Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines unzulässigen Widerspruchs

Aktenzeichen  6 CS 20.2203

Datum:
12.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28636
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Für eine Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines an sich statthaften Rechtsbehelfs ist kein Raum mehr, wenn der Verwaltungsakt, um dessen Vollziehung es geht, zwischenzeitlich bereits bestandskräftig geworden ist (Anschluss an BVerwG BeckRS 2006, 24724). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. An einem zulässigen Rechtsbehelf als Voraussetzung für den Erfolg eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt es jedenfalls dann, wenn an der Verfristung des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs keine vernünftigen Zweifel bestehen bzw. diese offensichtlich ist und auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt (Anschluss an VGH Mannheim BeckRS 2004, 22958). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 28 S 20.2669 2020-08-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2020 – M 28 S 20.2669 – wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.473,10 € festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2020, den Antragstellern laut Postzustellungsurkunde durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt am 28. Januar 2020, zog die Antragsgegnerin die Antragsteller als Eigentümer eines Anliegergrundstücks für die Erschließungsanlage B. straße zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 45.892,40 € heran.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 5. März 2020 erhoben die Antragsteller gegen diesen Bescheid Widerspruch. Dieser sei nicht verfristet, da der Bescheid nicht rechtskräftig zugestellt worden sei. Er sei nicht übergeben, sondern in einen Briefkasten eingeworfen worden, der nicht zu ihrer Wohnung gehöre. Die beantragte Aussetzung der Vollziehung lehnte die Antragsgegnerin ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2020 wies das Landratsamt Dachau den Widerspruch wegen Versäumung der Widerspruchsfrist als unzulässig zurück. Laut Empfangsbekenntnis wurde dieser Bescheid der Bevollmächtigten der Antragsteller am 16. Juni 2020 zugestellt. Soweit ersichtlich wurde hiergegen keine Klage erhoben.
Das Verwaltungsgericht lehnte den mit Schriftsatz vom 18. Juni 2020 gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Heranziehungsbescheid vom 27. Januar 2020 wiederherzustellen, mit Beschluss vom 18. August 2020 ab.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebrachten Gründe, die den Prüfungsrahmen bilden (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht hat mit überzeugender Begründung dargelegt, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO schon aus dem Grund unzulässig ist, weil der Widerspruch nicht fristgerecht eingelegt wurde und der streitgegenständliche Bescheid vom 27. Januar 2020 bei Erhebung des Widerspruchs daher bereits bestandskräftig war. Dem hält die Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegen. Mit den die Entscheidung tragenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Beweiskraft der Zustellungsurkunde und zum Fehlen eines ausreichend substantiierten Vorbringens seitens der Antragsteller, welches diese Beweiswirkung entkräften könnte, setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Die Antragsteller beschränken sich vielmehr ausschließlich auf den (neuen) Vortrag, die B. straße sei bereits 1913 fertiggestellt worden, so dass hinsichtlich der von der Antragsgegnerin vorgenommenen (Ausbau-)Maßnahmen keine Erschließungsbeiträge hätten erhoben werden dürfen, so dass der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig sei.
Die Ansicht der Antragsteller, es komme nicht darauf an, ob der Widerspruch gegen den Heranziehungsbescheid verspätet erhoben worden sei, sondern nur darauf, ob der streitgegenständliche Verwaltungsakt rechtswidrig sei, geht fehl.
Für eine Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines an sich statthaften Rechtsbehelfs ist vielmehr kein Raum mehr, wenn der Verwaltungsakt, um dessen Vollziehung es geht, zwischenzeitlich bereits bestandskräftig geworden ist (BVerwG, B.v. 31.7.2006 – 9 VR 11.06 – juris Rn. 3; OVG LSA, B.v. 2.8.2012 – 2 M 58/12 – juris Rn. 6 m.w.N.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn an der Verfristung des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs keine vernünftigen Zweifel bestehen bzw. diese offensichtlich ist und auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt (vgl. VGH BW, B.v. 3.6.2004 – 6 S 30/04 – juris). Aus dem Wesen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO, nämlich aus seiner Verbindung mit Abs. 1 der Vorschrift, folgt zwingend, dass ein Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nur dann Erfolg haben kann, wenn jedenfalls bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung ein zulässiger Rechtsbehelf vorliegt.
Im vorliegenden Fall kann an der Bestandskraft des Heranziehungsbescheids vom 27. Januar 2020 kein vernünftiger Zweifel bestehen. Die Antragsteller haben nicht nur – wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat – die Widerspruchsfrist (§ 70 Abs. 1 VwGO) versäumt, sondern darüber hinaus auch nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Anfechtungsklage erhoben (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit ist jedenfalls die Bestandskraft des Widerspruchsbescheids eingetreten, mit dem der Widerspruch seine Erledigung gefunden hat. Damit fehlt es vorliegend an einem Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte; in einem solchen Fall ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ohne Sachprüfung abzulehnen (vgl. Hoppe in Eyermann, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 81).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG, wobei der Senat im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in ständiger Rechtsprechung ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts ansetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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