Verwaltungsrecht

Kein Abschiebungsverbot hinsichtlich Griechenland für anerkannt Schutzberechtigte

Aktenzeichen  M 4 E 20.33162

Datum:
9.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36394
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7, § 123
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 71
VwVfG § 51 Abs.1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3
GRCh Art. 4

 

Leitsatz

1. Droht einem Ausländer, der keinen Asylfolgeantrag, sondern lediglich ein sog. Folgeschutzgesuch angebracht hat, eine Abschiebung, so kann er zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ggf. vorläufigen Rechtsschutz gegenüber dem für die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zuständigen Bundesamts beantragen, der im Ergebnis darauf gerichtet ist sicherzustellen, dass die zuständige Ausländerbehörde vorläufig von einer Abschiebung absieht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht keine beachtliche Gefahr dafür, dass dem Antragsteller in Griechenland generell eine mit Art. 3 EMRK nicht zu vereinbarende Behandlung droht; dass arbeitsfähigen und gesunden Schutzberechtigten in Griechenland unabhängig von deren Willen und eigenen Entscheidungen gleichsam automatisch Verelendung und damit eine gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung droht, lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zur Behandlung anerkannt Schutzbedürftiger weder positiv feststellen, noch scheint es beachtlich wahrscheinlich. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Abschiebung nach Griechenland.
Der Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger sowie kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am … … … in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … … … einen Asylantrag beim Bundesamt für … (Bundesamt).
Für den Antragsteller liegt laut EURODAC-Trefferauskünften vom … … … und vom … … … eine Eurodac-Treffermeldung für Griechenland (Kategorie 1 – 28. April 2017) vor. Die Eurodac-Treffermeldung weist für den Antragsteller den 19. Juni 2017 als Datum der Gewährung internationalen Schutzes in Griechenland aus.
Laut der Niederschrift über die Befragung zur Identitätsklärung durch die Regierung der Oberpfalz – Zentrale Ausländerbehörde – (im Folgenden: ZAB) am … … … erklärte der Antragstelle, dass er, bevor er nach Deutschland gekommen sei, in Griechenland und in Italien gewesen sei.
Laut der Niederschrift über die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am … … 2019 bejahte der Antragsteller die Frage, ob es zutreffend sei, dass er bereits Schutz in Griechenland erhalten habe. Er gab jedoch an, hierzu gezwungen worden zu sein. Er sei nur unterwegs in Griechenland gewesen. Dort habe er eine Anhörung gehabt. Auf die Frage hin, welchen Schutz er erhalten habe, erklärte der Antragsteller, er habe mehrere Papiere bekommen, davon habe er nichts verstanden. Er wisse nicht, wie lange der Schutz gültig gewesen sei. In Griechenland herrsche Chaos und es gebe kein System. Griechische Dokumente habe er nicht mehr. In Griechenland habe er mehrere Adressen gehabt. Er habe in Athen und Saloniki sowie unter anderen Adressen gelebt. Am Anfang sei er in einem Asylheim gewesen und in ein anderes transferiert worden. Dann sei er in einer Wohnung, bei einem Bekannten, gewesen. Er habe dort auch kein Geld und kein Gehalt bekommen. Sozialhilfe habe er erhalten, aber nur für zwei Monate. Danach sei die Hilfe verweigert worden, da er das Asylheim verlassen habe. Das Asylheim habe er im Jahr 2017 verlassen, an das genaue Datum könne er sich nicht erinnern. Danach gefragt, wovon er dann die ganze Zeit gelebt habe, erklärte der Antragsteller, er habe bei mehreren Freunden gewohnt. Er habe auch keine finanzielle Unterstützung erhalten. Danach gefragt, wie er in Griechenland über die Runden gekommen sei, erklärte der Antragsteller, die Freunde hätten das für ihn übernommen. Mehrere Freunde hätten ihn finanziell unterstützt. Viele Tage habe er auch kein Essen gehabt. Vier Tage lang habe er nicht gegessen. Er sei in Griechenland psychisch angeschlagen gewesen. Auf die Frage, ob er sich an Hilfsorganisationen und/oder NGO’s gewandt habe, erwiderte der Antragsteller, er sei auf der Suche nach einem sicheren Land und nicht nach finanzieller Unterstützung gewesen. Er sei erst auf der Insel Xios gewesen. Auf die Frage hin, ob er in Griechenland gearbeitet habe, erklärte der Antragsteller, er sei in Griechenland bedroht, verfolgt, geschlagen und mit einem Messer verletzt worden. Er frage sich, wie man dort arbeiten könne, wenn man dort nicht sicher leben könne. Er schilderte ausführlich mehrfach an verschiedenen Orten von in Griechenland lebenden Flüchtlingen bedroht worden zu sein. Die Anzeigen bei der Polizei hätten nichts geholfen. Der Antragsteller habe mit dem griechischen Geheimdienst gesprochen. Er habe ihnen geholfen, in dem er für sie Informationen über IS-Mitglieder und Sympathisanten in Griechenland gesammelt habe. Dadurch sei sein Leben in Gefahr gewesen. Eine Person des Geheimdienstes habe dem Antragsteller geholfen, habe aber nicht alles tun können, was der Antragsteller gewollt habe, etwa eine Wohnung zu finden. Danach sei er mit Hilfe der UNO an einen anderen Ort transferiert worden. Danach habe dem Antragsteller eine andere Person geholfen und mit Hilfe der UNO sei er woanders hin transferiert worden, in die Nähe von Athen. Danach habe der Antragsteller diesen griechischen Mann angerufen und ihm gesagt, dass er dessen Hilfe benötige und sich bedroht fühle. Danach habe er mit dem Geheimdienstmitarbeiter namens … einen E-Mail-Kontakt aufgenommen. Der Antragsteller habe diesem gesagt, dass er Hilfe benötige. Die Person habe dem Antragsteller gesagt, sie werde ihm Leute schicken, die diesem helfen würden. Plötzlich seien Handy und SIM-Karte des Antragstellers gesperrt worden. Danach sei der Antragsteller nach Athen gegangen. Er habe sich ein neues Handy gekauft, doch seine E-Mail-Adresse sei trotzdem gesperrt geblieben. Er sei in Athen lange Zeit mit mehreren Personen, die er gekannt habe, in einer Wohnung versteckt geblieben. Er habe sich in Athen bedroht gefühlt. Der Antragsteller habe sich dann drei Mal mit einer Frau und einem Mann von der Regierung getroffen und ihnen Informationen gegeben. Der Antragsteller sei bedroht worden und habe nicht einfach rausgehen können. Danach habe er Kontakt zu einem Freund in Saloniki aufgenommen. Seine E-Mail-Adresse sei dann entsperrt worden. Der Antragsteller habe viele Sachen auf Video aufgenommen, damit er diese als Beweis habe. Er habe aber viele Videos verloren, als seine E-Mail-Adresse gesperrt worden sei. Er gab an, mehrfach verletzt worden zu sein, Krankheiten habe er keine. Auf den weiteren Inhalt der Anhörung wird verwiesen.
