Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag gegen Urteil zu Straßenausbaubeitrag

Aktenzeichen  6 ZB 17.1143

Datum:
6.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133317
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5
BayStrWG Art. 2 Nr. 1 b, Art. 42, Art. 46 Nr. 2, Art. 47 Abs. 1, Art. 48

 

Leitsatz

1 Im Abgabenrecht verbietet sich entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG/BauGB (BVerwG BeckRS 1978, 00759) eine inzidente Prüfung, ob die abgerechnete Straße in eine andere Straßenkategorie hätte eingestuft werden müssen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dass eine Ortsstraße in mehr oder weniger großem Umfang auch dem innerörtlichen und überörtlichen Durchgangsverkehr dient, steht der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen keineswegs entgegen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3 Nach § 113 Abs. 1 S. 1 iVm § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet, selbst zu prüfen, ob ein auf Geldleistung gerichteter Verwaltungsakt zumindest hinsichtlich eines Teilbetrags in bestimmter Höhe aufrecht erhalten bleiben kann (Anschluss an BVerwG BeckRS 2013, 49787). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 11 K 16.216 2017-04-26 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. April 2017 – RO 11 K 16.216 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 6.041,01 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. April 2017 hat keinen Erfolg.
Der Kläger wurde vom beklagten Markt für die Verbesserung der N* … Straße durch den Anbau eines Geh- und Radwegs an der Westseite und eines Gehwegs an der Ostseite zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 6.115,91 € herangezogen. Auf seine Klage hat das Verwaltungsgericht den Heranziehungsbescheid aufgehoben, soweit ein höherer Beitrag als 6.041,01 € festgesetzt wurde, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beitragsforderung sei dem Grunde nach gerechtfertigt, jedoch insoweit – geringfügig – zu hoch bemessen, als der Beklagte Kosten für einen ca. 31 m langen Geh- und Radweg angesetzt habe, der nicht Bestandteil der abgerechneten Orts Straße sei.
1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils in seinem klageabweisenden Teil (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift nicht durch.
Ernstliche Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung in offener Frist ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinn liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
a) Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe es ungeprüft gelassen, ob die von der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern mit Wirkung vom 1. Januar 1976 verfügte Abstufung der N* … Straße von einer ehemaligen Staats Straße zur Gemeinde Straße trotz „nicht gewechselter Verkehrsbedeutung“ rechtmäßig gewesen sei, geht fehl.
Das Verwaltungsgericht hat sich in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils mit dem entsprechenden Klagevortrag eingehend auseinandergesetzt. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der verfügten Abstufung nicht ersichtlich seien. Der Einwand, die N* … Straße habe ihre Verkehrsbedeutung als Staats Straße nicht verloren, sei zum einen in der Sache nicht nachvollziehbar, weil die Staats Straße vor der Abstufung der alten Teilstrecke verlegt worden sei, und zum anderen aus Rechtsgründen erfolglos, weil sich im Abgabenrecht entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG/BauGB (BVerwG, U.v. 24.11.1978 – IV C 18.76 – DVBl 1979, 780 f.) eine inzidente Prüfung verbiete, ob die abgerechnete Straße in eine andere Straßenkategorie hätte eingestuft werden müssen. Das Zulassungsvorbringen setzt sich mit diesen Erwägungen nicht auseinander, sondern wiederholt lediglich die subjektive Einschätzung der Verkehrsbedeutung. Dass eine Orts Straße in mehr oder weniger großem Umfang auch dem innerörtlichen und überörtlichen Durchgangsverkehr dient, steht der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen keineswegs entgegen. Unterschieden im Verhältnis der Vorteile für die Anlieger einerseits und für die Allgemeinheit andererseits wird durch eine vorteilsgerecht abgestufte gemeindliche Eigenbeteiligung, wie sie der Beklagte in § 7 seiner Ausbaubeitragssatzung vom 4. November 2002 in der Fassung der Änderungssatzung vom 10. April 2003 vorsieht, ausreichend Rechnung getragen.
