Verwaltungsrecht

Gefährdung aufgrund drohender Ermittlungen wegen islamistischer Aktivitäten im europäischen Ausland

Aktenzeichen  11 ZB 19.33226

Datum:
7.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1196
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
EMRK Art. 3
GG Art. 103 Abs. 1
StPO § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 2
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Tatsachenfragen sind grds. nicht berufungsgerichtlich klärungsbedürftig, wenn das Verwaltungsgericht die verfügbaren Informationen herangezogen, aufbereitet und sachgerecht bewertet hat, ohne dass gegen diese Bewertung beachtliche Zweifel erkennbar sind und wenn keine gewichtigen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse im Ergebnis unzutreffend beurteilt hat. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO gebietet dem Gericht, formell ordnungsgemäßen, prozessrechtlich beachtlichen Beweisanträgen zu entscheidungserheblichen Fragen nachzugehen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 9 K 18.32113 2019-05-29 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht gegeben bzw. nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt worden sind.
1. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ, a.a.O. § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 124a Rn. 102 ff.; Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand November 2019, § 78 Rn. 88 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist oder aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2018 – 1 B 5.18 – juris Rn. 2; B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17 – NVwZ 2017, 1204 = juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 7.7.2016 – 20 ZB 16.30003 – NVwZ 2017, 335 = juris Rn. 9). Weiter sind Tatsachenfragen grundsätzlich nicht berufungsgerichtlich klärungsbedürftig, wenn das Verwaltungsgericht die verfügbaren Informationen herangezogen, aufbereitet und sachgerecht bewertet hat, ohne dass gegen diese Bewertung beachtliche Zweifel erkennbar sind und wenn keine gewichtigen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse im Ergebnis unzutreffend beurteilt hat (Funke-Kaiser, a.a.O. § 78 Rn. 139 f.). Es genügt nicht, die gerichtlichen Feststellungen zu den Gegebenheiten im Herkunftsland des Asylsuchenden bloß in Zweifel zu ziehen oder schlicht gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Vielmehr muss durch Benennung bestimmter Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür dargelegt werden, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf (OVG NW, B.v. 14.3.2018 – 13 A 341/18.A – juris Rn. 5 f. m.w.N.; BayVGH, B.v. 22.2.2018 – 20 ZB 17.30393 – juris Rn. 11; B.v. 19.4.2018 – 11 ZB 18.30588 – juris Rn. 4; NdsOVG, B.v. 8.2.2018 – 2 LA 1784/17 – juris Rn. 4; Funke-Kaiser, a.a.O. § 78 Rn. 609 ff.). Das Verlangen nach bloßer Neubewertung unveränderter Tatsachen- oder Erkenntnisquellen rechtfertigt die Berufungszulassung grundsätzlich nicht (Funke-Kaiser, a.a.O. § 78 Rn. 609).
1.1. Die vom Kläger für “verallgemeinerungsfähig” erachtete Frage, ob Personen, die von tschetschenischen Regierungskräften gesucht werden, immer auch in offizielle Fahndungsregister eingetragen werden, sodass deren Ausreise aus der Russischen Föderation verhindert werden kann, ist nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn der Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden und den für die Ausreisekontrollen zuständigen Behörden nicht immer zuverlässig funktioniert oder Unregelmäßigkeiten bei der Ausschreibung zur Fahndung auftreten, ist damit die gerichtliche Wertung, dass eine unbehelligte Ausreise über den Flughafen Grosny mit dem eigenen Reisepass trotz angeblich bestehenden Ausreiseverbots und polizeilicher “Suche” nach dem Kläger im Hinblick auf