Verwaltungsrecht

Keine asylrechtliche Berufungszulassung wegen Gehörsverletzung durch Ablehnung eines Beweisantrags

Aktenzeichen  10 ZB 18.32973

Datum:
22.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32442
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 86 Abs. 2, § 138
AufenthG § 60 Abs. 7, § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

1 Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerwG BeckRS 2015, 51746), d.h. ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 133228). Demgegenüber kann von Willkür dann nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG BeckRS 2015, 50913). (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Nach dem Wortlaut des § 60a Abs. 2c S. 2 und 3 AufenthG genügt das Attest einer psychologischen Psychotherapeutin zur Glaubhaftmachung einer die Abschiebung beeinträchtigenden psychischen Erkrankung nicht (vgl. NdsOVG BeckRS 2018, 21725). (Rn. 6) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 21 K 17.43788 2018-09-14 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel, durch die Ablehnung ihres Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung sei der Klägerin das rechtliche Gehör versagt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO), nicht vorliegt.
Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf Gewährung von rechtlichem Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn 10), d.h. ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (BayVGH, B.v. 20.11.2017 – 11 ZB. 31318 – juris Rn. 4). Von Willkür kann insbesondere dann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. September 2018 beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass sie schwer psychisch erkrankt und aus diesem Grund auf ständige fachärztliche und psychotherapeutische Behandlung angewiesen ist, um Eigengefährdungen entgegenzuwirken, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.
Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung als nicht hinreichend substantiiert abgelehnt. Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG werde vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstünden. Die gesetzliche Vermutung könne nur durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung widerlegt werden, die den inhaltlichen Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG entspreche. Bei dem psychotherapeutischen Attest handle es sich nicht um eine ärztliche Bescheinigung. Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen genügten nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG, weil insbesondere die Methode der Tatsachenerhebung nicht angegeben sei.
Zur Begründung ihres Zulassungsantrags bringt die Klägerin vor, dass ein qualifizierter Rechtsverstoß vorliege, weil die Atteste der Psychologischen Psychotherapeutin ärztliche Bescheinigungen im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG darstellten. Des Weiteren erfüllten die Atteste der Psychologischen Psychotherapeutin die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Mindestanforderungen sowie die restlichen Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG.
Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung wegen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil das Verwaltungsgericht den Beweisantrag in rechtlich vertretbarer Weise als unsubstantiiert abgelehnt hat. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, Atteste von Psychologen und Psychotherapeuten stellten keine ärztlichen Bescheinigungen im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG dar, stützt sich auf die neuere Rechtsprechung, die das Verwaltungsgericht im Urteil vom 14. September 2018 auch teilweise (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 – 2 O 31/16 – juris Rn. 9) aufgeführt hat. Nach dem Wortlaut des § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG genügt das Attest einer psychologischen Psychotherapeutin zur Glaubhaftmachung einer die Abschiebung beeinträchtigenden psychischen Erkrankung nicht (vgl. SächsOVG, B.v. 9.5.2018 – 3 B 319/17 – juris Rn. 9; NdsOVG, B.v. 7.9.2018 – 10 LA 343/18 – juris Rn. 11; OVG Bremen, B.v.13.6.2018 – 2 LA 50/17 – juris Rn. 7). Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat mit Blick auf die durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) erfolgte Änderung des § 60a Abs. 2c AufenthG seine frühere Rechtsprechung (B.v. 6.11.2017 – 2 LA 129/16 – juris) ausdrücklich aufgegeben und vertritt nunmehr die Auffassung, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots durch ein ärztliches Attest zu substantiieren sind. Es kommt somit nicht darauf an, dass in der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. August 2016 (20 ZB 16.30110) insoweit eine andere Rechtsauffassung vertreten wird.
Ist demnach das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Attest einer Psychologischen Psychotherapeutin zur Substantiierung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht ausreicht, kommt es nicht mehr darauf an, ob die vorgelegten Bescheinigungen den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG genügen.
Zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichts die ärztlichen Atteste vom 14. März 2017, 25. Juli 2017 und 7. September 2018 betreffend verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht. Die Richtigkeit dieser Ausführungen könnte im Übrigen nicht mit einer Gehörsrüge nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO angegriffen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG.
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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