Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  6 ZB 20.31763

Datum:
16.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24804
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3
AufenthG § 60 Abs. 7, § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

1. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht geeignet, eine – vermeintlich – fehlerhafte Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Aufklärungsmangel begründet grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG) noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinn des genannten Zulassungsgrundes; das gilt auch insoweit, als der gerichtlichen Aufklärungsverpflichtung verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die fehlerhafte Ablehnung eines bedingten Beweisantrags kann nur dann eine Gehörsrüge begründen, wenn das Gericht die Beweisanregung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat oder ihr nicht gefolgt ist, obwohl sich dies hätte aufdrängen müssen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 7 K 16.30085 2020-07-24 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Juli 2020 – RN 7 K 16.30085 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe rechtliches Gehör versagt, weil es die in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisanträge zur Einholung von Sachverständigengutachten auf internistischem bzw. neurologischem/ psychologischem Gebiet zu vorgetragenen Erkrankungen, die in Pakistan nicht ordnungsgemäß behandelt werden könnten, nicht berücksichtigt habe. Das Gericht habe ferner zu Unrecht den im behördlichen Verfahren vorgelegten Attesten und Arztberichten aus dem Jahr 2015 pauschal einen hinreichenden Beweiswert abgesprochen und darüber hinaus den Untersuchungsgrundsatz nach § 86 VwGO verletzt.
Damit legt der Kläger unter keinem Gesichtspunkt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.
1. Soweit sich der Zulassungsantrag gegen die Bewertung des dem Verwaltungsgericht unterbreiteten Sachverhalts und seine darauf bezogene Rechtsanwendung wendet, lässt dies keine schlüssige und substantiierte Darlegung einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG) erkennen. Dass das Gericht aus den klägerischen Ausführungen nicht die gewünschten Folgerungen gezogen hat, begründet keinen Gehörsverstoß. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht geeignet, eine – vermeintlich – fehlerhafte Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 14 ZB 11.30140 – juris Rn. 5 m.w.N.). Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen, auf das ein Zulassungsvorbringen im Asylverfahren nicht gestützt werden kann.
2. Auf die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt, also seine Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, kann der Antrag auf Zulassung der Berufung im Asylverfahren grundsätzlich nicht gestützt werden, weil dieser Zulassungsgrund in § 138 VwGO, auf den § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG abschließend verweist, nicht genannt ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2020 – 4 ZB 20.30870 – juris Rn. 6 m.w.N.). Ein Aufklärungsmangel begründet grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG) noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinn des genannten Zulassungsgrundes; das gilt auch insoweit, als der gerichtlichen Aufklärungsverpflichtung verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 29.12.2017 – 6 ZB 17.31951 – Rn. 3; B.v. 8.2.2011 – 9 ZB 11.30039 – juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 17.11.2015 – 4 A 1439/15.A – juris, Rn. 7 f.).
3. Die Ablehnung der bedingt gestellten Beweisanträge begründet schließlich ebenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Zwar kann eine Versagung des rechtlichen Gehörs auch in der Verletzung von Verfahrensvorschriften liegen, die der Wahrung dieses Grundrechts dienen. So ist anerkannt, dass die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisantrags einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und damit einen absoluten Revisionsgrund nach § 138 Nr. 3 VwGO darstellen kann; dies ist aber nur der Fall, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. etwa BVerfG, B.v. 8.4.2004 – 2 BvR 743/03 – juris; BVerwG, B.v. 12.3.2004 – 6 B 2.04 – juris m.w.N.).
