Verwaltungsrecht

Erledigung von Meldeterminsaufforderungen

Aktenzeichen  L 11 AS 161/17

Datum:
14.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13673
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 96 Abs. 1, § 122, § 123, § 159 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 202 S. 1
ZPO § 145 Abs. 1, § 159, § 160
SGB X § 39 Abs. 2, § 44
SGB II § 40 Abs. 1, § 59
SGB III § 309 Abs. 2, Abs. 3 S. 1-3

 

Leitsatz

1 Einem Antrag auf Rücknahme von bereits durch Zeitablauf erledigten Meldeaufforderungen im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens steht das Fehlen eines Sachbescheidungsinteresses entgegen, welches die Funktion des Rechtsschutzinteresses bzw. Rechtsschutzbedürfnisses im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erfüllt.(Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Während eines laufenden Klageverfahrens gegen eine Meldeaufforderung ergehende weitere Verwaltungsakte mit gleichem Regelungsgegenstand für andere Zeitpunkte werden nicht zum Gegenstand des laufenden Verfahrens. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 17 AS 77/16 2016-10-06 Urt SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Es liegt ein wirksames Urteil des SG vor, das den Klägern ausweislich der Postzustellungsurkunden auch zugestellt worden ist. Die Übersendung von unbeglaubigten Protokollabschriften ändert daran nichts. Dass das Urteil des SG in der mündlichen Verhandlung am 06.10.2016 erlassen worden ist, wird durch die in den Akten des SG befindliche Niederschrift, die eine öffentliche Urkunde darstellt, bewiesen. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und von der Vorsitzenden der 17. Kammer am SG sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§ 122 SGG, §§ 159, 160 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Die Kläger haben bislang keinen Antrag in der Sache gestellt, sondern vielmehr lediglich die Zurückverweisung des Verfahrens an das SG ohne Hauptverhandlung beantragt. Eine Zurückverweisung an das SG durch das Berufungsgericht kommt jedoch nur in den Fällen des § 159 Abs. 1 SGG in Betracht. Danach kann der Senat den Rechtsstreit an das SG zurückverweisen, wenn das SG selbst in der Sache nicht entschieden hat (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und die Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme aufgrund des Mangels gegeben wäre (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Da aber eine Beweisaufnahme nicht notwendig und die Entscheidung des SG zutreffend ist, sieht der Senat keinen Anlass, die Sache an das SG zurückzuverweisen. Da keine Frist versäumt worden ist, bedurfte es auch keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine Feststellung der Nichtigkeit des „Abtrennungsbeschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2016 in dem Verfahren S 17 AS 77/16“ kommt ebenfalls nicht in Betracht, da ein solcher Beschluss nicht vorliegt. Das SG hat die mit der Klageschrift vom 29.01.2016 geltend gemachten fünf Klageanträge nach Eingang in einzelnen Klageverfahren erfasst. Auch wenn es für die Trennung mehrerer in einer Klage erhobener Ansprüche eines zu begründenden Beschlusses bedarf (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 145 Abs. 1 ZPO), sind die Kläger im vorliegend gerichtskostenfreien Verfahren durch diese Auftrennung nicht beschwert. Das SG hat in den Klageverfahren S 17 AS 77/16 und S. 17 AS 80 bis 83/16 über sämtliche Begehren entschieden, so dass im Ergebnis jedenfalls auch ein möglicher Verfahrensfehler nicht dazu führen würde, dass die jeweiligen Entscheidungen darauf beruhen könnten.
Da die von den Klägern ausdrücklich gestellten Anträge damit ins Leere gehen, waren sie unter Berücksichtigung des Begehrens der Kläger nach § 123 SGG auszulegen (zur Auslegung: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 123 Rn 3). Im Verfahren vor dem SG hatten die Kläger sinngemäß beantragt, den Beklagten zur Rücknahme der Meldeaufforderungen ab dem 21.03.2013 zu verpflichten. Soweit die Kläger gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt haben, ist erkennbar, dass sie dieses Begehren im Berufungsverfahren weiterverfolgen wollen. Streitgegenstand ist daher eine Verpflichtung des Beklagten, die Meldeaufforderungen zwischen dem 21.03.2013 und 17.12.2015 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens zurückzunehmen. Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass Meldeaufforderungen nach Klageerhebung keinen zulässigen Streitgegenstand darstellen, da diese mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Klagegegenstand geworden sind. Auch ist eine Klage gegen einen Verwaltungsakt, der noch nicht erlassen ist, grundsätzlich nicht zulässig, zumal die begehrten Überprüfungsentscheidungen den vorhergehenden Erlass eines Verwaltungsaktes zwingend voraussetzen. Einer vorbeugenden Unterlassungsklage hinsichtlich weiterer Meldeaufforderungen – wollte man das Klagebegehren der Kläger dahingehend auslegen – würde das notwendige qualifizierte Rechtsschutzinteresse fehlen, da die Kläger auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden können (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 54 Rn 42a). Den Klägern ist es aber ohne weiteres zumutbar, sich mittels Widerspruch und Anfechtungsklage gegen (künftige) Meldeaufforderungen zu wehren. Sollten diese rechtswidrig sein, kann unter Einleitung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 SGG angeordnet werden. Es bedarf damit nicht der Gewährung eines vorbeugenden Rechtsschutzes.
Die weiteren in den verschiedenen Verfahren getrennt erfassten Klagebegehren sind Gegenstand der entsprechenden Berufung, die die Kläger gegen die jeweiligen Urteile des SG eingelegt haben.
Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte zur Aufhebung der Einladungen zu den Meldeterminen verpflichtet wird (§ 44 SGB X iVm § 40 Abs. 1 SGB II). Ein entsprechender Überprüfungsantrag geht bereits deshalb ins Leere, da sich die Meldeaufforderungen allesamt bereits durch Ablauf des Meldetermins erledigt haben (§ 39 Abs. 2 SGB X). Zu den in § 59 SGB II iVm § 309 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezeichneten Zwecken kann eine Aufforderung zur Meldung erfolgen. Dabei hat sich die meldepflichtige Person zu der vom Beklagten bestimmten Zeit zu melden (§ 309 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Ist der Meldetermin nach Tag und Tageszeit bestimmt – wie vorliegend -, so ist die meldepflichtige Person der allgemeinen Meldepflicht auch dann nachgekommen, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird (§ 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III); Anhaltspunkte für eine Arbeitsunfähigkeit zu den genannten Meldeterminen im Sinne von § 309 Abs. 3 Satz 3 SGB III sind nicht gegeben. Damit wird deutlich, dass mit dem Ablauf des Tages, an dem sich die Kläger beim Beklagten jeweils ausweislich der schriftlichen Aufforderungen hätten melden sollen, die Meldeaufforderung jeweils nach § 39 Abs. 2 4. Alt SGB X durch Zeitablauf erledigt (vgl BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R – mwN – juris). Die Kläger können nicht mehr geltend machen, durch die Meldeaufforderungen beschwert zu sein. Den Aufforderungen kommt daher keine Rechtswirkung mehr zu (vgl zur Erledigung von Eingliederungsvereinbarungen: BSG, Urteil vom 15.06.2016 – B 4 AS 45/15 R – juris). Einem Antrag auf Rücknahme der Meldeaufforderungen würde daher schon das Fehlen eines Sachbescheidungsinteresses, welches die Funktion des Rechtsschutzinteresses bzw Rechtsschutzbedürfnisses im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erfüllt (vgl BVerfG, Urteil vom 06.08.1996 – 9 C 169/95 – BVerfGE 101, 323; Urteil des Senats vom 21.12.2016 – L 11 AS 386/14 ZVW – juris), entgegenstehen. Dafür ist auch unerheblich, dass der Beklagte die nicht wahrgenommenen Meldetermine als Anlass für die Feststellung von Sanktionen und die Minderung des Anspruchs auf Alg II herangezogen hat, insbesondere auch deshalb, weil im Rahmen einer Überprüfung der Minderungen die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderungen zu prüfen wäre (vgl dazu BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R – juris). Die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung ist insofern als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen, weil sich die Meldeaufforderung als solche durch Zeitablauf erledigt hat.
Unabhängig davon, dass die Kläger eine Überprüfung der Meldeaufforderungen im Rahmen von Fortsetzungsfeststellungsklagen nicht begehrt haben, hätte es für die Zulässigkeit einer solchen Klage auch an einem erforderlichen berechtigten Interesse für die Feststellung der Rechtswidrigkeit bedurft (vgl BSG, Urteil vom 15.06.2016 – B 4 AS 45/15 R – juris), welches weder ersichtlich noch vorgebracht worden ist. Die Kläger können insofern auf ein Verfahren im Hinblick auf die Sanktionsbescheide verwiesen werden, in denen – wie oben ausgeführt – die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung inzident zu klären ist. Es kommt vorliegend damit auch nicht darauf an, ob der Beklagte im Hinblick auf die Vielzahl der fortlaufenden Einladungen sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat oder eine Ermessensunterschreitung vorliegen könnte (vgl dazu BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R – juris).
Die Kläger haben damit keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung der Meldeaufforderungen, so dass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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