Verwaltungsrecht

Fehlender Sachkundenachweis hinsichtlich des Umgangs mit Hunden – Gleichwertigkeitsanerkennung von Lehrgängen

Aktenzeichen  9 ZB 14.2869

Datum:
29.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15277
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 11
TierSchHuV § 3
VwGO§ 86 Abs. 1, § 96 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Gleichwertigkeitsanerkennung der Lehrgänge von Verbänden zum Fachgespräch nach § 11 TierschG aF durch die oberste Landesbehörde erfolgt stets unter der Bedingung, dass bei der Prüfung ein Amtstierarzt beteiligt ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unter der Beteiligung eines Amtstierarztes bei den Prüfungen kann nur die aktive Teilnahme eines Tierarztes gemeint sein. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein abstrakter Vorrang bestimmter Beweismittel vor anderen Beweismitteln lässt sich dem Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach § 96 Abs. 1 VwGO nicht entnehmen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 K 13.977 2014-12-03 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt eine Bescheinigung für den Nachweis ihrer Sachkunde als Betreuungsperson bei der gewerbsmäßigen Hundezucht im Sinn des § 3 TierSchHuV. Das Landratsamt Deggendorf erkannte mit Schreiben vom 19. Februar 2013 die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung der Europäischen- und Deutschen Kynologischen Union e.V. Ingolstadt (ab hier: EKU) vom 11. Oktober 2012 als Nachweis der nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG a.F. erforderlichen theoretischen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin an. Wegen des fehlenden Nachweises der entsprechenden praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten könne die Klägerin aber derzeit nicht als Betreuungsperson im Sinne des § 3 TierSchHuV anerkannt werden. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Klägerin auf Anerkennung als Betreuerin i.S.d. § 3 TierSchHuV mit Urteil vom 3. Dezember 2014 ab. Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass es nach wie vor an einem wirksamen Nachweis der ausreichenden Fähigkeiten der Klägerin im praktischen Umgang mit Hunden fehlt. Nach seinen Feststellungen hat die Klägerin zwar am 8. Oktober 2012 eine entsprechende praktische Prüfung abgelegt. Diese Prüfung wurde aber – ohne die erforderliche Beteiligung eines beamteten Tierarztes – nur von dem Vizepräsidenten der EKU, Herrn M…, durchgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass die Klägerin mangels entsprechender Ausbildung und mangels beruflichen Umgangs mit Tieren das Vorliegen der entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten in einem Fachgespräch nachzuweisen hat, sofern dieser Nachweis nicht durch eine von der obersten Landesbehörde als gleichwertig anerkannte Sachprüfung ersetzt werden kann (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG a.F.), wird dies im Zulassungsvorbringen nicht in Zweifel gezogen.
a) Entgegen dem Zulassungsvorbringen kann nicht davon ausgegangen werden, dass das als gleichwertig anerkannte Züchterseminar der EKU mit Prüfung das Fachgespräch insgesamt unabhängig davon ersetzt, ob eine praktische Prüfung stattgefunden hat oder nicht. Zwar hat das Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz mit Schreiben vom 1. September 2008 das Züchterseminar der EKU „aufgrund der vorgelegten Schulungsunterlagen und unter der Voraussetzung, dass bei den Prüfungen jeweils ein Amtstierarzt beteiligt wird“, als gleichwertig zum Fachgespräch nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG a.F. für das gewerbsmäßige Züchten von Hunden in Bayern anerkannt. Dem Wortlaut dieses Schreibens lässt sich auch eine Beschränkung der Anerkennung auf den theoretischen Prüfungsteil nicht ausdrücklich entnehmen. Wie sich allerdings aus dem Schreiben des Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vom 16. September 2014 (Bl. 274 f. der Verwaltungsgerichtsakten) ergibt, erfolgt eine Gleichwertigkeitsanerkennung der Lehrgänge von Verbänden zum Fachgespräch nach § 11 TierSchG a.F. durch die oberste Landesbehörde in Bayern stets unter der Bedingung, dass bei der Prüfung ein Amtstierarzt beteiligt ist. Damit habe die EKU zwar auch die Möglichkeit, zusammen mit einem Amtstierarzt praktische Prüfungen durchzuführen. Von dieser Möglichkeit sei aber kein Gebrauch gemacht worden. Das Veterinäramt Ingolstadt, das bei den Abschlussprüfungen der Lehrgänge der EKU jeweils mitwirke und auf der Lehrgangsbescheinigung unterschreibe, habe darauf hingewiesen, dass in Ingolstadt nur eine theoretische Prüfung stattfinden könne. Die Vertreterin des Veterinäramts Ingolstadt, Frau Dr. K…, hat bei ihrer Einvernahme durch das Verwaltungsgericht in dessen mündlicher Verhandlung bestätigt, dass sie bei der mündlichen Prüfung jeweils anwesend ist und diese auch durchführt. Auch aus dem Schreiben des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 5. Mai 2014 (Bl. 164 f. der Verwaltungsgerichtsakten) kann entnommen werden, dass sich diese Anerkennung nur auf das von der EKU angebotene, mit einer mündlichen und schriftlichen Prüfung abgeschlossene Züchterseminar und damit auf den theoretischen Teil des Fachgesprächs bezieht. Dort wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Überprüfung der praktischen Kenntnisse der Seminarteilnehmer im Rahmen dieses Züchterseminars grundsätzlich nicht möglich sei. Vielmehr müsse dieser Prüfungsteil durch einen Vertreter der Veterinärbehörde bzw. im Beisein eines solchen Vertreters abgenommen werden (vgl. auch Nr. 12.2.2.4 i.V.m. Nr. 12.2.2.