Verwaltungsrecht

Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf

Aktenzeichen  M 5 S 20.1173

Datum:
25.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7970
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BeamtStG § 23 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 4.158,93 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die 1999 geborene Antragstellerin wurde mit Wirkung zum 3. September 2018 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Polizeimeisteranwärterin ernannt. Sie befindet sich bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei in Ausbildung für die zweite Qualifikationsebene des Polizeivollzugsdienstes.
Die Antragstellerin meldete sich am Montag, den 22. Juli 2019 telefonisch dienstunfähig krank. Nachdem zunächst ein Rückruf des stellvertretenden Seminarleiters bei der Antragstellerin erfolglos war, rief die Antragstellerin diesen Beamten an und teilte mit, dass sie sich eine Verletzung am Fuß zugezogen habe und vermute, eine Erkältung zu bekommen. Auf Anordnung des stellvertretenden Seminarleiters stellte sich die Antragstellerin noch am selben Tag um 14:45 Uhr bei einem Polizeiarzt vor. Dieser hat keine Erkrankung oder Verletzung festgestellt, die die Antragstellerin gehindert hätte, zum Dienst zu erscheinen. Die Beamtin erschien am nächsten Tag zum Dienst und entschuldigte sich im Rahmen eines Kritikgesprächs. Sie habe ab Donnerstag, den 18. Juli 2019 ein Musikfestival in Belgien besucht. Da das Konzert „so schön gewesen sei“, habe sie sich entschlossen, nicht wie geplant am Sonntag, den 21. Juli 2019 zurückzufahren.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 18. November 2019 wurde festgestellt, dass die Antragstellerin die Besoldung für den 22. Juli 2019 verliere. Denn sie sei dem Dienst schuldhaft ohne Genehmigung ferngeblieben.
Mit Schreiben vom 11. September 2019 wurde die Antragstellerin zur beabsichtigten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf angehört. Es wurde mit Schreiben vom 8. Oktober 2019 zunächst geltend gemacht, dass es einer weitergehenden disziplinarrechtlichen Aufklärung bedurft hätte. Außerdem bedauere die Antragstellerin ihr Verhalten sehr. Es sei zu erwarten, dass ihre Persönlichkeit durch diese Erfahrungen hinsichtlich ihrer Verfehlung weiter gereift sei, sodass auch damit zu rechnen sei, dass sie ihre Leistungsbereitschaft und ihr Verantwortungsbewusstsein steigern werde. Im Rahmen einer mündlichen Anhörung am 18. Dezember 2019 gab die Beamtin an, dass sie sich am 21. Juli 2019 entschlossen habe, entgegen der ursprünglichen Planung noch bis 20:30 Uhr auf dem Festivalgelände zu bleiben. Danach sei sie zu müde gewesen, um noch nach Hause zu fahren. Sie hätte spontan die Entscheidung getroffen, erst am Montag früh zurück zu fahren. Das sei nicht geplant gewesen. Sie sei nicht unter dem Einfluss von Alkohol gestanden. Da sie sich bei dem Telefonat mit dem stellvertretenden Seminarleiter sehr unter Druck gesetzt gefühlt habe, habe sie behauptet, aufgrund einer Verletzung am Fuß nicht fahrtauglich zu sein.
Der auf Antrag der Beamtin beteiligte Bezirkspersonalrat stimmte der beabsichtigten Entlassung der Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des 31. März 2020 am 12. Februar 2020 zu.
Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 17. Februar 2020 wurde die Antragstellerin wegen persönlicher, insbesondere charakterlicher Nichteignung mit Ablauf des 31. März 2020 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen.
Die Beamtin sei am 22. Juli 2020 unerlaubt und schuldhaft dem Dienst fern geblieben. Insofern entfalte der bestandskräftige Bescheid vom 18. November 2019 Bindungswirkung. Durch die wahrheitswidrige Angabe, dienstunfähig erkrankt zu sein, habe sie in gravierender Weise gegen ihre Wahrheitspflicht gegenüber dem Dienstherrn verstoßen. Im Übrigen seien immer wieder Hinweise auf mangelnde Leistungsbereitschaft zu verzeichnen gewesen. Insbesondere im Unterricht habe sie kaum mitgearbeitet. Weiter sei eine signifikante Leistungsverschlechterung bis zum Sommer eingetreten. Ab September 2019 sei zwar ein Bemühen um eine aktivere Teilnahme zu sehen. Das habe aber zu keiner signifikanten Leistungssteigerung geführt. Der Seminarleiter teilte am 9. Januar 2020 mit, dass die Antragstellerin nicht immer ganz die Wahrheit sage. Das Stammpersonal und die Kolleginnen und Kollegen hätten daher eine distanzierte Haltung ihr gegenüber eingenommen. Sie habe ihre Klassenkameradinnen und – kameraden der Ausbildungsklasse aufgefordert, eine positive Einschätzung der Person der Antragstellerin abzugeben. Außerdem sei eine Häufung von krankheitsbedingten Fehlzeiten in Zusammenhang mit Wochenenden auffällig. In einer Gesamtschau bestünden erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung der Anwärterin. Die Entlassung sei auch ermessensgerecht und verhältnismäßig. Das besondere Vollzugsinteresse überwiege das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs. Dieser Bescheid wurde den Bevollmächtigten der Antragstellerin am 17. Februar 2020 per Telefax gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Am 16. März 2020 hat die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Februar 2020 erhoben, über den noch nicht entschieden ist.
