Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei offensichtlicher Unzulässigkeit der Hauptsacheklage

Aktenzeichen  AN 9 S 19.00941

Datum:
25.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10441
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG Art. 21a
VwGO § 60, § 74 Abs. 1 S. 2, § 80 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5

 

Leitsatz

Eine Klagefrist ist schuldhaft versäumt, wenn feststeht, dass der Antragsteller in einem Telefonat mit der Behörde auf die Bestandskraft des angefochtenen Bescheids hingewiesen wird und selbst in einer E-Mail davon ausgeht, dass die Klagefrist abgelaufen ist, ohne binnen zwei Wochen die versäumte Handlung nachzuholen. (Rn. 33 – 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Festsetzung einer Nachfrist für die Fertigstellung von Lärmschutzwänden und eine Zwangsgeldandrohung.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2013 (Az. …) wurde der Antragstellerin auf dem Anwesen … in …, FlNr. …, Gemarkung …, die Genehmigung für das Bauvorhaben „Errichtung eine mechanisierten Zustellbasis mit Büro und Sozialbereich“ erteilt. Die Nutzung wurde am 30. September 2013 aufgenommen. Die Nachbarn erhoben gegen diese Baugenehmigung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach Klage. Mit Urteil vom 21. Mai 2014 (AN 9 K 13.00896, AN 9 K 13.00895) wurde den Klagen stattgegeben und die Baugenehmigung aufgehoben. Der Antrag auf Zulassung der Berufung der Antragstellerin wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs München am 23. Februar 2017 abgelehnt (9 ZB 14.1914, 9 ZB 14.1915).
Mit unanfechtbarem Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Februar 2018 wurde der Antragstellerin auf ihren Antrag hin auf dem oben genannten Grundstück das Bauvorhaben „Errichtung einer mechanisierten Postzustellbasis mit Büro, Sozialbereich und Lärmschutzwänden“ genehmigt und in den Auflagen 4 und 20 Folgendes angeordnet:
„4. Die neu geplanten Lärmschutzwände sind aufgrund der bereits erfolgten Nutzungsaufnahme innerhalb von 6 Monaten ab Rechtskraft dieses Genehmigungsbescheides fertig zu stellen.

20. Auf dem Betriebsgrundstück sind zwei Lärmschutzwände zu errichten und dauerhaft zu unterhalten. Die Lage und Dimensionierung der beiden Lärmschutzwände muss genau der Darstellung und den Maßangaben der Nr. 3.5 der Ergänzung zur schalltechnischen Untersuchung vom 04.08.2017 entsprechen (s. dort rote Linien, bezeichnet mit „LS-Wand 3,0 m“ und „LS-Wand 5,50 m“). Die Lärmschutzwände sind beidseitig hoch absorbierend auszubilden.
Es ist der Absorptionsgrad A04 gem. ZTV-Lsw 06 nachzuweisen. Dem Nachweis sind die Anforderungen der DIN EN ISO 354:2003-12 (Akustik – Messung der Schallabsorption in Hallräumen) zugrunde zu legen.“
Mit unanfechtbarem Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. September 2018 (Az. …), zugestellt der Antragstellerin am 18. September 2018, wurde eine Nachfrist von zwei Monaten ab Zustellung dieses Bescheides zur Erfüllung der Auflagen 4 und 20 des Genehmigungsbescheides vom 8. Februar 2018 festgesetzt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Bei einer Ortseinsicht am 6. März 2019 wurde von der Beklagten festgestellt, dass die Anordnungen noch nicht erfüllt waren.
Die Antragsgegnerin erließ am 13. März 2019 für das oben genannte Bauvorhaben auf der FlNr. …, Gemarkung …, folgenden Bescheid:
„1. Zur Erfüllung der Auflage 20 (Fertigstellung der Lärmschutzwände) des unanfechtbaren Genehmigungsbescheides vom 08.02.2018, Az: …, wird eine Nachfrist von einem Monat ab Zustellung dieses Bescheides bestimmt.
2. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist wird ein Zwangsgeld in Höhe von
15.000 EUR
angedroht.
Dieser Betrag wird nach ungenutztem Ablauf der in der Nummer 1 gestellten Frist zur Zahlung fällig, ohne dass es eines weiteren Verwaltungsaktes bedarf. Zur Zahlung ist die Firma … … GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn … …, verpflichtet.
