Verwaltungsrecht

Festhalten am Verbot des Führens der Dienstgeschäfte nach Ablauf der Frist des § 66 BBG

Aktenzeichen  B 5 S 18.541

Datum:
3.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 39493
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123
BBG § 14, § 37 Abs. 1, Abs. 2, § 61 Abs. 1, § 66
VwVfG § 9, § 35, § 43 Abs. 2
BtMG § 29
StVG § 24a Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Weder eine Email des Dienstvorgesetzten, mit der lediglich um die Prüfung eines Entlassungsverfahrens gebeten wird, noch die Erstellung eines Persönlichkeitsbildes des Beamten durch den Vorgesetzten, noch die Nachfragen nach dem Gang des Strafverfahrens stellen eine Einleitung eines Entlassungsverfahrens dar, da es an einer unmittelbaren Rechtswikrung nach außen fehlt; es handelt sich dabei lediglich um behördeninterne Vorbereitungsschritte einer Entscheidung. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hält der Dienstherr trotz Erlöschens des Verbots der Führung von Dienstgeschäften weiterhin an einem solchen Verbot fest, ist in der Regel ein für eine einstweilige Anordnung erforderlicher Anordnungsanspruch des betroffenen Anwärters auf Führen der Dienstgeschäfte zu bejahen, weil dieser ein berechtigtes Interesse daran hat, weiter an der Ausbildung teilzunehmen, um möglichst wenige Ausbildungsinhalte zu versäumen; auch das Verbot der  unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache steht dem nicht entgegen. (Rn. 26 – 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller einstweilen die Ausübung des Dienstes als Polizeimeisteranwärter im Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei beim … zu ermöglichen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen Antragsteller und Antragsgegnerin je zur Hälfte.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, hilfsweise die Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller wieder zu beschäftigen.
Der am … 1995 geborene Antragsteller steht als Polizeimeisteranwärter im Dienst der Antragsgegnerin. Er war zuletzt dem … zugewiesen. Am 27. Dezember 2017 wurde er gegen 16.35 Uhr auf einem Parkplatz der Bundesautobahn 61 von einer Funkstreifenbesatzung der rheinland-pfälzischen Landespolizei einer Kontrolle unterzogen. Dabei zeigte der Antragsteller nach der Sachverhaltsschilderung der Polizeiautobahnstation … (Bl. 6 der Behördenakte) drogentypische Auffälligkeiten, verneinte aber einen möglichen Drogenkonsum. Ein Schnelltest auf THC verlief positiv, zudem übergab der Antragsteller bei seiner Durchsuchung freiwillig ein Plastiktütchen mit 2 g einer grünen Substanz, die nach den kontrollierenden Polizeibeamten „dem Geruch und der Beschaffenheit nach eindeutig Marihuana“ darstellte.
Dem Antragsteller wurde daraufhin zunächst die weitere Dienstaufnahme untersagt und sichergestellt, dass er keinen weiteren Zugriff auf dienstliche Führungs- und Einsatzmittel hat.