Mit Schriftsatz vom 16. März 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragsstellerin beantragt,
Unter Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Antragsgegners im Bescheid vom 17. Februar 2020 wird gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 16. März 2020 wiederhergestellt.
Die für die charakterliche Nichteignung angeführten Umstände seien nicht umfassend ermittelt worden, das gelte insbesondere für die Antragstellerin entlastende Umstände. Die Entlassung sei auch unverhältnismäßig. Denn der Antragstellerin sei der Abschluss der Ausbildung grundsätzlich zu ermöglichen.
Das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei hat die Akten vorgelegt und bislang noch keinen Antrag gestellt.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Bestimmung stellt eine zentrale Norm der Verwaltungsrechtspflege dar, denn der Bürger hat nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) Anspruch auf eine tatsächlich wirksame Kontrolle der Verwaltung. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage aber nicht schlechthin. Die Behörde darf sie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch Anordnung der sofortigen Vollziehung beseitigen, wenn dafür ein besonderes öffentliches Interesse besteht, das grundsätzlich über jenes Interesse hinauszugehen hat, welches den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt.
Dieses besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts ist nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen.
Die Begründung der Vollzugsanordnung in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids vom 17. Februar 2020 genügt diesem gesetzlichen Erfordernis. Sie ist nicht lediglich formelhaft, sondern lässt erkennen, dass die Behörde eine Einzelfallprüfung vorgenommen und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen hat. Insbesondere hat die Behörde nicht nur einseitig auf die Interessenlage der öffentlichen Hand abgestellt, sondern auch die Interessen der Antragstellerin berücksichtigt.
Über diese Feststellung hinaus bedarf es keiner weiteren Erörterung der von der Behörde genannten Gründe, da das Gericht nicht auf die Überprüfung dieser Gründe beschränkt ist, sondern im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Abwägung der öffentlichen Belange gegen den Rechtsanspruch des Einzelnen selbst zu beurteilen hat, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht.
Die Begründung, dem Dienstherrn sei nicht zuzumuten, dass eine Beamtin, bei der bereits aktuell feststehe, dass ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht infrage komme, weiterhin im Beamtenverhältnis auf Widerruf verbleibe, bis ein eventuelles Rechtsmittelverfahren abgeschlossen sei, und für diesen Zeitraum weiterhin Bezüge erhalte, ist tragfähig, weil diese Argumentation der Behörde in Kombination mit dem sich anschließenden Argument zu sehen ist, der Verbleib im Beamtenverhältnis auf Widerruf würde verhindern, dass der Dienstherr die Planstelle an einen anderen, geeigneteren Bewerber vergeben könne; angesichts der begrenzten Zahl der Planstellen wäre dies ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Personalhoheit des Dienstherrn (BayVGH, B.v. 17.5.2017 – 3 CS 17.26 – juris Rn. 5 m.w.N.). Mit der Erwägung, es stehe bereits fest, dass eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht infrage komme, sodass eine vorübergehende Fortsetzung des Dienstverhältnisses für das weitere berufliche Fortkommen der Antragstellerin nicht von Nutzen sei (vgl. BayVGH, B.v. 17.5.2017 a.a.O.), hat der Antragsgegner eine Interessenabwägung in seine Argumentation aufgenommen. Denn er hat ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beamtin sei es sinnvoll und notwendig, die Entlassung und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu verfügen, um die Antragstellerin über ihre berufliche Zukunft nicht im Unklaren zu lassen. Dass diese Erwägungen in nahezu allen Fällen der Entlassung eines Widerrufsbeamten herangezogen werden können, ist unschädlich. Die Gründe, die die Entlassung des Widerrufsbeamten rechtfertigen, fordern zugleich auch deren Vollzug (vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 16.8.2017 – 3 CS 17.1342 – juris Rn. 3).
