Verwaltungsrecht

Humanitäre Bedingungen können im Einzelfall in Afghanistan für eine Familien keine Gefahrenlage darstellen

Aktenzeichen  13a ZB 17.30230

Datum:
12.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 108398
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Eine Divergenz iSv § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG BeckRS 1997, 22791). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Schlechte humanitäre Bedingungen können eine auf eine Bevölkerungsgruppe bezogene Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSv Art. 3 EMRK führt (BayVGH BeckRS 2015, 42433). (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Nach der Rechtsprechung des BayVGH scheitert eine Rückkehr afghanischer Asylbewerber nach Afghanistan nicht daran, dass sie sich vor ihrer Flucht nicht in Afghanistan aufgehalten haben, sofern  sie eine der beiden Landessprachen sprechen (vgl. BayVGH BeckRS 2015, 43833). (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

AU 3 K 16.30969 2017-01-12 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. Januar 2017 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht vorliegen.
Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht. Eine Divergenz im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328).
Vorliegend berufen sich die Kläger auf eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – InfAuslR 2015, 212), wonach schlechte humanitäre Bedingungen eine auf eine Bevölkerungsgruppe bezogene Gefahrenlage darstellen können, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führt. Auch wenn der Kläger zu 1 in Afghanistan Gelegenheitsarbeiten verrichten könne, sei er nicht in der Lage, die ganze Familie mit zu versorgen. Der Kläger zu 3 sei noch minderjährig, so dass er momentan und in den nächsten Jahren nicht zum Lebensunterhalt der Familie beitragen könne. Zudem habe sich die Familie seit 16 Jahren im Iran aufgehalten.
Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich aus diesem Vortrag nicht.
Das Verwaltungsgericht hat vorliegend aufgrund der Angaben der Kläger in der mündlichen Verhandlung festgestellt, dass es dem Kläger zu 1 als ausgebildetem Schweißer im Iran trotz fehlender Aufenthaltsgenehmigung und mit Schwierigkeiten beim Schreiben gelungen sei, ein Unternehmen mit bis zu sieben Mitarbeitern aufzubauen, und er sogar die Mittel für den Kauf eines großen Hauses zur Verfügung gehabt habe. Auch die Klägerin zu 2 habe durchgehend gearbeitet und der Kläger zu 3 sei fünf Jahre lang als normaler Automechaniker tätig gewesen. Insofern unterscheide sich diese Fallkonstellation grundlegend von derjenigen, die der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zugrunde liege (U.v. 21.11.2014 a.a.O.).
Damit wird kein abweichender Obersatz aufgestellt, insbesondere kein Obersatz dahingehend, dass die humanitären Bedingungen in Afghanistan für Familien keine Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führt. Vielmehr zieht das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in Erwägung, kommt aber in materieller Hinsicht aufgrund einer konkreten Einzelfallwürdigung zum Ergebnis, dass bei dieser Familie Besonderheiten vorlägen, die sie von den der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zugrundeliegenden Konstellationen unterschieden. Das begründet keine Abweichung.
Soweit sich die Kläger darauf berufen, dass sie sich seit 16 Jahren im Iran aufgehalten hätten, legt das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 21.3.2017 – 13a ZB 17.30155; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; U.v. 24.10.2013 – 13a B 13.30031 – juris Rn. 22 = KommunalPraxisBY 2014, 62 -LS-) zugrunde, dass eine Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich nicht am fehlenden vorherigen Aufenthalt im Heimatland scheitert. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Betroffene eine der beiden Landessprachen spricht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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