Verwaltungsrecht

Gerichtsvollzieher, Arbeitszeit, Popularklage, Besoldung, Festsetzung, Verletzung, Beamtenrecht, Erledigung, Normenkontrollverfahren, Darlegungsanforderungen, Verwaltungsgerichtshof, Festsetzungen, Verordnung, Zustimmung, materielles Recht, Verletzung des Gebots

Aktenzeichen  Vf. 40-VII-21

Datum:
8.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4797
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Unzulässigkeit einer gegen die Verordnung zur Abgeltung der Bürokosten der Gerichtsvollzieher für die Jahre 2001 bis 2003 gerichteten Popularklage, weil diese den Darlegungsanforderungen des Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG nicht gerecht wird.

Tenor

1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Der Antragstellerin wird eine Gebühr von 1.000 € auferlegt.

Gründe

1. Die Popularklage richtet sich gegen die Verordnung zur Abgeltung der Bürokosten der Gerichtsvollzieher für die Jahre 2001 bis 2003 (GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 2001 -2003 – GVBEntschV 2001 -2003) vom 21. August 2007 (GVBl S. 630, BayRS 2032-2-43-J).
1. a) Nach der aufgrund § 49 Abs. 3 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) er lassenen Verordnung zur Abgeltung der Bürokosten der Gerichtsvollzieher (Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung – GVEntschV) vom 15. Oktober 1998 (GVBl S. 893, BayRS 2032-2-41-J) erhielten Gerichtsvollzieher im Dienst des Freistaates Bayern zur Abgeltung des ihnen durch die Verpflichtung zur Einrichtung und Unterhaltung eines Büros entstehenden Aufwands einen Anteil der von ihnen für die Erledigung der Aufträge vereinnahmten Gebühren, der – in der Regel – kalenderjährlich auf einen bestimmten Vom-Hundert-Satz festgesetzt wurde. Die entsprechenden Beträge wurden jeweils in einer Verordnung zur Änderung der Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung (ÄndV zur GVEntschV; im Folgenden: Änderungsverordnung) beziffert.
Für das Kalenderjahr 2001 erfolgte die Festsetzung des Gebührenanteils durch Änderungsverordnung vom 18. September 2002 (GVBl S. 517), für die Kalenderjahre 2002 und 2003 durch Änderungsverordnung vom 29. September 2003 (GVBl S. 754).
In der Fassung der Änderungsverordnung vom 18. September 2002 lauteten § 2 und § 3 GVEntschV (auszugsweise) wie folgt:
㤠2
(1) Als Entschädigung erhalten die Gerichtsvollzieher die von ihnen erhobenen Schreibauslagen und einen Anteil der von ihnen für die Erledigung der Aufträge vereinnahmten Gebühren (Gebührenanteil).“
(2) 1 Der Gebührenanteil wird jeweils jährlich festgesetzt, für das Kalenderjahr 2001 auf 65,8 v. H. 2Solange für ein Kalenderjahr noch kein Gebührenanteil festgesetzt ist, gilt der Gebührenanteil des vorangegangenen Kalenderjahres vorläufig weiter.  (Fussnote:(1Werden Gerichtsvollzieher nur vorübergehend beschäftigt oder endet))In diesem Fall wird der endgültige Gebührenanteil rückwirkend zum 1. Januar neu festgesetzt.  (Fussnote:(aus sonstigen Gründen ihre Beschäftigung im Lauf des Haushaltsjahres,))Für die Zeit ab 1. Januar 2002 wird der Gebührenanteil vorläufig auf 52,5 v. H. festgesetzt.
§ 3
(1) 1Der Gebührenanteil für die Erledigung eines einzelnen Auftrags darf im Regelfall den Betrag von 600 DM nicht übersteigen. 2Über einen höheren Gebührenanteil entscheidet der Präsident des Oberlandesgerichts.
(2) 1Der Höchstbetrag der den Gerichtsvollziehern jeweils zustehenden Gebührenanteile beträgt im Kalenderjahr 47.700 DM. 2Wird der Höchstbetrag an Gebührenanteilen überschritten, so verbleiben den Gerichtsvollziehern 50 v. H. des Mehrbetrags. 3Bei der Festsetzung und Anweisung der Gebührenanteile in den ersten drei Kalendervierteljahren ist Satz 2 mit der Maßgabe anzuwenden, dass jeweils ein Betrag von 11.925 DM zugrunde zu legen ist. 4Die Höchstbeträge werden für das in § 2 Abs. 2 Satz 1 genannte Kalenderjahr festgesetzt; § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 gelten entsprechend. 5Für die Zeit ab 1. Januar 2002 wird der Jahreshöchstbetrag vorläufig auf 19.500 € und der Vierteljahreshöchstbetrag vorläufig auf 4.875 € festgesetzt.
so ist sinngemäß nach den vorstehenden Bestimmungen zu verfahren.
