Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag: Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  1 ZB 20.790

Datum:
30.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20504
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG Art. 31, Art. 36, Art. 38
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 2, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn die Androhung eines Zwangsmittels nicht mit dem zu Grunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist, kann die Androhung nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 18.4684 2019-11-05 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Kläger wenden sich gegen die Androhung eines (weiteren) Zwangsgeldes in Höhe von 20.000,- Euro zur Durchsetzung des Abbruchs eines Gebäudes.
Sie sind Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. …, Gemarkung V …, und betreiben dort einen landwirtschaftlichen Milchviehbetrieb. Mit Bescheid vom 20. Juni 2012 wurde den Klägern eine Baugenehmigung für den Neubau eines Betriebsleiterwohnhauses nebst Garagen und Appartements auf ihrer Hofstelle genehmigt. Als Auflage wurde im Genehmigungsbescheid unter Ziffer B.5 angeordnet, dass das bestehende Betriebsleiterwohnhaus innerhalb von sechs Monaten nach Nutzungsaufnahme des neuen Betriebsleiterwohnhauses abzubrechen ist. Die Nutzungsaufnahme des neu errichteten Betriebsleiterwohnhauses wurde dem Landratsamt am 24. September 2014 angezeigt. Eine Beseitigung des ehemaligen Betriebsleiterwohnhauses unterblieb. Mit Bescheid vom 17. November 2017 ordnete das Landratsamt unter Ausspruch der sofortigen Vollziehbarkeit an, dass an der neuen Außenwand wieder Windbretter als Fledermausquartier zu errichten, ein hohler Balken mit Quartierfunktion beim Abriss zu erhalten und an der neuen Außenwand unter dem Dachvorstand (ohne bauliche Funktion) wieder anzubringen seien.
Das Landratsamt drohte mit Bescheid vom 7. September 2018 ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,- Euro für den Fall an, dass die Kläger der Abrissverpflichtung aus Ziffer B.5 der Baugenehmigung vom 20. Juni 2012 nicht bis spätestens 15. Oktober 2018 nachkommen. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5. November 2018 abgewiesen und den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Die erneute Zwangsgeldandrohung sei rechtmäßig. Die Anordnung des Abbruchs in der Baugenehmigung stelle einen wirksamen, hinreichend bestimmten und vollstreckungsfähigen Verwaltungsakt dar. Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds erscheine angemessen, ebenso die Frist zur Erfüllung der Verpflichtung. Vollstreckungshindernisse bestünden nicht.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und besonderer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor oder werden bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, das die erneute Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung der Beseitigung des ehemaligen Betriebsleiterwohnhauses nach Art. 31, Art. 36 BayVwZVG rechtmäßig ist.
Soweit die Kläger geltend machen, dass die erneute Zwangsgeldandrohung bis zur entsprechenden Abänderung zur Niederschrift in der mündlichen Verhandlung bereits deshalb rechtswidrig gewesen sei, weil die Kläger dazu verpflichtet würden, den vollständigen Abriss gemäß der Auflage B.5 aus der Baugenehmigung vom 20. Juni 2012 vorzunehmen und diese Form des Abrisses aus artenschutzrechtlichen Gründen unzulässig sei, vermag dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass entscheidend für die Anwendung von Zwangsmitteln nicht die Rechtmäßigkeit, sondern die Wirksamkeit der Grundverfügung ist. Im Übrigen ist hinsichtlich der Auflagen im Änderungsbescheid die sofortige Vollziehung angeordnet, so dass diese Auflagen im Rahmen des Abbruchs seitens der Kläger bereits im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Zwangsgeldandrohung zu beachten waren, mithin von ihnen kein rechtswidriges Handeln verlangt wurde. Die angegriffene Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 7. September 2018 war bereits ohne die vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärte Ergänzung hinreichend bestimmt. Aus der ursprünglichen Formulierung ist klar ersichtlich, dass das Zwangsgeld fällig wird, wenn die Kläger den Abbruch des alten Betriebsleiterwohnhauses nicht bis spätestens 15. Oktober 2018 vornehmen. Dass beim Abriss ein hohler Balken mit Quartierfunktion nicht entsorgt werden darf, ergibt sich aus dem für sofort vollziehbar erklärten und von den Klägern daher zu beachtenden Bescheid vom 17. November 2017, der hinsichtlich der dort getroffenen Anordnungen auch eigenständige Zwangsgeldandrohungen vorsieht. Soweit die Kläger beanstanden, dass immer noch nicht eindeutig bestimmt worden sei, wie genau der Abriss zu erfolgen hat, fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der unter Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung erfolgten ausführlichen Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
Der Vortrag, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, der zu vollstreckende Grundverwaltungsakt sei insgesamt bestandskräftig, zeigt Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht auf. Das Verwaltungsgericht ist hinsichtlich der nachträglich angeordneten Auflagen nicht von deren Bestandskraft, sondern von deren Vollziehbarkeit ausgegangen. In der mündlichen Verhandlung hat keine erstmalige Verbindung der Bescheide vom 17. November 2017 und 7. August 2018 stattgefunden, sondern die Beseitigungsanordnung war bereits durch die Auflagen des Bescheids vom 17. November 2017 vollziehbar entsprechend geändert.
Hinsichtlich der Angemessenheit der Fristsetzung zeigt das Zulassungsvorbringen ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf. Das Verwaltungsgericht kam unter umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu dem Ergebnis, dass die fünfwöchige Frist als angemessen und ausreichend erscheine. Eine substantiierte Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts hierzu fehlt im Zulassungsvorbringen.
Soweit die Kläger aus Kostengründen die Unverhältnismäßigkeit der der Zwangsgeldandrohung zu Grunde liegenden Anordnung rügen, ist ihr Vortrag nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 BayVwZVG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann die Androhung eines Zwangsmittels, wenn sie – so wie hier – nicht mit dem zu Grunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist, nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird (BayVGH, B.v. 21.8.2017 – 1 ZB 17.926 – juris Rn. 3). Die Einwendungen der Kläger richten sich insoweit gegen die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts bzw. der nachträglichen Auflagen. Auch die behauptete Umnutzungsmöglichkeit des Betriebsleiterwohnhauses betrifft nicht die Zwangsgeldandrohung, sondern die zugrundeliegende Abbruchverfügung. Im Übrigen wird die Genehmigungsfähigkeit einer Umnutzung des Betriebsleiterwohnhauses nur behauptet und nicht ansatzweise dargelegt.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden. Ungeachtet der Frage der hinreichenden Darlegung des Zulassungsgrunds können die von den Klägern aufgeworfenen Fragen ohne Weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung bereits im Zulassungsverfahren geklärt werden.
Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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