Verwaltungsrecht

Herausgabe sichergestellter Reifen

Aktenzeichen  10 ZB 19.1334

Datum:
14.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19765
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1,§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5, § 146 Abs. 2, § 138 Nr. 3
PAG Art. 25 Nr. 2, Art.28 Abs. 1
BGB § 1006 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 2
GG Art. 101 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 4 K 17.556 2019-05-14 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 3.800,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Herausgabe der am 23. November 2016 von Beamten der Polizeiinspektion F. sichergestellten 16 Sommerreifen auf Aluminiumfelgen weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht hinreichend dargelegt sind (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. nicht vorliegen. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann, zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass Klagegegenstand allein der Herausgabeanspruch nach Art. 28 Abs. 1 PAG und nicht die Rechtmäßigkeit der am 23. November 2016 erfolgten Sicherstellung in Verbindung mit einem Folgenbeseitigungsanspruch sei. Der Herausgabeanspruch nach Art. 28 Abs. 1 PAG setze voraus, dass die Voraussetzungen der Sicherstellung entfallen seien, der Kläger Berechtigter und das Herausgabeverlangen nicht rechtmissbräuchlich sei. Die Voraussetzungen für die Sicherstellung seien nicht entfallen, weil der Kläger die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB nach wie vor nicht für sich in Anspruch nehmen könne. Die Indizien, die bei der Sicherstellung zur Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB geführt hätten, hätten immer noch Bestand. Er habe auch im gerichtlichen Verfahren keinen Erwerbsnachweis vorgelegt oder sonst sachliche Angaben zur Ermittlung des Autohauses (Veräußerers) gemacht. Die Voraussetzungen der Sicherstellung seien auch nicht deshalb entfallen, weil bislang keine Berechtigten hätten ermittelt werden können. Der bloße Zeitablauf rechtfertige es nicht, den Kläger trotz fortbestehender gegenteiliger Indizienlage als Eigentümer anzusehen. Dem Herausgabeanspruch stehe auch entgegen, dass er nicht Berechtigter im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 PAG (n.F.) sei. Eine Berechtigung trete weder durch Zeitablauf noch dadurch ein, dass der Eigentümer nicht zu ermitteln sei. Im Übrigen stelle sich das Herausgabeverlangen als rechtsmissbräuchlich dar.
Der Kläger bringt diesbezüglich vor, dass er aufgrund eines rechtswirksamen Kaufvertrages Eigentümer der sichergestellten Reifen sei. Unstreitig sei, dass er vor der nicht mehr streitgegenständlichen Sicherstellung Besitzer der Reifen gewesen sei und daher die gesetzliche Eigentumsvermutung für ihn spreche.
Mit diesem Vorbringen erfüllt er jedoch die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht. Denn das Darlegungsgebot erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2019 – 10 ZB 18.2628 – juris Rn. 5; B.v. 24.1.2019 – 10 ZB 17.1343 – juris Rn. 4; B.v. 5.12.2018 – 9 ZB 18.904 – juris Rn. 3 m.w.N.), insbesondere eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil (vgl. Happ in Eyermann, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 ff. m.w.N.). Daran fehlt es hier, weil der Kläger nicht auf die ausführliche Argumentation des Verwaltungsgerichts zur Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB, die insbesondere auch den Vortrag des Klägers im Klageverfahren berücksichtigt, und die fehlenden Nachweise für den Erwerb des Eigentums durch den Kläger eingeht.
Weiterhin macht der Kläger geltend, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden deshalb, weil das Verwaltungsgericht in einer unzulässigen Besetzung entschieden habe. Die Richter seien befangen gewesen.
Dieses Vorbringen des Klägers kann dahingehend verstanden werden, dass er einen die Zulassung der Berufung begründenden Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.v.m. § 138 Nr. 1 VwGO) geltend machen will, weil sein Befangenheitsgesuch gegen die erstinstanzlich entscheidenden Richter zu Unrecht abgelehnt worden sei. Die Ablehnung des Befangenheitsantrags durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14. Mai 2019 führt jedoch nicht zu einem Verfahrensmangel, aus dem heraus die Berufung zuzulassen wäre.
