Verwaltungsrecht

Empfehlung zur Kriegsopferfürsorge

Aktenzeichen  W 3 K 16.869

Datum:
15.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17136
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SVG § 80 Satz 1
BVG § 25
BVG § 25b Abs. 2, § 25b Abs. 4, § 25b Abs. 5
BVG § 25c Abs. 1
BVG § 27b

 

Leitsatz

Es ist mit dem im Rahmen des Kriegsopferfürsorgerechts geltenden Individualisierungsgrundsatz nicht vereinbar, Leistungsberechtigten bei der frei gewählten Erholungshilfe nach § 27b BVG ohne Betrachtung des konkreten Einzelfalls stets nur einen nicht kostendeckenden pauschalierten Tagessatz für Unterkunft und Verpflegung zu gewähren. (Rn. 25 ff.)

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger unter insoweitiger Aufhebung des Bescheids vom 10. März 2016 in der Fassung des Bescheides vom 14. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2016 für die Zeit vom 2. Mai 2016 bis 23. Mai 2016 zusätzliche Erholungshilfe in Höhe von 1.029,00 EUR zu gewähren.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit geleistet hat.

Gründe

Streitgegenstand der Klage ist – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung klarstellte – die Gewährung eines Tagessatzes im Rahmen der Erholungshilfe, der sowohl die vollen Kosten der Ferienwohnung von 65,00 EUR pro Tag als auch einen Verpflegungssatz von 17,00 EUR pro Person und Tag umfasst.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Verwaltungsgericht Würzburg örtlich zuständig (§ 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO). Die Streitigkeit folgt aus einem früheren Wehrdienstverhältnis und der Kläger hat seinen Wohnsitz im Bezirk Unterfranken.
Die Klage ist zudem begründet. Der Kläger hat unter insoweitiger Aufhebung des Bescheids vom 10. März 2016 in der Fassung des Bescheids vom 14. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2016 für die Zeit vom 2. Mai 2016 bis zum 23. Mai 2016 einen Anspruch auf zusätzliche Erholungshilfe in Höhe von 1.029,00 EUR (§§ 113 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Gemäß § 80 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz – SVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. September 2009 (BGBl I S. 3054), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. März 2017 (BGBl I S.626) erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist. Teil dieser Versorgung sind Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach §§ 25 ff. des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl I S. 21), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl I S. 3214). Leistungen der Kriegsopferfürsorge sind unter anderem Leistungen zur Erholungshilfe (§ 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BVG). Gemäß § 27b Abs. 1 BVG erhalten Beschädigte grundsätzlich für sich und ihren Ehegatten oder Lebenspartner sowie Hinterbliebene Erholungshilfe als Erholungsaufenthalt, wenn die Erholungsmaßnahme zur Erhaltung der Gesundheit oder Arbeitsfähigkeit notwendig, die beabsichtigte Form des Erholungsaufenthalts zweckmäßig und, soweit es sich um Beschädigte handelt, die Erholungsbedürftigkeit durch die anerkannten Schädigungsfolgen bedingt ist.
Gemäß § 25b Abs. 2 BVG sind Leistungsarten der Kriegsopferfürsorge Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Die Gewährung der konkreten Leistungsart, vorliegend also die Frage, ob Erholungshilfe durch Unterkunft im Rahmen einer Sachleistung oder durch die Gewährung einer Geldleistung geleistet wird, steht dabei im Ermessen des Leistungsträgers (Grube in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 25b BVG Rn. 7). Vorliegend hat sich die Beklagte für die Gewährung einer Geldleistung entschieden; der Kläger hat sich dieser Art der Leistungsgewährung nicht entgegengestellt. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte mit der Gewährung einer Geldleistung ermessensfehlerhaft gehandelt hat.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Gewährung von Erholungshilfe hat. Auch sonst ergeben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte dahingehend, dass der Kläger kein Beschädigter im oben genannten Sinne ist. Streitig ist vorliegend alleine die Höhe der zu gewährenden Erholungshilfe. Konkret geht es um die Höhe des Tagessatzes für Unterkunft und Verpflegung im Rahmen eines Erholungsurlaubes.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Gewährung von 65,00 EUR pro Tag für die Kosten der Unterkunft sowie 17,00 EUR pro Tag pro Person für Verpflegung. Dies entspreche seinen individuellen Bedürfnissen.