Mit E-Mail vom 2. Januar 2018 bat der Präsident der … um Prüfung eines Entlassungsverfahrens wegen charakterlicher Mängel und ein Votum für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. In der Folge gab der Lehrgruppenleiter des Antragstellers gegenüber dem Leiter des Lehrbereichs … des … am 4. Januar 2018 unter dem Betreff „Dienstvergehen PMA …“ eine Einschätzung zum Persönlichkeitsbild des Antragstellers ab.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2018 (Bl. 10 ff. der Behördenakte) wurde dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte bis zum rechtskräftigen Abschluss eines einzuleitenden Entlassungsverfahrens verboten und die sofortige Vollziehung dieses Verbotes angeordnet. Das Verbot wurde auf § 66 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) gestützt und im Wesentlichen damit begründet, dass es im Hinblick auf die Wahrung des Ansehens des Berufsbeamtentums und die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes geboten sei. Hinsichtlich des Antragstellers bestehe der begründete Anfangsverdacht einer Straftat nach § 29 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), er habe zudem gegen § 24a Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und seine Pflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Drogenkonsum stehe generell nicht im Einklang mit den für den Polizeiberuf geforderten persönlichen Eigenschaften. Angesichts dessen, dass der Antragsteller auch 2 g Marihuana mit sich geführt habe, müsse davon ausgegangen werden, dass er regelmäßig Cannabis konsumiere. Dies sei geeignet, Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz Vorschub zu leisten und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Polizei und die Integrität der Staatsgewalt zu gefährden. Zudem hätten Polizeibeamte aufgrund ihrer Aufgabe, Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen, in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung inne, die durch die Begehung von Straftaten durch Polizeibeamte in besonderem Maße geschädigt werde. Der Verbleib des Antragstellers im Ausbildungsbetrieb der Bundespolizei würde daher zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei führen und könne den Eindruck erwecken, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen Straftäter oder bilde Auszubildende aus, von denen potenziell Gefahren für Dritte ausgehen könnten. Auch fehle dem Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit im Umgang mit Schusswaffen. Die sofortige Vollziehbarkeit sei anzuordnen, da sicherzustellen sei, dass in Einrichtungen der Bundespolizei keinerlei Drogen konsumiert würden, um einen ordnungsgemäßen Ausbildungsbetrieb zu gewährleisten. Auch wegen des Fehlens der erforderlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers im Umgang mit Schusswaffen sei eine sofortige Vollziehung geboten. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 18. Januar 2018 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 7. Februar 2018 ließ der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Januar 2018 erheben.
Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 3. April 2018, eingegangen beim Verwaltungsgericht Düsseldorf am gleichen Tage,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 7. Februar 2018 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 10. Januar 2018 wiederherzustellen.
Bereits die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht ausreichend und beruhe zudem auf Vermutungen ins Blaue hinein. Außerdem gebe der festgestellte Sachverhalt keinen Anlass, davon auszugehen, dass das zur Ausübung des Amtes des Antragstellers erforderliche Vertrauen erheblich beeinträchtigt sei. Es liege bereits keine erhebliche Straftat vor, der Antragsteller sei auch bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Es sei wahrscheinlich, dass im Rahmen des Strafverfahrens ein Absehen von der Verfolgung nach § 31a BtMG in Betracht komme. Das ausgesprochene Verbot sei unverhältnismäßig.
Mit Beschluss vom 15. Mai 2018 verwies das Verwaltungsgericht Düsseldorf den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth.
Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2018 erwiderte die … für die Antragsgegnerin und beantragte,
den Antrag kostenpflichtig abzulehnen.
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei ausreichend. Beim Vorliegen von Gründen, die ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erforderlich machten, sei dieses regelmäßig auch unaufschiebbar. Das Verbot sei auch aus den im Bescheid genannten Gründen formell und materiell rechtmäßig. Zudem sei ein Polizeivollzugsbeamter der offenbar illegale Drogen von Dealern und damit von Straftätern beziehe, bei Einsätzen gegen Rauschgiftkriminalität nicht glaubhaft und offenbare eine nicht hinnehmbare Nähe zum kriminellen Milieu. Beim Antragsteller bestehe der Anfangsverdacht hinsichtlich einer Straftat, die geeignet sei, das Ansehen der Beamtenschaft zu beeinträchtigen. Der Antragsgegnerin sei eine weitere dienstliche Zusammenarbeit mit dem Antragsteller bis zur Klärung des bestehenden Verdachts nicht zumutbar. Angesichts der Schwere der gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe und des dadurch bedingten grundlegenden Vertrauensverlustes käme auch eine vorläufige Fortsetzung der Ausbildung als milderes Mittel nicht in Betracht.