Am … … 2017 wurde ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Griechenland gerichtet. Die griechischen Behörden lehnten das Übernahmeersuchen mit Schreiben vom 9. Mai 2019 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller in Griechenland am … … 2017 den Flüchtlingsstatus sowie als Begünstigter internationalen Schutzes auch ein Bleiberecht erhalten habe. Aus diesem Grund falle der vorliegende Fall nicht unter die Dublin-Bestimmungen.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2019 (Az.: 7783076-438), dem Antragsteller zugestellt am 22. Mai 2019, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Griechenland abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe, oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Der Antragsteller dürfe nicht in den Irak abgeschoben werden. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, da dem Antragsteller nach den Erkenntnissen des Bundesamts in Griechenland im Rahmen des Asylverfahrens internationaler Schutz gewährt worden sei. Abschiebungsverbote nach Griechenland lägen nicht vor.
Mit beim Verwaltungsgericht Regensburg am 29. Mai 2019 eingegangenem Telefax hat der Antragsteller Klage auf Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 17. Mai 2019 sowie auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten erhoben (Az. RO 3 K 19.31175) und zugleich einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO (Az. RO 3 S 19.31174) beantragt.
Mit Beschluss vom 1. Juli 2019 (Az. RO 3 S 19.31174) wurde der Antrag im Eilverfahren abgelehnt. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit bei Gericht am 1. Oktober 2020 eingegangenen Schriftsatz stellte der Prozessbevollmächtigten einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO und beantragte die Entscheidung im Eilverfahren vom 1. Juli 2019 aufzuheben und dem Antrag zu entsprechen (Az. RO 3 S7 20.31629). Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass dem Antragsteller in Griechenland angesichts der dort herrschenden Aufnahmebedingungen eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK drohe.
Mit Beschluss vom 1. Oktober 2020 lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg den Eilantrag ab (RO 3 S7 20.31629). Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Nach einer E-Mail der ZAB an das Bundesamt vom 29. Oktober 2020 verhinderte der Antragsteller mit massiver Gegenwehr eine am 2. Oktober 2020 geplante Überstellung nach Griechenland. Ein Abschiebungshaftbeschluss sei bis zum 23. Dezember 2020 verlängert worden.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers nahm mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 die Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg zurück, woraufhin das Gericht das Klageverfahren mit Beschluss vom 23. Oktober 2020 einstellte (RO 3 K 19.31175).
Der Bevollmächtigte des Antragstellers stellte mit Schreiben vom 11. Oktober 2020, eingegangen beim Bundesamt per Fax am 12. Oktober 2020, ein „Asylfolgeschutzgesuch, mache mithin nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG geltend“. Als Adresse gab der Bevollmächtigte die Justizvollzugsanstalt … an. Zur Begründung erläuterte der Bevollmächtigte, dass die griechische Regierung nach einem Bericht von Medicins Sans Frontiers vom 13. Juli 2020 mehr als 11.000 schutzberechtigte Personen aufgefordert habe, staatliche finanzierte Unterkünfte zu verlassen; mehrere hundert Flüchtlinge kampierten bereits auf öffentlichen Plätzen. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller nach einer Überstellung nach Griechenland dort über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen haben werde, so dass den Anforderungen, die der EUGH in der Entscheidung vom … … … aufgestellt habe (InfAuslR 2019/246 Ibrahim) nicht genügen werde. Dem Antragsteller drohe in Griechenland eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK.
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2020 (Az. 8264100-438) lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und lehnte den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 17. Mai 2019 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes ab (Nr. 2). Zur Begründung stellt das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens nach § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 VwVfG nicht vorliegen: Aufgrund der in Griechenland gewährten Schutzgewährung könne der Antragsteller keine weitere Schutzgewährung verlangen. Bezüglich der Prüfung der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG seien zunächst die Voraussetzungen des § 51 VwVfG zu prüfen. Die Voraussetzungen des § 51 VwVfG seien nicht erfüllt. Ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne nach §§ 51 Abs. 5, 48 oder 49 VwVfG sei nicht möglich, da schutzrelevante Eingriffe in von Art. 3 EMRK geschützte Rechte nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien, so dass kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG für Griechenland in Betracht komme. Auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde nach einem Aktenvermerk am 2. November 2020 zur Post gegeben.
Mit Schriftsatz vom 16. November 2020, eingegangen am selben Tag per Fax beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, erhob der Bevollmächtigte für den Antragsteller Klage und beantragte die Aufhebung des Bescheids vom 29. Oktober 2020 sowie hilfsweise die Verpflichtung des Bundesamts, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (M 4 K 20.33096).
Mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 20. November 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 21. November 2020, beantragte der Antragsteller, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es dem Landesamt für Asyl und Rückführung vorläufig zu untersagen, den Antragsteller nach Griechenland zurückzuschieben bzw. hilfsweise eine bereits erfolgte Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG gegenüber dem Landesamt für Asyl und Rückführung vorläufig zu widerrufen und höchst hilfsweise – falls eine solche Mitteilung noch nicht erfolgt ist -, es vorläufig zu unterlassen, gegenüber dem Landesamt für Asyl und Rückführung eine Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG vorzunehmen.