Die Beklagte bewilligte dagegen lediglich eine Pauschale in Höhe von 25,00 EUR pro Tag pro Person für Unterkunft und Verpflegung. Sie verweist diesbezüglich auf ein Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 14. Januar 2013 (Vb 1 – 54 252/2). Dort wird ausgeführt, dass in einer Sitzung des Fachausschusses Kriegsopferfürsorge der BIH vom 17. bis 19. Oktober 2012 die Frage der Aktualisierung des Tagessatzes der frei gewählten Erholungshilfe, welche als pauschaler Zuschuss gezahlt werde und nicht der Kostendeckung diene, ausführlich erörtert worden sei. In der Diskussion sei darauf hingewiesen worden, dass die bisher empfohlene Tagessatzpauschale (Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 15. Dezember 2008 (IVc 1 – 47252/1)) in Höhe von 20,00 EUR weit unter den für ein einfaches Urlaubsquartier mit Vollverpflegung geforderten Preisen liege. Gleichzeitig sei die bedarfsmindernde häusliche Ersparnis nach § 27b Abs. 3 BVG von 2002-2013 um rund 33% gestiegen. Im Ergebnis werde daher empfohlen, ab Januar 2013 einen pauschalen Tagessatz von 25,00 EUR für die frei gewählte Erholungshilfe nach § 27b BVG zu zahlen.
Das erkennende Gericht ist der Überzeugung, dass das Gesetz eine derartige Pauschalierung der Tagessätze für Unterkunft und Verpflegung – wie die Beklagte sie vorgenommen hat – nicht zulässt. Dabei kann es dahinstehen, ob eine Pauschalierung der Geldleistung im Rahmen der Erholungshilfe generell unzulässig ist oder ob es dem Leistungsträger möglich ist, anhand von belastbaren Durchschnittswerten der Kosten für Unterkunft und Verpflegung bestimmte Tagessätze, jeweils unter Berücksichtigung des Einzelfalles, zu gewähren. Jedenfalls darf die Geldleistung nicht als bloßer nicht kostendeckender Zuschuss gewährt werden und muss sich stets auch mit den Verhältnissen im Einzelfall beschäftigen. Zudem sind jedenfalls die vom Kläger beantragten Leistungen anzuerkennen. Zu diesem Ergebnis kommt das Gericht aufgrund folgender Erwägungen:
Zunächst ist festzustellen, dass sich die Möglichkeit der Gewährung eines pauschalen Tagessatzes ohne Beachtung des konkreten Einzelfalles im Rahmen der Erholungshilfe nicht aus der Systematik des Bundesversorgungsgesetzes ergibt. Im Gegenteil, aus dem Gesetz ergibt sich vielmehr gerade die Pflicht zur besonderen Beachtung des Einzelfalles.
