Verwaltungsrecht

Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer – Klagefrist

Aktenzeichen  M 10 K 18.187

Datum:
14.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35299
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60 Abs. 1, § 74 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Für die Einhaltung der Klagefrist ist zu unterscheiden, ob ein   Kläger bei einem in Wirklichkeit unzuständigen Gericht Klage erheben wollte, denn dann ist der Eingang bei diesem Gericht innerhalb der Klagefrist fristwahrend, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Verweisung an das zuständige Gericht ankommt, oder ob der Kläger seine Klage an das zuständige Gericht gerichtet hat, die Klageschrift aber bei einer anderen Stelle eingeht, denn dann ist für die Fristwahrung auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem die Klageschrift bei dem zuständigen Gericht eingeht. (Rn. 35 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine an das zuständige Verwaltungsgericht München gerichtete Klage wird nicht mit Einwurf in den Briefkasten der Allgemeinen Einlaufstelle I der Justizbehörden in München anhängig, weil das Verwaltungsgericht keine „Justizbehörde“ in diesem Sinne ist und es bei den dort im Einzelnen aufgeführten möglichen Adressaten für eine verwaltungstechnische Nutzung des Briefkastens auch für gerichtliche Post nicht genannt ist (so auch BayVGH BeckRS 2004, 33488). (Rn. 34 und 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Versäumung einer Frist ist immer dann iSd § 60 Abs. 1 VwGO verschuldet, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist (objektive Voraussetzung) und die ihm (subjektiv) nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es stellt keine sorgfältige Prozessführung dar, ohne weitere Nachforschungen den Versuch des Einwurfs am Verwaltungsgericht zu beenden und die Klage in den Briefkasten an der Zentralen Einlaufstelle I einzuwerfen, obwohl dort das Verwaltungsgericht nicht unter den angeschlossenen Gerichten aufgelistet ist, und zudem auch die Möglichkeit weiterer Aufklärung am darauf folgenden, noch innerhalb der Klagefrist liegenden Tag nicht zu nutzen. (Rn. 48 – 52) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein Verschulden bei der Einhaltung einer Frist entfällt grundsätzlich nicht dadurch, dass ein Dritter die Fristversäumung noch hätte verhindern können. Ausnahmsweise könnte ein Verschulden aber dann abgelehnt werden, wenn die Klage zwar bei einer unzuständigen Stelle eingereicht wurde, bei der der Betroffenen sie auch nicht erheben wollte, im ordentlichen Geschäftsgang aber mit einer Weiterleitung innerhalb der Frist zu rechnen war. Dabei ist im üblichen Geschäftsgang in jedem Fall eine Dauer von mehr als nur einem Tag zu erwarten und eine Dauer von drei Tagen nicht ungewöhnlich. (Rn. 54 und 55) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die Klage ist bereits unzulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben wurde.
1. Nach interessengerechter Auslegung gem. § 88 VwGO sind Klagegegenstände der Änderungsbescheid des Beklagten vom 9. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2017, in dem die Zweitwohnungsteuer für den Veranlagungszeitraum 2013 auf 839,13 Euro festgesetzt wird, der Änderungsbescheid des Beklagten vom 18. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2017, in dem die Zweitwohnungsteuer für den Veranlagungszeitraum 2014 auf 849,33 Euro festgesetzt wird sowie der Bescheid des Beklagten vom 24. April 2017, in dem die Zweitwohnungsteuer für den Veranlagungszeitraum 2015 auf 861,56 Euro festgesetzt wird.
Der für den Veranlagungszeitraum 2013 erlassene Bescheid vom 25. Februar 2013, in dem eine Steuer von 1.898,95 Euro festgesetzt wurde, wurde durch den ersten Änderungsbescheid vom 9. Dezember 2016 aufgehoben, der eine Steuer für 2013 von 0 Euro festsetzt. Für den ersten Bescheid würde daher weder eine Klagebefugnis, noch ein Rechtschutzbedürfnis bestehen, sodass nicht davon auszugehen ist, dass dieser mit der Klage angefochten werden sollte. Gleiches gilt für den ersten Änderungsbescheid, da eine Steuerfestsetzung auf 0 Euro für den Adressaten keine Beschwer darstellt. Aus denselben Gründen ist für das Jahr 2014 ebenfalls nur der letzte Änderungsbescheid Klagegegenstand, der die Steuer von 0 Euro auf 849,33 Euro heraufsetzt.
2. Die Klage wurde nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben.
Danach muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden, was vorliegend nicht der Fall ist.