Soweit der Kläger insoweit einen Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO rügen will und damit sinngemäß den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend macht, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann grundsätzlich dann nicht geltend gemacht werden, wenn ein anwaltlich vertretener Beteiligter, wie hier der Kläger, es in der mündlichen Verhandlung unterlassen hat, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Denn die Rüge unzureichender Sachaufklärung ist kein Mittel, um insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen in der mündlichen Verhandlung zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 16.4.2012 – 4 B 29.11 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 4.9.2017 – 6 ZB 17.1325 – juris Rn. 16). Substantiiertes Vorbringen, warum sich dem Gericht auch ohne Beweisantrag auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen, enthält die Antragsbegründung nicht.
b) Der Kläger beanstandet weiter, das Verwaltungsgericht habe „die Rolle der nach Süden abzweigenden Straße“ falsch beurteilt. Mit diesem nicht weiter begründeten Vortrag werden keine schlüssigen Gegenargumente gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts dargelegt. Erforderlich wäre gewesen, dass sich die Klägerseite mit der ausführlichen, auf die natürliche Betrachtung der einzelnen Straßenteile im fraglichen Bereich gestützten Urteilsbegründung substantiell auseinandersetzt und darlegt, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht zu einer anderen Einschätzung hätte gelangen müssen.
c) Der Vortrag des Klägers, die Kosten für die südlich des Grundstücks FlNr. 844/2 über die Staats Straße führende Radwegbrücke seien nicht in den Beitragsaufwand einzuberechnen, was aber „angesichts der umgelegten Summe“ dennoch der Fall gewesen sein müsse, ist ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der gegenteiligen Feststellung des Verwaltungsgerichts zu wecken. Es handelt sich dabei lediglich um eine rein spekulative Annahme, welcher der Beklagte im Übrigen mit dem – überzeugenden – Hinweis entgegen getreten ist, dass die Radwegbrücke über die Staats Straße 2150 nach Aktenlage nicht zu den abgerechneten Verbesserungsmaßnahmen gehört, sich außerhalb des Abrechnungsgebiets befindet und zudem erst später gebaut wurde.
Fehl geht die in diesem Zusammenhang geäußerte Ansicht, der kombinierte Geh- und Radweg falle in die Straßenbaulast des Freistaats Bayern, weil er über die Gemeindegrenze hinaus reiche und straßenverkehrsrechtlich als überörtlicher Radweg ausgewiesen sei. Bei der N* … Straße handelt es sich um eine Orts Straße (Art. 46 Nr. 2 BayStrWG), die in der alleinigen Straßenbaulast des Beklagten steht (Art. 47 Abs. 1 BayStrWG). Diese umfasst auch den mit der Fahrbahn gleichlaufenden – unselbstständigen – Geh- und Radweg als Bestandteil der Orts Straße (Art. 2 Nr. 1 Buchst. b BayStrWG). Aus dem Urteil des Senats vom 25. Oktober 2006 – 6 BV 03.2517 – (BayVBl 2007, 143 ff.) lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten; denn dieses betraf einen kombinierten Geh- und Radweg an der Ortsdurchfahrt einer Staats Straße, für welchen die Gemeinde nicht Straßenbaulastträgerin war (vgl. Art. 42, 48 BayStrWG).
d) Ernstlichen Zweifeln an ihrer Richtigkeit begegnet die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch nicht im Hinblick darauf, dass der streitgegenständliche Ausbaubeitragsbescheid des Beklagten vom 15. Januar 2016 teilweise aufgehoben wurde, nämlich insoweit, als ein höherer Beitrag als 6.041,01 € festgesetzt wurde. Denn nach § 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet, selbst zu prüfen, ob ein auf Geldleistung gerichteter Verwaltungsakt zumindest hinsichtlich eines Teilbetrags in bestimmter Höhe aufrecht erhalten bleiben kann (BVerwG, U.v. 30.1.2013 – 9 C 1.12 – juris Rn. 25; U.v. 10.6.2009 – 9 C 2.08 – juris Rn. 38). Inwieweit der Umstand, dass dem Urteil zunächst ein Gerichtsbescheid vorausgegangen war, eine Teilstattgabe bzw. Teilabweisung der Klage hätte unmöglich machen sollen, ist nicht nachvollziehbar.
e) Die Rüge, die Festsetzungsverjährung „dürfte vorliegend entgegen der Ansicht der Kammer greifen“, weil gar nicht nachvollziehbar sei, dass Notar- und Grunderwerbskosten sich tatsächlich auf den hier relevanten Bereich der Abrechnung bezogen haben sollten, begründet ebenfalls keine Zweifel, denen in einem Berufungsverfahren weiter nachzugehen wäre. Auch dieser Vortrag bleibt vage und enthält keine schlüssigen Argumente gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts – auch – in seinem klageabweisenden Teil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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