Zur Begründung wurde, neben der Begründung im Asylfolgeschutzantrag vom 11. Oktober 2020, weiter u.a. auf Berichte und Stellungnahmen zur humanitären Lage in Griecvhenland verwiesen. Der Antragsteller wäre bei einer Rücküberstellung völlig auf sich allein gestellt. Er bräuchte für einen Zugang zur Wohnung, zum Arbeitsmarkt und zur Sozialhilfe eine Steueridentifikationsnummer, die jedoch nur erteilt werde, wenn er einen Nachweis über einen Wohnsitz führe.
Am 25. November 2020 legte das Bundesamt die Behördenakte zum Verfahren 7783076-438 (beendet mit Bescheid vom 17.5.2019) in Papierform, die Behördenakte zum Verfahren 82641100-438 (beendet mit Bescheid vom 29. Oktober 2020) in elektronischer Form beim Verwaltungsgericht München vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auch im Verfahren M 4 K 20.33096, sowie auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Antragstellers ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Landesamt für Asyl und Rückführung vorläufig zu untersagen, den Antragsteller nach Griechenland zurückzuschieben, ist statthaft.
1.1. Der Hauptantrag ist statthaft.
Droht einem Ausländer, der keinen Asylfolgeantrag, sondern lediglich ein sog. Folgeschutzgesuch angebracht hat, eine Abschiebung, so kann er zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ggfls. vorläufigen Rechtsschutz gegenüber dem für die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zuständigen Bundesamts beantragen, der im Ergebnis darauf gerichtet ist sicherzustellen, dass die zuständige Ausländerbehörde vorläufig von einer Abschiebung absieht (OVG Münster, B.v. 11.9.2017 – 18 B 1033/17 – BeckRS Rn. 3 m.w.N.).
Ein Asylfolgeantrag nach § 71 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 AsylG wurde vom Antragsteller – entgegen der erfolgten Antragsauslegung des Bundesamts – nicht gestellt. Wie sich aus dem Antragsschreiben des Bevollmächtigten an das Bundesamt vom 11. Oktober 2020 ergibt, begehrte dieser explizit lediglich das Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich einer Feststellung eines Abschiebungsverbots nach Griechenland. Sowohl aus dem Antragsschreiben vom 11. Oktober 2020, als auch aus dem weiteren begründenden Vortrag im vorliegend maßgeblichen Klage- und Eilverfahren ist eindeutig nicht der Wille zu entnehmen, dass der Antragsteller im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung oder vor einer Abschiebung begehrt, weil ihm in Griechenland Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG droht, § 13 Abs. 1 AsylG. Nichtsdestotrotz verbeschied das Bundesamt einen Asylfolgeantrag in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids.
Vorliegend ist von einem isolierten Wiederaufgreifensantrag des Antragstellers hinsichtlich der Feststellung im Bescheid vom 19. Mai 2019, dass keine Abschiebungsverbote nach Griechenland vorliegen, auszugehen (sog. isolierter Folgeschutzantrag). Ein solcher Antrag unterfällt nicht § 71 AsylG, insbesondere nicht die den Antragsteller begünstigende Regelung des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG (OVG Münster, B.v. 11.9.2017 – 18 B 1033/17 – BeckRS Rn. 3; OVG Lüneburg, B.v. 26.2.2018 – 13 ME 438/17 – BeckRS, amtlicher Leitsatz, Rn. 19 ff., BayVGH, B.v. 29.11.2005 – 24 CE 05.3107 – BeckRS Rn. 11 f.).
Prüfmaßstab für die gerichtliche Entscheidung ist, ob sich aus dem tatsächlich vom Antragsteller gegenüber der Behörde in Anspruch genommene Recht (hier: Wiederaufgreifensantrag auf Feststellung von Abschiebungsverboten) ein Anspruch auf vorläufige Untersagung der Abschiebung nach § 123 VwGO ergibt. Im Gegensatz hierzu ist der vom Bundesamt zu Gunsten des Antragstellers überschießend geprüfter Asylfolgeantrag verfahrenstechnisch im Rahmen der einstweiligen Anordnung nicht zu berücksichtigen.
1.2. Der Antrag wird nach § 88 VwGO zweckmäßig dahingehend ausgelegt, dass die begehrte Untersagung der Antragsgegnerin an die vorliegend zuständige ZAB und nicht an das Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR), gerichtet werden soll. Das LfAR ist zwar auch eine Ausländerbehörde, § 1 Nr. 3 Zuständigkeitsverordnung Ausländerrecht (ZustVAuslR). Allerdings unterstützt das LfAR die sonstigen Ausländerbehörden bei der Vollstreckung der von ihnen erlassenen Maßnahmen und übernimmt hierzu in bestimmten Teilbereichen die organisatorische Abwicklung, § 5 Abs. 1 ZustVAuslR. Die im Regelfall für die Vollstreckung der Ausreisepflicht sachzuständige Behörde verbleibt dagegen die Kreisverwaltungs- oder Zentrale Ausländerbehörde. Die eigenen Zuständigkeiten des LfAR nach § 5 Abs. 2 ZustVAuslR beziehen sich in der Regel nicht auf die Übernahme der Sachzuständigkeit für die Vollstreckung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Eine der in der Verordnung normierten Ausnahmen, z.B. bei islamistischen Gefährdern, ist hier nicht ersichtlich.
Es erscheint zwar zur Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes nicht schlechterdings ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin in Ausnahmenfällen dem Landesamt für Asyl und Rückführungen direkt eine Abschiebung untersagen kann, da das Landesamt für Asyl und Rückführungen für die sachzuständigen Ausländerbehörden die organisatorische Abwicklung von Abschiebungen und die Zusammenarbeit mit weiteren beteiligten Behörden, Organisationen und Einrichtungen übernimmt (§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 4). Dies kann jedoch nur bei derart zeitlich dringlichen Fällen anzunehmen sein, in denen eine Abschiebung ersichtlich wegen der Verlängerung der Mitteilungskette um die sachzuständige Ausländerbehörde nicht mehr verhindert werden könnte. Da eine Abschiebung auf dem Luftweg (wie hier anzunehmen) erst dann vollzogen ist, wenn der Abzuschiebende die Transitzone des Zielflughafens verlassen hat bzw. bei bundespolizeilicher Begleitung an empfangsbereite Vertreter des Zielstaates übergeben wurde (OVG Münster, B.v. 15.8.2018 – 17 B 1029/18 – Beckonline Rn. 13 ff.), werden solche Fälle extrem selten anzunehmen sein.