Der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 8. Dezember 2017 wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin ausweislich der in der Behördenakte enthaltenen Postzustellungsurkunde am 9. Dezember 2017 zugestellt.
Da er eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung:enthält, begann die Klagefrist gem. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am 10. Dezember 2017 und endete gem. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 9. Januar 2018. Der Eingang am Verwaltungsgericht am 11. Januar 2018 war daher nicht fristgerecht.
Durch den Einwurf in den Briefkasten der Allgemeinen Einlaufstelle I der Justizbehörden in … am 8. Januar 2018 wurde die Klagefrist nicht gewahrt.
Das Verwaltungsgericht München ist nicht an diese Allgemeine Einlaufstelle angeschlossen. Ausweislich der Kennzeichnung an dem Briefkasten ist dieser als „Nachtbriefkasten der Justizbehörden in München“ ausgewiesen. Das Verwaltungsgericht ist aber schon keine „Justizbehörde“ in diesem Sinne (vgl. Art. 1, Art. 2 Abs. 3 Nr. 1 BayVwVfG), sondern nach § 1 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 AGVwGO ein unabhängiges Gericht. Soweit der Briefkasten in der …straße 7 verwaltungstechnisch auch für gerichtliche Post genutzt werden kann, sind die hierzu möglichen Adressaten im Einzelnen aufgeführt. Das Verwaltungsgericht München ist nicht genannt. Für die verwaltungsgerichtliche Klage der Klägerin sind die an die Allgemeine Einlaufstelle angeschlossenen Behörden und Gerichte daher nicht zuständig, sodass die Klage bei einer für sie unzuständigen Stelle eingeworfen wurde.
Nach Rechtsprechung und Literatur ist für die Einhaltung der Klagefrist in derartigen Fällen zu unterscheiden.
Wollte der Kläger bei einem in Wirklichkeit unzuständigen Gericht Klage erheben, so ist der Eingang bei diesem Gericht innerhalb der Klagefrist fristwahrend, da die Klage so bereits wirksam erhoben ist. Ob die Verweisung an das zuständige Gericht gem. § 83 VwGO i.V.m. § 17a GVG innerhalb der Klagefrist erfolgte, ist nicht relevant (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 74 Rn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 74 Rn. 8).
Dagegen ist in dem Fall, in dem der Kläger seine Klage an das zuständige Gericht richten wollte, die Klageschrift aber bei einer anderen Stelle eingeht, für die Fristwahrung auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem die Klageschrift bei dem zuständigen Gericht eingeht. Nur bei einem Eingang bei dem angerufenen Gericht innerhalb der Klagefrist erfolgt die Klageerhebung fristgerecht, da für die Klageerhebung auf den Eingang bei dem zuständigen Gericht abzustellen ist (Kopp/Schenke a.a.O. Rn. 9; Rennert a.a.O.; BVerwG, U.v. 31.10.2001 – 2 C 37/00 – NJW 2002, 768; VG München, GB.v. 16.8.2000 − M 15 K 99.2832 – juris).
Vorliegend war die Klageschrift an das Verwaltungsgericht München adressiert, das für die Klage auch zuständig ist. Es liegt daher die zweite der genannten Fallgruppen vor, in der nicht der Eingang bei der unzuständigen Stelle, sondern der Zugang bei der angerufenen zuständigen Stelle für die Einhaltung der Frist entscheidend ist. Daraus folgend ist für den Zeitpunkt der Klageerhebung auf den Eingang am Verwaltungsgericht am 11. Januar 2018 abzustellen, an dem die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO bereits abgelaufen war. Sowohl aus der Adressierung als auch aus dem Inhalt der Klageschrift lässt sich ohne Zweifel feststellen, dass Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden sollte. Die Klage wurde daher nicht mit Eingang bei der Zentralen Einlaufstelle anhängig, da offensichtlich nicht Klage zu einem der angeschlossenen Gerichte erhoben werden sollte (so auch BayVGH, B.v. 2.2.2004 − 5 CE 04.153 – juris). Bei der Übersendung an das Verwaltungsgericht handelt es sich nicht um eine Verweisung i.S.d. Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), sondern um eine formlose Weiterleitung.
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 60 VwGO nicht vorliegen.
Gem. § 60 Abs. 1 VwGO ist, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Das Verschulden ihres Bevollmächtigten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren muss sich die Klägerin gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (Czybulka/Siegel in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 67 Rn. 94 m.w.N.).
a) Es spricht bereits viel dafür, dass der Antrag nicht innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist gestellt wurde. Der Bevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2018 Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Gem. § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.
