Verwaltungsrecht

Erteilung der Erlaubnis zur Aufnahme einer Ausbildung für geduldete Ausländer

Aktenzeichen  B 6 K 18.1213

Datum:
10.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45638
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens
3. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrte mit seiner Klage, die die Beteiligten inzwischen in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer.
Der in Bagdad geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger. Nachdem er am 22.01.2016 mit seiner Ehefrau und seinen 2009 und 2012 geborenen zwei Töchtern und seinem 2015 geborenen Sohn ohne Visa erstmals ins Bundesgebiet eingereist war, stellte die Familie am 25.04.2016 Asylanträge und erhielt zur Durchführung der Asylverfahren Aufenthaltsgestattungen.
Mit zusammengefasstem Bescheid vom 07.07.2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte, auf internationalen Schutz und auf die Feststellung von Abschiebungsverboten in vollem Umfang ab, setzte ihnen eine Ausreisefrist von 30 Tagen ab dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens und drohte ihnen, falls sei nicht fristgerecht ausreisten, die Abschiebung in den Irak an. Mit Urteil vom 19.10.2016 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die dagegen gerichteten Klagen ab (B 3 K 16.30996). Den am 28.11.2016 gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19.07.2017 ab (Az. 13a ZB 16.30772). Seit 03.09.2017 ist der Kläger, wie auch die übrigen Mitglieder seiner Familie, vollziehbar ausreisepflichtig.
In der Folgezeit und bis heute erhielt der Kläger, wie auch die übrigen Familienmitglieder, Duldungen. Seine aktuelle Duldung hat eine Laufzeit von drei Monaten und gilt bis 14.08.2019. Auf der Duldungsbescheinigung des Klägers und seiner Kinder ist vermerkt, dass eine Erwerbstätigkeit nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet ist.
Am 16.07.2018 wurde für den Kläger die Erlaubnis für eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer beantragt.
Laut einer Bestätigung der Irakischen Botschaft in Berlin sprach der Kläger dort am 13.08.2018 mit seiner Familie vor und stellte einen Antrag auf Erteilung von neuen Reisepässen, der an die zuständige Stelle im Herkunftsland Irak weitergeleitet wurde.
Mit Bescheid vom 09.11.2018 lehnte die Regierung von … – Zentrale Ausländerbehörde, Dienststelle … (ZAB) den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer bei … in … ab.
Zur Begründung wird ausgeführt, zwar läge der gesetzliche Ausschlussgrund nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vor, weil der Kläger eine Bestätigung über die Beantragung von Reisepässen vorgelegt habe. Allgemeine migrationspolitische Erwägungen, insbesondere die fehlende Bleibeperspektive und die Vermeidung von Fehlanreizen zum Missbrauch des Asylsystems, sowie seine bereits seit 03.09.2017 bestehende Ausreisepflicht ließen die Ermessensentscheidung jedoch zu Ungunsten des Klägers ausfallen.
Mit Telefax vom 27.11.2018 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers Klage erhoben und beantragt, unter Aufhebung des Bescheides den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die begehrte Beschäftigungserlaubnis zu erteilen.
Zur Begründung machen sie geltend, der Beklagte habe sein Ermessen zugunsten des Klägers auszuüben. Insbesondere lägen die Voraussetzungen für ein absolutes Erwerbstätigkeitsverbot gemäß § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vor.
Der Beklagte hat am 25.01.2019 beantragt, die Klage abzuweisen.
Er beruft sich auf die Begründung des Bescheides. Zugleich weist er darauf hin, dass der Kläger am 15.11.2018 der ZAB einen am 14.10.2018 ausgestellten, bis 13.10.2026 gültigen irakischen Reisepass vorgelegt habe.
Am 21.05.2019 teilte der Beklagte mit, es wäre sinnvoll, wenn der Kläger bei der ZAB vorspräche, weil sich aufgrund der neuen Verwaltungsrichtlinien zur Beschäftigungs.- und Ausbildungsgestattung ein positiver Fortgang ergeben könne.
Am 07.06.2019 erteilte die ZAB dem Kläger mit, die Aufnahme einer Ausbildung bei der Firma …, Logistikzentrum … im Zeitraum vom 01.08.2019 bis 31.07.2022 werde genehmigt.
Mit Telefax vom 19.06.2019 gaben die Klägerbevollmächtigten eine Hauptsacheerledigungserklärung ab. Mit Schriftsatz vom 08.07.2019, der am 09.07.2019 bei Gericht einging, übermittelte der Beklagte ebenfalls eine Hauptsacheerledigungserklärung. Er regte an, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Der Kläger habe ursprünglich wegen seiner geringen Bleibeperspektive keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis gehabt. Durch die Änderung der einschlägigen Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration im laufenden Gerichtsverfahren sei dieser Gesichtspunkt jetzt aber nicht mehr zuungunsten des Klägers zu berücksichtigen gewesen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Die Beteiligten haben die Hauptsache mit den am 21.06. bzw. 09.07.2019 bei Gericht eingegangenen Erklärungen für erledigt erklärt. Das Verfahren ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
2. Nach § 161 Abs. 2 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
