Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag – Beitrag für die Herstellung der Wasserversorgungsanlage

Aktenzeichen  20 ZB 17.569

Datum:
19.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16814
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4
KAG Art. 5
GG Art. 3

 

Leitsatz

Es ist unzulässig und stellt einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar, Beitragstatbestände im Rahmen einer Übergangsregelung als abgeschlossen zu betrachten, auch wenn bisher keine Beitragsveranlagung vorgenommen wurde.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 15.1812 2017-01-11 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts A… vom 11. Januar 2017 wird abgelehnt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.867,90 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wird abgelehnt, da sich das Urteil jedenfalls im Ergebnis als richtig erweist, sodass es auf das Vorliegen der geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ankommt.
Die Beitragserhebung durch den Beitragsbescheid des Beklagten vom 16. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes A… vom 3. Dezember 2015 war rechtswidrig, weil sie auf einer nichtigen Beitrags- und Gebührensatzung des Beklagten vom 15. April 2010 (BGS-WAS) beruhte. Diese Satzung enthielt in § 18 die Übergangsregelung, dass Beitragstatbestände, die von vorangegangenen Satzungen erfasst werden sollten, als abgeschlossen behandelt werden. Diese Übergangsregelung verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz und ist damit nichtig, welches zur Gesamtnichtigkeit des Beitragsteiles der BGS-WAS führt (BayVGH, U.v. 23.11.1993 – GK 1994 Rn. 147).
Beim Erlass einer Übergangsregelung ist der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 GG, Art. 118 BV) zu beachten. Der Gleichheitssatz untersagt dem Normgeber, gleiche Sachverhalte, die aus der Natur der Sache und unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit eine gleichartige Regelung erfordern, ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz verlangt allerdings keine schematische Gleichbehandlung, sondern lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind; er verbietet Willkür. Es bleibt dem Ermessen des Satzungsgebers überlassen zu entscheiden, in welcher Weise dem allgemeinen Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen ist. Hierbei wird er allerdings nachvollziehbare Erwägungen anstellen müssen, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Nur wenn die Grenzen dieses Ermessens überschritten sind, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich einleuchtender Grund fehlt, ist der Gleichheitssatz verletzt. Es ist zulässig, im Rahmen einer Übergangsregelung die Gültigkeit einer inzwischen als nichtig erkannten Beitragsregelung in einer Beitrags- und Gebührensatzung für leitungsgebundene Einrichtungen zu unterstellen und die aus danach „erfüllten“ Tatbeständen entstandenen Abgabepflichten, zu deren Durchsetzung inzwischen bestandskräftig gewordene Bescheide ergangen sind, als abgegolten zu behandeln (vgl. BayVGH, U.v. 16.12.1988 – 23 B 88.02218 – BayVBl 1989, 629). Darüber hinaus liegt es im weiten Ermessensspielraum des Satzungsgebers, eine solche Übergangsregelung auch auf „erfüllte“ Beitragstatbestände nach früherem, ungültigem Satzungsrecht zu erstrecken, die noch nicht durch den Erlass eines bestandskräftig gewordenen Bescheides als „abgeschlossen“ zu betrachten sind, und eine Heranziehung in Höhe der nach der alten nichtigen Regelung bestimmten Sätze zu begrenzen (BayVGH, U.v. 10.9.1997 – 23 B 94.3773 – BeckRS 1997, 24885).
Unzulässig ist es jedoch, wie hier geschehen, Beitragstatbestände als abgeschlossen zu betrachten, auch wenn keine Beitragsveranlagung bisher vorgenommen wurde. Eine solche Ungleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern ist nicht gerechtfertigt. Sachliche Differenzierungsgründe hierfür wurden nicht vorgetragen, sie sind auch sonstwie nicht ersichtlich.
Den Umstand, dass der Beklagte während des Verfahrens auf Zulassung der Berufung eine neue Beitrags- und Gebührensatzung vom 27. April 2018 erlassen hat, welche nunmehr eine nicht zu beanstandende Übergangsregelung in § 18 enthält, kann bei der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht mehr berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Senats (BayVGH, B.v. 7. März 2011 – 20 ZB 10.3155 – BeckRS 2011, 30677) kann zwar die Berufungszulassung auch erfolgen, wenn ein fristgemäß geltend gemachter Zulassungsgrund erst nach Ablauf der Begründungsfrist eintritt. Ob die Berufung nach der Sach- und Rechtslage im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt zuzulassen ist, hat das Berufungsgericht aber stets nur im Rahmen der rechtzeitig dargelegten Gründe zu beurteilen. Ist erst nach Ablauf der hierfür geltenden Begründungsfrist eine Rechtsänderung vorgetragen worden, kann der Antragsteller nicht mit Blick auf diese erstmals neue Zulassungsgründe geltend machen; die Rechtsänderung muss aus diesem Grund unberücksichtigt bleiben (BVerwG, B.v. 15.12.2003 – 7 AV 2.03 – NVwZ 2004, 744). So liegt der Fall hier, denn der Beklagte hat die Rechtsänderung erst mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 7. Mai 2018 mitgeteilt. Die Begründungsfrist endete nach § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO jedoch mit Ablauf von zwei Monaten nach der Zustellung des Urteils des Verwaltungsgerichts am 30. Januar 2017.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungszulassungsverfahren folgt aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.


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