3. Die Nummer 1 dieses Bescheides in Verbindung mit der unter Nummer 2 ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar.“
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, der Baubeginn sei bereits vor Erlass des unanfechtbaren Genehmigungsbescheides vom 8. Februar 2018 erfolgt. Die im Genehmigungsbescheid gesetzte Frist sei verstrichen, ohne dass die beiden Lärmschutzwände errichtet und somit die Auflagen erfüllt worden seien. Mit unanfechtbarem Bescheid vom 13. September 2018 sei der Antragstellerin eine Nachfrist von zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides zur Erfüllung der Auflagen 4 und 20 des Genehmigungsbescheides festgesetzt worden. Der Bescheid sei am 19. September 2018 zugestellt worden, sodass die Frist zur Erfüllung der Auflagen mit Ablauf des 19. November 2018 geendet habe, Art. 31, 41 BayVwVfG, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.
Am 19. September 2018 sei eine Fristverlängerung beantragt worden, die mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 5. Oktober 2018 bis zum 8. Februar 2019 gewährt worden sei. Letztmalig sei mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 12. Februar 2019 eine erneut beantragte Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2019 gewährt worden. Eine Ortseinsicht durch den Außendienst der Bauordnungsbehörde am 6. März 2019 habe ergeben, dass die Lärmschutzwände noch nicht fertiggestellt worden seien.
Die Antragsgegnerin habe nach Art. 54 Abs. 2 BayBO die Verpflichtung, darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften ergangenen Anordnungen eingehalten werden. Das angedrohte Zwangsgeld stehe in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck, Art. 18 ff. BayVwZVG. Das unter der Nr. 4 des unanfechtbaren Bescheides vom 13. September 2018 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR sei zur Zahlung fällig.
Am 24. April 2019 erließ die Antragsgegnerin für das oben genannte Vorhaben einen Bescheid, dass zur Erfüllung der Anordnung Nr. 1 (Vorlage der Bescheinigung Brandschutz II) des unanfechtbaren Bescheides vom 16. April 2018 eine Nachfrist von einem Monat (Ziffer 1) und zur Erfüllung der Auflage Ziffer 20 (Fertigstellung der Lärmschutzwände) des unanfechtbaren Genehmigungsbescheides vom 8. Februar 2018 eine Nachfrist von einem Monat bestimmt werde (Ziffer 2). Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist wurde ein Zwangsgeld von insgesamt 26.000,00 EUR angedroht, wobei sich das Zwangsgeld aufgliedert für die Anordnung Nr. 1 in Höhe von 6.000,00 EUR und für die Anordnung Nr. 2 in Höhe von 20.000,00 EUR. In der Ziffer 5 dieses Bescheides wurden die Nrn. 1 und 2 für sofort vollziehbar erklärt.
Hiergegen erhob die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach Klage und beantragte, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen (AN 9 K 19.01034, AN 9 S 19.01033).
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 9. Mai 2019 erhob die Antragstellerin Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. März 2019 und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Darüber hinaus beantragte die Antragstellerin:
Die aufschiebende Wirkung wird angeordnet.
Zur Begründung ließ die Antragstellerin unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Abteilung Recht, Herrn … …, ausführen, der Bescheid vom 13. März 2019 sei am 18. März 2019 zugestellt worden. Am 19. März 2019 habe Herr … mit einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin, Frau …, fernmündlich Kontakt aufgenommen. In diesem Telefonat habe Frau … bestätigt, dass sich der Bescheid erledigt habe und keinerlei Zwangsgelder geleistet werden müssten, da die Auflage der Fertigstellung der Lärmschutzwände erfüllt sei. Insofern sei die Antragstellerin davon ausgegangen, dass die Angelegenheit erledigt sei und habe aufgrund der mündlichen Zusicherung der Antragsgegnerin auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet. Am 26. April 2019 habe die Antragstellerin den Bescheid vom 24. April 2019 erhalten. Auf telefonische Nachfrage habe die Antragstellerin die Auskunft erhalten, die Auflagen seien nicht vollständig erfüllt und sämtliche Bescheide hätten weiterhin Bestand. Unter den vorstehenden Bedingungen sei der Antragstellerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie habe aufgrund der fernmündlich abgegebenen Zusicherung, die Bescheide hätten sich erledigt, auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet. Erst aufgrund des Bescheides vom 24. April 2019 habe die Antragstellerin Kenntnis erlangt, dass die Antragsgegnerin offensichtlich nicht gewillt sei, sich an die Zusicherung gebunden zu sehen.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. März 2019 sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Die Klageerhebung erfolge fristwahrend. Ob und warum die Lärmschutzwände nicht plankonform errichtet worden seien, bedürfe weiterer Aufklärung. Sollten geringfügige Planabweichungen tatsächlich vorhanden seien, sei die Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes dem Grunde und erst recht der Höhe nach völlig unverhältnismäßig.
