Verwaltungsrecht

Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Rechtsanwalts

Aktenzeichen  22 C 17.1418

Datum:
26.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2019, 101
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 162 Abs. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Die als Ausfluss des Rechts auf eine freie Anwaltswahl zu verstehende Regelung des § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO setzt nicht das Gebot des kostenbewussten Verhaltens bei den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung verursachten Aufwendungen (§ 162 Abs. 1 VwGO) außer Kraft. Allerdings dürfen die Anforderungen insofern nicht überspannt werden; eine „zu kleinliche“ Handhabung ist nicht angebracht (Anschluss an VGH BW BeckRS 9998, 29531). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Wahl eines „auswärtigen“ (anstelle eines im Gerichtsbezirk ansässigen) Anwalts muss es einen „hinreichend gewichtigen Grund“ geben. Ein solcher kann in Spezialkenntnissen des Anwalts liegen, wobei die Auswahl zum einen nur aus der ex-ante-Sicht und zum anderen vom mit vertretbarem Aufwand erreichbaren Kenntnisstand des Rechtsuchenden aus vorgenommen werden kann. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 Auch ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant kann nach allgemeiner Meinung einen hinreichenden Grund für die Auswahl eines auswärtigen Rechtsanwalts begründen (Anschluss an BayVGH BeckRS 2015, 48410). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 8 M 17.491 2017-06-26 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. Juni 2017 und der Kostenfestsetzungsbeschluss der dortigen Urkundsbeamtin vom 8. November 2016 werden geändert.
Die dem Kläger im Verfahren RN 8 K 15.274 zu erstattenden Kosten werden auf 1.381,38 € festgesetzt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 369,46 € festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Beteiligten streiten um die Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten, die für die Teilnahme einer Rechtsanwältin aus der vom Kläger mandatierten auswärtigen Rechtsanwaltskanzlei an der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg angefallen sind (Übernachtungskosten, Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld), aber von der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts in Höhe von 369,46 € bei der Kostenfestsetzung nicht anerkannt wurden. Der Kläger wohnt ca. 40 km (auf Autostraßen) von Regensburg entfernt, die Kanzlei, der die den Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretende Rechtsanwältin angehört, hat ihren Sitz etwa 350 km von Regensburg entfernt. Die Kanzlei hat den Kläger bei einer Untätigkeitsklage gegen den Beklagten vertreten, mit der er die Verpflichtung des Beklagten begehrte, ihm Zugang zu (weiteren) Umweltinformationen zu gewähren. Die Rechtsanwältin war zur mündlichen Verhandlung am 11. April 2016 schon am Vortag angereist und hatte vor Ort übernachtet. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagte, dass außer der dem Kläger schon übermittelten „Powerpoint“-Präsentation keine weiteren Unterlagen vorlägen. Die den Kläger vertretende Rechtsanwältin erklärte daraufhin in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt; der Beklagte stimmte der Erledigungserklärung zu. Das Verwaltungsgericht stellte sodann durch verkündeten Beschluss das Verfahren ein und legte dem Beklagten die Kosten auf.
Der Kläger machte 1.381,38 € als erstattungsfähige Kosten geltend. Darin enthalten sind als Rechtsanwaltskosten u.a. Reisekosten nach Nrn. 7003 bis 7006 der Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis – VV RVG) zu § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) in Höhe von 290,97 € netto sowie ein Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 (3) VV RVG für eine mehr als achtstündige Abwesenheit in Höhe von 70,00 € netto.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. November 2016 setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts die dem Kläger zu erstattenden Kosten auf lediglich 1.011,92 € fest. Anstelle der begehrten Reisekosten und des Abwesenheitsgeldes erstellte sie eine Vergleichsberechnung und erkannte auf deren Grundlage nur fiktive Fahrtkosten für eine fiktive Fahrstrecke vom Wohnort des Klägers nach Regensburg und zurück (netto 25,50 €) sowie ein fiktives Abwesenheitsgeld für eine bis zu vierstündige Abwesenheit gemäß Nr. 7005 (1) VV RVG (netto 25,00 €) an.
2. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. November 2016 legte der Kläger Erinnerung ein, soweit die geltend gemachten Kosten nicht als erstattungsfähig anerkannt wurden; die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab.
Mit Beschluss vom 26. Juni 2017 wies das Verwaltungsgericht die Erinnerung zurück.
Gegen den am 28. Juni 2017 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts hat der Kläger am 6. Juli 2017 Beschwerde eingelegt und verfolgt seinen Kostenfestsetzungsantrag weiter; hilfsweise trägt er vor, zumindest müssten die fiktiven Reisekosten so berechnet werden, wie wenn der Kläger einen Rechtsanwalt aus einem entlegenen Ort im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts gewählt hätte, z.B. aus Bad Füssing. Die kürzeste Entfernung von dort zum Verwaltungsgericht betrage (einfach) 143,7 km, wodurch sich eine fiktive Abwesenheit von mindestens 6 Stunden ergebe (40 €). Bei Nutzung des eigenen Kfz erhalte der Rechtsanwalt nach Nr. 7003 VV RVG eine Pauschale von 0,30 € je Kilometer (86,22 €). Hierdurch ergebe sich insgesamt ein Erstattungsbetrag von 126,22 € (brutto 150,18 €).
Der Beklagte hat sich nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Die Reisekosten der auswärtigen Klägerbevollmächtigten sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Klägers im Sinn des § 162 Abs. 1 und 2 VwGO notwendig gewesen und somit zu erstatten. Die angegriffenen Beschlüsse der Urkundsbeamtin vom 8. November 2016 und des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. Juni 2017 sind daher zu ändern und die zu erstattenden Kosten des Klägers antragsgemäß festzusetzen.
1. Der Verwaltungsgerichtshof hält an seiner Auffassung fest, die er im Beschluss vom 10. Juni 2015 – 22 C 14.2131 – juris wie folgt dargelegt hat:
„Der Verwaltungsgerichtshof hält mit der in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschenden Auffassung daran fest, dass die als Ausfluss des Rechts auf eine freie Anwaltswahl zu verstehende Regelung des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO keine lex specialis in dem Sinn ist, dass dadurch das Gebot des kostenbewussten Verhaltens bei der Verursachung von Aufwendungen, die für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zweckmäßigerweise ergriffen werden sollten (§ 162 Abs. 1 VwGO), außer Kraft gesetzt würde. Allerdings dürfen die Anforderungen insofern nicht überspannt werden; eine „zu kleinliche“ Handhabung ist nicht angebracht (BW VGH, B.v. 28.2.1995 – 1 S 3/95 – NVwZ-RR 1996, 238).
Dies kann auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgeleitet werden. Dieses hat in dem – vorliegend auch vom Verwaltungsgericht in seinem angegriffenen Beschluss angeführten – Beschluss vom 11. September 2007 – 9 KSt 5/07 u.a. – BayVBl 2008, 157 (Rn. 4) die „in Rechtsprechung und Literatur … vorherrschend[e]“ Auffassung wie folgt referiert: Nach dieser Auffassung stehe die Anwendung des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, was die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines Anwalts zur Wahrnehmung gerichtlicher Termine angehe, unter dem Vorbehalt des § 162 Abs. 1 VwGO mit der Folge, dass ohne nähere Prüfung Reisekosten eines Rechtsanwalts nur dann voll zu erstatten seien, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz bzw. Geschäftssitz seines Mandanten oder in dessen Nähe habe oder wenn der Nachweis geführt werde, dass es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sei, gerade diesen Anwalt zu beauftragen; letzterer Nachweis gelinge dann, wenn der beauftragte Anwalt Spezialkenntnisse habe und der Fall Fragen aus dem Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufgeworfen habe, dass ein verständiger Beteiligter die Hinzuziehung eines solchen Anwalts für ratsam habe erachten können. Ohne im zugrunde liegenden Fall über derartige Voraussetzungen entscheiden zu müssen (weil dort ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant vorlag), hat das Bundesverwaltungsgericht Zweifel an der Berechtigung solch strenger Anforderungen geäußert, indem es (unter Rn. 5) formulierte, es könne dahinstehen, „ob diese Erwägungen zur Auslegung des § 162 Abs. 1 VwGO – wenn überhaupt (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof) – nur dann tragen könnten, wenn es um Reisekosten eines Anwalts gehe, der ein Verfahren bei einem Verwaltungsgericht als erstinstanzlichem Gericht anhängig machen wolle (denn der erwähnte Grundsatz der Kostenminimierung könne bei dem die gesamte Bundesrepublik umfassenden „Gerichtsbezirk“ des Bundesverwaltungsgerichts möglicherweise zu abweichenden Ergebnissen führen). Gebe es – so das Bundesverwaltungsgericht (B.v. 11.9.2007, a.a.O., Rn. 5) weiter – einen „hinreichend gewichtigen Grund“ für die Auswahl gerade des mandatierten Anwalts, so bestehe kein Anlass, die Erstattungsfähigkeit seiner Reisekosten auf diejenigen eines Prozessbevollmächtigten mit Sitz am Gerichtsort oder am Sitz des Klägers zu beschränken.
Die Anforderungen an einen vernünftigen, kostenbewussten Rechtsuchenden bei der Wahl des ihn vertretenden Rechtsanwalts lassen sich somit dahingehend zusammenfassen, dass es für die Wahl eines „auswärtigen“ (anstelle eines im Gerichtsbezirk ansässigen) Anwalts einen „hinreichend gewichtigen Grund“ geben muss. Soweit in der vorherrschenden Auffassung ein solcher Grund dann angenommen wird, wenn der Mandant Spezialkenntnisse seines Anwalts nachgewiesen habe, ist anzumerken: Soweit es um die vernünftige und kostenbewusste Auswahl eines für die „zweckentsprechende“ Rechtsverfolgung oder -verteidigung geeigneten Rechtsanwalts geht, kann diese zum einen nur aus der ex-ante-Sicht und zum andern vom mit vertretbarem Aufwand erreichbaren Kenntnisstand des Rechtsuchenden aus vorgenommen werden, der in aller Regel nicht juristisch ausgebildet ist. Die Qualifikation als „Fachanwalt für Verwaltungsrecht“ reicht aus der Sicht des Rechtsuchenden nicht in jedem Fall aus, um eine angemessene Wahrung seiner Rechte zu gewährleisten. Der Rechtsuchende darf sich hierzu eines Rechtsanwalts oder einer Kanzlei bedienen, die – nach seinem Kenntnisstand – gerade auf dem betroffenen Spezialgebiet besondere Fachkenntnisse in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vorweist (OVG Berlin-Bbg, B.v. 9.10.2001 – 2 E 84/00 – NVwZ-RR 2002, 317). Was die Frage etwaiger im Rechtsstreit aufgeworfener schwieriger Rechtsfragen auf einem Spezialgebiet und deshalb erforderlicher Spezialkenntnisse angeht, so muss dem Rechtsuchenden bei der gebotenen ex-ante-Sicht zugebilligt werden, dass dies für ihn im Voraus schwer zu überblicken sein kann, so dass auch insofern eine gewisse Großzügigkeit am Platze ist. Der Verwaltungsgerichtshof hält es bei einem prüfungsrechtlichen Fall einer nicht bestandenen Abschlussprüfung vor der Industrie- und Handelskammer wie dem des Klägers für aus der ex-ante-Sicht des Klägers vernünftig, einen Rechtsanwalt mit Spezialkenntnissen auf diesem Gebiet auszuwählen. Zu berücksichtigen ist auch, dass das Ergebnis einer Berufsabschlussprüfung den beruflichen Werdegang erheblich beeinflussen und daher für den Rechtsuchenden außerordentlich wichtig sein kann, so dass er bestrebt sein darf, einen Rechtsanwalt zu suchen, der seine Interessen gerade auf diesem Gebiet bestmöglich vertreten kann.