die internationalen Standards entsprechenden russischen Grenz- und Zollkontrollen unwahrscheinlich sei, nicht erschüttert. Ob eine Ausreise von einem anderen Ort der Russischen Föderation als diesem Flughafen verhindert werden kann, ist ohnehin nicht entscheidungserheblich. Abgesehen davon dürfte die aufgeworfene Tatsachenfrage, mit der der Kläger die Beweiswürdigung des Gerichts angreift, aus rein tatsächlichen Gründen einer Klärung nicht zugänglich und nach allgemeiner Lebenserfahrung zu verneinen sein, weil ein irregulärer Ablauf von Verwaltungsvorgängen nie ausgeschlossen werden kann. Im Übrigen lassen sich dem Zulassungsvorbringen keinerlei überprüfbare Anhaltspunkte oder Erkenntnisse dafür entnehmen, dass die Erkenntnisse des Auswärtigen Amts über die Standards bei russischen Grenz- und Zollkontrollen (Lagebericht vom 13.2.2019, S. 24) nicht zutreffen, am Flughafen Grosny keine wirksamen Ausreisekontrollen bestehen oder zwischen den Strafverfolgungs- und den Grenzbehörden kein regelrechter Informationsaustausch stattfindet, so dass auch den Darlegungsanforderungen nicht genügt ist. Außerdem hat das Verwaltungsgericht den Vortrag des Klägers über seine angebliche Vorverfolgung nicht nur wegen der unbehelligten Ausreise über den Flughafen Grosny für unglaubhaft gehalten, sondern schon wegen Widersprüchen zwischen seinen Angaben beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, in der Sicherheitsbefragung und der mündlichen Verhandlung und den Angaben im folgeantragsbegründenden Gutachten der Menschenrechtsorganisation Memorial vom 23. August 2018, wegen der fehlenden Nachvollziehbarkeit von Angaben und der unbehelligten Berufsausübung an verschiedenen Orten der Russischen Föderation über zwei Jahre hinweg. Dies hat der Kläger nicht mit einer durchgreifenden Rüge angegriffen. Bei einer sog. kumulativen Begründung, von der jede für sich das Ergebnis des angefochtenen Urteils trägt, muss jedoch für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund schlüssig dargetan werden (Happ in Eyermann, a.a.O. § 124a Rn. 61; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 124 Rn. 5).
1.2. Die weitere Frage, ob Auskünfte nicht näher bezeichneter russischer Behörden an das Bundesamt für Verfassungsschutz im Rahmen eines Erkenntnisaustausches ohne weitere Überprüfung als wahrheitsgemäß und vollständig gewertet werden können, insbesondere hinsichtlich Ermittlungsverfahren der russischen und/oder tschetschenischen Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem Betroffenen und hinsichtlich seiner möglichen Einstufung als islamistisch oder extremistisch durch dortigen Sicherheitsbehörden, ist einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Da ihre Beantwortung von den konkreten Umständen des Einzelfalls (Art, Gegenstand und konkrete Nachprüfbarkeit der Auskunft) abhängt, könnte sie in einem Berufungsverfahren nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise geklärt werden. Aus dem letzten Halbsatz (“insbesondere hinsichtlich .”) der Fragestellung geht auch deutlich hervor, dass es dem Kläger vor allem um eine Neubewertung seines individuellen Einzelfalls geht und er der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils geltend macht, was nach der abschließenden Sonderregelung des § 78 Abs. 3 AsylG jedoch kein Zulassungsgrund ist. Außerdem hat das Gericht den durch das Bundesamt für Verfassungsschutz mitgeteilten Inhalt der nicht vorlegten behördlichen Auskunft – anders als vom Kläger behauptet – nicht als vollständig gewertet, was schon wegen der unbekannten Datenlage im Ausland und der Unbestimmtheit dieses Begriffs ausscheiden dürfte. Auch dürfte eine gerichtliche Überprüfung einer derartigen Auskunft auf ihren Wahrheitsgehalt, die über eine Bestätigung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz hinausgeht, tatsächlich unmöglich sein. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Verwertung eines durch eine deutsche Verfassungsschutzbehörde inhaltlich wiedergegebenen Schreibens einer ausländischen Behörde von vornherein ausgeschlossen ist, sondern nur, dass der mit größerer Unsicherheit behafteten Bewertung derartiger Informationen bei der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen ist (vgl. zur Verwertbarkeit anonymer Quellen: Diemer in KK-StPO, 8. Aufl. 2019, § 250 Rn. 13; BVerfG, B.v. 8.10.2009 – 2 BvR 547/08G – NJW 2010, 925 = juris Rn. 15). Das Gericht hat die behördliche Auskunft auch nicht zum Nachteil des Klägers verwertet. Hinsichtlich der geltend gemachten Vorverfolgung steht er bei einer Verwertung der russischen Auskunft nicht anders da, als wenn das Verwaltungsgericht seine eigenen Angaben zu Ort und Anlass der Entstehung von Fotos und zur Nichtbeteiligung an Kampfhandlungen und terroristischen Aktivitäten als wahr unterstellt hätte. Hinsichtlich der geltend gemachten Nachfluchtgründe hat das Verwaltungsgericht die russische Auskunft als Indiz für die Glaubhaftigkeit seiner Angabe gewertet, dass tschetschenische Behördenvertreter am 26. Dezember 2017 bei seiner Familie vorgesprochen hätten. Die Anmerkung des Gerichts, dass den russischen Behörden nach eigener Aussage keine Erkenntnisse zur Beteiligung des Klägers an terroristischen Aktivitäten vorlägen, war nicht entscheidungstragend, weil es davon ausgegangen ist, dass dem Kläger außerhalb Tschetscheniens wegen seiner Handlungen im Bundesgebiet, der vom Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelten Fotos und Informationen oder strafrechtlicher Ermittlungen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, ein ernsthafter Schaden oder eine Misshandlung drohe. Im Übrigen hat der Kläger selbst keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass und weshalb die seine Angaben bestätigende behördliche Auskunft unwahr sein sollte.
1.3. Die weiter aufgeworfene Frage, ob aus Tschetschenien stammende Personen, die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in der Russischen Föderation Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, ist allenfalls insoweit entscheidungserheblich, als es um Aktivitäten im europäischen Ausland geht. Denn das Verwaltungsgericht hat dem Kläger, wie bereits dargelegt, wegen widersprüchlicher Angaben nicht abgenommen, wegen seiner Einstellung oder Aktivitäten im Heimatland vorverfolgt worden zu sein. Hinsichtlich islamistischer Aktivitäten im europäischen Ausland ist die Frage aber durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2018 (1 A 4.17 – juris Rn. 109 ff.), der das Verwaltungsgericht gefolgt ist, geklärt. Danach hat ein abgeschobener islamistischer Gefährder bei Bekanntwerden dieses Sachverhalts wegen seiner Handlungen und Äußerungen im Bundesgebiet in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, die Einleitung eines Strafverfahrens oder polizeilichen Gewahrsam zu befürchten. Das Verwaltungsgericht hat diese Einschätzung im Wege eines zulässigen Erst-Recht-Schlusses auf den Fall des Klägers übertragen, der von deutschen Behörden noch nicht als islamistischer Gefährder, sondern “nur” als terroristisch relevante Person eingestuft wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf verschiedene Erkenntnismittel gestützt und sich auch ausführlich mit Quellen auseinandergesetzt, die eine gegenteilige Auffassung vertreten (BVerwG, U.v. 27.3.2018, a.a.O. Rn. 113 ff.). Allein mit der im Bericht von ACCORD vom 1. Juli 2014 wiedergegeben Morddrohung des tschetschenischen Präsidenten, auf die sich der Kläger beruft, wird noch keine die gerichtliche Wertung erschütternde Wahrscheinlichkeit für das Gegenteil dargelegt.