Die Beteiligten vertieften mit Schriftsätzen vom 3. Juli 2018 und 11. Juli 2018 bzw. vom 5. Juli 2018 ihren jeweiligen Vortrag. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2018 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass mit der E-Mail des Präsidenten der … vom 2. Januar 2018 ein Entlassungsverfahren nach § 37 Abs. 1 BBG wegen mangelnder charakterlicher Eignung des Antragstellers eingeleitet worden sei. Es handele sich anders als im Disziplinarrecht nicht um ein formenstrenges Verfahren, es würden vielmehr die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechtes greifen. Nach § 24 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) habe die Behörde im Rahmen der Amtsermittlung alle relevanten Umstände von sich aus zu ermitteln. Der Beginn eines auf Entlassung des Beamten gerichteten Verfahrens sei daher schwer zu bestimmen. Nach Ansicht des zuständigen Dienstvorgesetzten sei der zugrundeliegende Sachverhalt geeignet, erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für das Amt eines Polizeivollzugsbeamten zu begründen. Die Entlassung eines Beamten auf Widerruf nach § 37 Abs. 1 BBG setze aber einen ausermittelten Sachverhalt voraus. Daher sei ein Leistungs- und Persönlichkeitsbild des Antragstellers von seinem Lehrgruppenleiter angefordert worden, das dieser mit Schreiben vom 4. Januar 2018 erstattet habe. Zudem sei beim zuständigen Polizeipräsidium … Einsichtnahme in die Strafakten beantragt worden und sich in der Folge regelmäßig nach dem Fortgang des Strafverfahrens erkundigt worden. Ein behördliches Disziplinarverfahren wäre lediglich nach § 17 Abs. 1, § 22 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen gewesen. Im Übrigen werde der Ablauf der Frist nach § 66 Satz 2 BBG durch die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes durch den Antragsteller gehemmt.
Auf Hinweis des Gerichts mit Schreiben vom 20. Juli 2018 äußerte sich der Antragstellerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 24. Juli 2018 dahingehend, dass sich die Antragsgegnerin weigere, den Antragsteller nach Ablauf der Frist des § 66 Satz 2 BBG weiter zu beschäftigen. Es werde daher hilfsweise beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO dazu zu verpflichten, den Antragsteller als Angehörigen der Polizeiakademie wieder in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei beim … … einzusetzen.
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Hauptantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 10. Januar 2018 ist bereits mangels Statthaftigkeit unzulässig. Dies folgt daraus, dass die Regelungswirkung des streitgegenständlichen Bescheides mit Ablauf der Frist nach § 66 Satz 2 BBG kraft Gesetzes erloschen ist.
a) Nach § 66 Satz 2 BBG erlischt ein Verbot des Führens der Dienstgeschäfte nach § 66 Satz 1 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist. Mit Ablauf dieser Frist erlischt das Verbot kraft Gesetzes, ohne dass es einer weiteren Behördenentscheidung bedürfte. Auf die Hinderungsgründe, weshalb ein beabsichtigtes Verfahren nicht binnen drei Monaten eingeleitet werden konnte, kommt es dabei nicht an (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 392. EL Juni 2018, § 66, Rn. 29 m.w.N.). Die Frist des § 66 Satz 2 BBG für das dem Antragsteller am 18. Januar 2018 bekanntgegebene Verbot des Führens der Dienstgeschäfte endete hier nach § 31 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit Ablauf des 18. April 2018.
b) Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Antragsgegnerin weder ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller noch ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet.
aa) Ein auf Rücknahme der Ernennung des Antragstellers nach § 14 BBG gerichtetes Verfahren kommt hier ersichtlich nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin hat zudem im Schriftsatz vom 17. Juli 2018 zu erkennen gegeben, dass – wegen der vorrangigen strafrechtlichen Ermittlungen – auch kein disziplinarrechtliches Verfahren gegen den Antragsteller eingeleitet wurde bzw. eingeleitet werden soll.
bb) Eine Einleitung eines Verfahrens zur Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf nach § 37 Abs. 1 BBG liegt hier aber – bislang – ebenso nicht vor. Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass es sich hierbei anders als im Disziplinarrecht nicht um ein formalisiertes Verfahren handelt, so dass dessen Beginn im Einzelfall schwierig festzustellen sein kann; eine dem § 17 Abs. 1 Satz 3 BDG entsprechende Vorschrift kennt das Bundesbeamtengesetz für das Entlassungsverfahren gerade nicht. Im Hinblick auf die nach § 66 Satz 2 BBG daran anknüpfende Rechtsfolge wäre aber vor diesem Hintergrund umso mehr eine eindeutige aktenmäßige Dokumentation zu erwarten. Die insoweit von Antragsgegnerseite vorgelegte E-Mail des Präsidenten der … vom 2. Januar 2018 kann dabei nach Überzeugung der Kammer nicht als Einleitung eines entsprechenden Entlassungsverfahrens gesehen werden. Dagegen spricht bereits der Wortlaut, da der Präsident darin lediglich um die Prüfung eines Entlassungsverfahrens wegen charakterlicher Mängel bittet, also letztlich das zuständige Referat der … beauftragt, zu prüfen, ob ein solches Verfahren eingeleitet werden soll. Dieses Verständnis wird bestätigt durch die im streitgegenständlichen Bescheid gewählte Formulierung, dem Antragsteller werde die Führung der Dienstgeschäfte „bis zum rechtskräftigen Abschluss eines einzuleitenden Entlassungsverfahrens“ (Hervorhebung durch das Gericht) verboten. Jedenfalls in diesem Zeitpunkt ging die … also offenbar selbst davon aus, dass diese Einleitung noch bevorstehe.
