Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  20 ZB 18.30510

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7813
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 108 Abs. 1 S. 2, § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 138 Nr. 6

 

Leitsatz

Die allgemeinen Verhältnisse sowie die persönliche Versorgungslage des Asylbewerbers sind grundsätzlich keine gefahrerhöhenden Umstände im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 17.31187 2018-01-12 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Januar 2018 ist unbegründet, da der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO nicht vorliegt.
Nach § 138 Nr. 6 VwGO liegt ein absoluter Revisionsgrund – und damit zugleich ein Verfahrensmangel i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 3 VwGO – vor, wenn “die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist”. Die Vorschrift bezieht sich damit auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils nach § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Danach müssen im Urteil diejenigen Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, welche für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sinn dieser Regelung ist es zum einen, die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten, und zum anderen, dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiell rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Nicht mit Gründen versehen i.S. des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung deshalb nur, wenn sie so mangelhaft begründet ist, dass die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion nicht mehr erfüllen können (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – NJW 1998, 3290). Ein Urteil verletzt § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind. Die Lückenhaftigkeit der Entscheidungsgründe kann allerdings dann anders zu beurteilen sein, wenn das Urteil auf “einzelne Ansprüche” oder “einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel” überhaupt nicht eingeht. Auch das kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind, aber wiederum nicht bereits dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind oder wenn sich eine hinreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe erschließen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – NJW 1998, 3290).
Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Die Beschwerde wendet sich nämlich im Kern nur dagegen, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts zum Anspruch des Klägers auf Zuerkennung subsidiären Schutzes inhaltlich unvollständig ist, weil sie sich nicht ausreichend mit der Frage der gefahrerhöhenden Umstände wegen der besonderen Situation von Rückkehrern nach Somalia auseinandersetzt. Sie rügt damit letztlich die mögliche sachliche Fehlerhaftigkeit der ergangenen Entscheidung, weil ein entscheidungserheblicher Aspekt einer Rechtsvorschrift nicht oder jedenfalls nicht ausreichend in die Prüfung einbezogen worden sei. Damit ließe sich der behauptete Verfahrensmangel – oder ein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs allgemein – allenfalls dann begründen, wenn der Kläger im gerichtlichen Verfahren hierzu erhebliche Angriffs- oder Verteidigungsmittel (vgl. § 146 ZPO) geltend gemacht hätte, welche das Verwaltungsgericht zu einer Auseinandersetzung hiermit gezwungen hätten. Der Kläger lässt zwar mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2017 vortragen, dass Rückkehrer im allgemeinen und er im Besonderen, weil er über keinerlei Berufsausbildung oder Berufserfahrung verfüge und sich der Unterstützung seiner Familie nicht sicher sein könne, auf existenzielle Schwierigkeiten stoßen. Dieser Einwand des Klägers greift jedoch nicht, weil die allgemeinen Verhältnisse sowie die persönliche Versorgungslage des Klägers grundsätzlich keine gefahrerhöhenden Umstände im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellen. Zu den gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Kläger von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen – z. B. als Arzt oder Journalist – gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – BVerwG 10 C 4.09 – ZAR 2010, 359). Widrige Existenzbedingungen bei einer Rückkehr nach Somalia zählen hierzu nicht, so dass das Vorbringen des Klägers hierzu unerheblich ist.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


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