1.4. Auch die weitere Frage, ob ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren, das von tschetschenischen Behörden oder von Behörden andernorts in der Russischen Föderation gegen einen Tschetschenen geführt wird, der von den Behörden als islamistisch und extremistisch eingestuft wird, dazu führt, dass für den Betroffenen das Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung besteht, ist nur entscheidungserheblich, soweit Gegenstand der Ermittlungen eine islamistisch-jihadistische Betätigung im europäischen Ausland ist. Sie ist jedoch ebenfalls durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2018 geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat danach differenziert, ob sich der Betroffene im europäischen Ausland oder in der Russischen Föderation islamistisch-jihadistisch betätigt hat, und keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass russische Behörden Aktivitäten im europäischen Ausland, insbesondere der Planung bzw. Vorbereitung eines Terroranschlags in Deutschland, das gleiche Interesse entgegenbringen würden wie entsprechenden Aktivitäten im Inland und dass sie mit vergleichbar drastischen Maßnahmen wie im Inland darauf reagieren würden (BVerwG, U.v. 27.3.2018 a.a.O. Rn. 109 ff.). Es hat daher nicht für beachtlich wahrscheinlich gehalten, dass gegen den Betreffenden in der Russischen Föderation ein Strafverfahren eingeleitet oder er in Polizeigewahrsam genommen würde und seine Einschätzung durch den Verlauf der Ereignisse nach der Abschiebung als bestätigt angesehen (BVerwG, a.a.O. Rn. 116, 118). Allerdings ist es durchaus davon ausgegangen, dass russischen staatlichen Stellen der Grund für die Abschiebung des islamistischen Gefährders bekannt und dieser befragt und überwacht würde (BVerwG, a.a.O. Rn. 102, 112), dass also mit sicherheits- oder strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen wegen des Verdachts islamistischer oder extremistischer Aktivitäten sicher zu rechnen ist. Dennoch ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass derartige Maßnahmen nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Misshandlung im Sinne des Art. 3 EMRK nach sich ziehen (BVerwG, a.a.O. Rn. 115 f.). Daher kann auch – wie der Kläger fordert – unterstellt werden, dass gegen ihn wegen seiner Aktivitäten im europäischen Ausland ermittelt wird und ihn russische Behörden als islamistisch einstufen.
Die sich anschließende Frage, ob ein solches Ermittlungsverfahren zwingend außerhalb des Nordkaukasus stattfindet, wenn der Betroffene sich, um internen Schutz zu suchen, außerhalb des Nordkaukasus aufhält, oder ob ein solches Ermittlungsverfahren unabhängig vom Aufenthaltsort des Betroffenen am Standort der Ermittlungsbehörden im Nordkaukasusgebiet durchgeführt werden würde, ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich, zum einen aus den vorgenannten Gründen, zum anderen, weil obergerichtlich geklärt ist, dass das Risiko, dass die Behörden einer russischen Teilrepublik im Nordkaukasus von einer Abschiebung vom Bundesgebiet in die übrigen Landesteile der Russischen Föderation erfahren und den Betroffenen dort aufsuchen oder ihn in die Herkunftsregion verbringen, gering ist und es auch nicht beachtlich wahrscheinlich ist, dass dem Betreffenden die Gefahr droht, gegen seinen Willen durch russische föderale Stellen in die Teilrepublik verbracht zu werden, aus der er stammt (BVerwG, U.v. 27.3.2018 a.a.O. Rn. 119 f.).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs zuzulassen.
2.1. Zum einen rügt der Kläger unter dem Aspekt einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO), dass das Verwaltungsgericht den Beweisantrag auf Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amts und des Bundesamts für Verfassungsschutz mit dem Inhalt abgelehnt habe, ob seitens der Ermittlungsbehörden der Russischen Föderation und/oder Tschetscheniens ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger geführt werde bzw. ob er seitens der Ermittlungsbehörden der Russischen Föderation als islamistisch oder extremistisch eingestuft werde. Das Gericht habe den Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt, die Beweistatsache dann aber nicht konsequent als wahr unterstellt, und sich mit der Gegenvorstellung gegen den ablehnenden Beweisbeschluss nicht auseinandergesetzt. Der Kläger habe geltend gemacht, dass er sich nicht aussuchen könne, ob ein Ermittlungsverfahren innerhalb oder außerhalb des Nordkaukasus geführt werde, da dies von der ermittelnden Behörde abhänge und durch die Wahl des Wohnsitzes nicht zu beeinflussen sei. Zudem gebe es auch außerhalb des Nordkaukasus eine selektive, sachfremde Strafverfolgung. Eine Tatsache sei dann bedeutungslos, wenn kein Zusammenhang zur vorgetragenen Verfolgungsgeschichte bestehe oder trotz eines Zusammenhangs die Entscheidung durch die Tatsache nicht beeinflusst werden könne. Die behauptete Tatsache sei dann als erwiesen zu behandeln und ohne Abstriche in das bisher gewonnene Beweisgefüge einzustellen. Das Gericht sei jedoch in der Urteilsbegründung gerade nicht davon ausgegangen, dass gegen den Kläger ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt werde, was auch entscheidungserheblich sei. Der entscheidende Unterschied zu dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. März 2018 entschiedenen Fall sei der, dass gegen den dortigen Kläger in der Russischen Föderation keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anhängig gewesen seien.
Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO gebietet dem Gericht, formell ordnungsgemäßen, prozessrechtlich beachtlichen Beweisanträgen zu entscheidungserheblichen Fragen nachzugehen (Funke-Kaiser, a.a.O. § 78 Rn. 355). Die Ablehnung eines Beweisantrags verletzt das rechtliche Gehör folglich nur dann, wenn sie im Prozessrecht objektiv keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 28.6.2018 – 10 B 20.17 – juris Rn. 9 m.w.N.; B.v. 17.6.2013 – 10 B 8.13 – juris Rn. 8 m.w.N.; BVerfG, B.v. 22.1.2001 – 1 BvR 2075/98 – NJW-RR 2001, 1006 = juris Rn. 16; B.v. 30.1.1985 – 1 BvR 393/84 – BVerfGE 69, 141 = juris Rn. 10 m.w.N.). Die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs bleibt ohne Erfolg, wenn nicht die in der Begründung des Gerichts genannten, aber andere Gründe des Verfahrensrechts die beantragte Beweiserhebung ausschließen oder es bereits an einem ordnungsgemäßen Beweisantrag fehlt (HessVGH, B.v. 10.7.2007 – 7 UZ 422/07.A – juris Rn. 18; vgl. auch BVerwG, B.v. 24.3.2000 – 9 B 530.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 = juris Rn. 15; Funke-Kaiser, a.a.O. § 78 Rn. 356; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 86 Rn. 64). Dabei ist die prozessrechtliche Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Gerichts aus zu beurteilen, selbst wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 17.6.2013 a.a.O.; Happ, a.a.O. § 124 Rn. 48).
Hieran gemessen ist ein durchgreifender Zulassungsgrund nicht dargelegt. Zwar hat das Verwaltungsgericht die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen in der Russischen Föderation für nicht beachtlich wahrscheinlich gehalten, dies aber unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2018 sodann ausdrücklich dahingestellt (vgl. Urteilsgründe, S. 22). Entscheidend für die Ablehnung des Beweisantrags war, dass strafrechtliche Ermittlungen gegen den Kläger oder seine Einstufung als islamistisch oder extremistisch aus Sicht des Gerichts nur wegen Aktivitäten im europäischen Ausland in Betracht kamen und damit eine Vergleichbarkeit mit dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. März 2018 entschiedenen Fall gegeben war. Denn die Kammer hat den Vortrag des Klägers zu seiner Vorverfolgung wegen Widersprüchen zwischen seinen Angaben beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, in der Sicherheitsbefragung, in der mündlichen Verhandlung und im Gutachten von Memorial vom 23. August 2018, wegen nicht nachvollziehbarer Angaben (Verpflichtung zur Tätigkeit als Informant), der unbehelligten Berufsausübung an verschiedenen Orten der Russischen Föderation, der unbehelligten Ausreise über den Flughafen Grosny mit dem eigenen Reisepass sowie der Negativauskunft der russischen Behörden über Erkenntnisse zur Beteiligung an terroristischen Aktivitäten für unglaubhaft erachtet (Urteilsgründe, S. 12 ff., 21). Sie ging allerdings davon aus, dass den russischen Ermittlungsbehörden der Verdacht der deutschen Behörden einer islamistischen Radikalisierung des Klägers bekannt ist und hat ihm deswegen die behördliche Vorsprache bei seiner Familie in Tschetschenien am 26. Dezember 2017 abgenommen, wobei die russischen Behörden mitgeteilt hätten, dass ihnen keine Erkenntnisse zu einer Beteiligung an terroristischen Aktivitäten vorlägen. Im Wege einer Erst-recht-Argumentation hat sie die Gefahr, dass der Kläger außerhalb des Nordkaukasus durch Sicherheitsbehörden oder Strafverfolgungsorgane der Russischen Föderation der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt oder zwangsweise nach Tschetschenien zurückverbracht werde, für nicht beachtlich wahrscheinlich gehalten, weil das Bundesverwaltungsgericht diese Gefahr unter Berücksichtigung einer zugeschriebenen Terrorgefahr sogar im Fall eines tatsächlich radikal-islamischen Gefährders verneint habe (vgl. Urteilsgründe, S. 21 