Zudem könnte sich der Grundverwaltungsakt bereits erledigt haben. Sollte die Antragstellerin ihrer Handlungsverpflichtung nachgekommen sein, so habe sich der Grundverwaltungsakt erledigt und die Festsetzung von Zwangsgeldern sei nicht mehr zulässig. Aber auch wenn die geforderte Lärmschutzwand geringfügig bezüglich der Länge von der Planung abweiche, stelle sich die Zwangsgeldandrohung als unverhältnismäßig dar.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 27. Mai 2019:
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, der Außendienst der Bauordnungsbehörde habe festgestellt, dass der auferlegten Verpflichtung aus den Auflagen Ziffern 4 und 20 aus dem Bescheid vom 8. Februar 2018 (Az. …) für das oben genannte Vorhaben innerhalb der Frist von sechs Monaten ab Rechtskraft des Genehmigungsbescheides nicht nachgekommen worden sei. Mit unanfechtbarem Bescheid vom 13. September 2018 (Az. …) sei zur Erfüllung der Auflagen aus dem Genehmigungsbescheid vom 8. Februar 2018 eine Nachfrist von zwei Monaten ab Zustellung dieses Bescheides festgesetzt worden. Mit E-Mail vom 19. September 2018 sei eine Fristverlängerung für die Erfüllung der Auflagen beantragt worden, die am 5. Oktober 2018 bis zum 8. Februar 2019 gewährt worden sei. Letztmalig sei die Frist am 12. Februar 2019 bis zum 28. Februar 2019 gewährt worden.
Eine Ortseinsicht der Bauordnungsbehörde am 6. März 2019 habe ergeben, dass die Lärmschutzwände noch nicht fertiggestellt worden seien. Die gesetzte Frist sei verstrichen, ohne dass die mit der Auflage 20 geforderten Lärmschutzwände errichtet worden seien. Zunächst habe die Ortseinsicht am 18. März 2019 ergeben, dass die geforderte Lärmschutzwand errichtet worden sei, sodass der Vermerk vom 18. März 2019 zur Absetzung des festgesetzten Zwangsgeldes entstanden sei. Als der Vermerk für die Zwangsgeldausbuchung durch die zuständige Mitarbeiterin der Bauordnungsbehörde gefertigt worden sei, habe Herr … …, Geschäftsführer der Antragstellerin, angerufen und erklärt, die Lärmschutzwand sei errichtet und habe sich erkundigt, was mit dem festgesetzten Zwangsgeld geschehe. Die Mitarbeiterin habe mitgeteilt, dass das Zwangsgeld abgesetzt werden würde. Von einer Aufhebung des Bescheides sei nicht gesprochen worden. Anlässlich der Zwangsgeldausbuchung habe erneut geprüft werden sollen, ob die Forderungen aus der Auflage tatsächlich vollständig erfüllt worden seien. Daher habe am 21. März 2019 eine Ortseinsicht der Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin stattgefunden, bei der ersichtlich geworden sei, dass die Lärmschutzwand zwar errichtet, jedoch nicht plankonform, sondern zu kurz ausgeführt sei.
Am 25. März 2019 sei Herr … telefonisch unterrichtet worden, dass 4 m der Lärmschutzwand fehlten und sie daher nicht plankonform errichtet worden sei. Die Forderung sei nicht vollständig erfüllt worden, eine Absetzung des Zwangsgeldes könne nicht erfolgen. Das Zwangsgeld sei fällig geworden.
Am 23. April 2019 habe Herr … per E-Mail sich an das Kassen- und Steueramt der Antragsgegnerin gewandt, erneut auf die Aussage vom 19. März 2019 Bezug genommen und um Bestätigung gebeten, dass Vollstreckungsmaßnahmen nicht folgen würden. Per E-Mail vom 24. April 2019 sei daraufhin geantwortet worden, die Forderung sei nicht vollständig erfüllt und dies sei erst nach der Aussage vom 19. März 2019 über die Zwangsgeldausbuchung ersichtlich geworden. Es sei der Antragstellerin auch erläutert worden, dass sie über die unvollständige Auflagenerfüllung bereits unterrichtet worden sei, dass die Lärmschutzwand nicht plankonformen errichtet worden sei und ein neuer Bescheid erlassen werde.