2. Der Hauptantrag ist nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung – ZPO), dass ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch) und dieser Anspruch in einer Weise gefährdet ist, dass er durch eine gerichtliche Entscheidung gesichert werden muss (Anordnungsgrund). Ein Anordnungsanspruch erfordert dabei die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in einem (etwaigen) Hauptsacheverfahren. Maßgeblicher Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
2.1. Der Antragsteller hat keine Umstände glaubhaft gemacht, die einen Anordnungsanspruch im Hinblick auf das Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK in Bezug auf Griechenland begründen.
Die Voraussetzungen des § 51 VwVfG (auch in Verbindung mit Art. 49 BayVwVfG) liegen bereits nicht vor. Der Wiederaufgreifensantrag des Antragstellers ist bereits unzulässig.
Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zu Grunde liegende Sach- und Rechtslage nachträglich zu Gunsten des Betroffenen geändert hat; 2. neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden oder 3. Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind, § 51 Abs. 1 VwVfG. Der Antrag ist nach § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
Vorliegend bestand für den Antragsteller bis zum Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 1. Oktober 2020 die Gelegenheit, die vom Bevollmächtigten im Schreiben vom 11. Oktober 2020 vorgebrachten Berichte, die eine Verschlechterung der humanitären Lage in Griechenland im Juli 2020 belegen sollen, einzubringen, was auch tatsächlich mit Schriftsatz vom 30. September 2020 im Verfahren RO 3 S7 20.31629 geschah. Eine im Vergleich zum 1. Oktober 2020 geänderte Sachlage hat der Bevollmächtigte in dem neu angestrengten, hier streitgegenständlichen Verfahren, bereits nicht vorgebracht.
Offensichtlich suchte die Antragstellerseite nach Zustellung des ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg nach § 80 Abs. 7 VwGO vom 1. Oktober 2020 und der gescheiterten Abschiebung vom 2. Oktober 2020 ihr Glück mit demselben Sachvortrag wie im vorgenannten Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO bei einem anderen Verwaltungsgericht. Dies ist ersichtlich durch den Akteninhalt und dem zeitlichen Ablauf (ablehender Beschluss nach § 80 Abs. 7 VwGO am 1. Oktober 2020, am Widerstand des Antragstellers gescheiterte Abschiebung am 2. Oktober 2020, Inhaftierung des Antragstellers im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts München, Rücknahme der anhängigen Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg am 8. Oktober, Stellung eines Folgeschutzantrags beim Bundesamt mit Schreiben vom 11. Oktober 2020, mit denselben Argumente wie im Verfahren RO 3 S7 20.31629). Diese Möglichkeit wurde durch die örtliche Zuständigkeitsänderung wegen der Inhaftierung des Antragstellers eröffnet. Eine zu Gunsten des Antragstellers seit der Entscheidung vom 1. Oktober 2020 geänderte Sach- oder Rechtslage oder ein anderer Wiederaufgreifensgrund wurde bereits nicht vorgetragen. Der Vortrag zu den humanitären Verhältnissen in Griechenland ist auch ersichtlich bereits im Verfahren RO 3 S7 20.31629 eingebracht und berücksichtigt worden. Allein deswegen ist der Antrag auf einstweilige Anordnung bereits abzulehnen.
2.2. Unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers und der Erkenntnismittel zu Griechenland hat das Bundesamt jedoch auch zu Recht inhaltlich das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG im streitgegenständlichen Bescheid verneint.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Norm bezieht sich nur auf zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, wobei nicht jede Verletzung der EMRK im Abschiebezielstaat ein Abschiebeverbot auslöst. Erforderlich ist ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“, ohne dass eine Extremgefahr vorliegen muss (vgl. BVerwG, B. v. 8.8.2018 – 1 B 25/18 – juris).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte können sich auch die – staatlich verantworteten – allgemeinen Lebensverhältnisse als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen.
2.2.1. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK setzt dabei allerdings ein Mindestmaß an Schwere voraus, für das das Bestehen einiger Mängel nicht reicht (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – Mohammed Hussein/Italien und Niederlande, Nr. 27725.10 – ZAR 2013, S. 336). Art. 3 EMRK kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er die Mitgliedstaaten verpflichtet, jede auf dem Hoheitsgebiet befindliche Person mit einer Unterkunft zu versorgen. Auch enthält Art. 3 EMRK keine generelle Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützungen zu gewähren, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, U.v. 30.6.2015 Az. 39350/13, A.S./Schweiz – juris; U.v. 21.1.2011 Az.:30696, M.S.S./Belgien u. Griechenland – juris). Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn international Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Art. 3 EMRK gewährt grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 Az. 27725/10; OVG NRW, U.v. 19.5.2016 Az. 13 A 1490/13.A – juris).
Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Verantwortlichkeit eines Staates nach Art. 3 EMRK gegeben sein kann, wenn eine völlig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, B. v. 13.11.2019 – C-540/17, C-541/17 U. v. 19.03.2019, C 297/17, C 318/17, C 319/17 Rn. 89 bis 91).
Die Feststellung, ob in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten Schutzberechtigten eine unmenschliche oder entwürdigende Behandlung droht, setzt grundsätzlich, wie die Feststellung systemischer Mängel im Asylsystem, eine aktuelle Gesamtwürdigung der zur jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen voraus (vgl. BVerfG, B. v. 21.4.2016 – 2 BvR 273/16 – juris).
2.2.2. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen besteht gemessen an den obigen Maßstäben keine beachtliche Gefahr dafür, dass der Antragsteller in Griechenland generell eine mit Art. 3 EMRK nicht zu vereinbarende Behandlung droht. Dass arbeitsfähigen und gesunden Schutzberechtigten in Griechenland unabhängig von deren Willen und eigenen Entscheidungen gleichsam automatisch Verelendung und damit eine gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung droht, lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zur Behandlung anerkannt Schutzbedürftiger weder positiv feststellen, noch scheint es beachtlich wahrscheinlich (BayVGH, B.v. 17.3.2020 – 23 ZB 18.33356; OVG Schleswig-Holstein, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. September 2019 – 12 L 1326/19.A; VG des Saarlandes, Urteil vom 20. September 2019 – 3 K 1222/18; VG Osnabrück, Urteil vom 2. September 2019 – 5 A 326/18; VG München, B.v. 17.12.2018 – M 4 S 18.34491; VG Cottbus, B.v. 13.08.2020 – 5 K 1363/19.A; VG Ansbach, U.v. 31.8.2020 – AN 17 S 18.50859; a.A.: VG München, B.v. 17.09.2020 – M 17 E 20.32546; VG Aachen, U.v. 20.7.2020 – 10 K 1678/19.A.; VG Minden, U.v. 6.2.2020 – 12 K 491/19.A.).
Hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse in Griechenland geht das Gericht nach der derzeitigen Erkenntnismittellage von folgenden Umständen aus:
(1) Griechenland gewährt anerkannten Schutzberechtigten prinzipiell Zugang zu Bildung, zur Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt und zur Sozialversicherung. In der Praxis sorgt jedoch – wie auch bei der einheimischen Bevölkerung – die defizitäre ökonomische und staatlich-administrative Situation des Landes für starke Einschränkungen bei der tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Rechte (vgl. Bundesamt für …, Länderinformation: Griechenland, Stand: Mai 2017, S. 5 – abrufbar unter https://www…de; nachfolgend: BAMF, Länderinformation vom Mai 2017, AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 215, 217, 219 ff.). Das Fehlen von Integrationsmaßnahmen und die fortwährenden Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise in Griechenland führen oftmals zu einer Marginalisierung und sozioökonomischen Exklusion von anerkannten Schutzberechtigten in Griechenland (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Griechenland, Gesamtaktualisierung am 5.8.2016, S. 16). Durch die von der Coronakrise verursachte wirtschaftliche Verschlechterung in Griechenland (Schrumpfung des realen BIP 2020 um 9,5%, vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/14538/umfrage/wachstum-des-bruttoinlandsprodukts-in-griechenland/) ist davon auszugehen, dass sich der tatsächliche Zugang zum Wohn- und Arbeitsmarkt für anerkannte Schutzberechtigte zum aktuellen Zeitpunkt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verschlechtert hat.
(2) Anerkannte Schutzberechtigte haben seit 2013 Zugang zu Unterbringung unter den gleichen Bedingungen wie Drittstaatsangehörige, die sich legal in Griechenland aufhalten. Es gibt keine speziellen Unterbringungsmöglichkeiten oder finanzielle Unterstützung für Wohnzwecke für Schutzberechtigte (vgl. AA an VG Leipzig vom 27.12.2017, S. 3, AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 218). Diese müssen sich auf dieselben limitierenden sozialstaatlichen Möglichkeiten verlassen, die auch griechischen Bürgern offenstehen. Eine staatliche Sozialleistung zur Wohnungsunterstützung – auch für die griechische Bevölkerung allgemein – besteht ebenso wenig wie Hilfe bei der Wohnungssuche. Zwar wurde zum 1. Januar 2019 eine Wohnungsbeihilfe beschlossen, deren Voraussetzung allerdings ein fünfjähriger dauerhafter Voraufenthalt in Griechenland sein soll (vgl. AA an VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 5). Vereinzelt stehen kleinere Wohneinheiten zur Verfügung, die v.a. vom UNHCR angemietet werden. Eine private Anmietung von Wohnungen durch Flüchtlinge ist schwierig, da Vermietungen in der griechischen Gesellschaft traditionell vorzugsweise innerhalb des Familien- und Bekanntenkreises erfolgen (vgl. BAMF, Länderinformation vom Mai 2017, S. 6); gelegentlich erschweren Vorurteile den Zugang (vgl. AA an VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 5). Zudem ist es sehr teuer, eine geeignete Unterkunft zu finden, was zu Obdachlosigkeit führen kann (vgl. BFA, Länderinformationsblatt vom 5.8.2016, S. 16). Im Falle von Obdachlosigkeit müssen die Flüchtlinge mit bedürftigen Griechen um die geringen Hilfsmöglichkeiten lokaler Behörden konkurrieren, wobei sie oftmals Diskriminierungen ausgesetzt sind (vgl. BFA, Länderinformationsblatt vom 5.8.2016, S. 16; Pro Asyl vom 23.6.2017, S. 14).
Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte werden nicht erneut in den Flüchtlingslagern oder staatlichen Unterkünften untergebracht. Zwar leben dort auch anerkannt Schutzberechtigte, jedoch nur solche, die bereits als Asylsuchende dort untergebracht waren und über die Anerkennung hinaus dort verblieben sind und zudem nur für einen mehrmonatige Übergangszeitraum (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.). Von einer Unterbringung kann nur ausgegangen werden, soweit eine explizite Zusage im Einzelfall zur Betreuung des Rückkehrers seitens der griechischen Behörden vorliegt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, a.a.O.). Auch haben die zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten keinen Zugang zu einer Unterbringung im Rahmen des EUfinanzierten und durch das UNHCR betriebenen ESTIA-Programms (Emergency Support to Accommodation and Integration System). Dieses steht nur Asylsuchenden und begrenzt zwischenzeitlich auch für international Anerkannte zur Verfügung, die bereits dort gelebt haben (Auskunft des Auswärtigen Amtes (AA) an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.; Auskunft AA an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft AA an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2; Pro Asyl, Returned recognized refugees face a dead-end in Greece – a case study, Stand 4.1.2019, S. 3). Durch das neue Asylgesetz Nr. 4636/2019, das am 1. November 2019 in Kraft trat, wurden die Bedingungen für die anerkannt Schutzberechtigten überdies verschärft (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2). Durch die Asylgesetzänderung im März 2020 sind Asylbewerber verpflichtet, 30 Tage nach Erhalt des Bescheids, mit dem ihnen internationaler Schutz zuerkannt wird, aus staatlichen Unterkünften und Unterkünften des ESTIA-Programms auszuziehen. Spezielle Sach- und Geldleistungen werden ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gewährt; die Anerkannten sollen sich selbst versorgen. Für extrem vulnerable Personen sind Ausnahmen vorgesehen (AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 217 f.).