f.). Entgegen der Auffassung des Klägers steht nicht fest, dass in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall vor der Abschiebung in der Russischen Föderation kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betreffenden anhängig war. Vielmehr wurden mangels dahingehender Behauptung hierzu keine Feststellungen getroffen. Allerdings ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Grund für die Abschiebung des islamistischen Gefährders russischen staatlichen Stellen bekannt und dieser befragt und überwacht wird (BVerwG, a.a.O. Rn. 102, 112), dass also mit sicherheits- oder strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen wegen des Verdachts islamistischer oder extremistischer Aktivitäten sicher zu rechnen ist. Dennoch ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass derartige Maßnahmen nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Misshandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, insbesondere nicht der Einleitung eines Strafverfahrens oder des polizeilichen Gewahrsams, nach sich ziehen, wenn es um eine islamistisch-jihadistische Betätigung im europäischen Ausland geht (BVerwG, a.a.O. Rn. 115 f.). Für das Verwaltungsgericht hat es keine Rolle gespielt, ob russische Behörden gegen den Kläger bereits vor der Abschiebung oder – wie im Fall des Bundesverwaltungsgerichts – erst mit der Abschiebung strafrechtlich ermitteln oder ihm eine Terrorgefahr zuschreiben bzw. ihn als islamistisch oder extremistisch einstufen (vgl. Urteilsgründe, S. 22). Es hat die Fälle für vergleichbar gehalten und damit im Ergebnis die Auffassung des Klägers, dass dies entscheidend sei, nicht geteilt. Letzteres ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Es ist auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass und weshalb die Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung davon abhängen soll, dass die russischen Behörden vor oder erst mit der Abschiebung Kenntnis von dem Verdacht einer islamistischen Radikalisierung bzw. dahingehender Aktivitäten im europäischen Ausland erlangen, oder davon, ob Ermittlungsmaßnahmen, die nicht zwangsläufig in ein Strafverfahren münden müssen, bereits anhängig sind und nach der Abschiebung erst ergriffen werden. Demgemäß durfte das Verwaltungsgericht den Beweisantrag nach § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO für unerheblich halten. Im Regelfall reicht die Angabe, dass das Beweisthema nicht entscheidungsrelevant ist, auch inhaltlich aus, weil der Beteiligte hiermit erkennen kann, weshalb das Gericht den Beweis nicht erheben will. Die Gründe des Beschlusses müssen die Begründung der die Instanz abschließenden Entscheidung nicht vorwegnehmen (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 86 Rn. 63).
Es liegt auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin, dass sich das Verwaltungsgericht im Urteil nicht konkret mit den Gegenvorstellungen des Klägers auseinandergesetzt hat. Denn auch diese waren bei Zugrundelegung der gerichtlichen Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblich. Soweit der Kläger geltend macht, er könne den Ort der geführten Ermittlungen nicht beeinflussen, war das Gericht der Meinung, er müsse nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, zwangsweise nach Tschetschenien verbracht zu werden. Soweit er sich auf eine selektive, sachfremde Strafverfolgung auch außerhalb des Nordkaukasus beruft, hat es keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine menschenrechtswidrige Behandlung wegen der Handlungen des Klägers im Bundesgebiet (Geschehnisse am Flughafen München) und des Inhalts der Anfrage der deutschen Verfassungsschutzbehörden gesehen (Urteilsgründe, S. 18). Eine entsprechende Gefahreneinschätzung hat auch das Bundesverwaltungsgericht in dem von ihm entschiedenen Fall getroffen (BVerwG, a.a.O. Rn. 114 ff., 119 f.).