Sowohl die Klage als auch der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen den Bescheid vom 13. März 2019 seien unzulässig. Der Bescheid sei am 18. März 2019 zugestellt und somit bekannt gegeben worden, die Klagefrist habe am 19. März 2019, 0:00 Uhr, so laufen begonnen und am 18. April 2019, 24:00 Uhr, geendet, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Erst am 9. Mai 2019 sei die Klage verbunden mit dem Eilantrag erhoben worden. Ein Grund zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liege nicht vor, da die Antragstellerin rechtzeitig vor Ablauf der Klagefrist informiert worden sei, dass die Lärmschutzwände nicht plankonform errichtet worden seien. Die Antragstellerin hätte somit erkennen können, dass die Forderung weiterhin bestehe und hätte Klage erheben können.
Bei dem Ortstermin am 18. März 2019 sei zunächst nicht ersichtlich gewesen, dass die Lärmschutzwand zu kurz errichtet worden sei. Auf diesen Sachverhalt stützte sich die Aussage am 19. März 2019 über die Ausbuchung des Zwangsgeldes. Eine Zusicherung nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sei mangels Schrifterfordernis nicht getroffen worden. Nach der telefonischen Information habe sich der Sachverhalt derart geändert, dass die Bauordnungsbehörde gemäß Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG auch an eine schriftlich getroffene Zusicherung nicht mehr gebunden gewesen wäre, da die Aussage nicht getroffen worden wäre, wäre zum Zeitpunkt des Telefonats bereits bekannt gewesen, dass die Lärmschutzwand nicht plankonform ausgeführt worden sei. Daher sei das Zwangsgeld weiterhin fällig. Herr … sei hierüber informiert worden.
Nach Art. 37 Abs. 4 Satz 1 BayVwZVG sei die Vollstreckungsbehörde zur Einstellung der Zwangsmittelanwendung verpflichtet, wenn der Pflichtige seiner Verpflichtung tatsächlich nachgekommen sei, wobei bloße Erklärungen nicht ausreichten. Die Auflage sei vorliegend nicht vollständig und plankonform erfüllt worden, da ca. 4 m der geforderten Lärmschutzwand nicht errichtet gewesen seien. Die Aussage, die Antragstellerin habe die Errichtung beauftragt, reiche nicht aus. Seitens der Bauordnungsbehörde sei weder der Verzicht auf die plankonforme Erfüllung der Auflage erklärt worden noch sei per Roteintrag auf den Plänen auf die fehlenden 4 m Lärmschutzwand verzichtet worden. Das Zwangsgeld sei zu Recht festgesetzt worden. Nach Art. 31 BayVwZVG könne die Behörde den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten, wenn die Pflicht seiner Handlung nicht oder nicht vollständig erfüllt worden sei. Dies sei vorliegend der Fall. Die Höhe des Zwangsgeldes richte sich nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG nach den ungefähr geschätzten Kosten der noch zu erledigenden Tätigkeiten. Die Kosten für die Errichtung der Lärmschutzwände lägen ungefähr im Bereich des festgesetzten Zwangsgeldes, sodass die Höhe des Zwangsgeldes verhältnismäßig sei.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin teilte am 18. Juni 2019 mit, der Antragstellerin seien offensichtlich von verschiedenen Mitarbeitern der Antragsgegnerin unterschiedliche Mitteilungen gemacht worden. Herrn … … sei seitens eines Herrn … mitgeteilt worden, dass der Vorgang zunächst an den Amtsleiter weitergegeben werden solle. Diesbezüglich werde auf die E-Mail vom 24. April 2019 verwiesen. Insofern sei auf eine weitere Nachricht gewartet worden. Daraufhin sei der Bescheid vom 24. April 2019 ergangen. In der Sache habe der zuständige Mitarbeiter mitgeteilt, die Lärmschutzwand sei plangemäß erstellt worden. Warum sich die Antragsgegnerin auf den Standpunkt stelle, diese wäre zu kurz, sei für die Antragstellerin nicht nachvollziehbar.
Am 18. Februar 2020 teilte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit, dass er diese nicht mehr vertrete.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie auf die Gerichtsakten (AN 9 K 19.00942, AN 9 S 19.01033 und AN 9 K 19.01034) verwiesen.
II.
Nach der sach- und interessensgerechten Auslegung (§§ 86, 88 VwGO) des Rechtsschutzantrages begehrt die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, soweit deren Suspensiveffekt durch die gemäß Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbare Androhung von Verwaltungszwang außer Kraft gesetzt wurde, § 80 Abs. 5 und 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Wie jedes gerichtliche Verfahren erfordert auch die Zulässigkeit des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO das Vorliegen des allgemeinen Rechtsschutzinteresses. Dies ist dann nicht gegeben, wenn kein Bedürfnis für die Anrufung des Gerichts besteht. Das Rechtsschutzbedürfnis des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt folglich in den Fällen, in der die in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig ist (Eyermann, VwGO, 2019, § 80 Rn. 82, 83; BeckOK VwGO, Posser/Wolff, 2019, § 80 Rn. 163-164).