Im Rahmen der Gewährung von Geldleistungen bemisst sich deren Höhe nach dem Unterschied zwischen dem anzuerkennenden Bedarf und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen (§ 25c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BVG). Der Umfang der konkreten Leistung lässt sich daher nur anhand des „anzuerkennenden Bedarfs“ ermitteln. Beim Begriff des „anzuerkennenden Bedarfs“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar ist (vgl. allgemein dazu Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 147 ff.). Es handelt sich nicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum. Denn Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG überträgt die Letztentscheidungsbefugnis für die Auslegung und Anwendung normativer Regelungen den Verwaltungsgerichten. Ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung mit der Folge einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle muss zum einen im Gesetz angelegt sein, d.h. sich durch dessen Auslegung mit hinreichender Deutlichkeit ermitteln lassen. Zum anderen muss die Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Rechtsnorm so vage und ihre fallbezogene Anwendung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle wegen der hohen Komplexität oder der besonderen Dynamik der geregelten Materie an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt. Es reicht nicht aus, dass eine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines komplexen Sachverhalts, etwa aufgrund unübersichtlicher und sich häufig ändernder Verhältnisse, zu treffen ist. Hinzu kommen muss, dass die Gerichte die Aufgabe, die entscheidungsrelevanten tatsächlichen Umstände festzustellen und rechtlich zu bewerten, selbst dann nicht bewältigen können, wenn sie im gebotenen Umfang auf die Sachkunde der Verwaltung zurückgreifen oder sich auf andere Weise sachverständiger Hilfe bedienen (st.Rspr., vgl. z.B. BVerwG, U.v. 25.8.2016 – 5 C 54/15 – juris, Rn. 27; U.v. 17.12.2015 – 5 C 8.15 – NJW 2016, 1602 RdNr. 28 m.w.N.).
Gemessen daran unterliegen Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des in Rede stehenden Merkmals keinen Beschränkungen. Die Feststellung, ob ein Bedarf grundsätzlich anerkennenswert ist, ist weder von hoher Komplexität noch von einer besonderen Dynamik gekennzeichnet. Sie verlangt auch keine fachspezifischen, besondere Sachkunde oder Erfahrungen voraussetzenden Wertungen (vgl. insoweit BVerwG, U.v. 9.7.2008 – 9 A 14.07, BVerwGE 131, 274 Rn. 64 ff.). Den Gerichten ist es ohne weiteres möglich, die Entscheidungen der Leistungsträger nachzuvollziehen. Das erkennende Gericht kann die dem Kläger gewährte Geldleistung – insbesondere deren Höhe – daher vollumfänglich überprüfen.
Der Begriff des „anzuerkennenden Bedarfs“ erlangt Kontur durch § 25b Abs. 5 Satz 1 und 2 BVG. Dort wird bestimmt, dass Art, Ausmaß und Dauer der Leistungen der Kriegsopferfürsorge sich nach der Besonderheit des Einzelfalls, der Art des Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen richten. Dabei sind Art und Schwere der Schädigung, Gesundheitszustand und Lebensalter sowie die Lebensstellung vor Eintritt der Schädigung oder vor Auswirkung der Folgen der Schädigung oder vor dem Verlust des Ehegatten oder Lebenspartners, Elternteils, Kindes oder Enkelkindes besonders zu berücksichtigen. Aus dieser Norm ergibt sich für die Leistungen der Kriegsopferfürsorge der sog. Individualisierungsgrundsatz (Grube in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 25 b BVG Rn. 8). Demnach kommt es für die konkret zu gewährenden Leistungen stets auf den jeweiligen Einzelfall an. Es ist gerade Sinn und Zweck der Kriegsopferfürsorge, im Rahmen einer Ergänzung der sonstigen Leistungen der sozialen Entschädigung die betreffenden Bedarfe aus Einkommen und Vermögen von Beschädigten zu decken. Es handelt sich daher um ein bedarfsorientiertes, gegenüber den Eigenmitteln der Leistungsberechtigten nachrangiges Sozialleistungssystem (Grube in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, Vor § 25 BVG Rn. 3). Insoweit hat auch das Bundesverwaltungsgericht dargelegt, dass im Rahmen der Kriegsopferfürsorge der Grundsatz der Individualisierung der Hilfe besonders beachtet werden muss (vgl. U.v. 27.8.1969 – V C 100.68 – BVerwGE 32, 362 (365)).