Nicht nachvollziehbar ist die Kritik des Klägers an der Übernahme der Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts aus Randnummer 110 zu einer Verfolgungsgefahr wegen Handlungen und Äußerungen im Bundesgebiet in den russischen Landesteilen außerhalb des Nordkaukasus (BVerwG, a.a.O. Rn. 109 ff.) durch das Verwaltungsgericht auf Seite 22 der Urteilsgründe, da es auch hier um die Inanspruchnahme internen Schutzes außerhalb Tschetscheniens ging (vgl. Urteilsgründe, S. 17 unten).
Davon abgesehen handelt es sich beim ersten Teil des gestellten Beweisantrags bereits nicht um einen Beweisantrag im Rechtssinne, da er nicht auf den Beweis konkreter Tatsachen abzielt, sondern auf eine vom Verwaltungsgericht zu treffende rechtliche Wertung (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 8 B 27.15 – juris Rn. 21 f.; BGH, B.v. 3.7.2018 – 5 StR 38/18 – juris). Ob dem Kläger die Gefahr einer rechtsstaatswidrigen Strafverfolgung wegen des Verdachts der Nähe zum islamistischen Extremismus oder Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, ist keine Tatsache, sondern eine vom Gericht vorzunehmende Gefahreneinschätzung bzw. eine einem Sachverständigenbeweis nicht zugängliche richterliche Subsumtionsentscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 24.3.2000, a.a.O. Rn. 15). Es handelt sich um die Schlussfolgerung, die das Gericht nach Meinung des Klägers aus einem gegen ihn in der Russischen Föderation und/oder Tschetschenien laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bzw. aus seiner Einstufung als islamistisch oder extremistisch ziehen soll. Der zweite Teil des Beweisantrags hätte auch deshalb abgelehnt werden können, weil die Beweisbehauptung nicht dahin geht, dass in der Russischen Föderation und/oder Tschetschenien ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger geführt oder er dort als islamistisch oder extremistisch eingestuft wird, sondern erst durch die Auskünfte in Erfahrung gebracht werden soll, “ob” dies der Fall ist, und er damit der Ausforschung dient.
2.2. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt sieht, dass das Gericht sein Vorbringen nicht gewürdigt habe, er sei vor seiner Ausreise verhaftet und gefoltert worden, und damit wesentlichen Prozessstoff in tatsächlicher Weise nicht gewürdigt habe, trifft dies nicht zu. Vielmehr hat die Kammer das Vorbringen zu einer individuellen Vorverfolgung für unglaubhaft gehalten. Dabei hatte sie auch die “angebliche Folter am 25. Februar 2015” im Blick (Urteilsgründe, S. 13).
Zu Unrecht hält der Kläger diese Wertung nach den von ihm zitierten obergerichtlichen Gerichtsentscheidungen offenbar für eine unzulässige Überraschungsentscheidung. Eine solche liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchten, und die Beteiligten sich dazu nicht äußern konnten (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 27.7.2015 – 9 B 33.15 – NJW 2015, 3386 = juris Rn. 8; B.v. 19.7.2010 – 6 B 20.10 – NVwZ 2011, 372 = juris Rn. 4). Hiervon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten – wie hier – äußern konnten, in einer Weise würdigt, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entspricht oder die von ihm für unrichtig gehalten werden (BVerwG, B.v. 25.5.2017 – 5 B 75.15 D – juris Rn. 11). In der mehrstündigen mündlichen Verhandlung hatte der Kläger entgegen seinem Zulassungsvorbringen ausreichend Gelegenheit dazu, auch zu dem “Tatkomplex” eines Polizeiverhörs mit Folter im Februar 2015 vorzutragen. Unerheblich ist, ob das Gericht insoweit einen Erörterungsbedarf gesehen hat. In diesem Zusammenhang hat der Kläger u.a. angegeben, dass von ihm seit 2015 verlangt worden sei, für die Sicherheitskräfte zu arbeiten, und er zugesagt habe, alles zu machen, was von ihm verlangt werde, und sich im Übrigen zu den Ereignissen und seinen beruflichen Aktivitäten danach bis zur Ausreise im Jahr 2017 eingelassen (Protokoll, S. 3 f.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01, 1 PKH 46.01 – juris Rn. 5; B.v. 28.12.1999 – 9 B 467.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 = juris Rn. 2; B.v. 11.5.1999 – 9 B 1076.98 – juris Rn. 10).
