Verwaltungsrecht

Gefahr der Verschlechterung einer Krankheit im Heimatland

Aktenzeichen  M 16 K 17.49993

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8133
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 3
QRL Art. 15
AufenthG § 60 Abs. 5
AsylG § 4 Abs. 1

 

Leitsatz

In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die Gefahr der Verschlechterung einer Krankheit im Heimatland grundsätzlich nicht zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus führen kann.
1 Die Volksgruppe der Hazara unterliegt in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung, ist aber weder einer gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung noch einer erheblichen Gefahrendichte iSv § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt ist für keine der Regionen Afghanistans anzunehmen. Insbesondere für die Provinz Kabul, die als Zielort der Abschiebung in Betracht kommt, liegt die Gefahrendichte erheblich unter der Schwelle beachtlicher Wahrscheinlichkeit. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Qualifikationsrichtlinie benennt die Akteure, von denen ein ernsthafter Schaden ausgehen kann. Die behaupteten Schäden müssen vom Verhalten eines Dritten ausgehen und können nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems im Herkunftsland sein. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 23. November 2017 stellt sich, soweit streitgegenständlich, im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Das Gericht folgt insoweit der zutreffenden Begründung der Beklagten in dem angegriffenen Bescheid, auf den verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Soweit sich der Kläger auf eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara beruft, ist ergänzend auszuführen, dass dies auch nach aktueller Erkenntnislage weder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch des subsidiären Schutzes führen kann. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan zwar noch einer gewissen Diskriminierung unterliegt, derzeit und in überschaubarer Zukunft aber weder einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung noch einer erheblichen Gefahrendichte im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) ausgesetzt ist (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807 – juris Rn. 17 m.w.N.). Aus den jüngsten Erkenntnismitteln ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass diese Einschätzung inzwischen überholt sein könnte (vgl. EASO, Afghanistan: Security Situation, Dezember 2017; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan i.d.F.v. 30.1.2018 S. 56; UNAMA: Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2017).
Im Übrigen erreicht auch die allgemeine Gefährdungslage in Afghanistan keine Intensität, die im Falle des Klägers zu der Zuerkennung subsidiären Schutzes führen könnte. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für keine der Regionen Afghanistans angenommen und die Lage dort nicht derart eingeschätzt, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG anzunehmen wäre (BayVGH, B.v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807 – juris Rn. 17). Diese Einschätzung ist im Falle des Klägers auch mit Blick auf die jüngsten Erkenntnismittel, namentlich der Vereinten Nationen (vgl. UNAMA: Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2017), noch aktuell. Insbesondere ergibt sich für die Provinz Kabul, die als Zielort einer Abschiebung in Betracht kommt (vgl. zum örtlichen Bezugspunkt der Gefahrenprognose BVerwG, B.v. 14.11.2012 – 10 B 22/12 – juris), bei einer Bevölkerung von 4,5 Millionen Einwohnern (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan i.d.F.v. 30.1.2018, S. 56) und einer Zahl von 1.831 im Jahr 2017 getöteten und verletzten Zivilpersonen ein Risiko von 1 zu 2.470 bzw. eine Gefahrendichte von 0,04%, die erheblich unter der Schwelle beachtlicher Wahrscheinlichkeit liegt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris Rn. 7).
Soweit der Kläger auf seine Erkrankung verweist, hat das Bundesamt die daraus erwachsenden Gefahren zu Recht dem Bereich der nationalen Abschiebungsverbote zugeordnet und die Zuerkennung subsidiären Schutzes abgelehnt. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), in deren Lichte § 4 AsylG auszulegen ist (vgl. BayVGH, U.v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315 – juris Rn. 16), ist geklärt, dass die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung im Heimatland zurückzuführen ist, ohne dass die Versorgung absichtlich verweigert wird, nicht zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus führen kann (vgl. EuGH, U.v. 18.12.2014 – C-542/13 – juris Rn. 36, 41 zur Richtlinie 2004/83/EG). Insbesondere benennt die Richtlinie – wie auch § 4 AsylG i.V.m. § 3e AsylG – die Akteure, von denen ein ernsthafter Schaden ausgehen kann. Das spricht dafür, dass solche Schäden von dem Verhalten eines Dritten ausgehen müssen und nicht bloß die Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems des Herkunftslands sein können (EuGH, a.a.O. Rn. 35).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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