Sieht man im vorliegenden Fall das Hindernis zur fristgerechten Klageerhebung in dem Umstand, dass für den Bevollmächtigte der Klägerin der Anschein bestand, eine verwaltungsgerichtliche Klage könne auch am Briefkasten der Zentralen Einlaufstelle der Justizbehörden fristwahrend eingereicht werden, wurde dieser Anschein bereits durch die Mitteilung des Gerichts vom 22. Januar 2018 beseitigt. Aus dieser ergab sich, dass die Klage am Verwaltungsgericht als am 11. Januar 2018 eingegangen geführt wird, also unter einem Eingangsdatum nach dem Tag des Fristablaufs am 9. Januar 2018. Das zeigt, dass die Klage nicht bereits am 8. Januar 2018 erhoben wurde. Setzt man also den Zugang der Eingangsbestätigung des Gerichts als Wegfall des Hindernisses an, ist die Antragstellung mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2018 klar außerhalb der Wiedereinsetzungsfrist. Von juristisch erfahrenen Personen kann ein aufmerksames Lesen der Mitteilung zweifelsfrei verlangt werden, da ihnen die Bedeutung des angegebenen Eingangsdatums bewusst sein muss. Der Bevollmächtigte hat im Zuge seiner Tätigkeit als Steuerberater jedenfalls Erfahrung mit Verfahren in der Finanzgerichtsbarkeit, sodass ein derartiges Verfahrensverständnis von ihm berechtigterweise verlangt werden kann.
b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist jedenfalls unbegründet.
Gem. § 60 Abs. 1 VwGO ist, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Klägerbevollmächtigte handelte nicht ohne Verschulden i.S.d. § 60 VwGO. Die Klägerin muss sich auch hier das Verschulden ihres Bevollmächtigten gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
Verschuldet ist die Versäumung einer Frist immer dann, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist (objektive Voraussetzung) und die ihm (subjektiv) nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 9). Vorliegend haben die Klägerin und ihr Bevollmächtigter nicht alles zur Fristwahrung getan, was ihnen nach den Umständen des Falles zumutbar war.
Nach den Angaben des Bevollmächtigten hat er sich am Nachmittag des 8. Januar 2018 zum Verwaltungsgericht begeben. In den einzigen vorhandenen Briefkasten am Verwaltungsgericht, der als Nachtbriefkasten bezeichnet ist, wollte er die Klageschrift nicht einwerfen. Stattdessen ist er am selben Tag zum Briefkasten der Zentralen Einlaufstelle I der Justizbehörden in München gefahren und hat den Umschlag dort eingeworfen. Dies tat er, obwohl ihm bewusst war, dass die Klagefrist bereits am nächsten Tag, dem 9. Januar 2018 ablaufen würde. Er hat sich darauf verlassen, dass die Frist auch durch den dortigen Einwurf gewahrt würde.
Der Bevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass zwar wie von ihm bereits schriftsätzlich geschildert, in der Pforte niemand zu sehen war, er habe aber andere Mitarbeiter gesehen. Diese habe er nicht ansprechen wollen, da er sich auf deren Mitwirkung nicht habe verlassen wollen. Von einem sorgfältigen Prozessführenden war in der geschilderten Situation nach Ansicht des Gerichts zu verlangen, dass er sich mit Mitarbeitern des Verwaltungsgerichts in Verbindung setzt und sich direkt am Verwaltungsgericht erkundigt, wie er dort eine Klageschrift einreichen kann. Der Klägerbevollmächtigte hätte sich an die Mitarbeiter in den Räumen um den Haupteingang wenden können. Nach einem solchen Gespräch hätte er entscheiden können, ob er sich auf die Angaben oder die Mitwirkung der Mitarbeiter verlässt oder selbst weitere Maßnahmen ergreift. Eine pauschale Weigerung, sich an die im Hause tätigen Mitarbeiter zu wenden, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Dass er nicht einmal versucht hat, durch die Eingangstür in das Gebäude zu gelangen, um dort mit jemandem zu sprechen oder den Umschlag abzugeben, entspricht keinesfalls einer sorgfältigen Prozessführung.