(3) Es besteht ein gesetzlich verankerter unmittelbarer Zugang zum Arbeitsmarkt für anerkannte Schutzberechtigte (AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 219). Aufgrund der hohen Arbeitslosenrate in Griechenland, der schwierigen Beschaffung der erforderlichen Tax Registration Number (AFM), der Social Security Number (AMKA) und eines Bankkontos und dem Wettbewerbsnachteil gegenüber griechisch-sprachigen Arbeitssuchenden bestehen für anerkannte Schutzberechtigte in der Praxis erhebliche Hindernisse bei der Suche nach einer offiziellen Anstellung (AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 219 f., S. 165 ff.). Die Arbeitslosenquote in Griechenland stieg infolge der Euro- und Finanzkrise von 7.75% im Jahr 2008 auf den Höchststand von 27,48% im Jahr 2013. Seitdem fiel die Arbeitslosenquote und beträgt im September 2020 – wegen der coronabedingten Rezession – nunmehr 16,8% (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/160142/umfrage/arbeitslosenquote-in-den-eu-laendern/; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/17312/umfrage/arbeitslosenquote-in-griechenland/), wobei Drittstaatenangehörige in der Arbeitslosenstatistik überrepräsentiert sind (AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 220). Die Chancen zur Vermittlung eines Arbeitsplatzes sind gering (vgl. BFA, Länderinformationsblatt vom 5.8.2016, S. 16). Die staatliche Arbeitsagentur OAED hat bereits für Griechen kaum Ressourcen für die aktive Arbeitsvermittlung (Betreuungsschlüssel: 1 Mitarbeiter für über 1.000 Arbeitslose). Eine nationale Integrationsstrategie plant zwar verschiedene Projekte zur Arbeitsmarktintegration von anerkannten Schutzberechtigten, die jedoch noch umgesetzt werden müssen (AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 220). Die meisten anerkannten Schutzberechtigten sind für die Erwirtschaftung ihres Lebensunterhaltes von Geld- oder Sachleistungen Dritter abhängig (AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 220)
(4) Zwar haben anerkannt Schutzberechtigte rechtlich in gleicher Weise wie Einheimische Zugang zu den vom griechischen Staat bereit gestellten Sozialhilfeleistungen (AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 221). Anerkannt Schutzberechtigte, die das Land verlassen haben, sind aber jedenfalls in den ersten Jahren nach ihrer Rückkehr faktisch von dem Erhalt dieser Leistungen ausgeschlossen. Dies gilt sowohl für die zum Februar 2017 neu eingeführte soziale Grundsicherung in Höhe von 200 Euro als auch das zum 1. Januar 2019 eingeführte Wohngeld in Höhe von 70 Euro (jeweils pro Einzelperson), da die für deren Beantragung erforderlichen Unterlagen (AFM, AMKA, Bankkonto, legaler Aufenthalt in Griechenland, Bescheinigung über Mietvertrag/Wohneigentum oder Obdachlosigkeit) vor allem für Obdachlose in der Praxis kaum zu erlangen sind (AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 221 f.). Abgesehen von weiteren Schwierigkeiten kann insbesondere der durch eine entsprechende Steuererklärung zu erbringende Nachweis eines mindestens zwei- (soziale Grundsicherung) bzw. fünfjährigen (Wohngeld) legalen Inlandsaufenthalts zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigen nicht gelingen (AA, Auskunft an das VG Berlin vom 4.12.2019).
Zum Cash Card-Programm des UNHCR, in dessen Rahmen Asylbewerber finanziell unterstützt werden, haben Rückkehrer mit Schutzstatus ebenfalls keinen Zugang (AA, Auskunft an das VG Berlin vom 4.12.2019; Auskunft an das VG Stade vom 6.12.2018).
Zwar hat das griechische Migrationsministerium in den vergangenen Monaten einen Integrationsplan in Form eines Strategiepapiers erarbeitet, dieser soll jedoch erst in den kommenden Monaten der Öffentlichkeit präsentiert werden und statuiert keine rechtlich bindende Wirkung für z.B. griechische Kommunen; finanzielle Verpflichtungen werden darin nicht definiert (vgl. AA an VG Schwerin vom 26.9.2018). Ein staatliches Angebot kostenloser Sprachkurse zur Integrationsförderung existiert nicht (vgl. AA an VG Trier vom 22.12.2016, S. 1).
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass in Griechenland mit Schwerpunkt in Athen und Thessaloniki, wo auch die meisten Schutzberechtigten leben, zahlreiche internationale und lokale Nichtregierungsorganisationen aktiv sind, die Unterstützungsleistungen anbieten. Sie helfen bei der Beschaffung der für die Beantragung von Sozialhilfe erforderlichen Dokumente, bieten Sprachkurse an, bieten Wohnraum an und unterstützen bei der Arbeitssuche. Viele Nichtregierungsorganisationen unterhalten zudem Suppenküchen, in denen Bedürftige – auch anerkannt Schutzberechtigte – warme Mahlzeiten erhalten. Diese Hilfsmaßnahmen, bei denen kein Grund für die Annahme besteht, dass sie der Antragsteller nicht wird in Anspruch nehmen können, bilden ein „elementares Auffangnetz gegen Hunger und Entbehrungen“ (vgl. AA, Auskunft an das VG Schwerin vom 28.9.2018; AA, Auskunft an VG Chemnitz vom 1.2.2019, AA, Auskunft an das VG Stade vom 6.12.2018).
(5) Seit Februar 2016 haben anerkannte Schutzberechtigte einen gesetzlichen Anspruch auf unentgeltliche medizinische Behandlung (vgl. AA an VG Trier vom 22.12.2016, S. 2) und sind in die staatliche Krankenversicherung mit einbezogen (vgl. AA an VG Köln vom 7.2.2018., AIDA, Country report: Greece, Update 2019, S. 222 f.). Faktisch sind die staatlichen Kliniken und Gesundheitsträger aber aufgrund der Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise überlastet (vgl. AA an VG Trier vom 22.12.2016, S. 2). Die Realisierung der genannten Rechte ist in der Praxis nicht stets gewährleistet (AIDA, Update 2019, Country Report: Greece, S. 222 f.). Kostenfreie Notfallversorgung im Krankenhaus ist aber gewährleistet (vgl. AA an VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 5).