Grundsätzlich stellt die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuches eine der Überprüfung im Berufungszulassungsverfahren entzogene unanfechtbare Vorentscheidung dar (§ 146 Abs. 2 VwGO). Sie ist daher regelmäßig nicht geeignet, einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu begründen (vgl. BVerwG, B.v. 28.7. 1999 – 9 B 165/99 – juris; OVG Bln-Bbg, B.v. 26.9.2008 – OVG 9 N 100.08 – juris m.w.N.). Die Rüge der unrichtigen Ablehnung eines Befangenheitsantrags ist jedoch ausnahmsweise dann beachtlich, wenn die zurückweisende Entscheidung zugleich gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt. In diesem Fall wirken die Folgen der unanfechtbaren Vorentscheidung weiter. Eine Entziehung des gesetzlichen Richters im Sinne dieser Grundgesetznorm kann allerdings nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden. Die gerichtliche Entscheidung muss vielmehr offensichtlich unhaltbar oder objektiv willkürlich sein (SächsOVG, B.v. 6.9.2016 – 3 SO 512/16 – BeckRS 2016, 116089 Rn. 6 ff.)
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Rügen, auf die der Kläger seinen Befangenheitsantrag gestützt hat, betrafen die im Beschluss über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe vom 20. November 2018 vertretene Rechtsauffassung der erkennenden Kammer des Verwaltungsgerichts, die Bewilligung von Reisekosten für die Anreise des Klägers zur mündlichen Verhandlung sowie die fehlende Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers. Das Verwaltungsgericht hat unter Ausschluss der abgelehnten Richter den Befangenheitsantrag mit einer ausführlichen Begründung abgelehnt und dargelegt, dass eine Rechtsansicht der erkennenden Kammer, die in einem anderen Verfahren mit der Klagepartei vertreten wurde und von der Klägerseite nicht geteilt wird, die Besorgnis der Befangenheit des Spruchkörpers im Sinne des § 54 Abs. 1 VwGO nicht zu begründen vermag. Damit folgt das Verwaltungsgericht der in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur vertretenen Rechtsauffassung (Kimmel in BeckOK VwGO, Stand: 1.1.2019, § 54 Rn. 29 ff. m.w.N.); die den Befangenheitsantrag zurückweisende Entscheidung ist somit nicht willkürlich.
2. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor bzw. ist schon nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Insbesondere lassen sich besondere Schwierigkeiten der Rechtssache nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen hat. Denn aus der Nichtübertragung einer Angelegenheit durch die Kammer auf den Einzelrichter kann nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 124 Rn. 8). Zum einen ist nämlich die Übertragung auf den Einzelrichter nicht zwingend vorgeschrieben und bleibt der Entscheidung der Kammer vorbehalten. Zum anderen hat die Bejahung des Vorliegens besonderer Schwierigkeiten im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO durch das Erstgericht keine bindende Wirkung für das höhere Gericht (BayVGH, B.v. 2.5.2014 – 10 ZB 13.1229 – juris Rn. 20).
Zur Darlegung der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts konkret zu benennen und es ist anzugeben, dass und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet. Es ist eine Begründung dafür zu geben, weshalb die Rechtssache an den entscheidenden Richter (wesentlich) höhere Anforderungen stellt als im Normalfall (BayVGH, B.v. 9.5.2019 – 10 ZB 19.317 – juris Rn. 9; B.v. 20.2.2019 – 10 ZB 18.2343 – juris Rn. 18; Roth in BeckOK Posser/Wolff, VwGO, Stand: 1.1.2019, § 124a Rn. 75 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger verweist insoweit lediglich auf die umfänglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Eigentumserwerb, zur Bindungswirkung des Ergebnisses des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie zu steuerlichen Fragen. Er zeigt aber nicht auf, wieso diese Gesichtspunkte rechtlich besonders schwierig gewesen sein sollten. Letztlich ist das Verwaltungsgericht darauf nur eingegangen, weil der Kläger im gerichtlichen Verfahren Entsprechendes vorgetragen hatte, obwohl die vom Kläger aufgeworfenen Themenkomplexe für die streitentscheidende Frage des Wegfalls der Sicherstellungsvoraussetzungen letztlich nicht maßgeblich waren.
Soweit der Kläger tatsächliche Schwierigkeiten geltend macht, beschränkt sich sein Vorbringen auf eine angebliche Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Verwaltungsgericht und seines rechtlichen Gehörs. Inwieweit die „Ladung“ des Klägers zum Termin über seinen Prozessbevollmächtigten und dessen fehlende Sprachkenntnisse bei der Sicherstellung der Autoreifen tatsächliche Schwierigkeiten bei einer Klage auf Herausgabe der sichergestellten Sachen darstellen, erschließt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht.