Zutreffend hat … darauf hingewiesen, dass heutzutage die Selbstdarstellung von Anwaltskanzleien im Internet („Kanzleiprofil“) weitverbreitet und nahezu eine Selbstverständlichkeit ist. Der Internetauftritt einer Rechtsanwaltskanzlei kann daher durchaus eine geeignete Informationsquelle für die Antwort auf die Frage eines Rechtsuchenden sein, welcher Anwalt seine Interessen im Rechtsstreit mit der größten Aussicht auf Erfolg zu vertreten in der Lage ist. Der Rechtsuchende wird hierbei zwar unterscheiden müssen zwischen Kanzleien, deren werbende Selbstdarstellung im Internet lediglich vage „Versprechungen“ enthält, und jenen, deren Aussagen – insbesondere hinsichtlich der bearbeiteten Rechtsgebiete und des Grades des Spezialisierung – mit nachvollziehbaren Fakten untermauert werden. Es geht … nicht darum, ob werbende Aussagen im Internet ein besonderes Vertrauensverhältnis begründen können, sondern um den Informationsgehalt eines Internetauftritts. Naturgemäß kann es für den Rechtsuchenden auch andere Wege geben, Informationen als Grundlage für die Auswahl eines Prozessbevollmächtigten zu erlangen; ob diese Möglichkeiten vorrangig genutzt werden müssen, ist eine Frage des Einzelfalls. …
Es geht hierbei nicht darum, ob letztlich – aus Sicht und mit den Kenntnissen des Verwaltungsgerichts oder des Verwaltungsgerichtshofs – ein anderer als der vom Kläger mandatierte Rechtsanwalt den Kläger tatsächlich besser, ebenso gut oder weniger gut … hätte vertreten können. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Kläger guten Grund zur Annahme haben durfte, der von ihm gewählte Anwalt habe gegenüber anderen Anwälten einen im Rechtsstreit möglicherweise entscheidenden, mithin einen zur „zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen“ Kompetenzvorsprung“.
2. Hinzuzufügen ist anlässlich des vorliegenden Falls und in Bezug auf die Ausführungen auf S. 4 des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts, dass – wie schon oben dargelegt – der „Schwierigkeitsgrad“ des anstehenden Rechtsstreits zum einen regelmäßig aus der Sicht eines unerfahrenen Rechtsunkundigen (nicht aus der des Verwaltungsgerichts oder aus der Sicht eines Volljuristen) und zudem aus der ex-ante-Sicht zu beurteilen ist. Daraus, dass vorliegend eine Untätigkeitsklage erhoben worden ist, kann nicht geschlossen werden, dass der Kläger den zu führenden Rechtsstreit für einfach gehalten hätte, oder dass der Rechtsstreit (aus der ex-ante-Sicht) objektiv als „einfach“ gelagert anzusehen gewesen wäre. In Fällen, in denen der zu erhebenden Klage ein belastender oder eine Begünstigung versagender Verwaltungsakt vorausgegangen ist (also Anfechtungsklage oder Versagungsgegenklage erhoben werden soll), kann der Bescheid wertvolle Anhaltspunkte zur Beurteilung der sachlichen und/oder rechtlichen Komplexität des Falles und der Schwierigkeit des zu erwartenden Rechtsstreits liefern. Derartige aus einem Bescheid zu gewinnende Anhaltspunkte fehlen aber, wenn dem Rechtsuchenden, der einen begünstigenden Verwaltungsakt erstrebt, infolge der Untätigkeit der Behörde nichts anderes übrig bleibt als die Erhebung der Untätigkeitsklage. In einem solchen Fall kann sich der Rechtsuchende im Allgemeinen auch nicht darauf verlassen, dass das Verwaltungsgericht die bloße „Bescheidung schlechthin“ als das im Hinblick auf § 42 VwGO prozessual zulässige Ziel der Untätigkeitsklage ansehen wird (zum Meinungsstand insoweit vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 75 Rn. 3 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 75 Rn. 4, § 42 Rn. 8 und § 113 Rn. 201 ff; jeweils m.w.N.). Die Vorbereitung auf ein Klageverfahren erfordert daher auch im Fall der Untätigkeit der Behörde eine Befassung des Rechtsuchenden mit den vom Fall aufgeworfenen prozessualen und materiellen Fragen, die über den bloßen Anspruch auf Erlass eines Bescheids hinausreichen.
