Verwaltungsrecht

Erstattung von Schulwegkosten

Aktenzeichen  Au 3 K 16.1694

Datum:
11.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36222
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchKfrG Art. 3 Abs. 2
SchBefV § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, § 7

 

Leitsatz

1. Die Erstattung der Schulwegkosten für den Besuch einer Schule in einem anderen Bundesland setzt nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV voraus, dass diese Schule hinsichtlich der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung mit einer bayerischen Schule vergleichbar ist. (Rn. 15)
2. Bei dem Schulvergleich ist die gesamte Ausbildung in den Blick zu nehmen und nicht nur der in dem zur Abrechnung stehenden Schuljahr absolvierte Ausbildungsabschnitt. (Rn. 15)
3. Die Vergleichbarkeit ist gegeben, wenn die Ausbildungen in ihrer Gesamtheit gleichwertig sind. (Rn. 16)
4. Ist der Schüler Anspruchsberechtigter, hat er nur dann einen Kostenerstattungsanspruch in voller Höhe ohne Berücksichtigung der Familienbelastungsgrenze, wenn er selbst für drei oder mehr Kinder Anspruch auf Kindergeld hat. (Rn. 20)

Tenor

I. Unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Landratsamts * vom 30. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von * vom 4. November 2016 wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin Fahrtkosten in Höhe von 784,30 EUR zu erstatten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu einem Drittel und der Beklagte zu zwei Dritteln.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der ihr für den Besuch der Berufsfachschule für Bauzeichner in * im Schuljahr 2015/2016 entstandenen Schulwegkosten in Höhe von 784,30 EUR. In diesem Umfang ist deshalb der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid rechtswidrig und der Beklagte zur Kostenerstattung zu verpflichten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ein weitergehender Kostenerstattungsanspruch steht der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie sich die sog. Familienbelastungsgrenze in Höhe von 420 EUR je Schuljahr entgegenhalten lassen muss.
1. Die Klägerin erfüllte im Schuljahr 2015/2016 grundsätzlich die Voraussetzungen für die Erstattung der angefallenen Schulwegkosten nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs (Schulwegkostenfreiheitsgesetz – SchKfrG). Diese Bestimmung begünstigt u.a. Schülerinnen und Schüler an Berufsfachschulen (ohne Berufsfachschulen in Teilzeitform). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. grundlegend U.v. 30.11.1984 – 7 B 83 A.681 – BayVBl 1985, 561) ist anerkannt, dass der Anwendungsbereich des bayerischen Schulwegkostenfreiheitsgesetzes nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil die besuchte Schule in einem anderen Bundesland liegt. Auch eine in einem anderen Bundesland der Bundesrepublik Deutschland gelegene Schule kann deshalb nach bayerischem Landesrecht die nächstgelegene Schule im Sinn des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes und der hierzu ergangenen Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung – SchBefV) sein, wenn sie hinsichtlich der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung mit einer bayerischen Schule vergleichbar ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV). Entscheidend ist, dass sich die zwei in Frage stehenden Schulen ohne Rücksicht auf Einzelheiten im Wesentlichen entsprechen. Wesentliches Kriterium ist dabei der nach erfolgreichem Schulbesuch verliehene Abschluss (vgl. BayVGH, U.v. 10.1.1996 – 7 B 94.1847 – BayVBl 1996, 434/435). Daraus folgt auch, dass bei dem Schulvergleich die gesamte Berufsausbildung in den Blick zu nehmen ist und nicht nur, wie es der Beklagte getan hat, ein einzelner Abschnitt. Der Vergleich darf sich im konkreten Fall auch nicht auf die Frage beschränken, ob es auch in Bayern eine (einjährige) Berufsfachschule für Bauzeichner gibt. Vielmehr stellt sich die Frage, ob die Berufsfachschulen für Bauzeichner in Baden-Württemberg mit Berufsschulen für Bauzeichner in Bayern vergleichbar sind.