(6) Zu sehen ist schließlich auch die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 8. Dezember 2016 an die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Überstellung nach Griechenland gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013. Die Überstellung von Personen nach Griechenland im Rahmen von Dublin-Rückführungen wurde 2011 von den Mitgliedstaaten zunächst weitgehend ausgesetzt, nachdem in den Urteilen des EGMR vom 21. Januar 2011 (30696/09, M.S.S./Belgien u. Griechenland a.a.O.) und des EuGH vom 21. Dezember 2011 (C-411/10 und C-493/10 – juris) festgestellt worden war, dass das griechische Asylsystem systemische Mängel aufweise, aufgrund der Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, bei einer Überstellung nach Griechenland der Gefahr einer Verletzung ihrer Menschenrechte ausgesetzt wären. Seitdem verfolgt das Ministerkomitee des Europarats die Lage in Griechenland auf der Grundlage von Fortschrittsberichten, die Griechenland als Nachweis dafür vorlegen muss, dass es dem Urteil Folge leistet, und auf der Grundlage von Informationen von in Griechenland tätigen Nichtregierungsorganisationen und internationalen Organisationen. In der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 8. Dezember 2016 an die Mitgliedstaaten stellt diese fest, dass Griechenland seitdem beträchtliche Fortschritte bei der Schaffung der grundlegenden institutionellen und rechtlichen Strukturen erzielt hat, die für ein ordnungsgemäß funktionierendes Asylsystem erforderlich sind. Die Aussichten seien gut, dass das Land in naher Zukunft über ein voll funktionierendes Asylsystem verfügen werde, sobald die verbliebenen Unzulänglichkeiten in Bezug auf die Aufnahmebedingungen und die Behandlung Schutzbedürftiger, vor allem unbegleiteter Minderjähriger, beseitigt worden seien. Aus diesem Grund sei es angebracht, eine allmähliche Wiederaufnahme der Überstellungen auf der Grundlage von Einzelfallzusicherungen zu empfehlen, wobei die Kapazitäten zur Aufnahme von Asylbewerbern und zur EUrechtskonformen Bearbeitung ihrer Anträge und die gegenwärtig unzulängliche Behandlung bestimmter Personenkategorien (Schutzbedürftige, einschließlich unbegleiteter Minderjähriger) berücksichtigt werden sollten (Rn. 34 und 35 der Empfehlung).“
2.2.3. Das Vorbringen des Antragstellers im Rahmen seiner Asylerstverfahren vor dem Bundesamt und im Rahmen der laufenden Gerichtsverfahren führt nicht zur Einschätzung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Antragstellers bei einer Rückkehr nach Griechenland anzunehmen ist.
(1) Das Gericht würdigt insbesondere den Vortrag des Antragstellers im Rahmen seines Asylerstverfahrens dahingehend, dass er trotz mehrfacher Umzüge jederzeit in den fast zwei Jahren seines Aufenthalts in Griechenland in der Lage war, neue Kontakte zu knüpfen und bei Freunden und Bekannten zu wohnen. Ernstliche Zweifel, dass es dem Antragsteller bei einer Rückkehr nicht gelingen wird, eine angemessene Unterkunft (bei Freunden, Bekannten oder mithilfe von staatlichen Behörden oder NGOs) zu finden, hegt das Gericht daher nicht. Mehrfach wandte sich der Antragsteller nach seinen Angaben an staatliche Behörden oder die UNO, die ihm nach eigenen Angaben auch ernst nahmen und sich nicht gleichgültig verhielten. Zwar gab der Antragsteller an, Sozialleistungen nur die ersten zwei Monate bekommen zu haben, bis er selbst das Asylbewerberheim verließ und dass ein Mitarbeiter der Behörde, ihm keine Unterkunft beschaffen habe können. Andererseits erläuterte er mehrfach, dass er mithilfe der UNO zweimal umgezogen sei und auch in Eigeninitiative bei Bekannten/Freunden unterkommen konnte. Gearbeitet habe er nach eigener Auskunft nicht, weil es aus Sicht des Antragstellers ihm nicht zumutbar gewesen sei, zu arbeiten. Trotz mehrfacher Nachfrage erklärte der Antragsteller nicht substantiiert, wie er seinen Lebensunterhalt in Griechenland bestritt und führte hierzu nur immer wieder ausweichend aus, bei Freunden gewohnt zu haben, die ihn unterstützten. Auch war es dem Antragsteller nach eigenen Angaben möglich, sich ein neues Handy zu kaufen, so dass nicht davon auszugehen ist, dass er sein absolutes Existenzminimum nicht zur Verfügung hatte. Der pauschale Vortrag, viele Tage gehungert zu haben und vier Tage nicht gegessen zu haben, wirkt vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft. Der Antragsteller hielt sich knapp zwei Jahre in Griechenland auf, suchte bereits nach eigenen Angaben keine Arbeit und erhielt sich mit Hilfe von Freunden am Leben. Anhaltspunkte, warum es dem Antragsteller nicht gelingen sollte, wieder mit seinen Kontakten vorübergehend Unterkunft und Lebensunterhalt zu finden und dadurch eine Starthilfe – diesmal für eine Arbeitssuche – zu erhalten, sind nicht ersichtlich. Auch die vom Antragsteller mehrfach geschilderten Übergriffe von anderen Flüchtlingen bleiben vage und unglaubhaft. Er gab an, sich trotz seiner vielen Umzüge wegen seiner Spitzeltätigkeit für den griechischen Geheimdienst als bedroht zu fühlen, konnte hierfür jedoch keinerlei Nachweis vorbringen. Der Vortrag im Asylerstverfahren ist diesbezüglich wirr und unsubstantiiert. Auch betonte er durchs eine Anhörung, dass er viele Beweise auf Video habe, die er jedoch alle verlor bzw. mit dem Handy gestohlen worden seien. Dass der Antragsteller in ganz Griechenland und trotz mehrfacher Umzüge derart in Gefahr sei, dass es ihm aufgrund einer deswegen drohenden Gefahr unzumutbar sei, eine Arbeit nachzugehen, wurde nicht glaubhaft gemacht und im Wiederaufgreifensverfahren auch nicht vorgetragen. Mithilfe einer Unterkunft wird es dem Antragsteller jedoch nach Würdigung des Gerichts bei Anstrengung der ihm zuzumutenden Eigeninitiative gelingen, eine Arbeit zu finden bzw. sich in das Sozialleistungssystem Griechenlands zu integrieren. Hilfsweise kann der Antragsteller auf die wertvolle Arbeit der NGOs vor Ort für die erste Übergangszeit verwiesen werden.