2. Die summarische Überprüfung der angefochtenen Entlassungsverfügung vom 17. Februar 2020 ergibt im vorliegenden Fall, dass keine durchgreifenden Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit bestehen.
Der Antragsgegner hat ohne Rechtsfehler die Entlassung auf § 23 Abs. 4 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) gestützt. Nach dieser Vorschrift können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.
Das Gericht hat im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Abwägung der öffentlichen Belange gegen den Rechtsanspruch des Einzelnen zu beurteilen, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Soweit dabei die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs oder der Klage bereits absehbar sind, hat das Gericht sie zu berücksichtigen. Ergibt diese im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes notwendigerweise summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf oder die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, so scheidet – sofern ein öffentliches Interesse für den sofortigen Vollzug spricht – ein Vorrang der privaten Interessen von vornherein aus, da an der Aussetzung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts in der Regel kein überwiegendes privates Interesse bestehen kann (Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 68 ff.; vgl. BayVGH, B.v. 4.10.1982 – 19 AS 82 A.2049 – BayVBl 1983, 23).
a) Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids. Der Beamtin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen des Dienstherrn gegeben (Art. 28 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes/BayVwVfG). Der Personalrat, der auf Antrag der Beamtin beteiligt wurde, hat der beabsichtigten Entlassung zugestimmt (Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3, Art. 72 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes/BayPVG). Auch die Entlassungsfrist von sechs Wochen zu einem Kalendervierteiljahr wurde beachtet (Art. 56 Abs. 5 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBeamtG). Denn der Bescheid vom 17. Februar 2020 wurde der Antragstellerpartei noch am selben Tag per Telefax zugesandt. Damit wurde die maßgebliche Entlassungsfrist eingehalten.
b) Auch materiell ist gegen den streitgegenständlichen Bescheid rechtlich nichts zu erinnern.
aa) Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ besitzt nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Zur Rechtfertigung der Entlassung genügt jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BayVGH, B.v. 12.12.2011 – 3 CS 11.2397 – juris Rn. 34). Insbesondere bedarf es im Entlassungsverfahren eines Beamten auf Widerruf keiner besonderen oder weitergehenden Sachverhaltsaufklärung nach disziplinarrechtlichen Vorschriften (BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris 17).
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinn von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland / Grundgesetz -GG zu qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.7.2004 – 2 B 11152/04 – NVwZ-RR 2005, 253 zur Entlassung eines Studienreferendars aus dem Vorbereitungsdienst), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 17f. m.w.N. zur Entlassung eines Kommissaranwärters; BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 13). Die Sollvorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (zu gesundheitlichen Gründen BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6; Zängl in Weiß/Niedermeier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Januar 2020, BeamtStG § 23 Rn. 187 ff.).
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der angestrebten Laufbahn – hier einer Polizeivollzugsbeamtin der zweiten Qualifikationsebene – nicht gerecht wird. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 BeamtStG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – juris Rn. 20, 21; BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 20). Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig (vgl. OVG Bbg, B.v. 10.7.2019 – OVG 4 S 20.19 – juris Rn. 9 f.; Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O. BeamtStG § 23 Rn. 209).
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (OVG NW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4, 5; VG München, B.v. 30.9.2019 – M 5 S 19.1393 – juris Rn. 38; vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 30.8.2019 – 3 ZB 18.508 – juris Rn. 7 ff.).
bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Präsidium ohne Rechtsfehler die charakterliche Nichteignung der Antragstellerin angenommen.
Die Gesamtschau der der Entlassungsverfügung zugrunde gelegten Umstände rechtfertigt die Beurteilung, dass es der Anwärterin an der charakterlichen Eignung fehlt. Zwar mögen die einzelnen Vorkommnisse für sich betrachtet eher geringfügig sein. Im Gesamtbild ergibt sich im Kern jedoch der Eindruck, dass es der Antragstellerin an der nötigen Ernsthaftigkeit und dem erforderlichen Verantwortungsbewusstsein für die Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamtin fehlt. Denn es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr einer Polizeibeamtin, der im ersten Jahr ihrer Ausbildung steht, bei einer massiven Verletzung der Wahrheitspflicht hinsichtlich einer tatsächlich nicht bestehenden Verletzung/Erkrankung einen strengen Maßstab anlegt und in Würdigung des Gesamtbildes der Anwärterin zu einer charakterlichen Nichteignung kommt. Von Beamten, deren Aufgabe es ist, den Gesetzesvollzug in strikter Gesetzesbindung zu gewährleisten, muss in dienstlichen Angelegenheiten eine Beachtung der Wahrheitspflicht erwartet werden. Es ist rechtlich nichts dagegen zu erinnern, wenn der Dienstherr einen entsprechend strengen Maßstab bei der Bewertung der charakterlichen Eignung anlegt.