Dies ist vorliegend der Fall, da die ebenfalls am 9. Mai 2020 erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. März 2019 offensichtlich unzulässig ist.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 13. März 2019 ist bestandskräftig geworden, da die Antragstellerin nicht innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO Klage erhoben hat.
Der Bescheid der Antragsgegnerin ist mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung:versehen, die der Antragstellerin auf die Möglichkeit der Erhebung der Klage als einzig statthaften Rechtsbehelf hinwies. Dieser Bescheid ist der Antragstellerin unstrittig und ausweislich der vorgelegten Behördenakte mittels Postzustellungsurkunde am 18. März 2019 zugestellt worden, so dass die Klagefrist gem. § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO am 18. April 2019 um 24:00 Uhr abgelaufen ist, § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 BGB. Die erst am 9. Mai 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangene Klage wurde daher verspätet erhoben.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist ist der Antragstellerin nicht zu gewähren, da Wiedereinsetzungsgründe nicht glaubhaft gemacht wurden.
Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO ist der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Hierfür müssen vollständig alle Tatsachen angegeben werden, durch welche Umstände und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist und wann das für die Versäumung ursächliche Hindernis weggefallen ist (Schoch, Schneider, Bier, VwGO, 2019, § 60 Rn. 58-61). Für das Verschulden kommt es darauf an, ob der Beteiligte diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalles auch zumutbar war. Auch Fahrlässigkeit schließt eine Wiedereinsetzung aus. Es kommt darauf an, ob dem Betroffenen nach den gesamten Umständen des Falles ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er die Frist versäumt hat bzw. nicht alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um das Hindernis baldmöglichst wegfallen zu lassen (Kopp/Schenke, VwGO, 2019, § 60 Rdnr. 9).
Die Antragstellerin hat schuldhaft, die einmonatige Klagefrist versäumt.
Nachweislich der Behördenakten und dem Vortrag der Antragsgegnerin – von der Antragstellerin unbestritten – wurde sie in dem Telefonat vom 25. März 2019 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass entsprechend des bestandskräftigen Bescheides vom 8. Februar 2018 noch 4 m der fertigzustellenden Lärmschutzwände fehlten und diese daher nicht plankonform fertiggestellt worden seien. Dies ergibt sich auch aus der E-Mail des Geschäftsführers der Antragstellerin vom 25. März 2019 an die Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin, worin dieser explizit mitteilte, dass „das fehlende Element von 4 m an der Schallschutzwand kurzfristig nachgeliefert und eingesetzt“ werde. Nach den gesamten Umständen durfte die Antragstellerin nach dem Telefonat vom 25. März 2019 nicht mehr davon ausgehen, dass das Zwangsgeld nicht festgesetzt werden würde, geschweige denn der Bescheid aufgehoben werde. Die Antragstellerin hat damit schuldhaft gehandelt, indem sie nicht – zumindest fristwahrend – Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhoben hat.
Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin hat sie damit nicht erst durch den Bescheid vom 24. April 2019 Kenntnis von der nicht vollständigen Erfüllung der Auflagen gehabt. Aufgrund dessen kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob es sich in dem Telefonat vom 19. März 2020 um eine Zusicherung gehandelt hat.
Die Antragstellerin hatte nach dem Telefonat vom 25. März 2019 auch noch ausreichend Zeit, die Klage vorzubereiten und zu erheben, nachdem die einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erst am 18. April 2019, und damit über drei Wochen später, abgelaufen ist.
Dieser rechtlichen Würdigung steht die Versicherung an Eides statt des Geschäftsführers der Antragstellerin vom 9. Mai 2020 nicht entgegen. Dieser versicherte lediglich an Eides statt (§ 294 ZPO), dass in dem Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin diese mitgeteilt habe, der Bescheid der Antragsgegnerin habe sich erledigt und insofern seien auch keine Zwangsgelder zu bezahlen. Daraufhin habe es für die Antragstellerin keine Veranlassung gegeben, die Angelegenheit weiterzuverfolgen und Rechtsmittel einzulegen. Damit blieb die Antragstellerin jedoch einer glaubhaften Erklärung dahingehend schuldig, warum sie nicht nach dem Telefonat vom 25. März 2019 fristgemäß Klage gegen den Bescheid vom 13. März 2019 erhoben hat.
Angesichts dieser Sachlage wird eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist – auch von Amts wegen – im Hauptsacheverfahren nicht zu gewähren sein.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 GKG i.V.m. der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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