Soweit der Kläger die Wertung seines Vortrags als unglaubhaft für falsch hält, macht er der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend, was jedoch nach § 78 Abs. 3 AsylG kein Zulassungsgrund ist.
Mängel in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind grundsätzlich dem materiellen Recht zuzuordnen und damit kein Verfahrensfehler (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – juris Rn. 22; B.v. 2.11.1995 – 9 B 710.94 – juris Rn. 4). Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist von vornherein nicht geeignet, eine – vermeintlich – fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhaltes einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden (Funke-Kaiser, a.a.O. § 78 Rn. 262). Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder es habe versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO nicht zu begründen (BVerfG, B.v. 15.2.2017 – 2 BvR 395/16 – juris Rn. 5).
Ausnahmsweise kann ein einen Verfahrensfehler begründender Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung bzw. den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gegeben sein, wenn sich der gerügte Fehler hinreichend eindeutig von der materiellrechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat (BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22.17 – juris Rn. 6; B.v. 14.7.2010 – 10 B 7.10 – NVwZ 2011, 55 = juris Rn. 6; Funke-Kaiser, a.a.O. § 78 Rn. 76). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die richterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Beweisgrundsätze, insbesondere Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet, ferner, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 12.3.2014 a.a.O.; B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris Rn. 3 jeweils m.w.N.). Allerdings liegt ein Verstoß gegen das Willkürverbot bei gerichtlichen Entscheidungen nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung Fehler enthält, sondern erst und nur dann, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfG, B.v. 23.1.2017 – 2 BvR 2584/12 – NJW 2017, 1731 = juris Rn. 27 m.w.N.; BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 10). Ein Verstoß gegen die Denkgesetze kann nur dann bejaht werden, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, was nicht bereits dann der Fall ist, wenn das Gericht nach Meinung eines Beteiligten unrichtige oder fernliegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen (BVerwG, B.v. 14.7.2010 – 10 B 7.10 – NVwZ 2011, 55 = juris Rn. 4; U.v. 29.2.2015 – 7 C 8.11 – BVerwGE 142, 73 = juris Rn. 44 m.w.N.). Die Missachtung eines allgemeinen Erfahrungssatzes beinhaltet die Außerachtlassung eines jedermann zugänglichen, nach allgemeiner Erfahrung unzweifelhaft geltenden und durch keine Ausnahme durchbrochenen Satzes (BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22.17 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Nach diesen Maßgaben hat der Kläger jedoch nicht aufgezeigt, dass die richterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist. Insbesondere ist es noch nicht willkürlich, wenn aufgrund von Widersprüchen in seinen Angaben zum Ausreiseanlass, der Beantragung des Visums und dem Verbleib seiner persönlichen Dokumente, seinen beruflichen Aktivitäten nach der angeblichen Verfolgungshandlung im Februar 2015, nicht nachvollziehbarer Angaben (Verpflichtung zur Tätigkeit als Informant), der unbehelligten Berufsausübung an verschiedenen Orten der Russischen Föderation über zwei Jahre hinweg und einer unbehelligten Ausreise mit dem eigenen Reisepass auf die Unglaubhaftigkeit des gesamten Vortrags zu einer “Vorverfolgung im Sinne des § 3 AsylG durch Mitarbeiter der Polizei, des FSB oder durch Gefolgsleute Kadyrows” (Urteilsgründe, S. 15) geschlossen wird.
3. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Rechtsmittels war auch der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 ZPO) abzulehnen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
5. Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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