Hieraus wird deutlich, dass das Gesetz eine pauschale Bewilligung eines festgelegten Tagessatzes ohne jegliche Beachtung des Einzelfalles nicht vorsieht. Vielmehr sollen sich die Leistungen der Kriegsopferfürsorge stets am Einzelfall orientieren um den jeweiligen Beschädigten im Rahmen seines Bedarfs unterstützen zu können. Dies erfordert, dass sich der Leistungsträger mit den konkreten Schädigungen und Bedürfnissen des Leistungsberechtigten in Bezug auf die beantragte Leistung auseinandersetzt.
Des Weiteren kann den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes auch nicht entnommen werden, dass Geldleistungen im Rahmen der Erholungshilfe stets als nicht kostendeckende Zuschüsse zu gewähren sind bzw. als solche gewährt werden dürfen.
Dementsprechend hat die Rechtsprechung schon in früheren Jahren festgestellt, dass Regelsätze mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalles angewandt werden müssen. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat in einem Urteil vom 8. Dezember 1978 (W 23 III 78 – n.v.) zur damaligen Rechtslage ausgeführt:
„Der Gesetzgeber hat zwar die Voraussetzungen festgelegt, unter denen Hilfe in besonderen Lebenslagen in Betracht kommt, hat jedoch Art, Dauer und Ausmaß der Hilfe durch § 1 Abs. 1 KrOFV der Regelung des Einzelfalles nach dem sog. Individualisierungsgrundsatz vorbehalten. Im Interesse einer möglichst gleichen Bemessung der Hilfe begegnet es keinen Bedenken, wenn die gewährende Verwaltung in Ermangelung einer näheren Regelung selbst Richtlinien aufstellt und ihre Leistungen nach bestimmten Regelsätzen gewährt, welche im allgemeinen den Zweck der Hilfe ausreichend sichern. Der Grundsatz der individuellen Hilfe ist nämlich in Übereinstimmung zu bringen mit dem Erfordernis einer möglichst gleich bemessenen Hilfe für alle Berechtigten. Dem kann durch Regelsätze, die einerseits die Durchschnittskosten und andererseits Sinn und Zweck der Hilfe beachten, Rechnung getragen werden. Allerdings können solche Regelsätze auch nur im Regelfall angewandt werden. Sie dürfen und müssen unter- oder überschritten werden, wenn dies mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalles im Hinblick auf den Grundsatz der individuellen Kriegsopferfürsorge erforderlich ist. Dieser Grundsatz, den der Bayer. Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich gebilligt hat (U.v. 12.05.1977) kann auf die Gewährung einer Kurmaßnahme entsprechend angewandt werden.“
Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit der Frage der Gewährung von Tagessätzen in der Erholungshilfe beschäftigt. Zwar hat er in diesem Zusammenhang Pauschalen gebilligt, gleichzeitig dennoch darauf abgestellt, dass der damalige Durchschnittssatz zumindest vielfach die Kosten der Vollpension deckte. Er legte in einem Urteil vom 12. Mai 1977 dar (324 XII 76 – n.v.):
„Im Falle des Klägers bestehen gegen die Beschränkung des anerkannten Bedarfs für Unterkunft und Verpflegung im Jahr 1974 auf einen Tagessatz von 23,00 DM je Person keine rechtlichen Bedenken. Denn dieser Tagessatz entsprach im wesentlichen der damaligen Praxis der Kriegsopferfürsorgestellen in allen Bundesländern. Er deckte vielfach, wenn auch nicht immer, die Kosten der Vollpension in einem Gasthof oder Hotel in den großen, für eine Erholungsfürsorge in Betracht kommenden Erholungsgebieten des Bundesgebietes und der angrenzenden Länder. Es handelt sich dabei notwendig um einen Durchschnittssatz, der weder der Qualität und der Lage der einzelnen Beherbergungsunternehmen noch der Jahreszeit des Urlaubs Rechnung trug, allerdings wohl nicht selten als untere Grenze der vertretbaren Hilfe anzusehen war (vgl. Statistisches Jahrbuch 1976 für die Bundesrepublik Deutschland S. 462; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1969 S. 346). Wer Erholungsfürsorge beansprucht und hierfür zusätzlich nichts aufwenden will, von dem kann erwartet werden, daß er sich, soweit aus gesundheitlichen oder persönlichen Gründen eine Auswahlmöglichkeit unter den Erholungsorten und Beherbergungsunternehmen besteht, eine Erholung wählt, bei der die Kosten für Unterkunft und Verpflegung diesen Tagessatz nicht übersteigen.“
Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich neben der Tatsache, dass stets der Einzelfall zu betrachten ist, dass Geldleistungen im Rahmen der Erholungshilfe grundsätzlich kostendeckend sein sollen. Sowohl das Verwaltungsgericht Würzburg als auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gingen in den genannten Entscheidungen davon aus, dass es zumindest möglich sein muss, für die gewährten Geldleistungen eine Vollverpflegung ohne zusätzliche eigene Kosten zu erhalten.