– Als Höchstbetrag gilt in diesem Fall
– für jedes Kalendervierteljahr (drei Kalendermonate oder 90 Kalendertage) ein Viertel,
– für jeden Monat (Kalendermonat oder 30 Kalendertage) ein Zwölftel,
– für überschießende Tage oder bei kürzeren Beschäftigungszeiten je Kalendertag ein Dreihundertsechzigstel des Höchstbetrags nach Absatz 2.
(5) Bei Teilzeitbeschäftigung oder ermäßigter Arbeitszeit sind die Höchstbeträge nach den Absätzen 2 und 3 sowie der Erhöhungsbetrag nach Absatz 4 in Anlehnung an § 6 Bundesbesoldungsgesetz im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit zu verringern.
Durch die Änderungsverordnung vom 29. September 2003 wurde in § 2 Abs. 2 Satz 1 GVEntSchV der Gebührenanteil für die Kalenderjahre 2002 und 2003 auf jeweils 51,9 v. H. festgesetzt. Satz 4 wurde aufgehoben. In § 3 Abs. 2 Satz 1 GVEntschV wurde der Höchstbetrag für diese beiden Jahre mit jeweils 19.600 € beziffert.
Vor dem Inkrafttreten der beiden genannten Änderungsverordnungen galten §§ 2 und 3 GVEntSchV in der Fassung der Änderungsverordnung vom 15. Dezember 2000 (GVBl S. 978). In dieser Fassung war der Gebührenanteil in § 2 Abs. 1 Satz 1 GVEntSchV für das Kalenderjahr 2000 auf 80,3 v. H. festgesetzt worden, der Höchstbetrag nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GVEntschV betrug 50.800 DM.
Unberührt von den Änderungsverordnungen blieb jeweils § 4 Abs. 1 GVEntschV, wonach die Gerichtsvollzieher die Gebührenanteile bei den Abrechnungen mit der Landesjustizkasse vorläufig zu errechnen und einzubehalten hatten.
b) Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO mit Beschluss vom 16. Oktober 2006 (Az. 3 N 03.1683 u. a. – juris) die beiden Änderungsverordnungen vom 18. September 2002 und 29. September 2003 für unwirksam erklärt mit der Begründung, die pauschalierten Regelungen ließen zum einen eine gebotene Differenzierung bei der Höhe der Vergütung nach den deutlich unterschiedlich strukturierten Typen der vorhandenen Gerichtsvollzieherbüros und den demnach tatsächlich angefallenen Bürokosten vermissen; insbesondere fehle die notwendige Unterscheidung zwischen Büros, bei denen Angestellte als Hilfspersonal beschäftigt würden, und solchen, bei denen davon abgesehen werde. Zum anderen errechneten sich zumindest für eine ganz erhebliche Zahl von Gerichtsvollziehern Entschädigungen, die deutlich über den tatsächlich angefallenen Unkosten lägen, damit den Rahmen von Aufwandsentschädigungen im Sinn von § 17 BBesG sprengten und deshalb zu einer nach § 2 Abs. 1 BBesG nicht zulässigen ergänzenden Besoldung der beamteten Gerichtsvollzieher führten (a. a. O. Rn. 53 ff.).
c) Als Reaktion auf diese Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erließ das Bayerische Staatsministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen am 21. August 2007 die angegriffene GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 2001-2003, die folgenden Wortlaut hat:
§ 1
(1) Im Außendienst beschäftigte Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher (planmäßige und hilfsweise beschäftigte Beamtinnen und Beamte) erhalten zur Abgeltung des ihnen durch die Verpflichtung zur Einrichtung und Unterhaltung eines Büros entstehenden Aufwands eine Entschädigung.
(2) Die Bürokostenentschädigung für die Jahre 2001 bis 2003 wird, soweit diese noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, nach den nachfolgenden Bestimmungen gewährt.
§ 2
(1) Die Entschädigung für Sachkosten wird pauschal gewährt und beträgt je Kalendermonat 750 €.
(2) Berechtigte, die weniger als einen Monat als Gerichtsvollzieherinnen oder Gerichtsvollzieher eingesetzt waren, erhalten pro Kalendertag ein Dreißigstel des Monatsbetrags nach Abs. 1.