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes [AVV] vom 9.2.2000 [BANz.Nr. 36a vom 22.2.2000]). Dementsprechend wird in der Bescheinigung der EKU vom 11. Oktober 2012 für die Klägerin nur bestätigt, dass das Fachgespräch eine schriftliche und mündliche Prüfung beinhaltet und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass praktische Fachkenntnisse nicht überprüft werden. Sonstige Gründe dafür, dass eine praktische Prüfung zum Nachweis der nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG a.F. erforderlichen Sachkunde, insbesondere von ausreichenden Fähigkeiten im Umgang mit Hunden (vgl. Nr. 12.2.2.3 AVV), hier nicht erforderlich war, lassen sich dem Zulassungsvorbingen nicht entnehmen (vgl. auch OVG Lüneburg, B.v. 30.3.2010 – 11 LA 246/09 – juris Rn. 11). Nach dem Schreiben der Stadt Ingolstadt vom 14. Februar 2013 (Bl. 31 der Verwaltungsakten) hat die Klägerin den praktischen Teil der Sachkundeprüfung „Hundezucht“ in Ingolstadt vom 6. Februar 2013 nicht bestanden.
b) Entgegen dem Zulassungsvorbringen war die am 8. Oktober 2012 seitens der Klägerin absolvierte praktische Prüfung als Bestandteil des Nachweises der erforderlichen Sachkunde der Klägerin nicht verwendbar. Nach der Bestätigung des Vizepräsidenten der EKU, Herrn M…, vom 26. Juni 2014, erfolgte die Prüfung „im Einverständnis“ mit dem zuständigen Veterinärarzt. Eine nach der oben genannten Anerkennung der Gleichwertigkeit des Züchterseminars der EKU vom 1. September 2008 vom Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz erforderliche Beteiligung des Veterinärarztes an dieser Prüfung lässt sich daraus aber nicht ableiten. Zum einen hat das Verwaltungsgericht insoweit darauf verwiesen, dass sich aus den Ausführungen des Zeugen Dr. V… in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine Absprache hinsichtlich der praktischen Prüfung oder gar ein Einverständnis mit der Durchführung der praktischen Prüfung durch Herrn M… nicht ergeben habe. Zum andern konnte für die EKU nach dem objektiven Erklärungsinhalt der Gleichwertigkeitsanerkennung vom 1. September 2008, wie sie die EKU nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der für sie erkennbaren Umstände verstehen musste (vgl. BVerwG, B.v. 23.1.2018 – 8 B 29/17 – juris Rn. 7 m.w.N.), nicht zweifelhaft sein, dass unter der dort geforderten Beteiligung eines Amtstierarztes bei den Prüfungen nur die aktive Teilnahme dieses Tierarztes gemeint sein kann (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 27.1.2016 – 11 ME 249/15 – juris Rn. 9; s. auch Nr. 12.2.2.3 AVV). Dementsprechend hat auf der Bescheinigung der EKU für die Klägerin über deren erfolgreiche Teilnahme am Seminar für gewerbliche Züchter aller Hunderassen vom 11. Oktober 2012 die Amtstierärztin Dr. K… des Veterinäramts Ingolstadt, das bei den Abschlussprüfungen und Lehrgängen der EKU nach dem Schreiben des Staatsministeriums für Umwelt und Umweltverbraucherschutz vom 16. September 2014 jeweils mitwirkt, unterschrieben.
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich nach den obigen Ausführungen ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären.
3. Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Soweit die Klägerin die fehlende Einvernahme des Zeugen L… J. W…, des Präsidenten der EKU, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht rügt, wird bereits nicht dargelegt, inwieweit dessen Einvernahme – über seine schriftliche Zeugenaussage vom 16. November 2014 (vgl. § 98 VwGO i.V.m. § 377 Abs. 3 ZPO) hinaus – unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Erstgerichts zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7), zumal der Zeuge nach seinen Bekundungen für die Belange der Seminare und Prüfungen der falsche Ansprechpartner war, weil diese in den Verantwortungsbereich des Vizepräsidenten der EKU, Herrn M…, fallen und das Verwaltungsgericht über den Ablauf der von der Klägerin im Oktober 2012 absolvierten Prüfung die Zeugin Dr. K… vom Veterinäramt Ingolstadt vernommen hat, die an dieser Prüfung beteiligt war.
Gleiches gilt für die gerügte fehlende Einvernahme des Zeugen M…, weil nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts das von diesem Zeugen behauptete Einverständnis des zuständigen Veterinärarztes Dr. V… mit der Durchführung der mündlichen Prüfung durch Herrn M… nicht für die in der Gleichwertigkeitsanerkennung geforderte Beteiligung eines Amtstierarztes an der Prüfung ausreichend gewesen wäre. Im Übrigen konnte das Gericht von einer Vernehmung des Zeugen M… absehen, weil dieser Zeuge nach dem von ihm vorgelegten Attest des Klinikums Schwabing vom 17. November 2014 auf nicht absehbare Zeit mit zumutbarem Aufwand für das Verwaltungsgericht erreichbar war (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO in entsprechender Anwendung). Ein abstrakter Vorrang bestimmter – etwa unmittelbarer oder „sachnäherer“ – Beweismittel vor anderen – mittelbaren oder weniger „sachnäheren“ – Beweismitteln lässt sich dem Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach § 96 Abs. 1 VwGO nicht entnehmen. Auch der Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO verpflichtet das Gericht nur, alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Aufklärungsmöglichkeiten bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu nutzen (vgl. BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 28/10 – juris Rn. 16 ff., 24 ff).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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