Statt dieser Möglichkeit den Versuch des Einwurfs am Verwaltungsgericht wieder zu beenden und den Umschlag an der Zentralen Einlaufstelle I einzuwerfen, stellt aus Sicht des Gerichts keine sorgfältige Prozessführung dar. Aufgrund der Tatsache, dass die angeschlossenen Gerichte auf dem Briefkasten in der …str. 7 aufgelistet sind, das Verwaltungsgericht aber nicht darunter ist, war eindeutig zu erkennen, dass es sich dabei nicht um einen Briefkasten handelt, an dem für das Verwaltungsgericht bestimmte Klagen rechtswirksam eingereicht werden können. Der Klägerbevollmächtigte hätte sich aufgrund der Auflistung keinesfalls darauf verlassen dürfen, dass er sich auch so fristgerecht an das Verwaltungsgericht wenden kann. Stattdessen hätte ihn auch diese Auflistung zu weiteren Nachforschungen bewegen müssen. Dem Gericht erschließt sich auch nicht, warum der ebenfalls als Nachtbriefkasten bezeichnete Briefkasten der Einlaufstelle für den Bevollmächtigten die bessere Möglichkeit war, als der „Nachtbriefkasten“ des Verwaltungsgerichts. Dies zeigt bereits, dass das Argument, der Briefkasten am Verwaltungsgericht sei als Nachtbriefkasten nicht für normale Post gedacht, nicht durchdringen kann.
Darüber hinaus kann dem Bevollmächtigten daraus ein Vorwurf gemacht werden, dass er sich auch am darauf folgenden Tag, dem 9. Januar 2018, der ebenfalls noch innerhalb der Klagefrist lag, nicht beim Verwaltungsgericht oder den an die Zentrale Einlaufstelle angeschlossenen Behörden und Gerichten vergewissert hat, ob der Einwurf in der …straße 7 ordnungsgemäß war. Hätte er dies getan, hätte die Klageschrift auch am 9. Januar 2018 und damit fristgerecht nochmals am Verwaltungsgericht eingereicht werden können.
Dem Argument des Bevollmächtigten, er habe aus seiner Eigenschaft als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gewusst, dass er die Klagefrist mit dem Einwurf bei der Zentralen Einlaufstelle wahren könne, da dort, jedenfalls früher, auch Klagen zu den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit fristwahrend eingereicht werden konnten, ist ebenfalls nicht zu folgen. Die Auflistung der angeschlossenen Gerichte ist insofern eindeutig. Auf eine Kulanz oder ein überobligatorisches Tätigwerden der Mitarbeiter der Einlaufstelle durfte er nicht vertrauen, sondern hätte sich mit den oben geschilderten Möglichkeiten informieren müssen. Zudem hat auch das Finanzgericht München einen fristwahrenden Einwurf bei der Zentralen Einlaufstelle abgelehnt (FG München, GB.v. 23.06.2006 − 5 K 1041/06 – juris).
Die Übermittlung von der Zentralen Einlaufstelle an das Verwaltungsgericht erfolgte nach Ansicht des Gerichts innerhalb des üblichen Zeitraums, sodass sich auch daraus keine Exkulpationsmöglichkeit herleiten lässt.
Grundsätzlich gilt, dass ein Verschulden bei der Einhaltung einer Frist nicht dadurch entfällt, dass ein Dritter die Fristversäumung noch hätte verhindern können.
Ein Verschulden könnte aber dann in Ausnahme zu diesem Grundsatz abgelehnt werden, wenn die Klage zwar bei einer unzuständigen Stelle eingereicht wurde, bei der der Betroffenen die Klage auch nicht erheben wollte, im ordentlichen Geschäftsgang aber mit einer Weiterleitung innerhalb der Frist zu rechnen war (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 60 Rn. 17). Dafür, dass die Übermittlung nicht im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs erfolgte, ist nichts ersichtlich. Eine Dauer von drei Tagen ist aus Sicht des Gerichts nicht ungewöhnlich, sondern im Hinblick auf die Vielzahl der eingehenden Schriftstücke nachvollziehbar. Bei einem Einwurf am Nachmittag des 8. Januar 2018 war aufgrund der nötigen Arbeitsschritte, wie z.B. des Entleerens, Sortierens und Versendens, nicht mit einem Eingang am Verwaltungsgericht am nächsten Tag zu rechnen. Im üblichen Geschäftsgang ist in jedem Fall eine Dauer von mehr als nur einem Tag zu erwarten, sodass eine Fristwahrung durch Weiterleitung nicht möglich war. Das Verschulden des Bevollmächtigten lässt sich daher auch auf diesem Weg nicht ausräumen.
4. Die Entscheidung über die Kosten erfolgt aufgrund von § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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