(3) 1Sofern Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher neben den Dienstgeschäften des eigenen Bezirks die Vertretung verhinderter Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher oder die Verwaltung weiterer Gerichtsvollzieherstellen übernehmen, wird für daraus resultierende höhere Sachaufwendungen ab dem 64. Kalendertag der Vertretung oder Verwaltung weiterer Gerichtsvollzieherstellen eine Pauschale von 10 € für jeden Tag einer durchgeführten Vertretung oder Verwaltung gewährt.  (Fussnote:(1Die Bürokostenentschädigung nach Abs. 1 ist mit der von den Ge))Bei Vertretung oder Verwaltung einer weiteren Gerichtsvollzieherstelle durch mehrere Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher wird der Erhöhungsbetrag anteilig berücksichtigt.
§ 3
(1) 1Notwendige und angemessene Aufwendungen vollzeitbeschäftigter Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher für die Beschäftigung von Büropersonal auf der Grundlage von steuer- und sozialversicherungsrechtlich anerkennungsfähigen Arbeits-, Dienst- oder Werkverträgen werden pro Kalendermonat einschließlich der zu entrichtenden Sozial- und gesetzlichen Unfallversicherungsbeiträge bis zu einem Höchstbetrag von 1.836 € für das Jahr 2001, bis zu einem Höchstbetrag von 1.425 € für das Jahr 2002 und bis zu einem Höchstbetrag von 1.390 € für das Jahr 2003 erstattet. 2Der Höchstbetrag vermindert sich bei teilzeitbeschäftigten Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern entsprechend deren Beschäftigungsumfang.
(2) Die nach Abs. 1 geltend gemachten Aufwendungen sind nachzuweisen.
§ 4
(1) 1Die sich nach §§ 2 und 3 dieser Verordnung ergebende Bürokostenentschädigung wird von den Präsidenten der Oberlandesgerichte festgesetzt. 2Von der dort vorgesehenen Entschädigungsregelung darf nur in besonderen Fällen mit Zustimmung des Staatsministeriums der Justiz abgewichen werden.  (Fussnote:(richtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern für den maßgeblichen Zeitraum bereits einbehaltenen Bürokostenentschädigung zu verrechnen.))Die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher haben den Anfall höherer Sach- und Personalkosten nachzuweisen und die Gründe für die Notwendigkeit der Mehrkosten darzulegen.
2Zuviel einbehaltene Beträge sind von den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern an die Landesjustizkasse abzuführen. 3Minderbeträge werden aus der Staatskasse erstattet.
§ 5
Diese Verordnung tritt am 1. September 2007 in Kraft.
d) Für die Abwicklung der nicht bestandskräftig abgeschlossenen Altfälle (§ 1 Abs. 2 GVBEntschV 2001-2003) traf das Bayerische Staatsministerium der Justiz im Vorfeld des Erlasses der angegriffenen Verordnung mit einem an die Präsidenten der Oberlandesgerichte gerichteten Schreiben vom 21. Februar 2007 eine Übergangsregelung, durch die Vertrauensschutz hergestellt werden sollte. Danach wurde den betroffenen Gerichtsvollziehern gestattet, die Festsetzungsbescheide 2001 bis 2003 durch Rücknahme der eingelegten Rechtsbehelfe bestandskräftig werden zu lassen mit der Folge, dass es auch bei diesen Gerichtsvollziehern – ebenso wie bei denjenigen, die keine Rechtsbehelfe eingelegt hatten – bei der meist günstigeren Abrechnung nach den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof für unwirksam erklärten früheren Regelungen verbleiben konnte.
e) Die Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung vom 15. Oktober 1998 wurde durch § 9 Abs. 2 Satz 1 der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Verordnung über die Aufwandsentschädigung für Bürokosten der Gerichtsvollzieher (BKEntschV-GV) vom 29. November 2007 (GVBl S. 827) mit Ablauf des 31. Dezember 2007 außer Kraft gesetzt.
f) Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 29. Juli 2016 (Az. 3 N 14.1545 – juris) in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO den Antrag eines Gerichtsvollziehers, die GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 2001-2003 für unwirksam zu erklären, abgelehnt, da diese weder gegen formelles noch gegen materielles Recht verstoße (a. a. O. Rn. 119 ff.). Die Beschwerde des dortigen Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. Mai 2017 (Az. 2 BN 1.17 – juris) zurückgewiesen. Die gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 8. November 2017 (Az. 2 BvR 1364/17) nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. den Hinweis bei juris zu BVerwG vom 2.5.2017 – Az. 2 BN 1.17).
II.
1. Die Antragstellerin ist die Ehefrau eines Gerichtsvollziehers im Ruhestand.
Nach ihren Angaben ist beim Verwaltungsgericht Augsburg eine Klage ihres Ehemanns wegen einer Rückforderung hinsichtlich der auf der Grundlage der GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 2001-2003 festgesetzten Bürokostenentschädigung für das Jahr 2001 in Höhe von 16.843,77 € anhängig.