Eine entsprechende Einleitung eines Entlassungsverfahrens vor Ablauf des 18. April 2018 ergibt sich aber auch sonst nicht aus den vorgelegten Behördenakten bzw. dem Vortrag der Antragsgegnerseite. Weder das vom Lehrgruppenleiter des Antragstellers erstellte Persönlichkeitsbild vom 4. Januar 2018 noch Nachfragen der … nach dem Gang des Strafverfahrens lassen mit hinreichender Eindeutigkeit erkennen, dass die Entscheidung über die Einleitung eines Entlassungsverfahrens bereits getroffen worden wäre. Das Entlassungsverfahren stellt ein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 9 VwVfG dar. Dieses setzt danach zunächst eine nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde voraus. Zwar ist der Beginn des Verwaltungsverfahrens von einer Willensentscheidung der Behörde abhängig, diese muss aber als Voraussetzung des Beginns nicht notwendigerweise dem betroffenen Bürger erkennbar sein. Maßgebend ist aber auch hier die Außenwirkung der Verfahrenshandlung. Der Begriff ist weiter als der der „unmittelbaren Rechtswirkung nach außen“ i.S.v. § 35 VwVfG, die Verwaltungstätigkeit i.S.d. § 9 VwVfG muss nur nach außen wirken, nicht aber notwendigerweise auch etwas mit Außenwirkung regeln (Gerstner-Heck in: BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 39. Edition Stand 1.4.2018, § 9, Rn. 5 m.w.N.). Eine Tätigkeit mit Außenwirkung i. S. d. § 9 VwVfG ist danach zunächst jede unmittelbar aus dem Bereich der Verwaltung in die Sphäre des Bürgers hineinwirkende Tätigkeit der Behörde, die den Beginn des Verfahrens einleitende Tätigkeit inbegriffen. Die in § 13 Abs. 2, § 25, § 28 oder § 29 VwVfG angesprochenen Tätigkeiten sind hierfür Beispiele (vgl. Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 9, Rn. 114 ff. m.w.N.). Eine derartige Tätigkeit ist hier bis zum Ablauf der Frist nach § 66 Satz 2 BBG nicht erkennbar. Das Vorgehen der … bewegte sich insoweit vielmehr noch im Vorfeld des eigentlichen Verwaltungsverfahrens (vgl. hierzu Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 9, Rn. 175 ff.). Die eingeholten – behördeninternen – Informationen in Gestalt des Persönlichkeitsbildes dienten ersichtlich nur der Vorbereitung der Entscheidung darüber, ob ein Entlassungsverfahren einzuleiten ist. Gleiches gilt auch für die Nachfragen nach dem Stand des Strafverfahrens, die zwar im oben dargestellten Sinne nach außen wirkten, aber für sich noch keinen Rückschluss auf den Willen der Behörde zulassen, gerade ein Entlassungsverfahren einzuleiten.
c) Der Ablauf der Frist des § 66 Satz 2 BBG wurde auch nicht durch die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes durch den Antragsteller gehemmt. Eine solche Hemmung ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift, die Ausnahmen von der Drei-Monats-Frist nach § 66 Satz 2 BBG sind vielmehr im Gesetz abschließend aufgeführt (Leppek in: BeckOK Beamtenrecht Bund, Brinktrine/Schollendorf, 11. Edition, Stand: 1.10.2017, § 66 BBG, Rn. 14; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 392. EL Juni 2018, § 66, Rn. 29). Zudem liefe eine solche Fristhemmung darauf hinaus, dass sich die Rechtsposition des Antragstellers allein dadurch verschlechtert, dass er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt; eine solche Auslegung wäre mit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar.