Dies ist entgegen der Auffassung des Beklagten zu bejahen, weil – wie sich aus der fachkundigen Stellungnahme der Regierung von * vom 7. Dezember 2018 ergibt – die Ausbildung zum Bauzeichner in Baden-Württemberg mit der einjährigen Vorbildung durch die Berufsfachschule mit einer in Bayern abgeschlossenen Berufsausbildung im durchgängig dualen System gleichwertig ist. Ähnlich wie bei der ein- und zweistufigen Juristenausbildung ist lediglich die zeitliche Abfolge der Ausbildungsinhalte unterschiedlich, doch gleicht sich dies am Ende der Ausbildung wieder aus. Die Ausbildungskonzepte beider Länder beruhen auf dem am 14. Juni 2002 von der Kultusministerkonferenz beschlossenen, bundesweit gültigen Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Bauzeichner/Bauzeichnerin. Die Aufteilung der Lerngebiete auf die Stundentafel der Berufsschule erfolgt in beiden Bundesländern im zweiten und dritten Ausbildungsjahr in vergleichbarer Weise. Dem Bildungsplan in Baden-Württemberg für die einjährige Berufsfachschule im Ausbildungsberuf Bauzeichner/Bauzeichnerin liegen ebenfalls die Inhalte des Rahmenlehrplans zugrunde. Diese sind deckungsgleich mit der bayerischen Lehrplanrichtlinie für diesen Ausbildungsberuf. Soweit sich die Lehrplankonzepte zwischen der einjährigen Berufsfachschule in Baden-Württemberg und der Regelberufsschule in Bayern unterscheiden, ist die Vergleichbarkeit im Hinblick auf zeitliche und fachliche Gliederung sowie inhaltlichen Tiefgang dennoch gegeben, zumal die einjährige Berufsfachschule in Baden-Württemberg neben den berufsfachlichen auch berufspraktische Kompetenzen vermittelt. Da die Industrie- und Handelskammer als zuständige Stelle im Ausbildungsberuf Bauzeichner/Bauzeichnerin bundesweit zentral prüft, gelten für Auszubildende beider Länder bei Abschluss der Berufsausbildung vergleichbare/gleichwertige theoretische sowie fachpraktische Anforderungen.
Damit war die Berufsfachschule für Bauzeichner in Ulm im Schuljahr 2015/2016 für die Klägerin die nächstgelegene Schule im Sinn von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV. Da die Schule in * von ihrem Wohnort im Landkreis * nur ca. 40 km entfernt ist, während die Entfernung zur nächstgelegenen bayerischen Berufsschule für Bauzeichner in * ca. 51 km beträgt, war die Schule in * für sie diejenige, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar war.
2. Soweit mit der Klage ein höherer Erstattungsbetrag als 784,30 EUR geltend gemacht wird, ist sie unbegründet. Insoweit hat der Beklagte den Erstattungsantrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 SchKfrG werden die notwendigen Beförderungskosten nur insoweit erstattet, als die vom Unterhaltsleistenden aufgewendeten Gesamtkosten der Beförderung die festgesetzte Familienbelastungsgrenze übersteigen. Diese betrug im hier maßgeblichen Schuljahr 2015/2016 420 EUR (vgl. § 7 SchBefV i.d.F. vom 6.6.2012, gültig vom 1.8.2012 bis 31.7.2017). Das Gesetz geht hierbei davon aus, dass die Beförderungskosten von einer dem Schüler Unterhalt leistenden Person, also in aller Regel einem Elternteil, aufgewendet wurden. Es ist allerdings anerkannt, dass der Schüler selbst anspruchsberechtigt ist, wenn er die notwendigen Schulwegkosten aufbringt (vgl. Allmanshofer, Schulfinanzierung in Bayern, Teil 2 Schülerbeförderung, Art. 3 SchKfrG Anm. 16). Hiervon ist bei der Klägerin auszugehen, weil die Kosten für die Fahrkarten von ihrem Konto abgebucht wurden. Dass ihr Vater ihr diese Kosten erstattet hat, betrifft lediglich das familiäre Innenverhältnis, ändert aber nichts daran, dass im Außenverhältnis und damit auch im Verhältnis zum Aufgabenträger der Schülerbeförderung die Klägerin die Schulwegkosten bezahlt hat.
Dies hat jedoch zur Konsequenz, dass die Klägerin die Familienbelastungsgrenze gegen sich gelten lassen muss. Sie erfüllt in ihrer Person nicht die Voraussetzungen für den Wegfall der Familienbelastungsgrenze bzw. eine Kostenerstattung in voller Höhe nach Art. 3 Abs. 2 Satz 6 SchKfrG, denn sie hat keinen Anspruch auf Kindergeld für drei oder mehr Kinder. Nach dem Wortlaut, aber auch nach dem Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 2 Satz 6 SchKfrG muss derjenige, der die Kosten der notwendigen Beförderung aufgewendet hat, für drei oder mehr Kinder kindergeldberechtigt sein, so dass es im vorliegenden Fall ohne Relevanz ist, dass der Mutter der Klägerin während des Schuljahres 2015/2016 ein solcher Anspruch zugestanden hat.
Da die Beteiligten teils obsiegt haben, teils unterlegen sind, sind die Kosten des Verfahrens verhältnismäßig zu teilen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Kostenentscheidung war gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.


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