Mit ihrer am 29. Juni 2021 eingegangenen, durch Schreiben vom 12. Juli, 8. September und 3. Oktober 2021 ergänzten Popularklage beantragt die Antragstellerin, die GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 2001-2003 insgesamt für nichtig zu erklären. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend:
Die rückwirkend erlassene Verordnung verstoße gegen das in Art. 118 Abs. 1 BV normierte Willkürverbot. Für rund 700 Gerichtsvollzieher hätten im Zeitraum 2001 bis 2003 zwei Verordnungen über die Entschädigung gegolten, nämlich die angegriffene Verordnung vom 21. August 2007 und gleichzeitig die Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung vom 15. Oktober 1998, die mit ihren jeweiligen Änderungsverordnungen, ausgenommen die beiden aufgehobenen Änderungsverordnungen vom 18. September 2002 und 29. September 2003, durchgehend bis zum 31. Dezember 2007 gültig gewesen sei. Durch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2006 (Az. 3 N 03.1683 u. a.) seien eindeutig nur die Änderungsverordnungen vom 18. September 2002 und 29. September 2003 für unwirksam erklärt worden. Die restlichen Bestimmungen der Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung 1998 und damit auch die Änderungsverordnung vom 15. Dezember 2000 seien von der Entscheidung unberührt geblieben und hätten weiterhin gegolten. Damit müsse die Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung 1998 mit der Änderungsverordnung vom 15. Dezember 2000 für alle bayerischen Gerichtsvollzieher gelten, nicht nur für diejenigen, deren Bürokostenentschädigung für 2001 noch nicht rechtskräftig festgestellt gewesen sei.
Für die angegriffene Verordnung fehle jeder sachliche Grund. Sie statuiere mit einer Rückwirkung von sechs Jahren ein einzigartiges, nur für ca. acht bayerische Gerichtsvollzieher geltendes System, das anders als zuvor den Nachweis der Personalkosten verlange und eine Pauschale für Sachkosten vorsehe, ohne entsprechend dem bisherigen System Rücksicht auf Mehrbelastung oder Teilzeit zu nehmen. Obwohl bekannt gewesen sei, dass der überwiegende Teil der Gerichtsvollzieher ihre mitarbeitenden Ehefrauen nicht sozialversicherungspflichtig angemeldet habe, sei abweichend von der geltenden Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung 1998 eine Nachweispflicht für Personalkosten eingeführt worden, was zu exorbitanten Rückforderungen geführt habe. Hiermit hätten die wenigen Gerichtsvollzieher, deren Bescheide nicht bestandskräftig gewesen seien und für die die angegriffene Verordnung erlassen worden sei, nicht rechnen können.
Da im Jahr 2000 der Nominalbetrag der Entschädigung nach der Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung 1998 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 15. Dezember 2000 bei 50.800 DM gelegen habe, habe kein Gerichtsvollzieher für das Jahr 2001 einen Arbeits-, Dienst- oder Werkvertrag mit einer Angestellten abschließen können, der gemäß der rückwirkenden GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 2001-2003 Personalkosten in Höhe von 22.032 € (43.090,85 DM) hätte verursachen dürfen. Keinem Gerichtsvollzieher habe zu diesem Zeitpunkt der in der angegriffenen Verordnung ausgewiesene Nominalbetrag zur Deckung der Sach- und Personalkosten zur Verfügung gestanden. Zu berücksichtigen sei, dass Arbeits-, Dienst- oder Werkverträge im Voraus geschlossen werden müssten und nicht rückwirkend geändert werden könnten.
Obwohl laut Beschlüssen der Justizministerkonferenzen vom 18. September 2002 und 29. März 2003 die Gerichtsvollzieher nicht durch Kürzungen beeinträchtigt werden sollten und die Entschädigung nach einheitlichen Richtlinien erfolgen sollte, sei in Bayern die Bürokostenentschädigung rückwirkend gekürzt worden.
Durch die gleichzeitige Geltung von zwei Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnungen für das Jahr 2001 sei auch das aus Art. 3 Abs. 1 BV folgende Gebot der Normenklarheit verletzt.
Der Verfassungsgerichtshof habe ferner das Gleichbehandlungsgebot des Art. 118 Abs. 1 BV zu prüfen sowie die in Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV verankerte beamtenrechtliche Fürsorgepflicht.
Die willkürliche, dem Dienstherrn bekannte rückwirkende Schlechterstellung einer kleinen Anzahl von Gerichtsvollziehern mit nicht bestandskräftigen Bescheiden verstoße gegen geltendes Beamtenrecht, insbesondere „dürften“ §§ 53, 48 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) und § 45 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) verletzt sein.
2. Die Antragstellerin hat ihre Popularklage mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden.
III.
