behördliche Überprüfung und Bestätigung des Altrechts bedarf, damit die Erlaubnis- und Bewilligungsfreiheit einer Benutzung erhalten bleibt, zeigt der Kläger keinen Klärungsbedarf auf. Der erstinstanzlichen Feststellung, wonach für die Mahlmühle keinerlei behördliche Gestattungen vorliegen, aus den sich die Verleihung eines Gewässerbenutzungsrechts im Aufstau der K* … für die früheren Eigentümer ergeben (vgl. UA Rn. 30), ist er nicht substanziiert entgegengetreten (vgl. bereits oben unter 1.3).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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