Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilrechtsschutz wegen Sofortvollzug einer Versagung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis

Aktenzeichen  10 CS 20.840

Datum:
10.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14532
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 2, § 54 Abs. 2 Nr. 1
BeschV § 26 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4 S. 6

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 1 S 20.260 2020-03-23 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller, ein kosovarischer Staatsangehöriger, verfolgt mit seiner Beschwerde seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Au 1 K 20.257) weiter. Gegenstand der Klage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist der Bescheid des Antragsgegners vom 30. Januar 2020, mit dem der Antrag des Antragstellers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung (§ 18 Abs. 3 AufenthG a.F. bzw. § 18 Abs. 2 AufenthG n.F. in Verbindung mit § 26 Abs. 2 BeschV) abgelehnt und ihm unter Bestimmung einer Ausreisefrist seine Abschiebung angedroht wurde. Maßgeblicher Gesichtspunkt war eine Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Augsburg vom 9. Oktober 2019 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls (Aufbrechen eines Pfandrückgabeautomaten) in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Sachbeschädigung (Beschädigung einer Überwachungskamera) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die zulässige Beschwerde bleibt erfolglos. Die vom Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seine Prüfung zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Beschlusses vom 23. März 2020.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt, weil die Klage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben werde. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis komme bereits nicht in Betracht, weil kein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliege. Jedenfalls sei die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt, da durch die Verurteilung ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG bestehe; eine Ausnahme komme nicht in Betracht.
Der Antragsteller trägt – wie schon in erster Instanz – vor, er sei zu Unrecht des Diebstahls verurteilt worden, da er daran nicht beteiligt gewesen sei. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht sei er nicht anwaltlich vertreten gewesen und habe sich nicht ausreichend verteidigen können. Da er eine Kamera beschädigt habe, habe er das Urteil akzeptiert, ohne um die ausländerrechtlichen Konsequenzen zu wissen. Diesen Sachvortrag hätte das Verwaltungsgericht zum Anlass nehmen müssen, um die Strafakten beizuziehen, um den Vortrag weiter zu prüfen, auch die Vernehmung der weiteren Tatbeteiligten wäre in Frage gekommen. Im Hinblick darauf, dass er seine gesamte Existenz in Deutschland verliere, überwiege sein Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Ferner legte der Antragsteller einen Arbeitsvertrag vom 20. April 2020 vor.
Damit kann der Antragsteller den Beschluss des Verwaltungsgerichts aber nicht in Frage stellen. Bezüglich des nunmehr vorgelegten Arbeitsvertrags weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nicht vorliegt (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 39 AufenthG n.F.). Jedenfalls aber hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt ist, weil im Fall des Antragstellers ein (schwerwiegendes) Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG besteht.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 24.2.1998 – 1 B 21.98 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 19 ZB 17.1535 – juris Rn. 17 m.w.N.) erfordert die Anwendung der auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung abstellenden Ausweisungstatbestände keine Prüfung, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen hat. Soweit es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung etwa auf die Umstände der Tatbegehung ankommt (z.B. im Rahmen der Feststellung einer Wiederholungsgefahr oder bei der Ermessensausübung) besteht zwar keine strikte Bindung an eine rechtskräftige Verurteilung. Es ist aber geklärt, dass die Ausländerbehörden – und demzufolge auch die zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung berufenen Gerichte – in dieser Beziehung ohne weiteres in aller Regel von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen können und die darin getroffenen Feststellungen ihrer Entscheidung zugrunde legen dürfen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn strafgerichtliche Feststellungen offensichtlich unrichtig sind oder die Ausländerbehörden oder Verwaltungsgerichte über bessere Erkenntnismöglichkeiten als die Strafgerichte verfügen. Eine derartige Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Allein die Behauptung des Antragstellers, er sei zu Unrecht wegen des Diebstahls verurteilt worden, weil er sich in der Hauptverhandlung ohne Rechtsanwalt nicht hinreichend habe verteidigen können, ergab für das Verwaltungsgericht – zumal im Verfahren des Eilrechtsschutzes – keinerlei Notwendigkeit, durch die Einvernahme von Tatbeteiligten als Zeugen das Strafverfahren letztlich von neuem aufzurollen. Auch von der Beiziehung der Strafakte wären keine diesbezüglichen Erkenntnisse zu erwarten gewesen, zumal sich wesentliche Dokumente aus dem Strafverfahren ohnehin in der Ausländerakte befinden. Im Übrigen hat der Antragsteller eingeräumt, jedenfalls die Überwachungskamera beschädigt zu haben. Ferner ist auch sein Vortrag, er habe die Kamera lediglich „aus Angst davor, dass er zu Unrecht beschuldigt werden könnte,“ heruntergerissen, nicht nachvollziehbar; wenn er an dem Aufbruch des Pfandautomaten nicht beteiligt gewesen sein sollte, hätte die Überwachungskamera nichts Gegenteiliges ergeben, vielmehr seine „Unschuld“ belegen können.
Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht festgestellt, dass das Ausweisungsinteresse auch gegenwärtig noch besteht und dass kein Grund vorliegt, ausnahmsweise von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen. Der Antragsteller ist erst vor etwa zweieinhalb Jahren erstmals ins Bundesgebiet eingereist und hat hier – wie aus seinen mehrfachen kurzzeitigen Arbeitsverhältnissen zu schließen ist – auch beruflich nicht nachhaltig Fuß gefasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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