1. Der Bayerische Landtag hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
2. Aus Sicht der Bayerischen Staatsregierung ist die Popularklage jedenfalls unbe gründet. Die angegriffene Verordnung verstoße insbesondere nicht gegen Art. 118 Abs. 1 BV. Diese Frage sei bereits vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Rahmen des Normenkontrollverfahrens Az. 3 N 14.1545 umfassend geprüft worden mit dem Ergebnis, dass die angegriffene Verordnung weder gegen formelles noch gegen materielles Recht verstoße.
IV.
Die Popularklage ist unzulässig, weil die Antragstellerin nicht in der erforderlichen Weise dargelegt hat, inwiefern durch die angegriffene Verordnung ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt sein könnte.
1. Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verord nungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) geltend machen. Gesetze und Verordnungen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Dazu zählt auch die angegriffene GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 2001 -2003, die nach wie vor in Kraft ist und auch noch – wie das von der Antragstellerin angesprochene, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg anhängige Verfahren zeigt – rechtliche Wirkungen entfalten kann.
Zu den prozessualen Voraussetzungen einer Popularklage gehört nach Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG, dass der Antragsteller darlegt, inwiefern durch die angegriffene Rechtsvorschrift ein in der Bayerischen Verfassung gewährleistetes Grundrecht verfassungswidrig eingeschränkt wird. Greift er mehrere Rechtsvorschriften an, so muss dies für jede einzelne von ihnen ersichtlich sein. Summarische, nicht präzisierte Grundrechtsrügen sind unzulässig (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 19.4.1985 VerfGHE 38, 43/45; vom 29.10.2018 – Vf. 20-VII-17 – juris Rn. 14). Die Popularklage ist ferner unzulässig, wenn und soweit eine als verletzt bezeichnete Norm der Verfassung kein Grundrecht gewährt oder wenn zwar ein Grundrecht als verletzt gerügt wird, eine Verletzung nach Sachlage aber von vornherein nicht möglich ist, weil der Schutzbereich des angeblich verletzten Grundrechts durch die angefochtene Rechtsvorschrift nicht berührt wird, bzw. wenn die geltend gemachte Grundrechtsverletzung nach Sachlage schlechthin ausgeschlossen, also z. B. begrifflich nicht möglich ist. Eine ausreichende Grundrechtsrüge liegt nicht schon dann vor, wenn der Antragsteller nur behauptet, dass die angefochtene Rechtsvorschrift nach seiner Auffassung gegen Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung verstößt. Der Antragsteller muss seinen Vortrag vielmehr so präzisieren, dass der Verfassungsgerichtshof beurteilen kann, ob der Schutzbereich der bezeichneten Grundrechtsnorm berührt ist. Die zur Überprüfung gestellten Tatsachen und Vorgänge müssen dies zumindest als möglich erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 4.5.2012 VerfGHE 65, 73/81; vom 21.3.2016 VerfGHE 69, 99 Rn. 25; vom 26.3.2018 VerfGHE 71, 59 Rn. 56; vom 29.10.2020 BayVBl 2021, 83 Rn. 19; vom 26.8.2021 – Vf. 43-VIII- 21 – juris Rn. 63).
2. Diesen Darlegungsanforderungen wird die Popularklage nicht gerecht.
a) Dahingestellt bleiben kann, ob es im vorliegenden Fall ausreicht, dass die Antragstellerin die einzelnen Vorschriften der GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 2001-2003 nicht bezeichnet, sondern die Verordnung insgesamt angreift (vgl. dazu z. B. VerfGH vom 17.11.2005 VerfGHE 58, 253/260). Denn die Zulässigkeit der Popularklage scheitert jedenfalls daran, dass es an einer ausreichend substanziierten Grundrechtsrüge fehlt.
b) Die Antragstellerin rügt in erster Linie eine Verletzung des Art. 118 Abs. 1 BV in seiner Ausprägung als Willkürverbot; daneben bezeichnet sie – ohne nähere spezifische Ausführungen – das allgemeine Gleichheitsgebot als verletzt.
In seinem klassischen Gehalt verbietet der Gleichheitssatz, gleiche Sachverhalte in willkürlicher Weise ungleich und ungleiche Sachverhalte in willkürlicher Weise gleich zu behandeln. Davon zu unterscheiden ist das allgemeine Willkürverbot, das der Durchsetzung der materiellen Gerechtigkeit auch dort dient, wo es nicht um die Beurteilung konkreter Vergleichspaare oder die ausnahmslose Einhaltung eines einheitlichen Regelungssystems geht. Willkürlich in diesem Sinn sind Normen, wenn die äußersten Grenzen des normgeberischen Ermessens überschritten sind, für die getroffene Regelung also jeder sachlich einleuchtende Grund fehlt (vgl. VerfGH vom 23.10.2008 VerfGHE 61, 248/257; vom 13.9.2012 VerfGHE 65, 152/160; vom 21.6.2016 VerfGHE 69, 182 Rn. 56; vom 17.7.2017 VerfGHE 70, 137 Rn. 51). Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sein könnten, zeigt die Popularklage nicht in der erforderlichen Weise auf.
aa) Die Antragstellerin behauptet zwar, für die angegriffene Verordnung fehle jeder sachliche Grund, sie legt aber nicht ansatzweise substanziiert und nachvollziehbar dar, weshalb dies der Fall sein könnte.