Als besonders hervorstechenden Punkt hat das Präsidium zu Recht das unerlaubte schuldhafte Fernbleiben vom Dienst am 22. Juli 2019 und insbesondere den Vertuschungsversuch durch die Angabe einer tatsächlich nicht bestehenden Erkrankung sehr negativ gewertet. Der bestandskräftige Bescheid vom 18. November 2019 entfaltet insoweit Bindungswirkung zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens. Ein unerlaubtes schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst liegt damit vor (Art. 9 des Bayerischen Besoldungsgesetzes/BayBesG). Der Dienstherr hat auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise den Versuch, die unentschuldigte Abwesenheit durch eine tatsächlich nicht bestehende, zur Dienstunfähigkeit führende Erkrankung bzw. Verletzung zu rechtfertigen, als sehr schwerwiegendes Indiz für das Fehlen der charakterlichen Eignung bewertet. Diese Lüge gegenüber den Vorgesetzten kommt zum unerlaubten schuldhaften Fernbleiben vom Dienst hinzu und verleiht dem Vorkommnis aus Sicht des Dienstherrn ein besonderes Gewicht. Ob die Antragstellerin gegenüber ihrer Mutter bereits vor der Fahrt zu dem Festival in Frage gestellt haben mag, ob sie am Montag (22.7.2019) Dienst leisten würde oder nicht, ist hierbei nicht ausschlaggebend. Schwerwiegend ist zu Recht die nicht zutreffende Krankmeldung gewertet worden. Hinzu tritt die Aussage des Seminarleiters vom 9. Januar 2020 (Bl. 206 der Behördenakten), dass die Antragstellerin nicht immer ganz die Wahrheit sage und dass deshalb das Stammpersonal wie auch die Seminarkolleginnen und -kollegen die Beamtin distanziert sähen. Der Hinweis auf das seit Beginn der Ausbildung in geringem Maße gezeigte Engagement bei den Unterrichtsbeiträgen sowie die deutliche Leistungsverschlechterung in der zweiten Ausbildungsphase runden die Prognoseentscheidung der mangelnden charakterlichen Eignung ab. Selbst wenn die Antragstellerin nach dem Vorfall ihr Engagement gesteigert haben will, stellt das keine so grundsätzliche Verhaltensänderung dar, die die Wertung des Dienstherrn rechtlich in Frage stellen könnte. Denn es sei zu keiner signifikanten Leistungssteigerung gekommen. Schließlich spricht auch gegen die Antragstellerin, dass sie versucht hat, auf ihre Kolleginnen und Kollegen einzuwirken, positive Stellungnahmen zu ihren Gunsten abzugeben, obwohl der Seminarleiter sie darauf hingewiesen habe, dass das nicht vom Seminar veranlasst werden könne. Auf den Umstand, dass es gerade im Umfeld von Wochenenden wiederholt zu Kurzzeiterkrankungen gekommen ist, kommt es daher nicht an. Es kann offen bleiben, ob aus zwei Krankheitszeiten über zwei bzw. drei Tage Anhaltspunkte für die charakterliche Nichteignung abgeleitet werden können.
Es sind auch keine Ermessensfehler ersichtlich. Bei der Annahme einer charakterlichen Nichteignung ist die Entlassung der Widerrufsbeamtin rechtlich nicht zu beanstanden. Das wird in Art. 12 Abs. 5 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz/LlbG) für das Beamtenverhältnis auf Probe ausdrücklich als Grundsatz angegeben. Das gilt entsprechend auch für Beamte auf Widerruf. Hinzu kommt, dass sich die Beamtin noch nicht in einem fortgeschrittenen Stadium des Vorbereitungsdienstes befindet, insbesondere nicht kurz vor der Anstellungsprüfung.
3. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3, § 40 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Jahresbezüge der Antragstellerin hätten sich inklusive jährlicher Sonderzahlung bei einem Anwärtergrundbetrag (A 5 bis A 8) von monatlich 1309,93 EUR auf insgesamt 16.635,81 summiert, wovon die Hälfte 8317,90 EUR beträgt. Eine weitere Halbierung auf 4.158,93 EUR erfolgt, weil im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur die Hälfte des Streitwerts eines Hauptsacheverfahrens anzusetzen ist (Nr. 1.5 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, Anhang).


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