3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor bzw. ist nicht hinreichend dar-gelegt.
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2019 – 10 ZB 19.275 – juris 7; B.v. 14.2.2019 – 10 ZB 18.1967 – juris Rn. 10; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).
Klärungsbedürftig sind solche Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend ober- und höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2011 – 1 BvR 3007/07 – juris Rn. 21; Roth in Posser/Wolff BeckOK, VwGO, Stand 1.1.2019, § 124 Rn. 55 m.w.N; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 38). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann (stRspr, BVerwG, B.v. 9.4.2014 – 2 B 107.13 – juris Rn. 9 m.w.N.; BVerfG, B.v. 29.7.2010 – 1 BvR 1634/04 – juris Rn. 64).
Als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet der Kläger sinngemäß die Frage, welche Voraussetzungen für die Widerlegung der gesetzlichen Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 1 BGB bestehen.
Diese Frage ist schon nicht klärungsbedürftig, weil sie in der Rechtsprechung bereits geklärt ist. Die gesetzliche Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB kann nach ständiger Rechtsprechung mit Hilfe von Indizien und Erfahrungssätzen widerlegt werden, wenn diese mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit das Eigentum des gegenwärtigen Besitzers weniger wahrscheinlich erscheinen lassen als das Eigentum eines Dritten oder die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen widerlegen (BayVGH, B.v. 19.11.2010 – 10 ZB 10.1707 – BeckRS 2010, 5..6419 Rn. 11; U.v. 1.12.2011 – 10 B 11.480 – juris Rn. 32; B.v. 6.2.2014 – 10 CS 14.47 -juris Rn. 18 m.w.N.). Im Übrigen ist diese Frage auch deshalb einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich, weil es auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls ankommt, wann dieser „für das praktische Leben brauchbare Grad an Gewissheit“ erreicht ist.
Auch der Umfang des rechtlichen Gehörs für einen EU-Bürger ist bereits höchstrichterlich geklärt. Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO besteht nach obergerichtlicher Rechtsprechung darin, jedem Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit zu geben, sich zu dem gesamten, nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern (BVerfG, B.v. 1.8.2017 – 2 BvR 3068/14 – juris Rn. 47 ff. m.w.N.; BVerwG, B.v. 7.6.2017 – 5 C 5/17 D u.a. – juris Rn. 8 m.w.N). Sie verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, jedoch nicht, ihnen in der Sache zu folgen. Auch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben, auch wenn sie sich nicht mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinandergesetzt haben (stRspr des BVerwG, vgl. B.v. 10.10.2011 – 10 B 24/11 – juris Rn. 11 m.w.N.). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwägung gezogen hat. Da es auch insoweit wieder auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommt, kann die Frage zum Umfang des rechtlichen Gehörs auch nicht Gegenstand einer Grundsatzrüge sein.
Aus der Fragestellung des Klägers bzw. den Ausführungen hierzu ergibt sich im Übrigen, dass er im Rahmen einer Grundsatzrüge einzelfallbezogen eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen will.
4. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt jedoch auch nicht vor. Der Kläger macht zwar nicht ausdrücklich einen Verfahrensmangel geltend, in der Sache rügt er jedoch eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) sowie eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts nach § 86 Abs. 1 VwGO.
Der Kläger beruft sich auf eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs, weil ihm die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht ermöglicht worden sei. Die Möglichkeit der Teilnahme eines am verwaltungsgerichtlichen Verfahren Beteiligten an der mündlichen Verhandlung trägt dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs Rechnung. Hat der Beteiligte einen Prozessbevollmächtigten‚ der ihn im Termin vertreten kann‚ ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör regelmäßig genügt‚ wenn dieser an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann‚ VwGO‚ 15. Aufl. 2019, § 102 Rn. 6). Der Kläger ist anwaltlich vertreten, der Prozessbevollmächtigte hätte an der mündlichen Verhandlung teilnehmen können. Insbesondere stand der Teilnahme des Prozessbevollmächtigten an der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, dass dem Kläger keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden war. Dass der Kläger angeblich nicht in der Lage ist, seinem Prozessbevollmächtigten die Kosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im Rahmen des Mandatsverhältnisses zu erstatten, begründet keinen Hinderungsgrund für das Erscheinen des Prozessbevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung, der eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach sich ziehen könnte.