Anlass für den Erlass der GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 20012003 war, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. Oktober 2006 (Az. 3 N 03.1683 u. a. – juris) die Verordnungen zur Änderung der Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung vom 18. September 2002 und vom 29. September 2003 für unwirksam erklärt hatte, weil die durch diese Verordnungen herbeigeführten Änderungen der Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung vom 15. Oktober 1998 den Anforderungen des § 49 Abs. 3 Satz 1 BBesG nicht entsprachen. Mit dieser Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs waren die normativen Voraussetzungen für eine Festsetzung des Gebührenanteils nach §§ 2 und 3 GVEntschV für die Jahre 2001 bis 2003 entfallen, sodass die Entscheidung des Verordnungsgebers, insoweit für noch nicht bestandskräftig gewordene Festsetzungen eine neue Rechtsgrundlage zu schaffen, auf einem sachlichen Grund beruhte sowie konsequent und folgerichtig war.
Die Antragstellerin setzt sich mit diesem Gesichtspunkt ebenso wenig auseinander wie mit den Gründen, aus denen die Änderungsverordnungen vom 18. September 2002 und 29. September 2003 durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof für unwirksam erklärt worden waren. Ihre Auffassung, infolge des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2006 hätten die Gebührenanteile für die Jahre 2001 bis 2003 nach dem alten System gemäß der Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung vom 15. Oktober 1998 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 15. Dezember 2000 bestimmt werden müssen, kann nicht nachvollzogen werden. Denn die Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung enthält in dieser Fassung keine Regelung für die endgültige Festsetzung der Gebührenanteile für diese Jahre, sondern in § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 die Bestimmung, dass, solange für ein Kalenderjahr noch kein Gebührenanteil festgesetzt ist, der Gebührenanteil des vorangegangenen Kalenderjahres vorläufig weiter gilt und der endgültige Gebührenanteil rückwirkend zum 1. Januar neu festgesetzt wird. Damit konnte ohne eine neue Verordnung keine endgültige Festsetzung erfolgen (vgl. BayVGH vom 29.7.2016 – 3 N 14.1545 – juris Rn. 131).
Darüber hinaus berücksichtigt die Antragstellerin nicht, dass die Systematik der Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung vom 15. Oktober 1998 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 15. Dezember 2000 nach Vom-Hundert-Sätzen und Höchstbeträgen sich nicht von der Systematik der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof für unwirksam erklärten Änderungsverordnungen unterscheidet, sodass die Unwirksamkeitsgründe in gleicher Weise auf die von der Antragstellerin für anwendbar erachtete Fassung der Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung zutreffen (vgl. BayVGH vom 29.7.2016 – 3 N 14.1545 – juris Rn. 132; vom 21.7.2011 – 3 ZB 08.3206 – juris Rn. 6 bezüglich der ebenfalls gleichgelagerten Änderungsverordnung vom 10. Oktober 2005, GVBl S. 520).
bb) Der Vortrag der Antragstellerin, es hätten für den Zeitraum 2001 bis 2003 gleichzeitig zwei Verordnungen über die Entschädigung der Gerichtsvollzieher ge¬golten, ist ebenfalls nicht geeignet, die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 118 Abs. 1 BV darzulegen.
Die Antragstellerin stützt ihre Argumentation darauf, dass die Gerichtsvollzieher-entschädigungsverordnung vom 15. Oktober 1998 erst durch Verordnung vom 29. November 2007 (GVBl S. 827) mit Ablauf des 31. Dezember 2007 insgesamt aufgehoben worden sei, während die Gerichtsvollzieherbürokostenentschädi- gungsVO 2001-2003 bereits am 1. September 2007 in Kraft getreten sei. Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass ab dem 1. September 2007 für die Festsetzung der Bürokostenentschädigung für die Jahre 2001 bis 2003, soweit diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig festgesetzt war, allein die GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 2001-2003 galt. Bis zur Entschei¬dung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2006 (Az. 3 N 03.1683 u. a.) galt insoweit die Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung vom 15. Oktober 1998 in den Fassungen der Änderungsverordnungen vom 18. Sep¬tember 2002 bzw. vom 29. September 2003. Im Zeitraum zwischen dieser Ent¬scheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und dem 1. September 2007 fehlte – wie oben ausgeführt – eine normative Grundlage für die endgültige Fest¬setzung der Bürokostenentschädigung der Jahre 2001 bis 2003. Damit waren ent¬gegen der Auffassung der Antragstellerin hinsichtlich der endgültigen Festsetzung der Bürokostenentschädigung für die Jahre 2001 bis 2003 zu keinem Zeitpunkt zwei unterschiedliche Verordnungen gleichzeitig anwendbar.