3. Ob eine bestimmte Maßnahme der Rechtsverfolgung notwendig ist, ist aufgrund einer typisierenden Betrachtung zu prüfen; der Gewinn an Gerechtigkeit, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den Nachteilen, die sich einstellen, wenn in nahezu jedem Einzelfall mit Recht darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Maßnahme der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu erstatten sind oder nicht (Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 162 Rn. 13 unter Hinweis auf BGH, B.v. 12.12.2002 – I ZB 29/02 – NJW 2003, 901 Rn. 13).
4. Nach diesen Maßstäben sind im vorliegenden Fall die Anforderungen an die Bejahung eines „hinreichenden Grunds“ für die Mandatierung eines bestimmten, nicht im Gerichtsbezirk des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts, erfüllt.
4.1. Hinsichtlich der „Spezialkenntnisse“ des Rechtsanwalts, dessen Kanzlei vorliegend mandatiert ist, hat das Verwaltungsgericht dem Bevollmächtigten des Klägers insoweit zugestimmt, als dieser das Umweltinformationsrecht als „Nischenmaterie“ bezeichnet hat; auf die vom Bevollmächtigten – auf Anfrage der Kostenbeamtin – betonte eigene herausragende Expertise und praktische Erfahrung auf diesem Gebiet (Rechtsanwalt Dr. G* … als Mitarbeiter am Kommentar zum SächsUIG, als Verfasser verschiedener Publikationen zum Umweltinformationsrecht sowie als Referent von Vorträgen zu diesem Rechtsgebiet) ist es nicht näher eingegangen. Es hat vielmehr darauf hingewiesen, dass es auch am Sitz des Verwaltungsgerichts Regensburg Rechtsanwälte gebe, die sich speziell mit dieser Materie praktisch und in Veröffentlichungen beschäftigten. Dies mag zutreffen. Damit ist aber keine Aussage darüber verbunden, ob aus der ex-ante-Sicht eines Klägers, der mit einem Rechtsstreit auf dem Gebiet des Umweltinformationsrechts konfrontiert ist und mit den ihm verfügbaren Mitteln nach einem „geeigneten“ Rechtsanwalt sucht, die Beauftragung eines solchen Rechtsanwalts vorzugswürdig ist, für dessen Sachkenntnis seine Mitwirkung an einem einschlägigen Gesetzeskommentar spricht, die ihn gegenüber anderen spezialisierten Rechtsanwälten hervorhebt.
4.2. In Bezug auf ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant, das nach allgemeiner Meinung einen hinreichenden Grund für die Auswahl eines auswärtigen Rechtsanwalts begründen kann (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2015 – 4 M 15.1062 – juris Rn. 12/13), hatte vorliegend der Rechtsanwalt des Klägers vorgetragen, dass seine Kanzlei vom Kläger in mehreren Rechtsstreitigkeiten, die teilweise auch einen Bezug zum hier zu beurteilenden Verfahren hätten, mandatiert sei. So vertrete er den Kläger auch in einem Normenkontrollverfahren gegen denselben Beklagten vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Die Kanzlei sie in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gewissermaßen die „Hauskanzlei“ des Klägers. Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber ausgeführt, es bestehe nach Aktenlage nur ein „übliches Mandantenverhältnis“, kein vom Regelfall abweichendes besonderes Vertrauen. Dass sich der Klägerbevollmächtigte schon vor der Klageerhebung ungewöhnlich für die Belange des Klägers eingesetzt habe oder die Kanzlei den Kläger beständig vertrete, sei nicht erkennbar; vielmehr habe sich der Kläger in verschiedenen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Regensburg von verschiedenen Anwaltskanzleien vertreten lassen. Allein daraus, dass der Bevollmächtigte den Kläger auch in einem Normenkontrollverfahren gegen denselben Beklagten vertrete, lasse sich ein besonderes Vertrauensverhältnis nicht ableiten.