Das Verwaltungsgericht hat das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet (§ 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dieser hat zwar die Anordnung seines persönlichen Erscheinens vor Gericht beantragt, aber nicht substantiiert dargelegt, weshalb sein persönliches Erscheinen vor Gericht trotz anwaltlicher Vertretung unerlässlich ist und welche Gründe für Notwendigkeit seiner Anwesenheit sprechen. Er hat lediglich angekündigt, dass er noch einmal zu den Umständen des Eigentumserwerbs Stellung nehmen werde und das Gericht vom rechtmäßigen Eigentumserwerb werde überzeugen können.
Zudem setzt eine den Darlegungsanforderungen genügende Gehörsrüge voraus, dass substantiiert vorgetragen wird, zu welchen entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweisergebnissen sich der Kläger nicht hat äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen haben soll. Außerdem muss dargelegt werden, was der Kläger vorgetragen hätte, wenn ihm ausreichendes Gehör gewährt worden wäre, und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, U.v. 14.11.2016 – 5 C 10.15 D – juris Rn. 65 m.w.N.; BayVGH, B.v. 8.2.2018 – 8 ZB 18.30086 – juris Rn. 3). Darin fehlt es hier, weil der Kläger im Zulassungsverfahren nicht ausgeführt hat, was er in der mündlichen Verhandlung bezüglich des Wegfalls der Sicherstellungsvoraussetzungen noch hätte vortragen wollen.
Im Übrigen hätte der Kläger persönlich zur mündlichen Verhandlung erscheinen und sich rechtliches Gehör verschaffen können. Das Verwaltungsgericht hat den Prozessbevollmächtigten gebeten, die Ladung zur mündlichen Verhandlung an den Kläger weiterzuleiten, einen Dolmetscher geladen und dem Kläger die Erstattung der notwendigen Kosten für die An- und Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewilligt. Dass der Prozessbevollmächtigte keinen Kontakt mehr zu seinem Mandanten bzw. ihn nicht erreicht hat, fällt in dessen Risikosphäre.
Schließlich liegt auch keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO wegen der fehlenden Anhörung des Klägers durch das Verwaltungsgericht vor. Der Bevollmächtigte des Klägers hat zum Beweis dafür, dass dieser die sichergestellten Reifen in einem Autohaus bei „Laar“ erworben, sie bar bezahlt hat und sich einen Kaufvertrag hätte ausstellen lassen, wenn er gewusst hätte, welche Schwierigkeiten aufgrund des fehlenden Kaufvertrags entstünden, die Parteieinvernahme des Klägers angeboten. Es stellt keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht dar, dass das Verwaltungsgericht von diesem „Beweisangebot“ keinen Gebrauch gemacht hat. Streitgegenständlich war im Klageverfahren nur das Bestehen eines Herausgabeanspruchs nach Art. 28 Abs. 1 PAG infolge des nachträglichen Wegfalls der Sicherstellungsvoraussetzungen und nicht mehr die bereits bestandskräftige Sicherstellung. Es kam daher nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die Sicherstellungsvoraussetzungen am 23. November 2016 vorlagen. Eine weitere Sachaufklärung musste sich dem Verwaltungsgericht auch nicht aufdrängen. Der Kläger hat trotz seiner umfangreichen schriftsätzlichen Ausführungen keine entscheidungserheblichen Tatsachen oder Indizien für das Wegfallen der Voraussetzungen der Sicherstellung vorgetragen, die einer weiteren Sachaufklärung zugänglich gewesen wären oder sie erforderlich gemacht hätten. Zudem ist die Parteieinvernahme gegenüber anderen Beweismitteln subsidiär und steht im Ermessen des Gerichts. Sie ist nur anzuordnen, wenn für die dadurch zu beweisenden Tatsachen eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 98 Rn. 55 m.w.N.). Ob das Verwaltungsgericht dem Kläger, hätte es ihn persönlich angehört, seine Version des Reifenkaufs geglaubt hätte, ist eine Frage der richterlichen Überzeugungsbildung, hat aber nichts mit der Verletzung der Sachaufklärungspflicht zu tun.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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