Im Übrigen findet die Ansicht der Beklagten sowie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Geldleistungen im Rahmen der frei gewählten Erholungshilfe seien Zuschüsse, die nicht kostendeckend sein müssten, auch im Gesetz keine Stütze. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus § 25b Abs. 4 Satz 1 BVG. Dort wird geregelt, dass Geldleistungen als einmalige Beihilfen, laufende Beihilfen oder als Darlehen erbracht werden. Zwar lässt der Begriff der „Beihilfe“ zunächst auf eine bloßen Zuschuss schließen; die Verwendung dieses Begriffes in § 25b Abs. 4 Satz 1 BVG erklärt sich jedoch anhand von § 25c Abs. 1 Satz 1 BVG. Danach werden bei der Höhe der Geldleistungen eigenes Einkommen und Vermögen – jedenfalls dem Grunde nach – angerechnet. Daher geht das Gesetz davon aus, dass Geldleistungen stets Beihilfen sind, die erst aufgrund der Bedürftigkeit des Anspruchsberechtigten gewährt werden. Hieraus lässt sich jedoch nicht folgern, dass Geldleistungen grundsätzlich nicht kostendeckend sein sollen. Dies widerspricht, wie bereits dargelegt, dem Individualisierungsgrundsatz.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht dadurch, dass die bundeseinheitlichen „Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge“ vorsehen, dass der Erholungshilfe ein pauschalierter Tagessatz für Unterkunft und Verpflegung zugrunde zu legen sei, wenn sich ein Leistungsberechtigter für die frei gewählte Erholungshilfe entscheide (Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) (Hrsg.), Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge, 26. Aktualisierung, Stand: 1. Juni 2017, 27b.3.1). Es handelt sich hierbei zum einen um Verwaltungsvorschriften, die die Gerichte nicht binden (vgl. VG München, U.v. 24.3.2000 – M 32a K 97.2117 – juris). Zum anderen ergibt sich aus dieser Verwaltungsvorschrift auch nicht, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Gewährung pauschaler Tagessätze zulässig sein soll. Im Gegenteil, in den „Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge“ wird an anderer Stelle selbst dargelegt, dass das Individualisierungsgebot eine Pauschalierung bei der Leistungsbemessung grundsätzlich ausschließe; soweit Pauschalierungen nicht ausdrücklich gesetzlich zugelassen seien, seien sie auf die Fälle beschränkt, wo eine exakte Bedarfsermittlung praktisch nicht möglich oder wegen eines unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwandes nicht mehr vertretbar sei (BIH (Hrsg.), a.a.O., 5.2.1). Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt dargelegt, dass eine Pauschalierung der Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Rahmen der Erholungshilfe gesetzlich vorgesehen sei oder die genannten Voraussetzungen erfüllen würde. Da das Gericht zumindest im vorliegenden Fall davon ausgeht, dass die vom Kläger begehrten Tagessätze anzuerkennen sind, kann dahinstehen, ob die Ausführungen in den „Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge“ zur ausnahmsweisen Zulässigkeit von Pauschalierungen ohne gesetzliche Grundlage zutreffend sind.