d) Mit dem Erlöschen des Verbotes des Führens der Dienstgeschäfte nach Ablauf der Frist des § 66 Satz 2 BBG hat sich der zugrundeliegende Verwaltungsakt nach § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 VwGO geht damit ins Leere, er ist nicht mehr statthaft (vgl. Gersdorf in: BeckOK VwGO, Posser/ Wolff, 45. Edition, Stand: 1.7.2016, § 80, Rn. 147). Eine Feststellung der aufschiebenden Wirkung des vom Antragsteller erhobenen Widerspruchs im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, wie sie für die Konstellation einer sog. faktischen Vollziehung in Betracht gezogen wird (vgl. Schmidt in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 80, Rn. 109) scheidet ebenso aus, da hier ein wirksamer Verwaltungsakt erforderlich wäre, der wegen einer Anfechtung nach § 80 Abs. 1 VwGO der aufschiebenden Wirkung unterliegt und der dennoch vollzogen wird (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 80, Rn. 353). Dies ist aber nach Erledigung des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes nach § 43 Abs. 2 VwVfG gerade nicht mehr der Fall. Ebenso wäre ein Fortsetzungsfeststellungsantrag im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 80, Rn. 365 m.w.N.).
2. Der hilfsweise erhobene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist dagegen zulässig und hat in der Sache Erfolg.
a) Nach Erledigung des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes ist nach obigen Ausführungen ein Rechtsbehelf nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht mehr statthaft, so dass gemäß § 123 Abs. 5 VwGO zulässigerweise ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt werden kann.
b) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, gegebenenfalls bereits vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. § 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
aa) Ein Anordnungsgrund ergibt sich hier schon daraus, dass die Antragsgegnerin trotz des Erlöschens des streitgegenständlichen Verbotes des Führens der Dienstgeschäfte mit Ablauf des 18. April 2018 an dessen Wirksamkeit festhält und dem Antragsteller eine Dienstausübung verweigert. Nach Erlöschen des Verbotes des Führens der Dienstgeschäfte ist der betreffende Beamte aber verpflichtet und auch berechtigt, seinen Dienst wieder anzutreten (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 392. EL Juni 2018, § 66, Rn. 29).
bb) Ein Anordnungsanspruch zugunsten des Antragstellers ergibt sich hier daraus, dass er als Polizeimeisteranwärter im Vorbereitungsdienst ein berechtigtes Interesse daran hat, nach Erlöschen des Verbotes des Führens der Dienstgeschäfte seinen Dienst wieder aufzunehmen und weiter an der Ausbildung teilzunehmen, um möglichst wenige Ausbildungsinhalte zu versäumen.
cc) In der ausgesprochenen Verpflichtung der Antragsgegnerin liegt auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Unter Beachtung dieses Verbots ist es dem Gericht zwar grundsätzlich verwehrt, eine abschließende und endgültige Entscheidung zu treffen, wie sie nur im Hauptsacheverfahren nach Klageerhebung zu erreichen wäre. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt dies jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 123, Rn. 14 m.w.N.). Es würde die Rechtsposition des Antragstellers unzumutbar beeinträchtigen, wenn er trotz des Erlöschens des Verbots des Führens der Dienstgeschäfte an der Dienstausübung und damit an der weiteren Teilnahme an der Ausbildung gehindert würde. Dass er hieran ein besonderes, vom Dienstherrn zu berücksichtigendes Interesse hat, zeigt die in § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung.
Im Hinblick auf den Zweck der Frist des § 66 Satz 2 BBG dürfte ein erneutes Verbot des Führens der Dienstgeschäfte bei unveränderter Sach- und Rechtslage wohl ausscheiden (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 392. EL Juni 2018, § 66, Rn. 29). Es bleibt der Antragsgegnerin aber gleichwohl unbenommen, nunmehr ein Entlassungsverfahren nach § 37 Abs. 1 BBG einzuleiten und durchzuführen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Da der Antragsteller nur mit dem Hilfsantrag Erfolg hat, waren die Kosten hälftig zu teilen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).


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