Fehlt es dagegen an einem förmlichen Beweisantrag, wird er also nur schriftsätzlich oder bedingt gestellt, liegt lediglich eine Beweisanregung vor, also eine Anregung an das Gericht, den Sachverhalt nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO weiter zu erforschen (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.2010 – 10 B 22.10 – juris Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, B.v. 20.4.2020 – 4 ZB 20.30870 – juris Rn. 9). Da ein behaupteter Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG nicht erfasst wird, kann eine – fehlerhafte – Ablehnung eines bedingten Beweisantrags nur dann eine Gehörsrüge im Sinn dieser Vorschrift begründen, wenn das Gericht die Beweisanregung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat oder ihr nicht gefolgt ist, obwohl sich dies hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 4.3.2014 – 3 B 60.13 – juris Rn. 7 a.E.). Dies kann aber nur der Fall sein, wenn in der Sache die Nichtberücksichtigung eines wesentlichen Sachverhalts geltend gemacht wird (BayVGH, B.v. 17.1.2018 – 10 ZB 17.30723 – juris Rn. 11; VGH BW, B.v. 5.12.2011, A 9 S 2939/11 – juris Rn. 5).
Nach diesem Maßstab ist kein Gehörsverstoß gegeben. Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge zulässigerweise im angefochtenen Urteil abgelehnt (vgl. Geiger in Eyermann, 15. Aufl.2019, § 86 Rn. 25).
a) Im Hinblick auf den ersten Beweisantrag hat es zur Begründung ausgeführt, die Beweistatsache, dass der Kläger an einer Aorteninsuffizienz leide, sei nicht geeignet, die Entscheidung zugunsten des Klägers zu beeinflussen. Denn aus dem vorliegenden, zur Verhandlungsgrundlage gemachten Erkenntnismaterial ergebe sich, dass hinsichtlich einer Aorteninsuffizienz u.a. im Aga Khan University Hospital in Karachi sowohl ambulante als auch stationäre Behandlungsmöglichkeiten durch Kardiologen sowie Operationsmöglichkeiten durch Herzchirurgen und die entsprechenden diagnostischen Maßnahmen verfügbar seien. Weiteren Sachaufklärungsbedarf habe der Kläger nicht dargelegt. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, inwieweit ein internistischer Sachverständiger zur Klärung der Frage, ob die Aorteninsuffizienz des Klägers in Pakistan ordnungsgemäß behandelbar sei, beitragen könne. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden und tragen die Ablehnung des Beweisantrags. Das Verwaltungsgericht hat damit den Tatsachenvortrag des Klägers zur Kenntnis genommen und – überzeugend – gewürdigt. Im Übrigen schützt auch der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht davor, dass ein Gericht einem tatsächlichen Umstand nicht die vom Kläger erwünschte Bedeutung zumisst oder die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt.
b) In ebenfalls nicht zu beanstandender Weise hat das Verwaltungsgericht den zweiten – bedingt gestellten – Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, es fehle bereits an einer hinreichenden Substantiierung des Beweisthemas, weil sich aus den vorgelegten Attesten aus den Jahren 2014 und 2015 keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer psychischen Erkrankung herleiten ließen. Das Gericht hielt den zweiten Beweisantrag demnach bereits für einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag, nachdem der Kläger die behauptete Erkrankung (PTBS) nicht gemäß § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG durch eine den dort genannten Anforderungen genügende qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht hat (zu den Anforderungen an eine entsprechende Bescheinigung im Fall von PTBS: OVG LSA, B.v. 28.9.2017 – 2 L 85/17 – juris Rn. 12). Dagegen ist aus rechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör lässt sich daraus nicht ableiten. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht geeignet, eine – vermeintlich – fehlerhafte Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 14 ZB 11.30140 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auf der Grundlage verschiedener Erkenntnismittel weiter dargelegt, dass eine medizinische Behandlung von psychischen Erkrankungen – sollte denn beim Kläger eine solche vorliegen – in Pakistan nicht nur mit Medikamenten, sondern auch in psychiatrischen Abteilungen in öffentlichen Krankenhäusern möglich und auch für Bedürftige zu erlangen ist. Weshalb ein Neurologe oder Psychiater in der Lage sein sollte, sachverständig die Frage der Zugänglichkeit einer gegebenenfalls erforderlich werdenden Behandlung für den Kläger anders zu beantworten, bleibt im klägerischen Vortrag unbeantwortet.
4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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