(2) Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers in Bezug genommene Pressemitteilung von Ärzte ohne Grenzen vom 14. Juli 2020, laut der die griechischen Behörden mehr als 11.000 Geflüchtete auf dem griechischen Festland und auch auf den griechischen Inseln aus ihren Unterkünften für Flüchtlinge begann auszuweisen, um Platz für Personen im Asylverfahren aus den überfüllten Flüchtlingslagern auf den Inseln zu schaffen, ändert nichts an der vorliegenden Entscheidung. Nach der Pressemitteilung seien viele der aus den Unterkünften ausgewiesenen Personen äußerst schutzbedürftig, was dafürspricht, dass es angesichts der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Gesamtlage in Griechenland vor allem vulnerablen Schutzberechtigten besonders schwerfällt, sich eigeninitiativ Arbeit und Unterkunft in Griechenland zu verschaffen. Etwas anderes erwartet das Gericht nach Würdigung o.g. Erkenntnismittel nicht. Allerdings gehört der Antragsteller nicht zur Gruppe der vulnerablen Schutzberechtigten. Auch die zusätzliche Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt ist für den Antragsteller, der nach seinen Angaben über zwei Jahre bei verschiedenen Bekannten in verschiedenen Teilen Griechenlands unterkommen konnte, wegen seiner Kontakte nicht relevant.
(3) Auch aus dem Bericht von ProAsyl vom 14. September 2020 sowie die Stellungnahme vom 4. Juni 2020 ergibt sich für den Antragsteller nichts anderes: Ebenso wie die Pressemitteilung von Ärzten ohne Grenzen wird in dem Bericht ausgeführt, dass Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung nicht mehr länger als einen Monat in einem Asylbewerberheim geduldet werden. Der Bericht bezieht sich hierbei vor allem auf die humanitären Bedingungen für mehrere vulnerable, afghanische Familien mit Kleinkindern und Neugeborenen („Recognised but unprotected“, 3. August 2020). Explizit hängt der Zugang zu Sozial- und Dienstleistungen des griechischen Staates von einer schriftlich bestätigten Unterkunft ab. Die Stellungnahme von Refugee Support Aegean gegenüber dem EGMR erfolgte zu Gunsten einer vierköpfigen syrischen Familie.
2.2.4. Der Antragsteller gehört nicht zu einem besonders vulnerablen Personenkreis, sodass es ihm auch angesichts der aktuell vorherrschenden schwierigen Bedingungen in Griechenland zumutbar ist, durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen und sich um die Inanspruchnahme der ihm angebotenen Hilfeleistungen zu bemühen. Eine Gesamtwürdigung der vorstehenden Erkenntnisse ergibt, dass anerkannten Schutzberechtigten in Griechenland im Grundsatz die gleichen (einschränkenden) Rechte zustehen wie der einheimischen Bevölkerung, von der ebenfalls erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgt. Dies ist unionsrechtlich nicht zu beanstanden (so auch VG Ansbach, B.v. 31.08.2020 – AN 17 S 18. 50859 – juris; VG Regensburg, U.v. 28.9.2020 – RO 13 K 19.31839 – unveröffentlicht). Unter Heranziehung des oben dargestellten strengen Maßstabs nach der Rechtsprechung ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann in Griechenland eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 EuGRCh droht. Individuelle, gefahrerhöhende Umstände in seiner Person hat der Antragsteller im maßgeblichen Folgeschutzverfahren nicht vorgetragen. Das Gericht verkennt auch nicht, dass der Zugang zu Sozialleistungen in Griechenland zwar in einer Anfangsphase nicht sicher gewährleistet ist und es allgemein in der Praxis äußerst schwierig ist, eine geregelte Arbeit und eine angemessene Unterkunft zu finden, jedoch können dem Antragsteller als jungen und gesunden Mann vorübergehend auch schwierige Verhältnisse zugemutet werden. Er ist in seiner Eigeninitiative nicht durch familiäre Zwänge oder Verpflichtungen eingeschränkt, und kann sich ohne Einschränkung der Alltagsbewältigung und Erwirtschaftung seines Lebensunterhalts widmen (ebenso VG Ansbach, B.v. 31.08.2020 – AN 17 S 18. 50859 – juris; VG Regensburg, U.v. 28.9.2020 – RO 13 K 19.31839). Insbesondere hat der Antragsteller bereits unter Beweis gestellt, dass er mithilfe von Bekannten/Freunden an mehreren Orten in Griechenland sein Existenzminimum sichern konnte und vor allem mithilfe der UNO mehrfach eine Unterkunft erhielt. Auch eine Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft oder in informellen Strukturen ist dem Antragsteller vorübergehend zumutbar. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bieten – wie ausgeführt – insbesondere NGOs Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und Integration an, an die der Antragsteller sich wenden kann (vgl. VG Ansbach, B.v. 31.08.2020 – AN 17 S 18. 50859 – juris). Der Antragsteller hat damit mangels anderweitigem Vorbringen ein Netzwerk, auf das er zurückgreifen kann, seine Eigeninitiative in Griechenland bereits unter Beweis gestellt und kann bei einer Rückkehr seine Kräfte (anders als nach seinen eigenen Angaben im Rahmen seines ersten Aufenthalts in Griechenland) voll auf den Erhalt der notwendigen Dokumente, einer Arbeitsstelle und einer eigenen Unterkunft richten. Mit einer Verelendung des Antragstellers ist bei der ihm zuzumutenden Eigeninitiative und bei Inanspruchnahme der angebotenen Unterstützung somit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu rechnen.
Damit liegen die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG weiterhin nicht vor.
2.3. Ein Anordnungsanspruch ergibt sich mangels Vortrags nicht aus einem glaubhaft gemachten Anspruch aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
2.4. Der Hauptantrag ist mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abzulehnen.
3. Die Hilfsanträge sind bereits nicht statthaft, da der Antragsteller keinen Asylfolgeantrag nach § 71 Abs. 1, 13 AsylG stellte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter Punkt 1.1. Bezug genommen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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