In der Regel entspricht es der Billigkeit, demjenigen die Kosten zu überbürden, der im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Darüber hinaus ist jedoch auch zu berücksichtigen, inwieweit die Erledigung durch einen Beteiligten herbeigeführt worden ist. Wer sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begibt, dem dürfen ohne nähere Prüfung der Erfolgsaussichten die Kosten auferlegt werden (Rechtsgedanke des § 155 Abs. 2 VwGO). Stets ist jedoch zu prüfen, ob das „Nachgeben“ nicht letztlich auf einem außerhalb des Einflussbereichs der Beteiligten liegenden Ereignis beruht oder durch eine Handlung des Gegners veranlasst ist. In beiden Fällen rechtfertigt allein das Nachgeben die Kostenbelastung nicht. Insbesondere gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, dass der klaglos stellenden Behörde die Verfahrenskosten aufzuerlegen seien, vor allem dann nicht, wenn sie darauf beruht, dass sich das Rechtslage später geändert oder dass der Kläger neues Tatsachenmaterial beigebracht hat. Nur wenn die Behörde trotz im Wesentlichen unveränderter Sach- und Rechtslage erkennbar ihren Rechtsstandpunkt räumt, hat sie die Kosten zu tragen. Gleiches gilt im Fall der Abänderung einer Ermessensentscheidung (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2019, § 162 Rn. 24).
a) Erledigendes Ereignis ist die Erteilung der begehrten Erlaubnis zur Aufnahme einer Ausbildung durch den Beklagten am 07.06.2019.
b) Diese Erledigung hat der Beklagte herbeigeführt, dessen Behörde ihre Rechtsauffassung geändert hat und ihr Ermessen trotz im Wesentlichen unveränderter Sach- und Rechtslage nunmehr zugunsten des Klägers ausgeübt hat.
Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer, der – wie der Kläger – eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit und damit auch die Aufnahme einer Ausbildung nur erlaubt werden, wenn kein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 AufenthG vorliegt und die Bundesagentur für Arbeit dieser Beschäftigung zugestimmt hat oder – wie bei der Ausübung einer Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf – nicht erforderlich ist (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeschV, § 32 Abs. 2 Nr. 2 BeschV).
Von dem darin zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Vorbehalt, eine Ausnahme von dem Beschäftigungsverbot zu machen und die Aufnahme der Ausbildung im Ermessenswege zu erlauben (vgl. dazu Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2019, § 4 AufenthG Rn. 53), hat der Beklagte zunächst keinen Gebrauch gemacht.Im Versagungsbescheid vom 09.11.2018 hat er dabei insbesondere dem Umstand besondere Bedeutung zu Lasten des Klägers beigelegt, dass der Kläger damals schon nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrages mehr als ein Jahr vollziehbar ausreisepflichtig war und ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt nicht zu erwarten war (sog. fehlende Bleibeperspektive; zur Begriffsdefinition vgl. § 44 Abs. 4 Satz 3 AufenthG). Im Bescheid vom 07.06.2019, mit dem er dem Begehren des Klägers im Gegensatz dazu nunmehr entsprochen hat, hat er seine Ermessensentscheidung geändert, weil er nach eigenem Bekunden der fehlenden Bleibeperspektive kein ausschlaggebendes Gewicht mehr beigemessen hat.
Damit hat der Beklagte seinen bisherigen Rechtsstandpunkt aufgegeben, obwohl die Sach- und Rechtslage im Wesentlichen gleichgeblieben ist.
Die Sachlage hat sich insbesondere nicht dadurch entscheidungserheblich geändert, dass der Kläger während des Gerichtsverfahrens am 15.11.2018 einen gültigen irakischen Reisepass vorgelegt hat. Denn der Beklagte hatte es bereits im Bescheid vom 09.11.2018 genügen lassen, dass der Kläger seine Mitwirkung bei der Erfüllung seiner Passpflicht dadurch ausreichend nachgewiesen hat, dass er eine Bestätigung über die Beantragung des Dokuments bei der Irakischen Botschaft vorgelegt hat.
Auch die Rechtslage ist gleichgeblieben. Zwar hat das zuständige Staatsministerium am 04.03.2019 neue Vollzugshinweise erlassen (Az. F3-2081-1-64), aus denen sich – allerdings im Zusammenhang mit der Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen an noch nicht bestandskräftig abgelehnte Asylbewerber – ergibt, dass die Bleibeperspektive nur ein Kriterium sei, das mit anderen negative und positiven Kriterien abzuwägen sei (S.12). Dementsprechend hat die ZAB ihre Verwaltungspraxis geändert und misst der Bleibeperspektive nicht mehr ein solches Gewicht bei wie bisher. Eine Änderung der Verwaltungspraxis bleibt aber Rechtsanwendung und ist keine Änderung der Rechtslage, selbst wenn im Ermessensbereich durch Verwaltungsvorschriften eine Selbstbindung eingetreten ist. Denn die rechtliche Grundlage der Entscheidung ist in diesen Fällen Art. 3 Abs. 1 GG, der durch die Änderung der Voraussetzungen der Selbstbindung nicht berührt wird. Die Verwaltungsvorschriften selbst besitzen demgegenüber keine Rechtsnormqualität, so dass ihre Änderung als solche die Rechtslage unberührt lässt. Insoweit gilt in diesem Zusammenhang nichts Anderes wie im insoweit vergleichbaren Bereich der Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens (zu § 51 VwVfG vgl. BVerwG, B.v.16.02.1993 – 9B241/92 – NVwZ-RR 1994, 119/119; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 97).
3. Die Höhe des auf 5.000 EUR (Auffangstreitwert) festzusetzenden Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2 GKG, § 52 Abs. 2 GKG).


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