Das Gericht muss demnach auch nicht entscheiden, ob es der dargestellten früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Würzburg und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die grundsätzliche Möglichkeit pauschaler Tagessätze folgt. Denn die Verwaltungspraxis der Beklagten, ohne Prüfung des Einzelfalles einen selbst nicht als kostendeckend angesehen pauschalen Tagessatz zu gewähren, ist auch mit den dort aufgestellten Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen. Unter Anwendung dieser rechtlichen Voraussetzungen fallen die vom Kläger beantragten Leistungen vielmehr insgesamt unter den „anzuerkennenden Bedarf“ im Sinne des § 25c Abs. 1 Satz 1 BVG und ein Anspruch ist zu bejahen.
Die Kosten der Unterkunft in Höhe von 65,00 EUR pro Tag sind nach Auffassung des Gerichts im Einzelfall des Klägers anzuerkennen. Es ist weder ersichtlich, dass sich dieser Betrag oberhalb üblicher Kosten für Ferienwohnungen in diesem Gebiet befindet, noch gibt es Anhaltspunkte dahingehend, dass der gewählte Aufenthaltsort insgesamt unangemessen ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits seit mehreren Jahren diese Art der Erholungshilfe (wenn auch von unterschiedlichen Leistungsträgern) bewilligt bekam. Auch sonst hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht vorgetragen, dass die Kosten für die Unterkunft im Einzelfall nicht anzuerkennen seien. Sie stützte sich vielmehr stets auf die Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales und auf die pauschalen Tagessätze.
Auch der vom Kläger beantragte Tagessatz für Verpflegung pro Person und Tag in Höhe von 17,00 EUR ist zur Überzeugung des Gerichts vom anzuerkennenden Bedarf gedeckt. Dabei ist anzumerken, dass der Kläger in der Vergangenheit diesen Satz für Verpflegung (wenn auch nicht von der Beklagten, sondern von der vormals zuständigen Behörde) bewilligt bekommen hat. Mithin sind die damalig zuständigen Leistungsträger davon ausgegangen, dass es sich um im Falle des Klägers angemessene Leistungen handelt. Dem schließt sich das Gericht insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger sich im Rahmen seiner Ferienwohnung zumindest teilweise selbst verpflegen kann, an. Ob eine höhere Leistung für Verpflegung ebenfalls anzuerkennen gewesen wäre, hatte das Gericht aufgrund des Klagegegenstands nicht zu prüfen.
Der Kläger hat daher einen Anspruch auf zusätzliche Erholungshilfe in Höhe von 1.029,00 EUR. Diese berechnet sich wie folgt:
„Die Beklagte ging zuletzt von einem Bedarf des Klägers in Höhe von 1.623,80 EUR aus (vgl. Bescheid vom 14.4.2016). Anstelle eines Tagessatzes pro Person pro Tag in Höhe von 25,00 EUR hat der Kläger jedoch einen Anspruch auf 49,50 EUR pro Person pro Tag (65,00 EUR / 2 Personen + 17,00 EUR). Der Kläger hat daher über die bislang bewilligte Erholungshilfe hinaus Anspruch auf 24,50 EUR pro Person und Tag (49,50 EUR – 25,00 EUR). Auf die Bewilligungszeit von 21 Tagen ergeben sich somit insgesamt 1.029,00 EUR (24,50 EUR * 21 Tage * 2 Personen).“
Da Leistungen der Erholungshilfe nach § 27b Abs. 1 BVG bereits dem Wortlaut nach nicht im Ermessen des Leistungsträgers stehen, war eine Ermessenprüfung vorliegend nicht erforderlich; das Gericht konnte über den geltend gemachten Anspruch selbst entscheiden.
Somit war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO vollumfänglich stattzugeben. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO gerichtskostenfrei.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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