Verwaltungsrecht

Hauptsacheerledigung durch Aufhebung eines „Dublin-Bescheids“ bzw. durch Ablauf der Überstellungsfrist

Aktenzeichen  AN 17 K 20.50132

Datum:
12.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2137
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 161 Abs. 2
Dublin III-VO Art. 29 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Wenn die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO unstreitig abgelaufen ist, weil seit der ablehnenden Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren mehr als sechs Monate vergangen waren, spielt die zusätzliche behördliche Aussetzung der Abschiebung keine Rolle. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unter Berücksichtigung der Gründe der ablehnenden Eilentscheidung und des Umstandes, dass die tatsächliche Abschiebung nicht durch die Beklagte, sondern durch die zuständige Ausländerbehörde erfolgt und der Beklagten damit nur eingeschränkt zugerechnet werden kann, ist aus Billigkeitsgründen eine Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers angemessen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Nachdem die Beklagte auf gerichtliche Anfrage hin den beklagten Bescheid vom 10. März 2020 mit Schriftsatz vom 1. Februar 2021 aufgehoben hat und einer Hauptsacheerledigung vorab zugestimmt hat und der Kläger durch seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigte die Erledigung der Hauptsache mit Schriftsatz vom 8. Februar 2021 erklärt hat, ist das Verfahren einzustellen und über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es in der Regel der Billigkeit, derjenigen Partei die Verfahrenskosten aufzuerlegen, die im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Das Unterliegen hängt vorliegend maßgeblich von dem Zeitpunkt ab, auf den man hierbei abstellt.
Im Zeitpunkt der Erledigungserklärung und der Bescheidsaufhebung war die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) unstreitig abgelaufen, weil seit der ablehnenden Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren (AN 17 S 20.50131) am 29. Mai 2020, den Parteien zugestellt am 4. Juni 2020, mehr als sechs Monate vergangen waren. Die zusätzliche behördliche Aussetzung der Abschiebung spielt nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. VG Ansbach, U.v. 17.11.2020 – AN 17 K 19.51109) keine Rolle. Es ist auch davon auszugehen, dass die Beklagte die Abschiebung vorliegend mit der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO für möglich erachtet hat und sich nicht auf den Standpunkt gestellt hat, dass eine behördliche Aussetzung eine weitere Fristunterbrechung bewirkt hat. Seit 7. Dezember 2020 wäre der Anfechtungsklage damit stattzugeben gewesen.
Stellt man für die Billigkeitsentscheidung jedoch auf die Erfolgsaussichten im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses ab und erachtet den Ablauf der Überstellungsfrist als erledigendes Ereignis, da mit deren Ablauf der Bescheid der Beklagten gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG gegenstandslos geworden ist (BayVGH B.v. 30.3.2015 – 21 ZB 15.50026 – juris Rn. 2; VG Ansbach B.v. 24.11.2015 – AN 14 K 15.50328 – juris Rn. 10; a. A. VG Frankfurt (Oder) B.v. 15.12.2017 – 2 K 1092/17.A – juris Rn. 7 ff.), ergibt sich bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten die Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage (vgl. Gründe des Eilbeschlusses vom 29.5.2020).
In dieser Situation ist für die Billigkeitsentscheidung sinnvoller auf die Gründe der nicht erfolgten Abschiebung abzustellen. Da die Hintergründe zum Ablauf der Überstellungsfrist dem Gericht im vorliegenden Fall aber nicht bekannt sind, die Parteien hierzu nichts vorgetragen haben, den vorgelegten Akten insoweit nichts zu entnehmen ist und eine weitere Ermittlung nach Hauptsacheerledigung nicht angezeigt ist, ist hier unter Berücksichtigung der Gründe der ablehnenden Eilentscheidung und des Umstandes, dass die tatsächliche Abschiebung nicht durch die Beklagte, sondern durch die zuständige Ausländerbehörde erfolgt und der Beklagten damit nur eingeschränkt zugerechnet werden kann, eine Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers angemessen. Dies berücksichtigt im vorliegenden Fall auch den Umstand, dass Kosten (nämlich die Rechtsanwaltskosten des Klägers) überhaupt erst entstanden sind zu einem Zeitpunkt, als die Überstellungfrist bereits abgelaufen war (vgl. Vollmacht vom 26.1.2021, Mandatsanzeige vom 29.1.2021, bei Gericht eingegangen am 4.2.2021) und das Gericht den Ablauf der Überstellungsfrist auch bereits in den Blick genommen und beim Beklagten hierzu angefragt hatte (vgl. gerichtliches Schreiben vom 13.1.2021). In dieser Situation – eine Ablehnung seitens der Beklagten lag nicht vor und war auch nicht zu erwarten – einen Rechtsanwalt einzuschalten und die Kostenerstattung zu begehren, erscheint unbillig.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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