cc) Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen das Willkürverbot bzw. das Gleichbehandlungsgebot darin sieht, dass die angegriffene Verordnung nur für eine sehr geringe Anzahl von Gerichtsvollziehern von Relevanz sei, deren Büro-kostenentschädigung für die Jahre 2001 bis 2003 noch nicht bestandskräftig fest¬gesetzt worden sei, und die Auffassung vertritt, auch für diese Gerichtsvollzieher hätte die Festsetzung nach der Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung vom 15. Oktober 1998 erfolgen müssen, fehlt es ebenfalls an der substanziierten und nachvollziehbaren Darlegung der Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 118 Abs. 1 BV.
Dem Vortrag der Antragstellerin kann nicht entnommen werden, weshalb die Un-terscheidung des Verordnungsgebers zwischen Fällen, in denen die maßgebli¬chen Bescheide bestandskräftig sind, und solchen, in denen das nicht der Fall ist, keinen sachgerechten Grund für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der angegriffenen Verordnung darstellen würde. Dass der Normgeber dem Kriterium der Bestandskraft maßgebliche Bedeutung beigemessen hat, ist nicht willkürlich, sondern schon deshalb naheliegend, weil es einem allgemeinen Rechtsgrundsatz entspricht, dass die nachteiligen Wirkungen, die von fehlerhaften Akten der öffent¬lichen Gewalt in der Vergangenheit ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, dass aber für die Zukunft die sich aus der Durchsetzung solcher Akte ergebenden Folgen abgewendet werden sollen (vgl. zu § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG BVerfG vom 16.1.1980 BVerfGE 53, 115/130; vom 27.11.1997 BVerfGE 97, 35/48; vom 6.12.2005 BVerfGE 115, 51/63f.; Bethge in Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 79 Rn. 9 m. w. N.).
dd) Soweit die Antragstellerin im Rahmen der Willkürrüge beanstandet, dass die Gerichtsvollzieher mit der Einführung des neuen Systems durch die angegriffene Verordnung, insbesondere der dadurch geschaffenen Nachweispflicht für Perso-nalkosten, nicht hätten rechnen können und es ihnen im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten bzw. des Abschlusses entsprechender Verträge nicht möglich gewe¬sen sei, sich darauf einzustellen, macht sie der Sache nach eine Verletzung des im Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV enthaltenen Rückwirkungsver¬bots geltend.
Da Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV kein Grundrecht verbürgt, könnte der Verfassungsge-richtshof einen solchen Verstoß nur auf eine zulässige Grundrechtsrüge hin über¬prüfen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 22.4.2005 VerfGHE 58, 94/98; vom 21.7.2011 BayVBl 2011,695/696; vom 29.10.2020 – Vf. 22-VII-20 – juris Rn. 24 m. w. N.). Eine solche zulässige Grundrechtsrüge lässt sich dem Vorbrin¬gen der Antragstellerin jedoch nicht entnehmen. Insbesondere hat sie die Möglich¬keit einer Verletzung des Willkürverbots des Art. 118 Abs. 1 BV auch in diesem Zusammenhang nicht ansatzweise aufgezeigt.
Sowohl der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH vom 29.7.2016 – 3 N 14.1545 – juris Rn. 120 ff.) als auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG vom 2.5.2017 – 2 BN 1.17 – juris Rn. 12 ff.) haben einen Verstoß der angegriffenen Verordnung gegen das entsprechend in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltene Rückwir-kungsverbot verneint, da die Normadressaten kein zu schützendes Vertrauen da-hingehend aufbauen konnten, dass die Maßstäbe für die abgeschlossenen Le-benssachverhalte der Jahre 2001 bis 2003 nicht mehr geändert werden würden. Beide Gerichte haben dabei insbesondere darauf abgestellt, dass das Regelungs¬system der Bürokostenabgeltung für die Gerichtsvollzieher schon nach der Ge-richtsvollzieherentschädigungsverordnung vom 15. Oktober 1998 von Anfang an auf eine nachträgliche – und rückwirkende – Festsetzung angelegt war und die betroffenen Gerichtsvollzieher damit stets mit einer rückwirkenden Änderung der Erstattungsregelungen zu rechnen hatten. Vom Bundesverwaltungsgericht unbe-anstandet hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus für maßgeb¬lich erachtet, dass es die Gerichtsvollzieher selbst in der Hand hatten, vor dem an-gekündigten Erlass der GerichtsvollzieherbürokostenentschädigungsVO 2001¬2003 von der vom Staatsministerium der Justiz angebotenen Möglichkeit Ge¬brauch zu machen, ihre gegen die Festsetzungsbescheide 2001 bis 2003 einge¬legten Rechtsbehelfe zurückzunehmen, um so unter Bestandsschutz gestellt und von der neuen Verordnung nicht erfasst zu werden.