Bezüglich der vom Verwaltungsgericht erwähnten anderen, vom Kläger vor demselben Gericht geführten Rechtsstreitigkeiten hat der Klägerbevollmächtigte in der Beschwerdebegründung – unwidersprochen – angegeben, diese Verfahren lägen schon wesentlich weiter zurück und hätten auch nichts mit dem Umweltinformationsrecht zu tun gehabt. Der Kläger habe die ca. 350 km von Regensburg entfernte Rechtsanwaltskanzlei – außer aufgrund ihrer besonderen Expertise – auch deswegen mandatiert, weil sie sein Vertrauen aufgrund mehrerer anderer, teilweise auch einen Bezug zur Umweltinformationsklage aufweisender, Mandate (u.a. in dem derzeit gegen denselben Beklagten geführten Normenkontrollverfahren – 4 N 15.1685 -, das seit August 2015 anhängig ist) genieße.
Dies hat nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs – zusammen mit der genannten Qualifikation der Kanzlei – hinreichend Gewicht, um aus der objektiven Sicht eines „verständigen Beteiligten, der weder besonders ängstlich noch besonders sorglos ist“ (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 162 Rn. 11), die Beauftragung derjenigen Kanzlei als „zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig“ anzusehen, die bereits zwar nicht in allen, aber in einigen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten für den Kläger tätig war und aktuell tätig ist. Soweit das Verwaltungsgericht bemängelt, dass die Kanzlei nicht erkennbar vor Klageerhebung „erheblich und über das gewöhnliche Maß hinaus“ für den Kläger tätig gewesen sei und ihn „fortlaufend und immer wieder“ vertrete (Beschluss vom 26.6.2017, S. 4 unten), ist darauf zu hinzuweisen, dass für die meisten Privatleute bereits eine einmal in ihrem Leben geführte gerichtliche Auseinandersetzung ungewöhnlich ist und dass auch nur wenige Menschen sich objektiv in einer Situation befinden, dass sie einen „Haus- und Hofanwalt“ für erforderlich halten können, der sie in Rechtsstreitigkeiten „immer wieder“ vertritt.
5. Lediglich ergänzend ist anzuführen, dass ein verständiger Beteiligter in einem gerichtlichen Rechtsstreit nicht „zu seinem Vergnügen“ Kostenfaktoren schaffen, sondern bedenken wird, dass er – von großen Ausnahmen abgesehen – im Prozess auch unterliegen könnte mit der Folge, dass er auf unnötig verursachten Kosten “sitzen bliebe“; zu solchen Kosten zählen übrigens nicht nur die – im Obsiegens-Fall – auf den Unterlegenen abwälzbaren Kosten, sondern auch solcher Mehraufwand, der infolge eines vom Wohnort des Klägers weit entfernten Kanzleisitzes z.B. für persönliche, nicht per Telefon oder auf ähnliche Weise zu führende Besprechungen zwischen Mandant und Rechtsanwalt entstehen kann. Schon dies wird einen Rechtsuchenden regelmäßig davon abhalten, ohne vernünftigen Grund einen auswärtigen Rechtsanwalt zu beauftragen.
Kostenpositionen in der Abrechnung des Klägeranwalts, die aus andern Gründen als dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Gesichtspunkt des „auswärtigen Rechtsanwalts“ nicht hätten anerkannt werden dürfen, sind nicht ersichtlich. Die erstattungsfähigen Kosten des Klägers waren deshalb antragsgemäß festzusetzen und die entgegenstehenden Beschlüsse des Verwaltungsgerichts zu ändern.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 3 GKG festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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