In der Popularklage werden die genannten Entscheidungen des Bayerischen Ver-waltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts zwar angesprochen, auf deren tragende Begründungen wird aber nicht in nachvollziehbarer Weise ein¬gegangen und nicht dargelegt, inwiefern diese infrage gestellt werden könnten. Angesichts dessen, dass die Fachgerichte im verwaltungsgerichtlichen Normen¬kontrollverfahren einen Verstoß der angegriffenen Verordnung gegen das auch vom Grundgesetz verbürgte Rückwirkungsverbot ausdrücklich verneint haben, wäre für eine substanziierte, den Anforderungen des Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG genügende Grundrechtsrüge jedoch eine nähere Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen erforderlich gewesen.
ee) Die Bezugnahme der Antragstellerin auf Beschlüsse der Justizministerkonfe-renzen aus den Jahren 2002 und 2003 zur Reform der Entschädigungsregelung zur Abgeltung der Bürokosten im Gerichtsvollzieherdienst ist schon im Ansatz nicht geeignet, eine Verletzung des Art. 118 Abs. 1 BV darzulegen. Bei diesen Be¬schlüssen handelt es sich um rechtspolitische Äußerungen ohne Rechtsetzungs¬charakter. Inwiefern hierdurch die Verfassungsmäßigkeit der aus Anlass der Ent¬scheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2006 (Az. 3 N 03.1683 u. a.) im Jahr 2007 erlassenen angegriffenen Verordnung infrage gestellt werden könnte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
c) Soweit die Antragstellerin die aus Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV folgende allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstherrn als Prüfungsmaßstab anführt, lässt sich ihrem Vortrag schon nicht entnehmen, worin eine Verletzung dieses grundrechtsähnli¬chen Rechts (vgl. VerfGH vom 27.4.1978 VerfGHE 31, 138/140 f.; vom 20.9.2005 VerfGHE 58, 196/202; vom 25.2.2013 VerfGHE 66, 6/12) konkret liegen soll. Die Popularklage enthält hierzu keine nachvollziehbaren Ausführungen, die über die unsubstanziierte Rüge einer Verletzung des Art. 118 Abs. 1 BV hinausgingen.
d) Auf eine Verletzung der von der Antragstellerin – ebenfalls ohne nähere Erläu-terung – daneben genannten Bestimmungen der §§ 53, 48 BRRG (die am 1. April 2009 außer Kraft getreten sind, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG) und des § 45 BeamtStG kann die Popularklage von vornherein nicht gestützt werden. Prüfungs¬maßstab im Popularklageverfahren sind allein die Vorschriften der Bayerischen Verfassung, nicht Normen des – vorrangigen (Art. 31 GG) – Bundesrechts.
e) Schließlich kann auch eine mögliche Verletzung des Gebots der Normenklar¬heit, das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV enthalten ist (vgl. VerfGH vom 24.2.1988 VerfGHE 41, 17/24; vom 13.3.2012 VerfGHE 65, 61/69; vom 23.3.2017 VerfGHE 70, 44 Rn. 19), mit der Popularklage für sich allein nicht geltend gemacht werden, weil das Rechtsstaatsprinzip keine Grundrechte verbürgt (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 29.6.2004 VerfGHE 57, 62/65; vom 29.10.2020 – Vf. 22-VII-20 – juris Rn. 24 m. w. N.). Darüber hinaus hat die Antrag¬stellerin die von ihr behauptete fehlende Klarheit der angegriffenen Verordnung nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Annahme der Antragstellerin, für die Festsetzung der Bürokostenentschädigung für die Jahre 2001 bis 2003 kämen in nicht bestandskräftig abgeschlossenen Fäl¬len gleichzeitig zwei unterschiedliche Verordnungen zur Anwendung, schon im An¬satz unzutreffend. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern der Anwendungsbereich der angegriffenen Verordnung unklar oder unbestimmt sein sollte. 
V.
Durch die Entscheidung über die Popularklage hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.
VI.
Es ist angemessen, der Antragstellerin eine Gebühr von 1.000 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben